Der hl. Gelasius I.
von
Eugen Golla
Als Gelasius im Jahre 492 die Regierung der Kirche übernahm, wurde die
christlich Welt überwiegend von schismatischen, irrgläubigen und
heidnischen Herrschern regiert. Der byzantinische Kaiser hatte
bewirkte, daß die Ostkirche sich von Rom getrennt hatte, der neue
Herrscher Italiens, Theoderich, war wie die meisten ostgotischen
Fürsten Arianer und der Frankenkönig Chlodwig, ließ sich erst einige
Jahre später, hauptsächlich auf die Bitten seiner heiligmäßigen Gattin
Chlotildis, taufen.
Nur wenige Jahre waren Gelasius vergönnt, den Stuhl Petri innezuhahen;
aber der hierfür Prädestinierte wurde besonders durch seine
unermüdIiche Verteidigung des päpstlichen Primats einer der
bedeutendsten Päpste zwischen Leo dem Großen (440 - 461) und Gregor dem
Großen (590 — 604).
Wie bei einem Großteil der Päpste der frühchristlichen Zeit befinden
wir uns hinsichtlich seiner Lebensdaten im Dunkeln, ja wir können nicht
einmal sein Herkunftsland eindeutig bestimmen. Er bezeichnete sich
gerne als "Romanus natus", einen geborenen Römer, aber viele Autoren
neigen dazu, als seine Heimat Nordafrika anzuführen, das bis zu seiner
Islamisierung viele Heilige hervorgebracht hatte, wie z.B. Augustinus,
Cyprian, Perpetua und Felicitas. Feststeht aber, daß er seines
Vorgängers, des Papstes Felix III., einflußreicher Sekretär und
Ratgeber war.
Als eifriger Verteidiger der obersten Gewalt des päpstlichen
Stuhles bemühte er sich von Anfang an, das Schisma der byzantinischen
Kirche zu beheben. Es war dies eine schwierige Aufgabe, denn bereits
seit acht Jahren herrschte die Trennung, seitdem der Patriarch von
Konstantinopel, Akazios, vom Kaiser unterstützt, den auf dem Konzil von
Ephesos verurteilten Monophysitismus förderte, der die göttliche
Einheit so stark betonte, daß die wahre Menschheit Christi preisgegeben
schien. Folgerichtig wurde er daher von Papst Felix aus der Kirche
ausgeschlossen. Sein zweiter Nachfolger, der Patriarch Euphemios, der
kein Anhänger der Monophysiten war, übeesandte Gelasius anläßlich
seiner Erhebung ein Glückwunschschreiben. Dieser konnte aber trotzdem
die Wiederherstellung der kirchlichen Gemeinschaft nicht genehmigen.
Euphemios weigerte sich nämlich, den Namen des Akazios und dessen
Nachfolger aus den sogenannten Diptychen (d.s. Gedenkrollen, auf denen
die Namen aller aufgeführt sind, derer im Kanon gedacht werden soll)
streichen zu lassen. Dies bedeutete, daß deren Rechtgläubigkeit in
Konstantinopel weiter anerkannt wurde, was einer Billigung der
monophysitischen Häresie gleichgekommen wäre.
(Die wichtigsten Teile des päpstlichen Antwortschreibens sind in
EINSICHT, 29. Jahrgang, Nr. 5 vom Dezember 1999 unter dem Titel "Warum
ein Häretiker im Kanon der hl. Messe nichts zu suchen hat" erschienen.
Diese päpstliche Entscheidung erhält in der gegenwärtigen Situation der
Kirche neue Akualität, indem wir die Namen von 'Päpsten' und
'Bischöfen' im Kanon nicht erwähnen.)
So war es diem Heiligen nicht vergönnt, das erste g:roße Schisma des
Ostens zu beenden; dies erfolgte erst unter der Regierung des Kaisers
Justinian, des Erbauers der Hagia Sophia im Jahre 518. Gelasius erwies
sich auch darin als ein Kämpfer für den Vorrang der römischen Kirche,
daß er zwar Alexandrien und Antiochien ihre Rechte auf den zweiten und
dritten Sitz nach Rom anerkannte, aber Konstantinopel, das auf seine
Vorrechte als Kaiserresidenz pochte, sogar die Metropolitanrechte
verweigerte.
Ferner entwickelte er in einem Schreiben an den Kaiser Anastasios die
sogenannte Zweigewalten-Lehre, die im Mittelalter für die Beziehungen
zwischen Staat und Kirche eine große Rolle spielte, ja noch bis zum
Vatikanischen Konzil von 1869/70 eine gewisse Geltung besaß. "Zwei sind
es, erhabener Kaiser, durch die in erster Linie diese Welt regiert
wird: die geheiligte Autorität der Bischöfe und die königliche Gewalt.
Von diesen ist die Last der Bischöfe um so schwerer, als sie auch für
die Könige der Menschen vor Gottes Richterstuhl Rechenschaft ablegen
müssen. Du weißt es ja, daß, wenn Du auch an Würde des
Menschengeschlechtes überragst, Du doch demütig vor den Vorstehern der
Religion den Nacken beugst und von ihnen die Mittel für Dein ewiges
Heil erwartest..." Mit diesen Worten grenzte er die
Wirkungskreise der beiden höchsten irdischen Gewalten ab und legte so
gleichsam einen Schutzwall um die Kirche, damit sie nicht wie in
Ostrom, ein Spielball der weltlichen Macht werde.
Unermüdlich sorgte er auch für die Reinerhaltung des Glaubens. So
erließ er drei scharfe Schreiben gegen die Anhänger des besonders vom
hl.Augustinus bekämpften PeIagianismus, der die Erbsünde leugnete und
überzeugt war, der Mencch vermöge ohne den Beistand der göttlichen
Gnade sein Heil zu wirken. Nicht minder energisch trat er gegen den der
Gnosis entstammenden gefährlichen Manichäismus auf.
Seine Regierungzeit fieI in die Endzeit der heidnischen Antike, schon
529 wurde Athen die letzte der Philosophenschulen geschlossen. Aber
immer noch erlagen manche Römer der Faszination des alten Rom. So
versuchte der Senator Andronicus das im Februar auf dem Palatin
abgehaltene Lupercalien-Fest wieder zum Leben zu erwecken, welches die
Erinnerung an das entfernteste AItertum, die Zeiten vor Romulus, als
Hirten den Palatin bewohnten, feierte. Da schritt Gelasius ein, zumal
er fürchtete, daß dieses Fest Unruhe erwecken könne. So schrieb er:
"Wahrlich, ungeheuer ist die Sünde dessen, der, während er doch ein
Christ sein will und sich für einen solchen ausgibt, keine Scham fühlt,
zu behaupten, daß darum Krankheiten entstehen, weil man die Dämonen
nicht mehr ehre, dem Gott Februarius nicht mehr Reinigungsopfer
bringe." Daß er aber dafür das Fest Mariä Reiniguung (Lichtmeß)
einsetzte, ist sehr zweifelhaft, da dieses von Osten kommend, etwas
später in Rom eingeführt wurde. Gelalius machte sich auch um die
Entwicklung der Liturgie verdient. Obwohl es feststeht, daß das
Sacramentarium Gelasianum (die Sacramentarien waren die vor dem
Gebrauch des Missales benützten Sammlungen der amtlichen Gebete für die
Eucharistiefeier) zu Unrecht seinen Namen trägt, enthält es doch von
ihm verfaßte Gebete und Präfationen; vielleicht stammen auch 12
Messen und Präfationen des Sacramentariums Leoninum von ihm.
Groß war sein Interesse an einer gerechten und ordnungsgemäßen
VerwaItung der Kirche. So erinnerte er u.a. den Klerus daran, daß ein
Viertel der kirchlichen Einkünfte den Armen zuzuwenden sei.
Als bei einer Bischofswahl die Oberhirten sich über den Kandidaten
untereinander einigen wollten, bestand er darauf, daß neben dem Klerus
auch das gesamte VoIk zu beteiligen sei. Papst Gelasius starb am 21.
November 496 und wurde im Porticus von St. Peter beigesetzt. Einen
ehrenden Nachruf setzte ihm sein Zeitgenosse, der Mönch Dionysius
Exilguus. Er pries seine Liebe zum Gebet, seine Studien und
schriftstellerische Tätigkeit (auch besitzen wir ca. 150 Briefe von ihm
sowie die seiner Würde entsprechende asketische Lebensweise. Die Kirche
feiert sein Fest am 21. November.
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Benutzte Literatur:
Gelmi, Josef: "Die Päpste in Lebensbildern", Graz-Wien-Köln 1983
Haller, Johannes: "Das Papstum, Idee und Wirklichkeit" Bd. 1, Stuttgart 1934
Seppelt, Franz Xaver: "Geschichte der Päpste," Band 1, München 1954
Stadler, Joh. Ev: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung", Band 2, Augsburg 1861
"Vatikanisches Lexikon" Augsburg 1998, "Vies des Saints" Band 11, Paris 1954
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