Offener Brief an Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II.
Menzingen, den 27. Oktober 1999
Heiliger Vater,
1986 haben Mgr. Lefebvre und Mgr. de Castro Mayer es für ihre Pflicht
gehalten, Sie gemäß dem Beispiel des hl. Paulus (Gal. 2,11) wegen der
Gebetszusammenkunft in Assisi, zu der Sie die Haupt-"Religionen" der
Welt eingeladen haben, öffentlich zurechtzuweisen. Diese öffentliche
Sünde gegen das 1. Gebot Gottes und gegen den 1. Glaubensartikel des
Credo, diese große Beleidigung der höchsten Majestät des einzig wahren
Gottes, der eins und dreifaltig ist, ist ein ungeheures Ärgernis für
die Gläubigen gewesen.
Wie können Sie, der Stellvertreter Christi, Stellvertreter des solus
Sanctus, solus Dominus, solus Altssimus (des alleinigen Heiligen,
des alleinigen Herrn, des alleinigen Allerhöchsten) sich unter die
Vertreter von "Religionen" mengen, die seine Gottheit leugnen? Wie
konnten Sie die katholische Kirche, die einzige Braut Unseres Herrn
Jesus Christus (Eph. V, 26-27) solchermaßen demütigen, indem Sie sie
auf den Rang von Gesellschaften erniedrigten, die nicht von Gott,
sondern aus dem Wollen des Menschen gegründet sind (Joh. I,13)? Wie
konnten Sie die Anhänger von "Religionen", welche den einzigen Mittler
zwischen Gott und den Menschen, Christus Jesus (I Tim. II,5),
zurückweisen oder welche die Existenz eines persönlichen und einzigen
Gottes leugnen und die nichts anderes sind als Atheismus und
Götzendienst, dazu einladen, zu Gott zu beten? Wie konnten Sie diese
Einladung rechtfertigen, indem Sie behaupten, der Heilige Geist wohne
geheimnisvoller-weise in jedem Menschen, da doch der hl. Paulus das
Gegenteil lehrt (Röm. VIII,9)?
Im Augenblick, da Sie am 28. Oktober das Ärgernis von Assisi auf dem
Petersplatz in Rom wiederholen wollen, wagen wir feierlich gegen diese
Sünde Einspruch zu erheben, indem wir die Autorität Ihrer Vorgänger aus
jüngerer Zeit anrufen und Ihnen die Verurteilung, die diese bereits
ausgesprochen haben sowie die dahinterliegenden Irrtümer
entgegenhalten: Pius IX. im Syllabus (Satz 16-18), Leo XIII., der
den "Religionskongreß" mit seinem Brief vom 15. September 1899 verwirft
und Pius XI. in Mortalium animos.
Durch diese interreligiösen Zusammenkünfte stärken Sie Ihre Brüder
nicht im Glauben; im Gegenteil fördern Sie eine grenzenlose religiöse
Gleichgültigkeit und rufen die Spaltung im Innern der Kirche hervor.
Darüber hinaus lassen die humanistischen, rein irdischen,
naturalistischen Themen dieser Zusammenkünfte die Kirche ihrer ganz und
gar göttlichen, ewigen und übernatürlichen Sendung verlustig gehen und
lassen sie auf die Ebene der freimaurerischen Ideale eines Weltfriedens
außerhalb des einzigen Friedensfürsten, Unseres Herrn Jesus Christus,
absinken.
Mgr. Lefebvre hat in dem verderblichen Assisi-Ereignis eines der
"Zeichen der Zeit" erkannt, das ihm erlaubte, legitimerweise ohne Ihre
ausdrückliche Zustimmung Bischofsweihen vorzunehmen und Ihnen zu
schreiben, daß "die Zeit einer offenen Zusammenarbeit noch nicht
gekommen ist". Die seither verflossenen dreizehn Jahre Ihres
Pontifikates haben in keiner Weise diese Zeichen noch ihre unheilvollen
Folgen in der Kirche ausgelöscht, noch die Wunden heilen lassen, die
sie den Herzen der treuen Katholiken zufügen.
Zu dieser ersten Ursache der Trauer kommt die Unterzeichnung der
Gemeinsamen Erklärung der katholischen Kirche und des lutherischen
Weltbundes über die Rechtfertigung vom 31. Oktober dazu. Wie können Sie
die Unterzeichnung erlauben, nachdem Kardinal Cassidy im Namen der
katholischen Kirche dem Text dieser Erklärung in schwerwiegenden
Punkten widersprochen hat, da er Irrtümer und Zweideutigkeiten
aufgedeckt hat?
Ihr Lehramt, das so den vom Bannstrahl getroffenen Irrtum des simul
justus et peccator (der Mensch könne zugleich Sünder und
Gerechter sein) billigt wie auch die Zweideutigkeit über Natur und
Gnade, über die freie und verdienstvolle Mitarbeit mit dieser, verliert
dabei seine Glaubwürdigkeit.
Diese gewiß schwerwiegenden Zeilen sind allein eingegeben von der Liebe
zu unserer Mutter, der heiligen Katholischen Kirche, zum Apostolischen
Stuhl und zum Papst.
Nehmen Sie, Heiliger Vater, den Ausdruck unserer kindlichen Hingabe entgegen.
+ Bernard Fellay, Weihbischof im Dienst der Priesterbruderschaft St. Pius X., Generaloberer
(aus: Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X. Nr. 252 vom Dez. 1999, S. 1 f)
***
Offene Frage an den Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X., Bischof Fellay
Ergertshausen, den 5. Februar 2000
Hochwürdigster Herr 1),
Sie beziehen sich in Ihrer in vorstehendem "Offenen Brief" geäußerten
Kritik an Johannes Paul II., der wir weitgehend zustimmen können, auf
päpstliche Dokumente, in denen dessen Einstellungen und Handlungen
eindeutig verurteilt werden. Dennoch erkennen Sie Johannes Paul II.
(weiterhin) als legitimen Papst an. Kann also nach Ihrer Meinung und
derjenigen der von Ihnen vertretenen Priesterbruderschaft S. Pius X.
jemand, der öffentlich Lehren vertritt, die denen der Kirche
widersprechen, d.h. kann ein offenkundiger Häretiker Papst sein?
Im Sinne einer theologischen Klärung der unterschiedlichen Standpunkte,
die von verschiedenen Gruppen vertreten werden, die vorgeben, sich um
das Wohl der Kirche zu bemühen, bitte ich Sie, diese Frage öffentlich
zu beantworten. Die Beantwortung wäre auch im Hinblick auf die
Beurteilung der Legitimität Ihres kirchlichen Widerstandes nicht nur
für uns von Bedeutung, sondern ebenso für jene Gläubigen von Interesse,
die den Vertretern der von Ihnen geführten Pia unio ihr Vertrauen
schenken.
Eberhard Heller, Redakteur der Zeitschrift EINSICHT
Anmerkung:
1) Die Anrede "Hochwürdigster Herr" beinhaltet nicht die
Aufgabe der wiederholt geäußerten Zweifel unsererseits an der
Gültigkeit von Mgr. Lefebvre Weihen - den erhaltenen und den von ihm
gespendeten.
***
Treueversprechen zu den Positionen
der Priesterbruderschaft St. Pius X.
Das nachfolgende Versprechen hat jeder Priesteramtskandidat zu
unterschreiben, bevor er überaupt zu den Weihen in der
Priesterbruderschaft zugelassen wird.
Ich, Unterzeichneter,
erkenne Johannes Paul II. als rechtmäßigen Papst der heiligen
katholischen Kirche an. Deshalb bin ich bereit, öffentlich für ihn als
Papst zu beten.
Ich weigere mich, ihm zu folgen, wenn er sich von der katholischen
Tradition entfernt, besonders in Sachen der Religionsfreiheit und des
Ökumenismus sowie in jenen Reformen, die für die Kirche schädlich
sind.
Ich gebe zu, daß die nach dem neuen Ritus gefeierten Messen nicht alle
ungültig sind. Indessen im Hinblick auf die schlechten Übersetzungen
des N.O.M., im Hinblick auf seine Zweideutigkeit, die seine
Interpretation in einem protestantischen Sinn begünstigt, und im
Hinblick auf die Vielfalt der Arten seiner Zelebration erkenne ich, daß
die Gefahr sehr groß ist, daß er ungültig ist.
Ich versichere, daß der neue Meßritus, das ist wahr, keine Häresie
ausdrücklich formuliert, daß "er sich aber in beeindruckender Form in
seinem Gesamt wie im Detail von der katholischen Theologie der Messe
entfernt", und daß deshalb dieser Ritus in sich schlecht ist. Deshalb
werde ich niemals die heilige Messe nach dem neuen Ritus feiern, selbst
nicht unter Androhung kirchlicher Strafen, und ich werde niemals auf
positive Weise raten, in aktiver Weise an einer solchen Messe
teilzunehmen.
Ich nehme die liturgische Reform Johannes' XXIII. als rechtmäßig und
mit der Tradition übereinstimmend an. Ich übernehme davon also alle
deren liturgischen Bücher: Meßbuch, Brevier usw., und ich verpflichte
mich, sie ausschließlich zu gebrauchen gemäß ihrem Kalendarium und
ihren Rubriken, insbesondere für die Zelebration der Messe und das
Beten des Breviers.
Indem ich dies alles tue, bringe ich meinen Wunsch zum Ausdruck, meinen
Gehorsam kundzutun, der mich an meine Oberen bindet, und ebenso meinen
Gehorsam, der mich an den Papst in Rom bindet in allen seinen
rechtmäßigen Akten.
Was die Auslegung und den Gebrauch des neuen kanonischen Rechts
betrifft, erkläre ich mich schlußendlich bereit, die Anweisungen meiner
Oberen zu befolgen.
Unterschrift
(nach KYRIE ELEISON, Nr.3/96, S. 78 f.) |