ECONE'S POSITIONSBESTIMMUNG:
EIN NICHT 'UNFEHLBARER' PAPST
von
Mgr. Williamson
aus: MITTEILUNGEN... März 1996, Nr. 207
Vorbemerkung der Redaktion EINSICHT:
Mgr. Williamson ist einer der vier von Mgr. Lefebvre geweihten (oder
'geweihten') Bischöfe. Als solcher ist er Oberer der
Priesterbruderschaft St. Pius X. in Amerika und Leiter des Seminars in
Winona (USA). In seinem Dezember-Rundbrief geht er auf einige Fragen
ein, die recht gut das theologisch widersprüchliche Kirchenverständnis
Econes beleuchten. In den Antworten geht er auch recht offenherzig -
d.h. ohne die theologischen Blößen, die er sich gibt, rhetorisch
vertuschen zu wollen - auf Abgrenzungen zu den Sedisvakantisten ein,
weshalb wir Auszüge aus diesem Interview unseren Lesern nicht
vorenthalten wollen. Eine Kommentierung seiner Darstellung dürfte sich
erübrigen.
***
Frage: Wo ist die wahre Kirche
heute zu finden? Bei der offiziellen katholischen Kirche, oder, wie der
Papst zu sagen scheint, bei den Protestanten, oder bei den sogenannten
Traditionalisten, wie diese behaupten?
Antwort Williamson: Die wahre
Kirche, die von Unserem Herrn Jesus Christus gegründet wurde, ist
einig, heilig, katholisch und apostolisch. Wo immer sie diese Merkmale
finden, dort finden Sie die wahre Kirche. Nun, der Protestantismus
zerstört die Einheit, bringt wenig Heiligkeit hervor, ist nicht
katholisch (d.h. universal) in Zeit und Raum und auch nicht
apostolisch, d.h. gehorsam dem Papst gegenüber. Was die offizielle
katholische Kirche betrifft, wird sie Tag für Tag immer
protestantischer im Glauben wie in der Praxis. Aber die sogenannten
Traditionalisten sind bemerkenswert einig, bringen gute Früchte hervor
(heilig), behalten überall in der Welt den Glauben aller Zeiten bei
(katholisch) und respektieren völlig die Autorität des Papstes
(apostolisch). Es ist daher bei den sogenannten Traditionalisten, wo
Sie heute die wahre Kirche Christi suchen müssen.
Frage: Wollen Sie sagen, daß
die Priesterbruderschaft St. Pius X. die katholische Kirche ist, und
daß es außerhalb der Priesterbruderschaft kein Heil gibt?
Antwort: Keinesfalls! Wo Sie
die vier Merkmale finden, dort finden Sie die katholische Kirche. So
Gott will, findet man die vier Merkmale in der Priesterbruderschaft,
aber sie sind nicht ausschließlich dort.
Frage: Aber erkennt die Priesterbruderschft Johannes Paul II. als Papst an?
Antwort: Ja. Im Sinne des
Erzbischofs Lefebvre hat die Priesterbruderschaft stets die These
abgelehnt, der Stuhl Petri sei unbesetzt, weil diese These mehr
Probleme aufwirft, als sie löst. Die Päpste der letzten Zeit sind
vielleicht nicht gute Päpste, aber sie sind legitime Päpste.
Frage: Aber wenn die Priesterbruderschaft Johannes Paul II. als Papst anerkennt, wie kann sie ihm ungehorsam sein?
Antwort: Weil Jesus Christus
Seine Päpste nicht derart unfehlbar machte, wie viele Katholiken
irrtümlicherweise denken. Es kann vorkommen, daß man, um dem
katholischen Glauben zu gehor-chen, dem Papst "ungehorsam" sein muß,
wie Paulus selbst Petrus nicht gehorchte (Gal. 2, 11-14), oder wie der
große hl. Athanasius dem Papst Liberius "ungehorsam" sein mußte.
Solcher "Ungehorsam" ist jedoch kein echter Ungehorsam, weil er den
Gehorsam Gott gegenüber an erste Stelle setzt.
Frage: Der Häretiker Luther gab auch vor, er müsse dem Papst nicht gehorchen.
Antwort: Schauen Sie nur, was
Luther gelehrt hat! Es ist keine katholische Lehre. Schauen Sie, was
Erzbischof Lefebvre lehrte! Es ist die katholische Lehre. Schauen Sie,
was seine Gegner in Rom im Gegensatz zu ihm lehren. Es ist nicht die
katholische Lehre.
Frage: Das behauptet die Priesterbruderschaft, aber viele Theologen sagen das Gegenteil.
Antwort: Dann muß man, wie Unser Herr uns lehrte, nach den Früchten
urteilen. Welche Lehre füllt die Seminare und Beichtstühle? Welche
entleert sie?
Frage: Ist denn Johannes Paul II. das Oberhaupt zweier verschiedener Kirchen?
Antwort: Es gibt nur eine
katholische Kirche, die an den vier oben genannten Merkmalen zu
erkennen ist. Aber Unser Herr verleiht den Mitgliedern bis zu ihrem
Sterbetag einen freien Willen, so daß Kirchenmänner - bewußt oder
unbewußt - diese Kirche verraten und ihr zahlreiche Seelen entreißen
können. Ein derartiger Prozeß, der oft in der Geschichte der Kirche
vorgekommen ist, vollzieht sich meistens allmählich, wie in der
englischen Reformation, weil die Seelen Schritt für Schritt allmählich
getäuscht werden. Dasselbe sehen wir im heutigen Rom. Auf der einen
Seite ist (wie die Priesterbruderschaft glaubt) Johannes Paul II.
Oberhaupt der einen wahren Kirche. Wenn er als solcher spricht oder
handelt, wie z.B. bei der Verurteilung des Frauenpriestertums oder der
Scheidungsgesetze in Irland, dann leistet ihm die Priesterbruderschaft
Gehorsam, während die Liberalen ihn mißachten. Aber Menschen können
lebende Widersprüche sein, und wenn Johannes Paul wie ein Liberaler
spricht und handelt, z.B. in der Förderung des falschen Ökumenismus
oder der Religionsfreiheit, dann sehen ihn die Liberalen als ihr
Oberhaupt, während Katholiken ihm nicht folgen dürfen, weil der
katholische Glauben selbst gefährdet wäre. Johannes Paul ist also
Oberhaupt der katholischen Kirche, aber wenn er - bewußt oder unbewußt
- sein päpstliches Amt mißbraucht, um den Liberalismus zu fördern,
macht ihn dieser Mißbrauch zum Oberhaupt der Liberalen.
Frage: Also: Als Erzbischof
Lefebvre sagte, er habe nie der Kirche angehört, von der er wegen der
Weihe der vier Bischöfe am 30. Juni 1988 exkommuniziert wurde, meinte
er nicht wirklich die Kirche, sondern die Gemeinschaft der Liberalen.
Antwort: Genau! Von einer
"Kirche" der Liberalen zu sprechen, wäre nur eine Redensart. Ihre
"Kirche" sollte man die "Neue Kirche" nennen, um zu zeigen, daß sie
nicht die wahre Kirche, sondern nur eine betrügerische Nachahmung ist.
Frage: Aber wie konnte Mgr. Lefebvre weiterhin Johannes Paul den Papst der wahren Kirche nennen?
Antwort: Weil die Menschen widersprüchliche Wesen sind, so daß ein und
dieselbe Person zu verschiedenen Zeiten auf widersprüchliche Weise
sprechen und handeln kann. Daß der Papst auf eine gravierende Art und
Weise liberal spricht oder handelt, muß ihn nicht unbedingt für sein
Amt disqualifizieren. Katholiken dürfen nicht weiter als die Lehre der
Kirche den Begriff der Unfehlbarkeit fassen.
Frage: Mit welchem Recht sagte der Erzbischof, daß seine Exkommunikation im Juni 1988 keine Exkommunikation war?
Antwort: Eine katholische
Exkommunikation muß entweder positiv durch eine feierliche Zeremonie
oder automatisch nach dem Kirchenrecht erfolgen. Rom hat niemals eine
Zeremonie zur Exkommunikation des Erzbischofs unternommen. Es hat
lediglich erklärt, er habe sich automatisch nach Kirchenrecht
exkommuniziert. Diese Erklärung war falsch.
Frage: Wieso denn? Ist das Recht der Kirche nicht das, was Rom dazu erklärt?
Antwort: Wenn Rom das Gesetz
ändert, dann ist das Gesetz - innerhalb gewisser Grenzen - so, wie Rom
es ändert. Aber bis zur Änderung bleibt das Gesetz dasselbe, was es
schon ist. Im Sommer 88 stand im Kirchenrecht - und steht noch heute -
gemäß dem gesunden Menschenverstand die Klausel, daß wenn ein Notfall
einen Menschen zum Verstoß gegen ein Gesetz zwingt, bekommt er keine
Strafe für den Verstoß. Nun, der Erzbischof weihte vier Bischöfe nur
deshalb, weil die Liberalen einen massiven Notfall in der Kirche
verursacht hatten. Deshalb konnte er keine katholische, keine echte
Exkommunikation auf sich ziehen. (...)
Frage: Wenn die Weihe der
Bischöfe ohne Erlaubnis von Rom eine weise Handlung des Erzbischofs
Lefebvre war, warum hat er mißbilligt, daß Erzbischof Ngô-dinh-Thuc
(Anm. der Redaktion: dieser Bischof erteilte mehrfach schismatische
Weihen, z.B. auch der Gemeinschaft von Palmar de Troja in Spanien)
(Anm. der Red.EINSICHT: und u.a. den ehemaligem Chef-Dogmatiker Econes,
P. Guerard des Lauriers O.P.!!) dasselbe tat?
Antwort: Innerhalb der
Priesterbruderschaft St. Pius X., die 1970 völlig legitim innerhalb der
katholischen Kirche gegründet wurde, wußte Erzbischof Lefebvre, daß die
Bischofskandidaten in der Vergangenheit eine richtige priesterliche
Ausbildung, in der Gegenwart die nötige Erfahrung hatten und in der
Zukunft einen gewissen Schutz genossen. Er konnte nicht sicher sein,
daß Kandidaten außerhalb der Priesterbruderschaft eine oder mehrere
dieser Bedingungen erfüllen konnten.
Anm. der Red.EINSICHT: Wie
durchsichtig dieses Argument ist, macht man sich am besten dadurch
klar, wenn man weiß, daß der erste von S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc für den
kath. Widerstand geweihte Bischof - ich muß mich wiederholen - der
ehemalige Chef-Dogmatiker Econes, P. Guerard des Lauriers O.P., war,
dem die im Kirchenkampf erfahrenen und exponierten mexikanischen
Priester, die Padres Carmona und Zamora folgten, deren Engagement für
die Kirche auch von Econe und ihrem ehemaligen Chef, Erzbischof
Lefebvre, anerkannt worden war. In Wahrheit wurde S.E. Mgr.
Ngô-dinh-Thuc von seinem ehemaligen Mitstreiter Lefebvre sogar für
"verrückt" erklärt einfach deshalb, weil dieser durch die gespendeten
Bischofsweihen das econeistische 'Monopol' gebrochen hatte, welches
darin bestand, daß die Priesterbruderschaft St. Pius X. glaubte, der
einzige Hort zur Bewahrung der Tradition zu sein, um so auch diese
'Tradition' (kirchenpolitisch) steuern zu können. Mit den
Bischofsweihen, die S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc gespendet hatte, besonders
aber auch durch die Verkündung der DECLARATIO, war dieser Traum einer
Vormachtstellung ausgeträumt.
Eberhard Heller
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