54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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Eberhard Heller: Der Fall Y. Yurchik: Aufnahme in die röm.-kath. Kirche?


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Über das Papsttum der Römischen Bischöfe


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Le Siège apostolique < occupé >


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RECHTFERTIGUNG EINER KÜNFTIGEN PAPSTWAHL


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RECHTFERTIGUNG EINER KÜNFTIGEN PAPSTWAHL
 
RECHTFERTIGUNG EINER KÜNFTIGEN PAPSTWAHL

Eine grundlegende Darstellung unseres Standpunktes
für die katholische Konferenz von 1993


von          
Kenneth J. Mock
übers. von Nikolaus Gamel

Die Vakanz des Apostolischen Stuhles ist eine Tatsache, die nicht länger in Frage gestellt werden kann von jemand, der die neuere Kirchengeschichte studiert hat. Zahlreiche Autoren haben unwiderlegbare Beweise dafür geliefert, welche diese Schlußfolgerung unumstößlich machen. Diese Tatsache soll darum in diesem Positionspapier nicht erneut bewiesen werden, vielmehr ist sie der Ausgangspunkt der folgenden These: Ein legitimer Papst kann wieder den Thron des Hl. Petrus besteigen durch eine vom Kirchenrecht gedeckte Aktion der verbliebenen echten Glieder der Weltkirche.

Als die Tatsache der Vakanz des Heiligen Stuhles offenkundig wurde, begannen gewisse Personen, sich den Titel des Obersten Hirten anzumaßen, oder  versuchten verschiedene Gruppierungen, einen aus ihren Reihen, entweder in dieses höchste Amt in der Kirche zu wählen oder sie dazu zu ernennen. Das Vakuum an Autorität begünstigte eine gewisse "Brut" von Betrügern, die - durch ihre Lebensumstände vorgeprägt - ihre Chance witterten. Sie verschafften sich Bischofsweihen aus trüben Quellen, sie verstanden es, durch hoheitsvolles Auftreten um sich herum eine devote katholische Atmosphäre zu schaffen. So waren sie imstande, Gruppen von frommen und geistreichen Anhängern zu täuschen, welche in ihnen die neuen führenden Männer der katholischen Kirche sahen.

Diese falschen Päpste addieren ihre Namen zu dem des Scheinpapstes in Rom, zu Johannes Paul II., sie haben also die Liste der Pseudopäpste nur verlängert. Zur Zeit sind (bzw. waren) dies: Hadrian VII. (Francis Schuckardt), die beiden Gregors XVII., der eine von St. Jovita in Kanada und der andere in Palmar de Troja, (der inzwischen verstorben ist, aber bereits einen Nachfolger haben soll); dann Emmanuel I. in Italien, Peter II. in Brüssel, Leo XIV. und Clemens XV. (bereits verstorben) in Frankreich. Zu dieser Mannschaft, die alles andere als illustern ist, gesellte sich dann im Juli 1990 David Bawden. Dieser nahm den Namen Michael I. an, legte ihn aber wieder ab, als bekannt wurde, daß Linus ll. als neuer Stern am Himmel der Scheinpäpste aufging. Dieser war am 29. Juni 1994 in Assisi von den Sektierern der Thuc-Linie gewählt worden. Gott allein weiß, wieviele andere in den verschiedenen Teilen der Welt aufgetaucht oder bereits zurückgetreten sind in die Reihen derer, aus denen sie hervorgegangen waren.

Das Phänomen einer solchen Vielfalt von sog. 'Gegenpäpsten' ist völlig neu für die Katholische Kirche, ohne Beispiel in ihrer Geschichte. Es ist - für sich genommen - schon ein Beweis dafür, daß ein großer Glaubensabfall stattgefunden haben muß. Sicherlich würde ein umfassendes Studium dieser Gruppen die Beweggründe ihres Handelns genauer ans Licht bringen und wohl auch den Zusammenhang mit den geistigen Strömungen unserer Zeit aufzeigen. Die Menschen sind immer auch Kinder ihrer Zeit, so daß die subjektive Anrechenbarkeit gemindert ist. Wenn manche es auch noch so gut gemeint haben, so können wir doch nicht davon ausgehen, daß irgendeiner von diesen Leuten ernstlich das Papstamt erlangt hat. Sie alle sind sektiererische Amtsanwärter. 1)

Zu Beginn dieser Studie schlage ich vor, die Methode der Papstwahl zu diskutieren, und zwar unter dem Gesichtspunkt, daß für uns nach wie vor maßgebend ist die kirchenrechtliche Papstwahlordnung von Papst Pius XII. In der Konstitution Vacantis Apostolicae Sedis wird festgelegt, daß ein künftiger Papst nur durch die Kardinäle der Römischen Kirche zu wählen ist. Dieses Gesetz hat aber inzwischen seine Gültigkeit verloren durch die Apostasie der Kardinäle. Davon ausgehend will ich das Wesen der Kirche als eine societas perfecta, d.i. als eine vollkommene menschliche Gesellschaft diskutieren, dann die Rechte und Pflichten ihrer Glieder nach dem Naturrecht im Hinblick darauf zu erörtern, der Kirche wieder ein sichtbares Oberhaupt zu geben. Eine ganze Anzahl von Theologen hat im Laufe der Jahrhunderte diese Frage diskutiert und dargelegt, wie vorgegangen werden soll. Ich möchte die Gedanken dieser Theologen zu einem solchen Eventualfall darlegen. Es gibt das Prin-zip, daß ein Recht oder eine Pflicht von einem auf den anderen übergeht, und zwar sowohl von einer Person auf eine andere oder auch von einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft. Dieses ist auch in unserem Fall, nämlich im Falle der Apostasie der Kardinäle [als Papstwahlgremium] anzuwenden. Mittels dieses Prinzips können wir unser Ziel erreichen, der Kirche wieder ein Oberhaupt zu verschaffen. Die praktischen Mittel, eine Papstwahl durchzuführen, sollen in einer späteren Studie behandelt werden.
      
1. Das Gegenwärtige Papstwahlrecht

"Das Recht zur Wahl eines Papstes steht ausschließlich den Kardinälen der Heiligen Römischen Kirche zu. Jedwede Intervention vonseiten irgendwelcher anderer kirchlicher Würdenträger oder irgendeiner weltlichen Macht, gleich welchen Ranges oder Stellung, ist völlig ausgeschlossen und ohne rechtliche Wirkung." 2)

Dementsprechend haben nur die Römischen Kardinäle das Recht, die Wahl eines künftigen Papstes vorzunehmen. Daß diese gesetzliche Regelung rein kirchliches Recht ist, geht aus dem folgenden Zitat aus einem Werk von Msgr. Charles Journet 3) hervor: "Während einerseits die Vollmacht zur Papstwahl naturgemäß und aufgrund Göttlichen Rechtes der Kirche, Seite an Seite mit dem Papst zusteht, so ist andererseits nirgendwo in der Hl. Schrift angegeben, wie eine solche Wahl konkret durchzuführen ist, wie Johannes von St. Thomas sagt. Es ist Sache des rein kirchlichen Rechtes, zu bestimmen, welche Personen eine gültige Wahl vornehmen können."
      
2. Der Grundsatz vom Außerkraftsetzen der Geltung von kirchlichen Gesetzen aus inneren Gründen

Da das Kirchenrecht rein kirchlich ist, unterliegt es dem Grundprinzip vom Aufhören seiner Geltung im Einzelfall aus inneren Wesensgründen. Dies hat Kardinal Amleto Cicognani 4) ausführlich behandelt:

"Kanon 21 und die beiden folgenden Kanones handeln vom Aufhören kirchlichen Rechtes. Hier wird gefragt: Wann kann man annehmen, daß der Gesetzgeber sein Gesetz widerruft und daß folglich das Gesetz aufhört zu existieren?

Bei der Behandlung der Elemente des Gesetzes sahen wir, daß es angemessen und geziemend ist, daß ein Gesetz dauerhaft und unveränderlich ist. Jedoch hat jedes Gesetz auch etwas unsicheres an sich, weil die Gründe und die Ziele, für die das Gesetz geschaffen wurde, sich ändern können. Da das Gesetz eine Anordnung ist, die auf vernünftigen Beweggründen aufgebaut ist, kann folglich der Fall eintreten, daß es widerrufen werden muß, wenn es nutzlos, schädlich oder unvernünftig wird. Wenn es auch tatsächlich nicht widerrufen worden ist, kann man vernünftigerweise annehmen, daß es widerrufen würde. Denn sein Zweck ist die Seele des Gesetzes und ein Gesetz ohne Seele ist hinfällig, hört auf zu existieren, es stirbt gewissermaßen."

Weiteres Zitat: (Seite 627)

"Ein Gesetz hört auf zu gelten aus inneren Gründen, wenn sein Zweck aufhört. Das Gesetz hört von selbst auf zu gelten. Von außen her hört ein Gesetz auf zu gelten, wenn es von einem Oberen widerrufen wird. Das Ziel eines Gesetzes (entweder sein Zweck oder sein Beweggrund) hört adaequat auf zu existieren, wenn alle seine Zwecke aufhören; inadaequat hört es auf, zu existieren, wenn lediglich irgendein besonderer Zweck nicht mehr existiert. Der Zweck des Gesetzes hört in konträrer Weise auf, wenn ein nachteiliges Gesetz entweder ungerecht oder seine Erfüllung unmöglich wird. Negativ hört der Zweck auf, wenn das Gesetz nutzlos wird. Eine weitere Unterscheidung ist zu machen zwischen allgemeinem und besonderem Aufhören des Zweckes: Allgemein oder universell hört er auf, wenn er sich auf alle dem Gesetz unterliegenden erstreckt oder wenigstens auf die Mehrheit. Partikulär oder in besonders eingeschränktem Maße hört er auf, wenn er sich auf einen Einzelfall bezieht. "

Drei Fälle können vorkommen:
a) Wenn der Zweck des Gesetzes lediglich inadaequat aufhört, hört das Gesetz nicht auf zu gelten, weder für die Gemeinschaft noch für Einzelpersonen, weil der Beweggrund oder die Seele des Gesetzes noch fortbesteht.
b) Wenn der Zweck des Gesetzes adäquat und in konträrer Weise für die Gemeinschaft aufhört, dann hört das Gesetz für die gesamte Gemeinschaft auf zu gelten.
c) Wenn der Zweck des Gesetzes adäquat zu existieren aufhört, wenn er auch nur negativ (nutzlos) wird für eine Gemeinschaft, dann können wir in der Praxis davon ausgehen, daß die Geltung des Gesetzes aufhört, so lehrt die Mehrheit der Kanonistens". 5)

Auf dieser Grundlage können wir die Schlußfolgerung ziehen, daß das kirchliche Papstwahlrecht [von Pius XII.] aus inneren Gründen aufgehört hat zu bestehen, adäquat, in konträrer Weise, das heißt, weil der Wortlaut dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers heute entgegensteht und der eigentliche Sinn des Gesetzes nicht mehr erfüllt werden kann. Zuguterletzt trifft dies universell zu. Folglich liegt hier der o.g. Fall b) vor, die Geltung des Gesetzes hört für die gesamte Gemeinschaft auf.

Da also die Konstitution "Vacantis Apostolicae Sedis" ihre Geltung verloren hat, müssen andere Mittel und Wege gesucht werden für die künftige gültige Wahl des Nachfolgers von Pius XII. Laßt uns weiter forschen und bestimmen, wer das Recht (und die Pflicht) dazu hat im Falle der Ermangelung von den dazu normalerweise qualifizierten Kardinälen (als Papstwählern).
      
3. Die Natur der Kirche als eine vollkommene Gesellschaft

Während der Vorbereitungen für die Konferenz in Spokane im Jahre 1993, begannen verschiedene Personen aus unserem weltweiten Kreis von Korrespondenten unser Recht zu bestreiten, eine Konferenz mit solcher Zielsetzung zu veranstalten. Sie machten u.a. geltend, wir dürften es nicht wagen, das gegenwärtig geltende kanonische Recht zu überschreiten. In meiner Korrespondenz mit diesen Leuten zeigte ich ein fundamentales Problem in ihrer Einstellung auf: Diese Einstellung gibt dem Gedanken Raum, Satan habe mit solch krimineller Energie (modern ausgedrückt) die Kirche unter seine Gewalt gebracht, daß - außer einem direkten Eingreifen unseres Herrn - nichts der Kirche wieder ein sichtbares Oberhaupt geben könne. Ich argumentierte, daß ihre Einstellung die grundsätzliche Natur der Kirche als eine sogenannte societas perfecta, d.i.eine vollkommene menschliche Gesellschaft leugnet, wie sie von Christus gegründet worden ist. Ich führte die folgende Stelle aus einem Werk von Reverend Timothy Mock 6) an:

"Wie aus der Fundamentaltheologie und dem öffentlichen Kirchenrecht bekannt, wurde die Kirche von Christus als eine 'sich-selbst-genügende' Gesellschaft (societas perfecta) gegründet, das heißt, als eine Gesellschaft, die zur Erfüllung ihres Daseinszweckes genau die richtige und umfassend gute Ordnung hat. So hat sie "de jure" - aufgrund ihrer Satzung - alle zur Erreichung ihres Daseinszweckes notwendigen Mittel." (Rev. Mock hat dieses Zitat einem Werk von Kardinal Ottaviani 7) entnommen.)

Wäre eine Kirche, die sich nicht wieder aus sich selbst regenieren könnte, etwa noch eine "societas perfecta?" Natürlich kann sie das nur mit Gottes Hilfe, aber sie ist nicht dazu verurteilt, bis auf die Fundamente abgerissen und von Grund auf neu aufgebaut zu werden. Ist die Kirche auch noch so arg von Satans Zerstörungswut betroffen, so können ihr die Mittel und Wege nicht fehlen, von sich aus weiterzubestehen. Hätte sie diese Mittel nicht, wäre sie dann noch eine "sich-selbst-genügende Gesellschaft"? Wäre eine solche, durch Gottes direktes Eingreifen neu gegründete Kirche, dieselbe Kirche, die Christus auf Petrus und die Apostel bereits gegründet hat? Erheben nicht all die anderen 'Kirchen' mit klingenden Namen den Anspruch, durch irgendeine wunderbare Intervention 'legitimiert' worden zu sein? Könnten wir dann noch den Anspruch erheben, daß dies dieselbe Kirche war, welche die Pforten der Hölle niemals hätten überwältigen dürfen? Es geht mir nicht in den Kopf, wie jemand noch die Kirche als eine vollkommene Gesellschaft betrachten kann, der die Möglichkeit einräumt, daß sie sich eines Tages in einer Lage befinden könnte, in der sie sich nicht wieder ein neues Oberhaupt geben könnte. Das liefe darauf hinaus, daß ihr etwas fehlte, was für ihr Weiterbestehen notwendig wäre, weshalb sie nicht als volkommene Gesellschaft gelten könne.

Dem Schreiber dieser Zeilen wenigstens schien es deshalb offenkundig, daß die Kirche zu allen Zeiten die Mittel und Wege haben muß, sich selbst wieder ein sichtbares Oberhaupt zu geben, sogar dann, wenn ihr die normalen Mittel dazu genommen sind. Diese Möglichkeit und dieses Recht sind unveräußerlich. Laßt uns fortfahren, aufzudecken, was für alternative Mittel dies sind.
      
4. Unsere katholischen Rechte und Pflichten vom Naturrecht her

In diesem Abschnitt will ich verschiedene Zitate von berühmten kirchlichen Autoritäten vorlegen, welche die Frage geklärt haben, wie die Kirche vorzugehen hat, sich selbst wieder ein sichtbares Oberhaupt zu verschaffen im Falle der Unmöglichkeit des normalen Wahlverfahrens. Laßt uns beginnen mit den folgenden Zitaten aus einem Werk von Kardinal Louis Billot, S.J. 8):

"Die legitime Papstwahl ist heutzutage praktisch einzig und allein geregelt durch päpstliche Verordnungen. Das ist leicht aufzuzeigen daran, daß das Papstwahlrecht durch die Päpste selbst promulgiert wurde. Es bleibt also maßgebend, bis ein Papst es wieder gegebenenfalls abschafft. Auch wenn der Apostolische Stuhl vakant ist, bleibt es in Kraft und keine Autorität in der Kirche hat die Vollmacht, es zu ändern." [Dies gilt natürlich für die normalen Verhältnisse, wenn die Geltung des Gesetzes nicht aufgehört hat und dasselbe noch eingehalten werden kann. K.J.M.]

Weiteres Zitat:

"Rein hypothetisch kann man die Frage stellen, ob irgendeine Autorität außer der päpstlichen unter Umständen in der Lage sein könnte, die Bedingungen einer Papstwahl festzulegen. [Diese Frage, die in der Zeit von Kardinal Billot hypothetisch war, ist es in unseren Tagen nicht mehr! K.J.M.] Der Primat war allein dem hl. Petrus verliehen worden, für ihn persönlich und für seine Nachfolger. Das bedeutet, dem römischen Pontifex allein steht es zu, das Verfahren zur Weitergabe seines Amtes festzulegen, also praktisch das Wahlverfahren, durch welches die Weitergabe stattfindet. Überdies überschreitet jedes Gesetz, das sich auf die Gesamtkirche bezieht, naturgemäß den Zuständigkeitsbereich jedweder untergeordneter Hirtengewalt. Ohne Zweifel aber bezieht sich die Wahl des Obersten Pontifex auf die Gesamtkirche. Daher ist sie demjenigen vorbe- halten, dem aufgrund seiner eigentlichen Bestimmung die Gesamtkirche durch Christus anvertraut wurde. Es ist in der Tat unbestreitbar, daß diese Schlußfolgerungen für normale Umstände gelten."

"Laßt uns nun nichtsdestoweniger untersuchen, ob das Gesetz noch greift, wenn es vielleicht zu einer außergewöhnlichen Situation kommt, in der es notwendig wird, eine Papstwahl vorzunehmen, eine Situation in der es nicht mehr möglich ist, zum Ziel zu kommen unter den vom bisher gültigen Papstwahlrecht vorgesehenen Bedingungen. Dies war nach Meinung einiger Autoren der Fall in der Zeit des Großen Schismas bei der Wahl von Martin V."

"Wenn wir einmal annehmen, daß solche Umstände eintreten können, dann wird es uns nicht schwerfallen, zuzugestehen, daß das Wahlrecht einem Allgemeinen Konzil zufallen würde. Denn das Naturrecht schon schreibt vor, daß in solchen Fällen die Vollmacht einer höheren Gewalt stufenweise auf die nächstuntere Autorität übergeht. Dies in dem Fall, wenn es für das Überleben der Gemeinschaft und zur Vermeidung der Trübsal eines extremen Mangels unbedingt notwendig ist. Im Zweifelsfall jedoch (wenn man z.B. nicht weiß, ob einer wirklich Kardinal ist, oder wenn der Papst tot ist oder es ungewiß ist, ob er ein echter Papst ist, muß man an dem Grundsatz festhalten, daß der Kirche Gottes das Recht zusteht, das Papstamt einer bestimmten Person zu verleihen, welche die Voraussetzungen dafür mitbringt."

"Es scheint, daß dieser Fall vorlag zur Zeit des großen Schismas, welches unter Urban VI. eintrat. In diesem Fall also sieht man, daß die Vollmacht auf dem Wege der stufenweise Abfolge der Gesamtkirche zufiel, weil die durch den Papst bestimmten Papstwähler nicht mehr existierten. 9) Das kann man ohne Schwierigkeiten verstehen, wenn man zugibt, daß solch ein Fall eintreten kann."

Ein zweites Zitat entnehmen wir einem Werk von Msgr. Journet 10), welches in hohem Maße Autorität beanspruchen kann, da es den Apostolischen Segen und damit die Bestätigung und Empfehlung von Papst Pius XII. erhielt:

"Während einer Vakanz des Apostolischen Stuhles besitzt nur die Kirche die oberhirtliche Vollmacht, die Wahl eines neuen Papstes vorzunehmen. Sie kann dies tun durch die Kardinäle oder - in Ermangelung von solchen - auf anderen Wegen." ('Papatus, secluso papa, non est in ec-clesia nisi in potentia ministerialiter electiva, quia scilicet potest, sede vacante, papam eligere, per cardinales, vel per seipsam in casu.') 11)

"(1) Die Natur der Wahl. Alles, was die Kirche tun kann, soweit es die höchste Hirtengewalt betrifft, ist denjenigen zu benennen, auf den Gott, kraft der im Evangelium gegebenen Verheißungen, den Heiligen Geist direkt herabsenden wird. 'Die Gewalt, das Papstamt zu verleihen, steht Christus allein zu, nicht der Kirche, welche nichts weiter tut, als eine bestimmte Person zu benennen.' 12)

"(3) Wer ist der Träger der Vollmacht, einen Papst zu wählen? Wenn es auch nicht Sache des Papstes ist, seinen Nachfolger direkt zu benennen, so ist es doch andererseits seine Aufgabe, die Bedingungen einer gültigen Wahl festzulegen oder zu ändern:

'Der Papst,' sagt Cajetan, 'kann festlegen, wer die Wähler sein sollen; so kann er auf diese Weise das Wahlverfahren ändern oder begrenzen, daß alles, was getan wird außerhalb dieses Verfahrens und dieser Grenzen ungültig wird' 13). In einem Fall, in dem die festgelegten Bedingungen zur Gültigkeit nicht mehr anwendbar sind, fällt die Aufgabe, neue Bedingungen festzulegen, der Kirche zu auf dem Wege der stufenweisen Abfolge von oben nach unten. Dieser Ausdruck, so bemerkt Cajetan, 14) darf nicht im strikten Sinne verstanden werden (strikt genommen ist die stufenweise Abfolge umgekehrt: Ermangels Autorität in der niedrigeren Stufe fällt sie der höheren Rangstufe zu). Im weiteren Sinne also ist die stufenweise Abfolge im oben genannten Falle zu verstehen, nämlich die Übertragung der Aufgabe von oben nach unten."

"Die Frage des Papstwahlrechtes kam auf im 15. und 16. Jahrhundert, als man sich über die Autorität von Papst und Konzil beziehungsweise deren Verhältnis zueinander stritt. Zu diesem Themenkreis meint Cajetan 15) folgendes:

- 'Er erklärt zunächst, daß die Vollmacht, den Papst zu wählen, im höchsten Grade, regelmäßig und grundsächlich auf seinen Vorgängern ruht.'

-'Im höchsten Grade, so wie z.B. die Engel die "Form" - im scholastischen Sinne - auch niedrigerer Geschöpfe in sich tragen, aber von sich aus nicht die körperlichen Tätigkeiten ausüben können.'

-'Regelmäßig, das bedeutet, es ist eine ordentliche Vollmacht, anders als es bei der Kirche in ihrem Witwenstand ist, in dem sie unfähig ist, einen neuen Wahlmodus zu schaffen, es sei denn von Fall zu Fall, gezwungen durch pure Notwendigkeit.'

-'Grundsätzlich, anders als die verwitwete Kirche, auf der diese Vollmacht lediglich in sekundärer Weise ruht.' 16)

"Während einer Vakanz des Apostolischen Stuhles können weder die Kirche noch das Konzil die bereits festgelegten Verfügungen zur Bestimmung des gültigen Wahlmodus übertreten. 17) Jedoch, im Falle der Erlaubtheit (z.B. wenn der Papst nichts vorgesehen hat, was dem entgegensteht), oder im Falle von Zweideutigkeit (z.B. wenn unbekannt ist, wer die wahren Kardinäle sind oder wer der wahre Papst ist, so wie es der Fall war zur Zeit des Großen Schismas), dann fällt die Vollmacht 'das Papstamt dieser oder jener Person zu verleihen' wieder der Gesamtkirche zu, der Kirche Gottes." 18)

"Als nächstes legt Cajetan dar, daß die Vollmacht, den Papst zu wählen, formal - im aristotelischen Sinne: als fähig, direkt den Wahlakt vorzunehmen - auf der Römischen Kirche ruht, eingeschlossen in diese Kirche die Kardinalbischöfe, die auf gewisse Weise Suffragane des Bischofs von Rom sind. Das ist der Grund, weshalb das Recht, den Papst zu wählen, wie im Kirchenrecht vorgesehen, praktisch allein den Kardinälen vorbehalten ist. 19) Das ist wiederum der Grund, - wenn die vom kanonischen Recht vorgesehenen Regelungen nicht erfüllt werden können -, daß das Wahlrecht gewissen Gliedern der Kirche von Rom zukommt."

"Wenn es keinen Klerus von Rom mehr gibt, dann kommt der Gesamtkirche dieses Recht zu, deren Bischof ja der Papst auch ist". 20) [Ende des Journet-Zitates]

In den oben angegebenen Quellen wurde die Übertragung der Vollmacht zur Wahl durch stufenweise Abfolge erwähnt, und zwar im weiteren Sinne von oben nach unten. Kardinal Billot denkt bei seinen Ausführungen darüber nach, daß ein Ökumenisches Konzil fraglos die Körperschaft sei, welche die Bedingungen für eine gültige künftige Papstwahl festlegen müßte. In unserer Zeit ist das offensichtlich nicht möglich. Wir müssen deshalb über diese erste Lösungsmöglichkeit hinausgehen und die anderen Alternativen ins Auge fassen, welche von verschiedenen Autoren vorgeschlagen werden, basierend auf dem Grundsatz der stufenweise Abfolge. Hier zeigt sich, daß die Theologen einer Meinung sind darüber, eine gültige Papstwahl könne vorgenommen werden durch den Klerus der Diözese Rom. In unserer Zeit ist auch dies unmöglich. 21)

Es muß hier festgehalten werden, daß wir auch in den beiden oben genannten Fällen im Bereich der Spekulation sind, d.h. wir stellen vernünftige Überlegungen an jenseits des festen Bodens des Kirchenrechts. Es birgt gewisse Gefahren in sich, wenn man über solch schwerwiegende Fragen nur auf rein spekulativer Basis operiert.

Nun ist aber sicher, daß nach dem Verlassen des kirchenrechtlichen Bodens das Naturrecht zu greifen beginnt. Das ist nicht mehr Spekulation. Wenn wir das Naturrecht anwenden, gehen wir über zur Gemeinschaft als Ganzes. Wir beschäftigen uns nicht mehr bloß mit einer Untergruppierung der Gemeinschaft. Das bedeutet dann: Jedem Einzelglied der Gemeinschaft entspricht eine Stimme.

Es erscheint offenkundig von daher, daß man die Natur der Kirche als vollkommene Gemeinschaft leugnen würde, wenn man irgendeinem Glied der übriggebliebenen Kirche das Recht bestreiten würde das künftige sichtbare Oberhaupt zu wählen. Hinzu kommt, daß man bei einer solchen Beschränkung der Wähler das Naturrecht seiner gottgegebenen Handlungsfreiheit berauben würde. Dies geschah in dem Fall Linus II.

Wenn es "für das Überleben der Gemeinschaft und zur Vermeidung der Trübsal extremen Mangels absolut notwendig ist," - wie Kardinal Billot schreibt -, zu handeln, dann folgt daraus, daß diejenigen, welche fähig sind, zu handeln, das Recht dazu haben. Dieses Naturrecht vor Augen, haben sie das unbestreitbare Recht, zusammenzukommen, über Verfahrenstrategien zu diskutieren und schließlich diese ihre Überlegungen in die Tat umzusetzen.

Wer kann nun den Nachfolger von Pius Xll. wählen? Wie die oben angeführten Zitate gezeigt haben, haben die Glieder einer Gemeinschaft aufgrund des Naturrechts das natürliche Recht, ihr Oberhaupt zu wählen, und zwar dann, wenn die normalen Anordnungen des menschlichen Rechtes zur Wahl eines gültigen Nachfolgers versagt haben. Diejenigen Einzelpersonen, welche die neuen Bedingungen für die Gültigkeit einer künftigen Papstwahl festlegen können, sind schlicht und einfach die noch verbliebenen Glieder der Katholischen Kirche.

Es bleibt nun noch die Aufgabe, zu klären, wer diese Glieder sind. Ich glaube, daß obige Ausführungen schlüssig erwiesen haben, daß wir als Katholiken das Recht haben zusammenzukommen mit dem Ziel, die Ergebnisse dieser Untersuchungen zu diskutieren; daß wir das Recht haben, die Art und Weise unseres Vorgehens zu finden, die Bedingungen für die Gültigkeit einer künftigen Papstwahl festzulegen; daß wir das Recht haben, festzulegen, wie eine solche Wahl durchgeführt wird, und schlußendlich unsere Katholikenpflicht der Wahl eines künftigen Römischen Papstes zu erfüllen.

am 18 Februar 1993, dem Fest der hl. Bernadette Soubirous, ergänzt Februar 1995

Kenneth J. Mock

Anmerkungen:
1) Die Wahl von Bawden war zwar eine gewisse Ausnahme, weil man wenigstens einige Anstrengungen unternommen hatte, eine Wahlordnung zu schaffen, welche jedoch völlig unangemessen war.
2) Papst Pius XII., "Vacantis Apostolicae Sedis," § 32, Acta Apostolicae Sedis, 1945.
3) "Die Kirche des fleischgewordenen Wortes" Band 1, englische  Ausgabe, Seite 481, Paraphrase 1.
4) "Kanonisches Recht" von Amleto Cicognani, 2. revidierte Auflage, Verlag "The Newman Press", Westminster, MD, 1949, S. 625.
5) St. Thomas v. Aquin, I-II. Quaestio 109, a. 4. ad 3.
6) "Die Disqualifizierung von Wählern bei kirchlichen Wahlen," Catholic University Press, 1958.
7) aus der Reihe: "Institutiones Juris Publici Ecclesiastici".
8) "De Ecclesia Christi".
9) Cajetan, "De Auctoritate Papae et Concilii", Kap. XIII
10) Msgr. Charles Journet: "Die Kirche des fleischgewordenen Wortes" Band 1, engl. Ausgabe, S. 479 ff.
11) Cajetan, "De comparatione Auctoritatis Papae et Concilii".
12) Johannes v. St. Thoma II-II, qu. 1-7; disp. 2, a. 1, no: 9. Bd. VII, S. 218.
13) Cajetan, Op. cit., cap.xiii, no. 201.
14) "Apologia de Comparata Auctoritate Papae et Concilii", cap. xiii, no. 745.
15) Ibidem., cap. xiii, no. 736.
16) Ibidem., cap. xiii, no. 737.
17) "De comparata, cap. xiii, No. 202.
18) Ibidem., cap. xiii, No. 204.
19) Apologia, cap. xiii, no. 742.
20) Ibidem, no. 741, 746.
21) Anm. d. Red. EINSICHT: Hier wird eine Feststellung getroffen, die noch zu überprüfen wäre.
 
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