RECHTFERTIGUNG EINER KÜNFTIGEN PAPSTWAHL
Eine grundlegende Darstellung unseres Standpunktes
für die katholische Konferenz von 1993
von
Kenneth J. Mock
übers. von Nikolaus Gamel
Die Vakanz des Apostolischen Stuhles ist eine Tatsache, die nicht
länger in Frage gestellt werden kann von jemand, der die neuere
Kirchengeschichte studiert hat. Zahlreiche Autoren haben unwiderlegbare
Beweise dafür geliefert, welche diese Schlußfolgerung unumstößlich
machen. Diese Tatsache soll darum in diesem Positionspapier nicht
erneut bewiesen werden, vielmehr ist sie der Ausgangspunkt der
folgenden These: Ein legitimer Papst kann wieder den Thron des Hl.
Petrus besteigen durch eine vom Kirchenrecht gedeckte Aktion der
verbliebenen echten Glieder der Weltkirche.
Als die Tatsache der Vakanz des Heiligen Stuhles offenkundig wurde,
begannen gewisse Personen, sich den Titel des Obersten Hirten
anzumaßen, oder versuchten verschiedene Gruppierungen, einen aus
ihren Reihen, entweder in dieses höchste Amt in der Kirche zu wählen
oder sie dazu zu ernennen. Das Vakuum an Autorität begünstigte eine
gewisse "Brut" von Betrügern, die - durch ihre Lebensumstände
vorgeprägt - ihre Chance witterten. Sie verschafften sich
Bischofsweihen aus trüben Quellen, sie verstanden es, durch
hoheitsvolles Auftreten um sich herum eine devote katholische
Atmosphäre zu schaffen. So waren sie imstande, Gruppen von frommen und
geistreichen Anhängern zu täuschen, welche in ihnen die neuen führenden
Männer der katholischen Kirche sahen.
Diese falschen Päpste addieren ihre Namen zu dem des Scheinpapstes in
Rom, zu Johannes Paul II., sie haben also die Liste der Pseudopäpste
nur verlängert. Zur Zeit sind (bzw. waren) dies: Hadrian VII. (Francis
Schuckardt), die beiden Gregors XVII., der eine von St. Jovita in
Kanada und der andere in Palmar de Troja, (der inzwischen verstorben
ist, aber bereits einen Nachfolger haben soll); dann Emmanuel I. in
Italien, Peter II. in Brüssel, Leo XIV. und Clemens XV. (bereits
verstorben) in Frankreich. Zu dieser Mannschaft, die alles andere als
illustern ist, gesellte sich dann im Juli 1990 David Bawden. Dieser
nahm den Namen Michael I. an, legte ihn aber wieder ab, als bekannt
wurde, daß Linus ll. als neuer Stern am Himmel der Scheinpäpste
aufging. Dieser war am 29. Juni 1994 in Assisi von den Sektierern der
Thuc-Linie gewählt worden. Gott allein weiß, wieviele andere in den
verschiedenen Teilen der Welt aufgetaucht oder bereits zurückgetreten
sind in die Reihen derer, aus denen sie hervorgegangen waren.
Das Phänomen einer solchen Vielfalt von sog. 'Gegenpäpsten' ist völlig
neu für die Katholische Kirche, ohne Beispiel in ihrer Geschichte. Es
ist - für sich genommen - schon ein Beweis dafür, daß ein großer
Glaubensabfall stattgefunden haben muß. Sicherlich würde ein
umfassendes Studium dieser Gruppen die Beweggründe ihres Handelns
genauer ans Licht bringen und wohl auch den Zusammenhang mit den
geistigen Strömungen unserer Zeit aufzeigen. Die Menschen sind immer
auch Kinder ihrer Zeit, so daß die subjektive Anrechenbarkeit gemindert
ist. Wenn manche es auch noch so gut gemeint haben, so können wir doch
nicht davon ausgehen, daß irgendeiner von diesen Leuten ernstlich das
Papstamt erlangt hat. Sie alle sind sektiererische Amtsanwärter. 1)
Zu Beginn dieser Studie schlage ich vor, die Methode der Papstwahl zu
diskutieren, und zwar unter dem Gesichtspunkt, daß für uns nach wie vor
maßgebend ist die kirchenrechtliche Papstwahlordnung von Papst Pius
XII. In der Konstitution Vacantis Apostolicae Sedis wird festgelegt,
daß ein künftiger Papst nur durch die Kardinäle der Römischen Kirche zu
wählen ist. Dieses Gesetz hat aber inzwischen seine Gültigkeit verloren
durch die Apostasie der Kardinäle. Davon ausgehend will ich das Wesen
der Kirche als eine societas perfecta, d.i. als eine vollkommene
menschliche Gesellschaft diskutieren, dann die Rechte und Pflichten
ihrer Glieder nach dem Naturrecht im Hinblick darauf zu erörtern, der
Kirche wieder ein sichtbares Oberhaupt zu geben. Eine ganze Anzahl von
Theologen hat im Laufe der Jahrhunderte diese Frage diskutiert und
dargelegt, wie vorgegangen werden soll. Ich möchte die Gedanken dieser
Theologen zu einem solchen Eventualfall darlegen. Es gibt das Prin-zip,
daß ein Recht oder eine Pflicht von einem auf den anderen übergeht, und
zwar sowohl von einer Person auf eine andere oder auch von einer
Körperschaft auf eine andere Körperschaft. Dieses ist auch in unserem
Fall, nämlich im Falle der Apostasie der Kardinäle [als
Papstwahlgremium] anzuwenden. Mittels dieses Prinzips können wir unser
Ziel erreichen, der Kirche wieder ein Oberhaupt zu verschaffen. Die
praktischen Mittel, eine Papstwahl durchzuführen, sollen in einer
späteren Studie behandelt werden.
1. Das Gegenwärtige Papstwahlrecht
"Das Recht zur Wahl eines Papstes steht ausschließlich den Kardinälen
der Heiligen Römischen Kirche zu. Jedwede Intervention vonseiten
irgendwelcher anderer kirchlicher Würdenträger oder irgendeiner
weltlichen Macht, gleich welchen Ranges oder Stellung, ist völlig
ausgeschlossen und ohne rechtliche Wirkung." 2)
Dementsprechend haben nur die Römischen Kardinäle das Recht, die Wahl
eines künftigen Papstes vorzunehmen. Daß diese gesetzliche Regelung
rein kirchliches Recht ist, geht aus dem folgenden Zitat aus einem Werk
von Msgr. Charles Journet 3) hervor: "Während einerseits die Vollmacht
zur Papstwahl naturgemäß und aufgrund Göttlichen Rechtes der Kirche,
Seite an Seite mit dem Papst zusteht, so ist andererseits nirgendwo in
der Hl. Schrift angegeben, wie eine solche Wahl konkret durchzuführen
ist, wie Johannes von St. Thomas sagt. Es ist Sache des rein
kirchlichen Rechtes, zu bestimmen, welche Personen eine gültige Wahl
vornehmen können."
2. Der Grundsatz vom Außerkraftsetzen der Geltung von kirchlichen Gesetzen aus inneren Gründen
Da das Kirchenrecht rein kirchlich ist, unterliegt es dem Grundprinzip
vom Aufhören seiner Geltung im Einzelfall aus inneren Wesensgründen.
Dies hat Kardinal Amleto Cicognani 4) ausführlich behandelt:
"Kanon 21 und die beiden folgenden
Kanones handeln vom Aufhören kirchlichen Rechtes. Hier wird gefragt:
Wann kann man annehmen, daß der Gesetzgeber sein Gesetz widerruft und
daß folglich das Gesetz aufhört zu existieren?
Bei der Behandlung der Elemente des Gesetzes sahen wir, daß es
angemessen und geziemend ist, daß ein Gesetz dauerhaft und
unveränderlich ist. Jedoch hat jedes Gesetz auch etwas unsicheres an
sich, weil die Gründe und die Ziele, für die das Gesetz geschaffen
wurde, sich ändern können. Da das Gesetz eine Anordnung ist, die auf
vernünftigen Beweggründen aufgebaut ist, kann folglich der Fall
eintreten, daß es widerrufen werden muß, wenn es nutzlos, schädlich
oder unvernünftig wird. Wenn es auch tatsächlich nicht widerrufen
worden ist, kann man vernünftigerweise annehmen, daß es widerrufen
würde. Denn sein Zweck ist die Seele des Gesetzes und ein Gesetz ohne
Seele ist hinfällig, hört auf zu existieren, es stirbt gewissermaßen."
Weiteres Zitat: (Seite 627)
"Ein Gesetz hört auf zu gelten aus
inneren Gründen, wenn sein Zweck aufhört. Das Gesetz hört von selbst
auf zu gelten. Von außen her hört ein Gesetz auf zu gelten, wenn es von
einem Oberen widerrufen wird. Das Ziel eines Gesetzes (entweder sein
Zweck oder sein Beweggrund) hört adaequat auf zu existieren, wenn alle
seine Zwecke aufhören; inadaequat hört es auf, zu existieren, wenn
lediglich irgendein besonderer Zweck nicht mehr existiert. Der Zweck
des Gesetzes hört in konträrer Weise auf, wenn ein nachteiliges Gesetz
entweder ungerecht oder seine Erfüllung unmöglich wird. Negativ hört
der Zweck auf, wenn das Gesetz nutzlos wird. Eine weitere
Unterscheidung ist zu machen zwischen allgemeinem und besonderem
Aufhören des Zweckes: Allgemein oder universell hört er auf, wenn er
sich auf alle dem Gesetz unterliegenden erstreckt oder wenigstens auf
die Mehrheit. Partikulär oder in besonders eingeschränktem Maße hört er
auf, wenn er sich auf einen Einzelfall bezieht. "
Drei Fälle können vorkommen:
a) Wenn der Zweck des Gesetzes
lediglich inadaequat aufhört, hört das Gesetz nicht auf zu gelten,
weder für die Gemeinschaft noch für Einzelpersonen, weil der Beweggrund
oder die Seele des Gesetzes noch fortbesteht.
b) Wenn der Zweck des Gesetzes adäquat und in konträrer Weise für die
Gemeinschaft aufhört, dann hört das Gesetz für die gesamte Gemeinschaft
auf zu gelten.
c) Wenn der Zweck des Gesetzes adäquat zu existieren aufhört, wenn er
auch nur negativ (nutzlos) wird für eine Gemeinschaft, dann können wir
in der Praxis davon ausgehen, daß die Geltung des Gesetzes aufhört, so
lehrt die Mehrheit der Kanonistens". 5)
Auf dieser Grundlage können wir die Schlußfolgerung ziehen, daß das
kirchliche Papstwahlrecht [von Pius XII.] aus inneren Gründen aufgehört
hat zu bestehen, adäquat, in konträrer Weise, das heißt, weil der
Wortlaut dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers heute entgegensteht
und der eigentliche Sinn des Gesetzes nicht mehr erfüllt werden kann.
Zuguterletzt trifft dies universell zu. Folglich liegt hier der o.g.
Fall b) vor, die Geltung des Gesetzes hört für die gesamte Gemeinschaft
auf.
Da also die Konstitution "Vacantis Apostolicae Sedis" ihre Geltung
verloren hat, müssen andere Mittel und Wege gesucht werden für die
künftige gültige Wahl des Nachfolgers von Pius XII. Laßt uns weiter
forschen und bestimmen, wer das Recht (und die Pflicht) dazu hat im
Falle der Ermangelung von den dazu normalerweise qualifizierten
Kardinälen (als Papstwählern).
3. Die Natur der Kirche als eine vollkommene Gesellschaft
Während der Vorbereitungen für die Konferenz in Spokane im Jahre 1993,
begannen verschiedene Personen aus unserem weltweiten Kreis von
Korrespondenten unser Recht zu bestreiten, eine Konferenz mit solcher
Zielsetzung zu veranstalten. Sie machten u.a. geltend, wir dürften es
nicht wagen, das gegenwärtig geltende kanonische Recht zu
überschreiten. In meiner Korrespondenz mit diesen Leuten zeigte ich ein
fundamentales Problem in ihrer Einstellung auf: Diese Einstellung gibt
dem Gedanken Raum, Satan habe mit solch krimineller Energie (modern
ausgedrückt) die Kirche unter seine Gewalt gebracht, daß - außer einem
direkten Eingreifen unseres Herrn - nichts der Kirche wieder ein
sichtbares Oberhaupt geben könne. Ich argumentierte, daß ihre
Einstellung die grundsätzliche Natur der Kirche als eine sogenannte
societas perfecta, d.i.eine vollkommene menschliche Gesellschaft
leugnet, wie sie von Christus gegründet worden ist. Ich führte die
folgende Stelle aus einem Werk von Reverend Timothy Mock 6) an:
"Wie aus der Fundamentaltheologie und dem öffentlichen Kirchenrecht
bekannt, wurde die Kirche von Christus als eine 'sich-selbst-genügende'
Gesellschaft (societas perfecta) gegründet, das heißt, als eine
Gesellschaft, die zur Erfüllung ihres Daseinszweckes genau die richtige
und umfassend gute Ordnung hat. So hat sie "de jure" - aufgrund ihrer
Satzung - alle zur Erreichung ihres Daseinszweckes notwendigen Mittel."
(Rev. Mock hat dieses Zitat einem Werk von Kardinal Ottaviani 7)
entnommen.)
Wäre eine Kirche, die sich nicht wieder aus sich selbst regenieren
könnte, etwa noch eine "societas perfecta?" Natürlich kann sie das nur
mit Gottes Hilfe, aber sie ist nicht dazu verurteilt, bis auf die
Fundamente abgerissen und von Grund auf neu aufgebaut zu werden. Ist
die Kirche auch noch so arg von Satans Zerstörungswut betroffen, so
können ihr die Mittel und Wege nicht fehlen, von sich aus
weiterzubestehen. Hätte sie diese Mittel nicht, wäre sie dann noch eine
"sich-selbst-genügende Gesellschaft"? Wäre eine solche, durch Gottes
direktes Eingreifen neu gegründete Kirche, dieselbe Kirche, die
Christus auf Petrus und die Apostel bereits gegründet hat? Erheben
nicht all die anderen 'Kirchen' mit klingenden Namen den Anspruch,
durch irgendeine wunderbare Intervention 'legitimiert' worden zu sein?
Könnten wir dann noch den Anspruch erheben, daß dies dieselbe Kirche
war, welche die Pforten der Hölle niemals hätten überwältigen dürfen?
Es geht mir nicht in den Kopf, wie jemand noch die Kirche als eine
vollkommene Gesellschaft betrachten kann, der die Möglichkeit einräumt,
daß sie sich eines Tages in einer Lage befinden könnte, in der sie sich
nicht wieder ein neues Oberhaupt geben könnte. Das liefe darauf hinaus,
daß ihr etwas fehlte, was für ihr Weiterbestehen notwendig wäre,
weshalb sie nicht als volkommene Gesellschaft gelten könne.
Dem Schreiber dieser Zeilen wenigstens schien es deshalb offenkundig,
daß die Kirche zu allen Zeiten die Mittel und Wege haben muß, sich
selbst wieder ein sichtbares Oberhaupt zu geben, sogar dann, wenn ihr
die normalen Mittel dazu genommen sind. Diese Möglichkeit und dieses
Recht sind unveräußerlich. Laßt uns fortfahren, aufzudecken, was für
alternative Mittel dies sind.
4. Unsere katholischen Rechte und Pflichten vom Naturrecht her
In diesem Abschnitt will ich verschiedene Zitate von berühmten
kirchlichen Autoritäten vorlegen, welche die Frage geklärt haben, wie
die Kirche vorzugehen hat, sich selbst wieder ein sichtbares Oberhaupt
zu verschaffen im Falle der Unmöglichkeit des normalen Wahlverfahrens.
Laßt uns beginnen mit den folgenden Zitaten aus einem Werk von Kardinal
Louis Billot, S.J. 8):
"Die legitime Papstwahl ist heutzutage
praktisch einzig und allein geregelt durch päpstliche Verordnungen. Das
ist leicht aufzuzeigen daran, daß das Papstwahlrecht durch die Päpste
selbst promulgiert wurde. Es bleibt also maßgebend, bis ein Papst es
wieder gegebenenfalls abschafft. Auch wenn der Apostolische Stuhl
vakant ist, bleibt es in Kraft und keine Autorität in der Kirche hat
die Vollmacht, es zu ändern." [Dies gilt natürlich für die normalen
Verhältnisse, wenn die Geltung des Gesetzes nicht aufgehört hat und
dasselbe noch eingehalten werden kann. K.J.M.]
Weiteres Zitat:
"Rein hypothetisch kann man die Frage
stellen, ob irgendeine Autorität außer der päpstlichen unter Umständen
in der Lage sein könnte, die Bedingungen einer Papstwahl festzulegen.
[Diese Frage, die in der Zeit von Kardinal Billot hypothetisch war, ist
es in unseren Tagen nicht mehr! K.J.M.] Der Primat war allein dem hl.
Petrus verliehen worden, für ihn persönlich und für seine Nachfolger.
Das bedeutet, dem römischen Pontifex allein steht es zu, das Verfahren
zur Weitergabe seines Amtes festzulegen, also praktisch das
Wahlverfahren, durch welches die Weitergabe stattfindet. Überdies
überschreitet jedes Gesetz, das sich auf die Gesamtkirche bezieht,
naturgemäß den Zuständigkeitsbereich jedweder untergeordneter
Hirtengewalt. Ohne Zweifel aber bezieht sich die Wahl des Obersten
Pontifex auf die Gesamtkirche. Daher ist sie demjenigen vorbe- halten,
dem aufgrund seiner eigentlichen Bestimmung die Gesamtkirche durch
Christus anvertraut wurde. Es ist in der Tat unbestreitbar, daß diese
Schlußfolgerungen für normale Umstände gelten."
"Laßt uns nun nichtsdestoweniger
untersuchen, ob das Gesetz noch greift, wenn es vielleicht zu einer
außergewöhnlichen Situation kommt, in der es notwendig wird, eine
Papstwahl vorzunehmen, eine Situation in der es nicht mehr möglich ist,
zum Ziel zu kommen unter den vom bisher gültigen Papstwahlrecht
vorgesehenen Bedingungen. Dies war nach Meinung einiger Autoren der
Fall in der Zeit des Großen Schismas bei der Wahl von Martin V."
"Wenn wir einmal annehmen, daß solche
Umstände eintreten können, dann wird es uns nicht schwerfallen,
zuzugestehen, daß das Wahlrecht einem Allgemeinen Konzil zufallen
würde. Denn das Naturrecht schon schreibt vor, daß in solchen Fällen
die Vollmacht einer höheren Gewalt stufenweise auf die nächstuntere
Autorität übergeht. Dies in dem Fall, wenn es für das Überleben der
Gemeinschaft und zur Vermeidung der Trübsal eines extremen Mangels
unbedingt notwendig ist. Im Zweifelsfall jedoch (wenn man z.B. nicht
weiß, ob einer wirklich Kardinal ist, oder wenn der Papst tot ist oder
es ungewiß ist, ob er ein echter Papst ist, muß man an dem Grundsatz
festhalten, daß der Kirche Gottes das Recht zusteht, das Papstamt einer
bestimmten Person zu verleihen, welche die Voraussetzungen dafür
mitbringt."
"Es scheint, daß dieser Fall vorlag zur Zeit des großen Schismas,
welches unter Urban VI. eintrat. In diesem Fall also sieht man, daß die
Vollmacht auf dem Wege der stufenweise Abfolge der Gesamtkirche zufiel,
weil die durch den Papst bestimmten Papstwähler nicht mehr existierten.
9) Das kann man ohne Schwierigkeiten verstehen, wenn man zugibt, daß
solch ein Fall eintreten kann."
Ein zweites Zitat entnehmen wir einem Werk von Msgr. Journet 10),
welches in hohem Maße Autorität beanspruchen kann, da es den
Apostolischen Segen und damit die Bestätigung und Empfehlung von Papst
Pius XII. erhielt:
"Während einer Vakanz des Apostolischen
Stuhles besitzt nur die Kirche die oberhirtliche Vollmacht, die Wahl
eines neuen Papstes vorzunehmen. Sie kann dies tun durch die Kardinäle
oder - in Ermangelung von solchen - auf anderen Wegen." ('Papatus,
secluso papa, non est in ec-clesia nisi in potentia ministerialiter
electiva, quia scilicet potest, sede vacante, papam eligere, per
cardinales, vel per seipsam in casu.') 11)
"(1) Die Natur der Wahl. Alles, was die Kirche tun kann, soweit es die
höchste Hirtengewalt betrifft, ist denjenigen zu benennen, auf den
Gott, kraft der im Evangelium gegebenen Verheißungen, den Heiligen
Geist direkt herabsenden wird. 'Die Gewalt, das Papstamt zu verleihen,
steht Christus allein zu, nicht der Kirche, welche nichts weiter tut,
als eine bestimmte Person zu benennen.' 12)
"(3) Wer ist der Träger der Vollmacht, einen Papst zu wählen? Wenn es
auch nicht Sache des Papstes ist, seinen Nachfolger direkt zu benennen,
so ist es doch andererseits seine Aufgabe, die Bedingungen einer
gültigen Wahl festzulegen oder zu ändern:
'Der Papst,' sagt Cajetan, 'kann festlegen, wer die Wähler sein sollen;
so kann er auf diese Weise das Wahlverfahren ändern oder begrenzen, daß
alles, was getan wird außerhalb dieses Verfahrens und dieser Grenzen
ungültig wird' 13). In einem Fall, in dem die festgelegten Bedingungen
zur Gültigkeit nicht mehr anwendbar sind, fällt die Aufgabe, neue
Bedingungen festzulegen, der Kirche zu auf dem Wege der stufenweisen
Abfolge von oben nach unten. Dieser Ausdruck, so bemerkt Cajetan, 14)
darf nicht im strikten Sinne verstanden werden (strikt genommen ist die
stufenweise Abfolge umgekehrt: Ermangels Autorität in der niedrigeren
Stufe fällt sie der höheren Rangstufe zu). Im weiteren Sinne also ist
die stufenweise Abfolge im oben genannten Falle zu verstehen, nämlich
die Übertragung der Aufgabe von oben nach unten."
"Die Frage des Papstwahlrechtes kam auf im 15. und 16. Jahrhundert, als
man sich über die Autorität von Papst und Konzil beziehungsweise deren
Verhältnis zueinander stritt. Zu diesem Themenkreis meint Cajetan 15)
folgendes:
- 'Er erklärt zunächst, daß die Vollmacht, den Papst zu wählen, im
höchsten Grade, regelmäßig und grundsächlich auf seinen Vorgängern
ruht.'
-'Im höchsten Grade, so wie z.B. die Engel die "Form" - im
scholastischen Sinne - auch niedrigerer Geschöpfe in sich tragen, aber
von sich aus nicht die körperlichen Tätigkeiten ausüben können.'
-'Regelmäßig, das bedeutet, es ist eine ordentliche Vollmacht, anders
als es bei der Kirche in ihrem Witwenstand ist, in dem sie unfähig ist,
einen neuen Wahlmodus zu schaffen, es sei denn von Fall zu Fall,
gezwungen durch pure Notwendigkeit.'
-'Grundsätzlich, anders als die verwitwete Kirche, auf der diese Vollmacht lediglich in sekundärer Weise ruht.' 16)
"Während einer Vakanz des Apostolischen Stuhles können weder die Kirche
noch das Konzil die bereits festgelegten Verfügungen zur Bestimmung des
gültigen Wahlmodus übertreten. 17) Jedoch, im Falle der Erlaubtheit
(z.B. wenn der Papst nichts vorgesehen hat, was dem entgegensteht),
oder im Falle von Zweideutigkeit (z.B. wenn unbekannt ist, wer die
wahren Kardinäle sind oder wer der wahre Papst ist, so wie es der Fall
war zur Zeit des Großen Schismas), dann fällt die Vollmacht 'das
Papstamt dieser oder jener Person zu verleihen' wieder der Gesamtkirche
zu, der Kirche Gottes." 18)
"Als nächstes legt Cajetan dar, daß die Vollmacht, den Papst zu wählen,
formal - im aristotelischen Sinne: als fähig, direkt den Wahlakt
vorzunehmen - auf der Römischen Kirche ruht, eingeschlossen in diese
Kirche die Kardinalbischöfe, die auf gewisse Weise Suffragane des
Bischofs von Rom sind. Das ist der Grund, weshalb das Recht, den Papst
zu wählen, wie im Kirchenrecht vorgesehen, praktisch allein den
Kardinälen vorbehalten ist. 19) Das ist wiederum der Grund, - wenn die
vom kanonischen Recht vorgesehenen Regelungen nicht erfüllt werden
können -, daß das Wahlrecht gewissen Gliedern der Kirche von Rom
zukommt."
"Wenn es keinen Klerus von Rom mehr
gibt, dann kommt der Gesamtkirche dieses Recht zu, deren Bischof ja der
Papst auch ist". 20) [Ende des Journet-Zitates]
In den oben angegebenen Quellen wurde die Übertragung der Vollmacht zur
Wahl durch stufenweise Abfolge erwähnt, und zwar im weiteren Sinne von
oben nach unten. Kardinal Billot denkt bei seinen Ausführungen darüber
nach, daß ein Ökumenisches Konzil fraglos die Körperschaft sei, welche
die Bedingungen für eine gültige künftige Papstwahl festlegen müßte. In
unserer Zeit ist das offensichtlich nicht möglich. Wir müssen deshalb
über diese erste Lösungsmöglichkeit hinausgehen und die anderen
Alternativen ins Auge fassen, welche von verschiedenen Autoren
vorgeschlagen werden, basierend auf dem Grundsatz der stufenweise
Abfolge. Hier zeigt sich, daß die Theologen einer Meinung sind darüber,
eine gültige Papstwahl könne vorgenommen werden durch den Klerus der
Diözese Rom. In unserer Zeit ist auch dies unmöglich. 21)
Es muß hier festgehalten werden, daß wir auch in den beiden oben
genannten Fällen im Bereich der Spekulation sind, d.h. wir stellen
vernünftige Überlegungen an jenseits des festen Bodens des
Kirchenrechts. Es birgt gewisse Gefahren in sich, wenn man über solch
schwerwiegende Fragen nur auf rein spekulativer Basis operiert.
Nun ist aber sicher, daß nach dem Verlassen des kirchenrechtlichen
Bodens das Naturrecht zu greifen beginnt. Das ist nicht mehr
Spekulation. Wenn wir das Naturrecht anwenden, gehen wir über zur
Gemeinschaft als Ganzes. Wir beschäftigen uns nicht mehr bloß mit einer
Untergruppierung der Gemeinschaft. Das bedeutet dann: Jedem Einzelglied
der Gemeinschaft entspricht eine Stimme.
Es erscheint offenkundig von daher, daß man die Natur der Kirche als
vollkommene Gemeinschaft leugnen würde, wenn man irgendeinem Glied der
übriggebliebenen Kirche das Recht bestreiten würde das künftige
sichtbare Oberhaupt zu wählen. Hinzu kommt, daß man bei einer solchen
Beschränkung der Wähler das Naturrecht seiner gottgegebenen
Handlungsfreiheit berauben würde. Dies geschah in dem Fall Linus II.
Wenn es "für das Überleben der Gemeinschaft und zur Vermeidung der
Trübsal extremen Mangels absolut notwendig ist," - wie Kardinal Billot
schreibt -, zu handeln, dann folgt daraus, daß diejenigen, welche fähig
sind, zu handeln, das Recht dazu haben. Dieses Naturrecht vor Augen,
haben sie das unbestreitbare Recht, zusammenzukommen, über
Verfahrenstrategien zu diskutieren und schließlich diese ihre
Überlegungen in die Tat umzusetzen.
Wer kann nun den Nachfolger von Pius Xll. wählen? Wie die oben
angeführten Zitate gezeigt haben, haben die Glieder einer Gemeinschaft
aufgrund des Naturrechts das natürliche Recht, ihr Oberhaupt zu wählen,
und zwar dann, wenn die normalen Anordnungen des menschlichen Rechtes
zur Wahl eines gültigen Nachfolgers versagt haben. Diejenigen
Einzelpersonen, welche die neuen Bedingungen für die Gültigkeit einer
künftigen Papstwahl festlegen können, sind schlicht und einfach die
noch verbliebenen Glieder der Katholischen Kirche.
Es bleibt nun noch die Aufgabe, zu klären, wer diese Glieder sind. Ich
glaube, daß obige Ausführungen schlüssig erwiesen haben, daß wir als
Katholiken das Recht haben zusammenzukommen mit dem Ziel, die
Ergebnisse dieser Untersuchungen zu diskutieren; daß wir das Recht
haben, die Art und Weise unseres Vorgehens zu finden, die Bedingungen
für die Gültigkeit einer künftigen Papstwahl festzulegen; daß wir das
Recht haben, festzulegen, wie eine solche Wahl durchgeführt wird, und
schlußendlich unsere Katholikenpflicht der Wahl eines künftigen
Römischen Papstes zu erfüllen.
am 18 Februar 1993, dem Fest der hl. Bernadette Soubirous, ergänzt Februar 1995
Kenneth J. Mock
Anmerkungen:
1) Die Wahl von Bawden war zwar eine gewisse Ausnahme,
weil man wenigstens einige Anstrengungen unternommen hatte, eine
Wahlordnung zu schaffen, welche jedoch völlig unangemessen war.
2) Papst Pius XII., "Vacantis Apostolicae Sedis," § 32, Acta Apostolicae Sedis, 1945.
3) "Die Kirche des fleischgewordenen Wortes" Band 1, englische Ausgabe, Seite 481, Paraphrase 1.
4) "Kanonisches Recht" von Amleto Cicognani, 2. revidierte Auflage, Verlag "The Newman Press", Westminster, MD, 1949, S. 625.
5) St. Thomas v. Aquin, I-II. Quaestio 109, a. 4. ad 3.
6) "Die Disqualifizierung von Wählern bei kirchlichen Wahlen," Catholic University Press, 1958.
7) aus der Reihe: "Institutiones Juris Publici Ecclesiastici".
8) "De Ecclesia Christi".
9) Cajetan, "De Auctoritate Papae et Concilii", Kap. XIII
10) Msgr. Charles Journet: "Die Kirche des fleischgewordenen Wortes" Band 1, engl. Ausgabe, S. 479 ff.
11) Cajetan, "De comparatione Auctoritatis Papae et Concilii".
12) Johannes v. St. Thoma II-II, qu. 1-7; disp. 2, a. 1, no: 9. Bd. VII, S. 218.
13) Cajetan, Op. cit., cap.xiii, no. 201.
14) "Apologia de Comparata Auctoritate Papae et Concilii", cap. xiii, no. 745.
15) Ibidem., cap. xiii, no. 736.
16) Ibidem., cap. xiii, no. 737.
17) "De comparata, cap. xiii, No. 202.
18) Ibidem., cap. xiii, No. 204.
19) Apologia, cap. xiii, no. 742.
20) Ibidem, no. 741, 746.
21) Anm. d. Red. EINSICHT: Hier wird eine Feststellung getroffen, die noch zu überprüfen wäre. |