Kurze Antwort auf eine Anfrage zum "Sedisvakanzproblem"
von
Prof. Dr. Diether Wendland
Es finden sich immer noch katholische Christen, die, wenn sich die
Gelegenheit dazu ergibt, an Katholiken oder an Zeitgenossen, die sich
als Katholiken bezeichnen, folgende Frage stellen:
Warum eigentlich sind Millionen religionsmündiger Katholiken nicht
fähig, die schon über 40 Jahre lang andauernde Vakanz des Apostolischen
Stuhles (oder der Cathedra Petri zu Rom) zu erkennen? Auf diese Frage
nach dem wirklichen Erkennen einer bestimmten Sache religiöser Natur
gibt es mehrere Antworten, die jedoch nicht befriedigen, so daß dann
andere zu der Frage gedrängt werden, ob dies denn stimme mit dem
Millionen Katholiken, die dazu unfähig sind oder es sein würden? Können
tatsächlich so viele 'Gläubige' so erkenntnisblind und dumm (stulte)
sein? Oder gibt es hier etwas, das sie weltweit am deutlichen Erkennen
einer solchen Vakanz hindert oder davon ablenkt? Sicherlich spielen
auch Unwissenheit und Verwirrungen keine geringe Rolle; aber dagegen
steht ein Vakanz-Zustand von so langer Dauer, der sich doch in nicht
bloß einer einzigen Beziehung bemerkbar machen muß und was selbst
'einfachen Gläubigen' nicht entgehen kann. Warum also wird (wie man
auch sagen kann), die 'römische Sedisvakanz' von den meisten Katholiken
überhaupt nicht erkannt, ja nicht einmal von allen denen (wenn man
genauer hinschaut), die sich heutzutage als 'Sedisvakantisten'
bezeichnen? Denn diese Katholiken benutzen die
Sedisvakantismus-Position nur als Alibi für ihr Nichtstun in
kirchlichen Angelegenheiten oder auch für falsche und abwegige
Zielsetzungen, die keine Hilfe für katholische Christen in ihrer
konkreten Lebenslage sind. Es ist oft nicht einfach, die echten
Sedisvakantisten von den Semi-Sedisvakantisten und den
Pseudo-sedisvakantisten zu unterscheiden, weil sie auch nicht
organisiert sind und gesellschaftlich nicht in Erscheinung treten. Dann
aber entsteht der Eindruck, daß sie gar nicht existieren. Dabei gab es
schon vor dem Vatikanum 2 vereinzelt echte Sedisvakantisten, allerdings
nur unter theologisch gebildeten Laien, nicht jedoch
(verständlicherweise) unter Klerikern. ...
Als der Römische Bischof oder Bischof zu Rom, Papst Pius XII.,
gestorben war (9. Oktober 1958), trat Sedisvakanz ein, d.h. es waren
der Apostolische Stuhl seines Inhabers und das Papsttum seines Trägers
verlustig gegangen. Damals ereignete sich auch etwas recht
Merkwürdiges, woran sich einige der heute noch Lebenden immer noch
lebhaft erinnern; es kamen nämlich im kirchlichen Bereich zwei
grundverschiedene Gruppen von Katholiken spontan zum Vorschein: die
einen betrauerten zutiefst den Tod dieses großen Papstes, die anderen
hingegen waren erfüllt von großer Freunde darüber, daß Pius XII.,
dieser 'Aristokrat' und vermeintlich harte und lieblose Mann, nach
längerer Krankheit nun endlich tot war. Diese Leute voller Haß, zu
denen sich auch Nichtkatholiken gesellten, hofften auch darauf, daß ihn
'ein ganz ander Papst' bald vergessen machen werde und der später zu
Unrecht als "Übergangspapst" bezeichnet wurde. Denn ein solcher war der
Patriarch von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli, nun gerade nicht,
zumal da er sich bereits als sog. 'Papstnamen' den Namen eines
Häretikers und sog. "Gegenpapstes" aus dem Spätmittelalter zulegte,
nämlich: "Johannes XXIII." (1410-1415). Das war schon recht seltsam und
ließ orthodoxe Katholiken aufhorchen. Denn dies war ein erstes Indiz
dafür, daß sich die ursprüngliche "rein natürliche" Sedisvakanz bereits
in eine ganze andere gewandelt (umgewandelt) haben muß, die eine
wesentlich andere Ursache hat (als den natürlichen Tod einer Person),
nämlich eine schon wirksam werdende Häresie in der Geistesverfassung
eines hohen oder höheren "kirchlichen Prälaten", der von Kardinälen zum
Papst gewählt wurde, d.h. in concreto: die durch ihre Wahl eine Person
bezeichneten, welche Papst sein soll, dies jedoch dadurch noch nicht
ist, und die sich daraufhin (überraschenderweise?) "Johannes XXIII."
nannte.
Hier zeigte sich schon das Häretische im Geiste einer Person, die auch
sehr bald als der "gute Johannes", ja sogar als unser "guter Bruder
Johannes" ausgegeben wurde, insbesondere von höheren Klerikern und
modernistischen Theologen. Roncalli, der "gute Papst" wurde überall
gegen Pacelli, den "bösen Papst", gesetzt und ausgespielt, obwohl der
hohe Prälat Roncalli nie Papst war und gewesen sein konnte. Dies aber
erkannten damals nur sehr wenige, vor allem jedoch die alten Freunde
Pius' XII. aus der theologisch gebildeten Laienschaft. Diese Erkenntnis
wirkte bei manchen zeitweilig sogar lähmend in Ansehung der sich
überall verbreitenden Roncalli- bzw. 'Bruder Johannes'- Euphorie.
Es genügt bereits eine einzige Häresie,
um nach der Wahl einer Person zum Papst von seiten dieser Person eine
rein natürliche und gewöhnliche Vakanz des Apostolischen Stuhles zu
einer ungewöhnlichen (insolens) und außergewöhnlichen (insolitus)
Vakanz (=Verwaisung) zu machen bzw. 'umzufunktionieren' und ihr
Kontinuität in der Zeit zu geben. Eine solche Sedisvakanz wie die
nunmehr vorliegende war weder durch noch mit dem Tode Pius XII.
eingetreten, sondern nach seinem Tode und allein durch den 'hohen
Prälaten' und Erzbischof Roncalli, da dieser sich in aller
Öffentlichkeit als Häretiker entpuppte, indem er sogar zwei Häresien
als neue Frohboschaft 'verkündete' und sich somit auch als ein
"falscher Prophet" im Sinne Christi (Mt 7,15.16.) erwies. So manche
katholischen Christen erinnerten sich auch gleich an den Hinweis des
hl. Johannes, des Apostels, bezüglich der 'großen Verführer': "Aus
unserer Mitte gingen sie hervor, aber sie gehörten nicht zu uns" (1.
Joh 2,19). Im übrigen ist eine solche ungewöhnliche Vakanz des
Apostolischen Stuhles kein Gegenstand des kanonischen Rechts und
deshalb von daher auch gar nicht erfaßbar. Das kanonische Recht bezieht
sich nur auf die sog. "Erledigung eines Kirchenamtes (officium
ecclesiasticum)" im rein juridischen Sinne (de iure vacat), was
fundamental-theologisch so gut wie nichts besagt. Indes ist das
"päpstliche Amt" oder "Papstamt" kein Produkt der Kirche und nimmt auch
eine einzigartige Sonderstellung ein. - Sedisvakanz ist eben nicht
gleich Sedisvakanz - ohne nähere Bestimmung.
Die erste Häresie Roncallis war die Irrlehre und die Verheißung eines
"neuen (oder zweiten) Pfingsten" auf dem angekündigten ökumenischen
(allgemeinen) Konzil; außerdem berief sich Roncalli für die Einberufung
eines Konzils auf eine "Eingebung oder Erleuchtung von oben" (wie er
schon Ende Januar 1959 berichtet und auch später zu wiederholten Malen
versichert hatte). Die zweite Häresie aber zeigte sich in der Trennung
des außerordentlichen Lehramtes der Kirche vom ordentlichen und in der
Unterwerfung des letzteren unter die allgemeine Norm des sog.
"Aggiornamento" - im radikalen Widerspruch zu der nur der Kirche
Christi anvertrauten (und unfehlbaren) göttlichen und apostolischen
Lehre des Heils (oder Erlösungslehre) für alle Menschen. Dieses
"Aggiornamento" (ein konfuser Begriff, den später Montini aufgenommen
und noch konfuser gemacht hat) gipfelt in der grotesken Vertreibung, ja
sogar 'Austreibung' des "Geistes der Wahrheit" (Joh. 14,17) aus der
'una sancta Ecclesia' mit Berufung auf den Hl. Geist und sein Wirken.
Grotesker geht es wahrhaftig nicht!
Man muß bei der schon so lange währenden Vakanz des Apostolischen
Stuhles oder der Cathedra Petri zu Rom diese beiden Häresien begreifen,
einschließlich ihrer Ausrichtung auf ein besonderes Konzil in Rom, das
sich auch zu Unrecht als Vatikanum 2 bezeichnete, denn es war nicht die
Fortsetzung des abgebrochenen Vatikanum I. Diese Sedisvakanz ist in der
Tat eine ungewöhnliche und außergewöhnliche schlechthin, so daß es gar
nicht verwunderlich ist, wenn sie sogar von vielen Katholiken, die noch
orthodox katholisch sind oder dies zu sein scheinen, überhaupt nicht
oder nicht klar genug erfaßt wird. Andernfalls müßten sie ja auch ihre
realen Folgen erkennen, was doch ebenfalls nicht der Fall ist. - Am 11.
Oktober 1962 herrschte weltweit sichtbar ein Nicht-Papst über mehr als
2 500 stimmberechtigte 'Hirten' in weißen Mitren, die sich in Rom zu
einem 'heiligen Konzil' versammelt hatten. So etwas hatte es in der
Geschichte der katholischen Kirche noch nie gegeben. Nicht wenige
katholische Laien, die bereits auf Distanz gegangen waren, trauten
ihren Augen nicht mehr und zweifelten an ihrer Sehschärfe. Papst Pius
XII. war erst vor 4 Jahren verstorben. Nun aber nahm ein seltsames
'Hirtenkonzil' seinen Lauf und ließ übelste Dinge ahnen. Sedisvakanz
und Vatikanum 2 gehören zusammen und bildeten von Anfang an eine
fürwahr 'unheilige Einheit'. Auch dies muß man begreifen, um die
kirchliche Situation von damals und heute nicht mißzuverstehen; sie
darf nicht 'vereinseitigt' werden, sonst erkennt man auch nicht den
Bruch mit der apostolschen Ecclesia Romana auf einem Konzil (!), der
nicht mehr lange auf sich warten ließ und welches sich als 'das Konzil'
schlechthin aufspielte. Schon diese Propaganda modernistischer Kleriker
war für viele orthodoxe Katholiken unerträglich. Da 'wehte' ein Geist,
der nicht mehr der Heilige sein konnte.
Der religiöse Begriff "Apostolischer Stuhl" ist (im Unterschied zum
politischen Begriff "römischer Stuhl") ein bildhafter Terminus für den
ortsähnlichen 'Sitz' des auf ihm fortlebenden Apostolates Petri zu Rom.
Zudem beruht nur auf dem perennierenden Apostolat des hl. Petrus (oder
dem 'petrinischen Apostolat') die übernatürliche Hoheit des von
Christus eingesetzten Papsttums in Seiner Kirche. Welche Katholiken
aber wissen noch, daß "Kirche" und "Stuhl" (Ecclesia et Sedes) sich
zueinander verhalten wie "Reich" und "Thron" (Matthias Joseph
Schee-ben)?! Auch dies wird heutzutage von vielen nicht mehr begriffen,
gleichgültig ob es sich um Katholiken oder Nichtkatholiken handelt.
Wer alles und was alles verhindert somit die klare und sichere
Erkenntnis einer schon so lange dauernden ungewöhnlichen und
außergewöhnlichen Vakanz des Apostolischen Stuhles?? Auch diese Frage
sollen sich Katholiken zu Bewußtsein bringen. |