Die Synode von Pistoja - ihre Verurteilung durch Pius VI.
- Auswirkungen auf die Beschlüsse des II. Vatikanums -
- Kommentar und Quellen -
Vorbemerkung der Redaktion:
Wegen des Zusammenbruchs auch des kirchlichen Lehramtes sind wir bei
der Beurteilung von neuen Häresien im Zusammenhang mit den Beschlüssen
des sog. II. Vatikanums auf entsprechende authentische Urteile der
Kirche angewiesen, von denen auch die modernen Irrlehren betroffen
sind. Zu diesen Entscheidungen gehört auch die Bulle "Auctorem fiedei"
Pius VI. vom 28.8.1794, durch die 85 Sätze der Synode von Pistoia
verworfen wurden, u.a. auch der Beschluß, die Landessprache für die
Sakramentenspendung zu benutzen, wie dies ja auch im Gefolge der
Liturgie-Reform wieder eingeführt wurde.
Was war auf der Synode von Pistoia im Jahre 1786 beschlossen worden?
In Anlehnung an die staatskirchlichen Bestrebungen und Verordnungen
seines Bruders, des Kaisers Joseph II. 1), d.h. Verordnungen, durch die
die Kirche dem Staate untergeordnet werden sollte, hatte Leopold I.,
Großherzog von Toskana, in einem Rundschreiben vom 26.1.1786 den
Bischöfen seines Herzogtums einen jansenistisch-febronianischen
Reformplan zur Prüfung unterbreitet. Die 57 Artikel, die der Schrift
"L'ecclésiastique citoyen" (London 1785) entnommen waren, enthielten
hauptsächlich Vorschläge zur Abhaltung häufigerer Regional-Synoden, die
eine größere Unabhängigkeit vom Papst herstellen sollten, für Reformen
des Breviers und der Meßbücher, die Sakramen-tenspendung in der
jeweiligen Landessprache, Beschränkung der Prozessionen, Verbote von
Bildern und Votivtafeln in den Kirchen, Verpflichtung der Kleriker auf
die Lehre des hl. Augustinus.
Während die meisten Bischöfe diese Vorschläge ablehnten, stimmten ihnen
die Bischöfe von Pistoia-Prato, Chiusi und Colle zu. Der Bischof von
Pistoia, Scipione de Ricci, berief eine Diözesan-Synode ein, die vom
18.-28. Sept. 1786 stattfand und an der 234 Priester teilnahmen. Sie
beanspruchte, in Glaubensangelegenheiten entscheiden zu können und
verabschiedete zahlreiche Beschlüsse, darunter auch die Annahme der
vier Gallikanischen Artikel: Unterordnung der Kirche unter den Staat,
das Episkopalsystem, den jansenistischen Rigorismus bei der Verwaltung
des Bußsakraments, Verminderung der Ehehindernisse, Geringschätzung der
Zeremonien, Zurückführung der Orden auf den benediktinischen etc. Auf
einer 1787 einberufenen Konferenz sollten nach Leopolds Vorstellung die
17 toskanischen Bischöfe diese extremen jansenistisch-gallikanischen
Beschlüsse bestätigen. Doch nur wenige der Reform-Vorschläge Leopolds
wurden angenommen, und dann nur in abgeschwächter Form. Mißmutig schloß
der Großherzog am 5.6.1787 die Versammlung und sah die Idee eines
Nationalkonzils für gescheitert an.
Nachdem Leopold im Jahre 1790 als Kaiser nach Wien ging und Bischof
Ricci abgesetzt worden war, scheiterte die schismatische Bewegung auch
am vehementen Widerstand der Gläubigen. Der Nachfolger Leopolds,
Großherzog Ferdinand III., hob zudem verschiedene Neuerungen wieder
auf. Wegen der dennoch erfolgten Verbreitung der Synodalakten und deren
Ausschlachtung durch die Reformer verurteilte Pius VI. im Jahre 1794
insgesamt 85 Sätze der Synode von Pistoia durch die Bulle "Auctorem
fidei" als häretisch.
Auf die Bedeutung von "Auctorem fidei" für die Bewertung bzw.
Beurteilung der modernen Häre-sien hatte bereits + H.H. Dr. O. Katzer
in einem Artikel "Vere antiqui erroris novi reparatores -
Erneuerer alter Irrtümer (Petrus Venerabilis)" in EINSICHT VIII/7 vom
April 1979, S. 240 ff. hingewiesen, weil er zwischen den Beschlüssen
von Pistoia und denen des II. Vatikanums hinsichtlich seiner
Ideen und Tendenzen gewisse Übereinstimmungen entdeckt hatte.
Nachfolgend drucken wir diesen Beitrag wieder ab, zusammen mit
verschiedenen Briefen Pius VI., in denen die damaligen Sachverhalte
weiter geklärt und die Gründe für bestimmte Entscheidungen erläutert
werden.
E. Heller
* * *
Vere antiqui erroris novi reparatores
Erneuerer alter Irrtümer
(Petrus Venerabilis)
von
H.H. Dr. Otto Katzer 2)
Großherzog Leopold I., Bruder Kaiser Josephs II. sehnte sich danach,
kirchliche Reformen im Geiste des Jansenismus und Gallikanismus in
seinen Staaten einzuführen. Sein Reformplan empfiehlt die Veränderungen
des Breviers und des Missale. Nach ihm soll die ganze Heilige Schrift
in jedem Jahre gelesen werden, die Ausspendung der heiligen Sakramente
soll in der Landessprache geschehen, der Kult beschränkt, Bilder und
Reliquien reduziert werden, alle Pracht sollte aus den Kirchen
verschwinden, worin nur ein Altar sein durfte. Auch "abergläubische"
Andachten und Prozessionen sollten vermindert werden usw., Predigten
sollen moralischer sein, alles Mystische und Dogmatische gemieden
werden. In seinem Ratgeber, dem Bischof Scipione Ricci von Pistoja,
fand er einen eifrigen Helfer. Im Jahre 1786 wurden alle erwünschten
Reformen von der in Pistoja gehaltenen Synode angenommen. Im Kerne wurde alles gefordert, was sich seit dem sog. II. Vatikanischen Konzil durchgesetzt hat.
Der Herr und sein Hirte schliefen jedoch nicht; die Synode wurde von
Papst Pius VI. durch die Apostolische Konstitution "Auctorem fidei"
verdammt: "Absit, ut vox Petri in illa unquam sede sua conticescat, in
qua perpetuo vivens ille ac praesidens praestat quaerentibus fidel
veritatem." ("Fern sei es, daß die Stimme Petri je still werde auf
diesem Stuhle, wo er ununterbrochen lebt und den Vorsitz hat, bereit
denen, die die Wahrheit suchen, diese zu gewähren") - so lesen wir in
der Einleitung zu dieser für uns heute so wichtigen Konstitution. "In
solchen Dingen", setzt die Einleitung fort, "ist Nachsicht nicht mehr
gestattet, da es sozusagen ein Verbrechen ist in solchen Dingen,
nämlich solch gottloses Zeug zu predigen, nachsichtsvoll zu sein. Solch
eine Wunde muß herausgeschnitten werden, die nicht nur ein Glied
verletzt, sondern den ganzen Leib der Kirche gefährdet!"
"Wir befehlen deshalb allen Christgläubigen beiderlei Geschlechtes, daß
sie es ja nicht wagen, eine im Gegensatz zu unserer Konstitution
stehende Ansicht zu haben, etwas dagegen zu lehren oder zu predigen, da
derjenige, der etwas, was gegen unsere Konstitution ist - im ganzen
oder im einzelnen - lehren, bzw. davon etwas verteidigen oder
herausgeben würde oder auch darüber öffentlich bzw. privat disputieren
würde (außer, um die verurteilten Sätze zu bekämpfen), den kirchlichen
Zensuren beziehungsweise den vom Gesetz angegebenen Strafen (die für
ähnliche Vergehen festgesetzt sind) allein schon durch die Tat selbst
verfallen würde (ohne daß es nötig wäre, die Verurteilung eigens zu
veröffentlichen)."
Nachdem der Papst die Veröffentlichung der Synodalakten (in jeder
beliebigen Sprache, in jeder Ausgabe, egal an welchem Ort, ob bereits
gedruckt oder nicht) aufgrund seiner apostolischen Autori-tät verboten
und verurteilt hatte, verbietet er auch alle anderen Bücher, welche die
verworfene Lehre verteidigen - seien sie geschrieben oder bereits
gedruckt, oder auch, was Gott verhüte, daß sie später herausgegeben
würden - als auch das Lesen dieser Bücher, ihr Abschreiben, Behalten
und ihren Gebrauch und zwar allen Christgläubigen und jedem einzelnen unter der Strafe der Exkommunikation, welcher jeder ipso facto verfällt, ohne daß es notwendig wäre sie noch eigens auszusprechen.
Daß darunter auch die Teilnehmer am sog. Vatikanum II. fallen, dürfte klar sein.
Um dieser Sache den nötigen Ernst zu geben, schrieb Papst Pius VI.
einigemale an den Bischof von Pistoja, Scipio Ricci, und seine
Mahnungen sollten auch wir uns zu Herzen nehmen, er sagte: "Es gibt
sicher niemanden, der sich dessen nicht bewußt wäre, daß (durch die auf
der Synode aufgestellten Sätze) dogmatische Urteile verletzt wurden,
welche vom Stuhle Petri erlassen worden sind und deren Überwachung dir
anvertraut war." "Wenn nun bei einer Synode Dekrete des apostolischen
Stuhles angeführt wurden, dann geschah das nie, um sich wegen dieser
herumzustreiten (als wären sie nicht unumstößlich), da sie als sicher
und als unveränderlich gelten". 3) Es handelt sich also in den
betreffenden Fragen nicht um Probleme der Disziplin!! Nach dem hl.
Thomas von Aquin ist es Recht und Pflicht des Apostolischen Stuhles,
"endgültig zu entscheiden, in dem, was sich auf den Glauben bezieht,
und dafür zu sorgen, daß es von allen mit unerschütterlichem Glauben
festgehalten werde." 4) "Gegen apostolische Dekrete ist es niemand
gestattet aufzutreten; so daß, wenn jemand etwas anderes behaupten
wollte, er sich selbst verurteilen würde, aber nicht diese (Dekrete)!
Eine bereits entschiedene Angelegenheit erneut dem Unverstand einiger
weniger auszusetzen, ist nicht gestattet; das tun nur einige wenige
Pseudo-Bischöfe und Widerspenstige. (...) Wenn es gestattet wäre,
menschlichen Meinungen freie Bahn zu lassen, würde es nie an denjenigen
mangeln, die es wagen würden, die Wahrheit zu verspotten. Die
Streitigkeiten und Auseinandersetzungen würden kein Ende nehmen, wenn
es erlaubt wäre, das, was von mehreren Päpsten festgelegt wurde, von
neuem zu beurteilen. (...) Wir, die wir Hüter der väterlichen
Beschlüsse sein sollen, dürfen solche Anfeindungen nicht zulassen, nach
dem Wort des hl. Petrus Damianus: "Bedenke, daß der, der die Schlüssel
Petri besitzt gegen jede neue Lehre sich erheben muß und die Förderer
der Schlechtigkeit mit dem Richterspruch unschädlich machen muß." 5)
In einem weiteren Schreiben betont der Papst, daß es auch ihm nicht
gestattet ist, über die nach ernster Besprechung ausgesprochenen
Urteile Rechenschaft abzulegen. Ja, er muß sich aufgrund seines Amtes
und seiner Würde solchen Auseinandersetzungen völlig und gewissenhaft
widersetzen, sonst würden solche kein Ende nehmen und die Autorität,
vor der sich ein jeder beugen muß, geschmälert werden." 6)
Infolgedessen, so bemerkt er in seinem Schreiben an Ferdinand III.,
mußte er gegen die Synode von Pistoja eingreifen, damit niemand der
künftigen Bischöfe von Pistoja und Prato, wie auch all der anderen den
(unfehlbaren Beschlüssen) entgegengesetzte Regeln herausgeben könne,
denen sonst nichts im Wege stünde und die mit der gleichen Autorität
wie der jetzige Bischof es getan auftreten würden), wodurch eine neue
Synode von Pistoja einberufen werden könnte." 7)
In diesem Zusammenhang ist noch ausdrücklich auf das hinterlistige
Vorgehen gegen das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens (verkündet
in der Bulle "Ineffabilis Deus" 1854) aufmerksam zu machen, wie es
aufgrund des Nichtausschlusses der Polygenie (die besagt, der Mensch
sei zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten entstanden, er
würde von verschiedenen tierischen Ahnen abstammen, das Paradies sei
ein Mythos, der Sündenfallbericht sei kein Protokoll des
"Sündenfal-les" - es sei nicht so gewesen, wie es dargestellt würde 8)
-) immer wieder mit "kirchlicher" Approbation geschieht. Papst Pius IX.
bestätigt in seiner erwähnten Bulle die von Papst Sixtus IV. verhängten
Strafen und fügt noch weitere hinzu: "Das Verbot zu predigen,
öffentliche Vorlesungen zu halten, den Verlust der Berechtigung zum
Lehramte und der Interpretation, den Verlust des aktiven und passiven
Wahlrechtes, und zwar sofort, automatisch, ohne Verpflichtung zur
(öffentlichen) Verlautbarung. Auch wird solch ein Priester für immer
unfähig zu predigen, vorzulesen, zu interpretieren und zu belehren,
ipso facto, ohne daß noch eine Verlautbarung diesbezüglich notwendig
wäre. 9)
Gott läßt Seiner nicht spotten!
* * *
Urkunden, die sich auf die vom Bischof von Chiusi und Pienza
erlassene Pastoralinstruktion über viele
wichtige Wahrheiten der Religion beziehen 10)
1786-1787
aus:
Mansi "Conciliorum Collectio", XXXVIII: "Synodus Pistoriensis et
Congregatio ab Hetruriae archiepiscopis et episcopis Florentiae
habita", Col. 1103 sq.
aus dem Lateinischen übersetzt von
Armin Benedikter
Brief des Bischofs von Chiusi und Pienza an Pius VI.
SELIGSTER VATER!
Da ich für diese meine Diözesen eine Pastoralinstruktion über die
gesunde Lehre veröffentlicht habe, glaubte ich, dazu verpflichtet zu
sein, eine Abschrift davon Eurer Heiligkeit demütigst zu unterbreiten,
der dies gewiss mehr als jedem anderen zusteht, seid Ihr ja derjenige,
der durch göttliche Einrichtung zum Oberhaupt der Bischöfe und
Mittelpunkt der Einheit und Gemeinschaft der Kirche bestimmt ist.
In den Händen Eurer Heiligkeit gewinnt sie einen neuen Wert und Glanz
sowie nicht weniger als die sicherste und stärkste Unterstützung gegen
die Beschimpfungen von seiten ihrer Feinde.
Es mangelt nicht an rühmlichen Belegen, die eindeutig die
Rechtschaffenheit und den großen Eifer beweisen, womit Eure Heiligkeit
denen Gunst erwiesen hat, die sich für die guten Grundsätze
ausgesprochen haben, und ich bleibe immer der einzigartigen Wohltaten
eingedenk, die mir von Eurer übergroßen Güte zuteil geworden sind.
Im Vertrauen auf diese Güte hege ich die größte Hoffnung, daß Eure
Heiligkeit mir die Kühnheit, die ich mir herausgenommen habe, verzeihen
und es als erster Wächter und Verkünder der gesunden Lehre nicht
verschmähen wird, auch mich die gnadenvollen Wirkungen Eures so
einflussreichen Schutzes und Beistandes spüren zu lassen. Und indem ich
für mich und für diese meine Herde den apostolischen Segen erflehe,
rühme ich mich, allzeit in höchster Wertschätzung und tiefster
Verehrung Eurer Heiligkeit demütigster Diener und Sohn in Christus zu
sein.
Giuseppe, Bischof von Chiusi und Pienza.
Pienza, den ersten August 1786
***
Breve Pius’ VI. an den Bischof von Chiusi und Pienza
PAPST PIUS VI.
Ehrwürdiger Bruder,
Gruß und apostolischen Segen. Erst vor wenigen Tagen wurde Uns ein
Brief deiner Brüderlichkeit überbracht, der am 1.August geschrieben
worden war, und überaus willkommen war uns die Erinnerung an deine
kindliche Liebe zu Uns, die du mit vorzüglichem Eifer in diesem Brief
dargelegt hast; du lieferst nämlich dadurch aus freien Stücken eine
neue und nicht unwillkommene Bestärkung des Vertrauens, das Wir deiner
Tüchtigkeit gegenüber im Herrn hegten, bevor du zur Höhe des
Bischofsamtes erhoben wurdest. Den von dir bereits gefassten Entschluss
jedoch, deinen Klerus auf eine besondere Art und Weise in der
kirchlichen Lehre zu unterweisen, die du in deiner Diözese
weiterzugeben gedenkst, haben Wir aus deiner Instruktion selbst
entnommen, die du dem Brief beigelegt hast. Aus ihrer Lektüre und
Abwägung ergibt sich für Uns jedoch zwangsläufig ein schwerwiegender
Grund zu Sorge und Trauer; Wir haben nämlich festgestellt, daß sie in
dem Bestreben verfasst wurde (was noch durch weitere Beweise belegt
werden könnte, wäre hier Raum für eine längere Auseinandersetzung), von
der Lehre des Apostolischen Stuhles mehr als einmal abzuweichen und
Sätze einzuführen und zu begünstigen, von denen zur Genüge bekannt ist,
daß sie von diesem schon seit langem verworfen worden sind; darüber
hinaus hast du nicht gezögert, katechetische Bücher, die vom
Apostolischen Stuhl ebenfalls bereits gerügt worden waren, mit Lob zu
überhäufen und sie deiner Herde als einwandfrei und als Quellen der
reineren Lehre vorzulegen. Jedermann muß aber erkennen, daß dadurch den
dogmatischen Entscheidungen, die der Stuhl Petri gefällt hat, eine
offene Verletzung zugefügt wird und daß du dich zu ihrem Richter
aufschwingst, so als ob in dem, was von den Päpsten definiert worden
ist, zu wenig für die Religion gesorgt worden wäre.
Augenscheinlich hat aber ein Bischof bei der Unterweisung des Klerus
eine ganz andere Aufgabe; denn da die Gewalt über die Schafe beim
Bischof liegt und das Wissen der Geistlichen auf das Volk Einfluss hat,
ist es von größter Wichtigkeit, diesen eine ganz und gar sichere, nicht
anfechtbare und schon gar nicht verworfene Lehre einzuflößen, und es
ist sorgfältig darauf zu achten, daß die Oberhirten den Klerus und das
Volk rechtgläubige Sätze lehren, ohne bereits abgesteckte Grenzen zu
überschreiten; wenn nun eine Lehrstreitigkeit ausbricht, ist diese
nicht anders als nach den vom Apostolischen Stuhl gebilligten
Lehrentscheidungen zu behandeln: denn seine Verfügungen, die ja
gleichsam aus dem Munde Petri hervorgehen, galten als Richtschnur für
das, was später auf den Konzilien beschlossen wurde; daher hat
bekanntlich das Konzil von Ephesus die Absetzung des Nestorius verfügt,
dessen Irrlehren zuvor schon der römische Papst Cölestin verurteilt
hatte 11), und die in Chalcedon versammelten Väter riefen gegen
Dioscorus aus, Petrus habe durch Leo gesprochen 12); nicht weniger
bekannt ist, daß der hl. Viktor in den Fußstapfen seiner Vorgänger dem
I. Konzil von Nizäa das Licht vorangetragen hat, als über die Feier des
Ostertages gestritten wurde 13). Noch mehr Beispiele hierfür
anzuführen, ist unseres Erachtens nur überflüssig, es genügt uns
festzustellen, daß, sooft in Konzilien Dekrete des Apostolischen
Stuhles vorgelegt wurden, es dabei niemals darum ging, daß über
Unsicheres gestritten, sondern daß Sicheres und Unveränderliches 14)
durch die kurze und bündige Definition der Mitpriester und Mitdiener
feierlich verkündet werde.
Jedermann sieht, daß dadurch die höchste Autorität des römischen
Papstes in Glaubensangelegenheiten anerkannt wurde, und das hat die
katholische Kirche beständig so eingehalten; das war auch die richtige
Haltung Theodorets, des Bi-schofs von Cyrus, der das Gutachten des
Apostolischen Stuhles abwartete und den hl. Leo eindringlich bat, er
möge ihm, der sein rechtmäßiges und gerechtes Gericht anrief, zu Hilfe
kommen und ihm befehlen, zu ihm zu kommen und seine Lehre, die den
apostolischen Grundsätzen treu bleibe, vorzutragen 15); dem entspricht
einerseits die Ermahnung des Petrus Chrysologus, der an Eutyches
schreibt, "er solle sich gehorsam an das halten, was vom seligsten
Papst der Stadt Rom geschrieben worden ist, da der selige Petrus, der
an seinem Sitz sowohl lebt als auch den Vorsitz führt, allen Suchenden
die Wahrheit des Glaubens darreicht; aus der eifrigen Sorge um den
Glaubensfrieden können wir nämlich nicht ohne Zustimmung des Bischofs
der Stadt Rom Glaubenssachen entscheiden" 16); andererseits die Haltung
des hl. Hieronymus, durch die er nicht nur dem Theophilus bezeugte,
"daß es für ihn nichts Althergebrachteres gebe, als Christi Rechte zu
bewahren und die Grenzsteine der Väter nicht zu verrücken, und daß er
sich erinnere, daß stets aus apostolischem Munde der römische Glaube
verkündet wurde, an dem teilzuhaben sich die Kirche von Alexandrien
rühmt" 17), sondern auch, um den Rufinus zu widerlegen, der sich -
übrigens in verwegener Weise – auf die Meinung der Bischöfe Italiens
berief, ihm überaus weise in Erinnerung rief, daß die höchste
Lehrautorität bei der römischen Kirche liege, und ihn nach Art eines
Staunenden mit der Frage bedrängte: "Wie könnte Italien gutheißen, was
Rom verworfen hat; wie könnten die Bischöfe annehmen, was der
katholische Glaube verdammt hat?" 18)
Dem sind freilich, damit dieser Brief nicht zu lang wird, vor vielen
anderen nur noch zwei Zeugnisse für dieselbe Auffassung hinzuzufügen,
nämlich die Lehre des hl.Thomas von Aquin, welche gutheißt, daß es den
Nachfolgern Petri zustehe, "alles endgültig zu bestimmen, was zum
Glauben gehört, damit es von allen mit unerschütterlichem Glauben
geglaubt werde" 19) sowie eine weitere der Universität von Löwen: unter
den übrigen von dieser am 6. Dezember 1544 verkündeten 25
Glaubensartikeln befindet sich auch der in folgenden Worten verfasste:
"Mit Glaubensgewissheit festzuhalten ist nicht nur das, was
ausdrücklich durch die Hl. Schrift geoffenbart wurde, sondern auch das,
was wir durch die Überlieferung der katholischen Kirche als zu glauben
vorgelegt bekommen haben und was in Sachen des Glaubens und der Sitten
durch den Stuhl Petri oder durch rechtmäßig einberufene allgemeine
Konzilien definiert worden ist". Diese Artikel hat sogar Kaiser Karl
V., damit sie strenger eingehalten würden, mit einer am 13. März 1545
zu Brüssel erlassenen Konstitution mit seiner Bestätigung versehen 20).
Es ist also in der Kirche schon lange Brauch, daß, sooft es um den
Glauben geht, "alle unsere Mitbrüder und Mitbischöfe (wir verwenden die
Worte, die der hl. Innozenz I. an die Konzilsväter des Konzils von
Milet schrieb) das, was weltweit allen Kirchen gemeinsam zum Nutzen
gereichen soll, von Petrus, dem Urheber ihres Namens und ihrer Ehre,
abhängig machen müssen" 21).
Nicht anders verhielt sich der hl. Hieronymus, als er angesichts der
herumschleichenden Irrlehren der arianischen Häresie Papst Damasus um
Rat fragte, um unter seiner Führung den Hafen der sicheren Ruhe zu
erreichen 22); dasselbe besagt auch Artikel 18 der zuvor gelobten
Universität Löwen, der lautet: "Einer ist der höchste Hirte der Kirche,
dem alle zu gehorchen gehalten sind, dem Streitigkeiten über Sachen des
Glaubens und der Religion zur Entscheidung anheimzustellen sind" 23).
Es ist sehr zu bedauern, daß dir diese Vorsichtsmaßregel vor der
Verlautbarung deiner Instruktion überhaupt nicht gegenwärtig war;
hättest du sie Uns nämlich vorgelegt - zusammen mit der anderen, von
der du sagst, daß sie das Muster einer katechetischen Unterweisung
enthalte -, hättest du es zweifellos nicht gewagt, Sätze aufzunehmen,
die durch endgültige Entscheidung der römischen Päpste öfter verworfen
worden sind und die nur wenige Scheinbischöfe oder Rebellen verfechten.
Denn mit der übergroßen Liebe, die Wir gegen dich hegen und mit der Wir
herzlich wünschen, alle Mitbrüder im Geiste der Milde in ihrem Amt zu
erhalten, hätten Wir dich daran erinnert, daß es niemandem erlaubt ist,
in verwegener Weise irgendetwas dagegen zu äußern, was auf päpstliche
Entscheidungen gegründet ist; in der Weise, daß, wenn jemand etwas
davon Abweichendes beschließen wollte, er eher sich selbst herabsetzt,
als daß er jene zu verderben vermöchte 24), und daß es sich nicht
gehört, daß eine schon längst entschiedene Streitsache durch die
Torheit weniger Leute wieder in den Widerstreit zweifelhafter Meinungen
und in die Kämpfe fleischlicher Auseinandersetzungen hineingezogen
werde 25); denn das hieße eher zweifeln als glauben, eher streiten als
wissen, eher mit dem Bannstrahl Getroffenem folgen als
Lehrentscheidungen einhalten; und du hättest leicht entdeckt, daß sich
hinterhältig Verführer mit ihren Bestrebungen einschleichen wollen, die
darauf ausgehen, daß die festgelegten Glaubensgrundsätze, die mit den
Lehren des Evangeliums und den Überlieferungen der Kirchenväter
übereinstimmen, durch eine neue Meinung ihre Kraft verlieren und
dadurch, daß die Auseinandersetzung hierüber zugelassen wird, die
Lehrautorität beseitigt wird 26). Denn wenn es den menschlichen
Meinungen immer freistünde zu diskutieren, würde es nie an solchen
mangeln, die sich erdreisten, die Wahrheit anzugreifen, und es gäbe
kein Ende der Debatten und Streitereien, wenn man über das, was durch
die Zustimmung sehr vieler Päpste bekräftigt worden ist, ein neues
Urteil fällen dürfte.
Sollte aber in diesem unseren Zeitalter die Raserei der Häresien zu
demselben Zustand geführt haben, wie er zur Zeit des hl. Leo in Ägypten
herrschte, könnte uns derselbe Trost zuteil werden, den dieser erfuhr,
als er dem Anatolius schrieb, "daß unter allen Bischöfen, die den
ägyptischen Diözesen vorstehen und erst vor kurzer Zeit verurteilt
worden sind, nur vier gefunden werden konnten, die dem Timotheus sowohl
an Gottlosigkeit der Häresie als auch an verbrecherischer Räuberei
ebenbürtig sind" 27). Aber da unsere Zeit ruhiger ist und die
katholischen Dogmen, gegen die hinterhältig vorgegangen wird, schon
fest verankert und eingebürgert sind, wäre es für uns zu Recht ein
äußerst schwerwiegender Grund zu Traurigkeit und Schmerz, wenn heute in
der Toskana dieselbe Anzahl von Bischöfen sich finden ließe. Aber du,
darauf hoffen wir fest, bist von dieser Gruppe weit entfernt, und zu
nicht geringer Freude wird uns der Eifer gereichen, den deine
Frömmigkeit darauf verwenden wird – worauf wir fest vertrauen -, sowohl
die von dir herausgegebene und uns zugeschickte Instruktion als auch
den verlautbarten Katechismus abzuändern, wenn er sich, wie wir sehr
fürchten, an diese Instruktion anschließt. Damit dies aber froheren
Sinnes geschieht, rufen wir dir das Beispiels des Augustinus in
Erinnerung, der die Bücher "Retractationes" (Zurücknahmen, Widerrufe)
veröffentlichte, um nicht, was zu weit führen würde, andere durch
Heiligkeit, Gelehrsamkeit und Würde hervorragende Männer anzuführen,
die nicht zögerten, zu unvorsichtig geäußerte Lehrmeinungen zu
widerrufen; erwäge auch ernstlich die von religiösem Pflichtgefühl
erfüllten Worte des Damianus: "Wenn wir in irgendeiner Sache geirrt
haben, treten wir gerne an das für die Berichtigung zuständige Lehramt
Petri heran und fürchten nicht die Schande des Widerrufs" 28).
Wir, die wir die Wächter der väterlichen Entscheidungen sein müssen,
weshalb wir ihren Anfechtungen nicht zustimmen können, haben es nicht
hinausgeschoben, dir dies zu schreiben, weil wir wünschen, in sicherer
Eintracht mit dir im Herrn verbunden zu sein; und wir weigern uns
nicht, dir die Gnade der Bruderliebe und Wertschätzung zu erweisen,
wenn wir nur die Offenbarung der katholischen Wahrheit erwarten dürfen;
es ist Uns nämlich willkommen, lieber die Worte des hl.Leo an den
Bischof von Konstantinopel 29) auf dich anzuwenden als Uns aufgrund
Unseres Amtes zu erregen und Uns von der anderen Ermahnung des hl.
Petrus Damianus hinreißen zu lassen, der schreibt: "Wer an Petri Stelle
die Schlüssel innehat, der muß selbst als erster gegen eine neue Lehre
aufstehen und die Einführer der Ruchlosigkeit soll der Strahl eines
ihrer würdigen Urteils durchbohren" 30). Wohlan, ehrwürdiger Bruder,
leg Hand ans Werk, damit deine uns zugeschickte Instruktion so
abgeändert werde, daß in ihr nichts mehr übrig bleibt, was den vom
Apostolischen Stuhl definierten Lehren widerspricht, und nichts, was in
irgendeiner Weise die von Unseren Vorgängern übernommenen und
gutgeheißenen Bestimmungen verletzt: Das wird nämlich nicht nur Unser
Herz mit höchster Freude erfüllen, sondern damit wird auch dem von dir
bei der Bischofsweihe übernommenen Amt Genüge getan, bei der du gelobt
hast, die Apostolischen Konstitutionen ehrfürchtig anzunehmen, zu
lehren und zu bewahren. Und Wir erteilen dir, ehrwürdiger Bruder, voll
Liebe den apostolischen Segen.
Geschrieben zu Rom, bei Santa Maria Maggiore, am 20.Oktober 1786, im 12.Jahr Unseres Pontifikats.
CALLISTUS MARINIUS
Sekretär für die lateinischen Briefe Seiner Heiligkeit
***
Brief des Bischofs von Chiusi und Pienza an Pius VI.
SELIGSTER VATER
Die Hochachtung, die Verehrung und die aufrichtige Anhänglichkeit, die
ich mich beehre Eurer Heiligkeit gegenüber zu hegen, veranlassten mich
dazu, Euch meine Pastoralinstruktion vorzulegen.
Wenn mich bei deren Abfassung der Geist der Spaltung geleitet hätte,
hätte ich mich sicher nie dazu entschlossen, Eurer Heiligkeit ein
solches Zeugnis meiner Gefühle und meines aufrichtigsten Wunsches nach
der vollkommensten Einheit mit dem Apostolischen Stuhl zu geben.
Welch gerechtes Bedauern, welch starke Trauer muß ich daher nicht
empfunden haben, als ich sah, wie Eure Heiligkeit im Antwort-Breve auf
meine Instruktion zwar keine zu fürchtenden Dinge sagt, aber unter
einer so schweren Schuldzuweisung sogar über meine Absichten urteilt?
Wenn Eure Heiligkeit mir wenigstens angedeutet hätte, welches die
Fehler, welches die weniger gesunden Grundsätze besagter Instruktion
sind, die sich auch nur ein wenig von den Lehrentscheidungen der hl.
katholischen, apostolischen, römischen Kirche entfernen; wenn man sie
nur nicht zur Gänze für schlecht und fehlerhaft erklären würde, wo ihr
doch von seiten mehrerer sowohl durch Gelehrsamkeit als auch durch
Würde ausgezeichneter Personen die sicherste und wohlabgewogenste
Billigung zuteil geworden ist!
Eure mir bekannte Eigenschaft eines Primas und gemeinsamen Vaters der
Weltkirche, mit dem – das bekenne ich feierlich – ich allzeit vereint
und herzlich verbunden leben und sterben will, hat mich in die
Zwangslage gebracht, Eure Heiligkeit erneut belästigen zu müssen, um
sie anzuflehen, mir doch die Gnade zuteil werden zu lassen, genau die
Maxime, den Satz zu bestimmen, die ich nach ihrem Willen widerrufen
soll, mitsamt den Gründen, die mich dazu bewegen sollen; wobei ich Euch
als hochachtungsvollster Sohn versichere, daß ich, auch wenn ich noch
so davon überzeugt bin, es für meine Pflicht halten werde, Eurer
Heiligkeit zu gehorchen und mich den Vorgaben zu fügen, die sie mir
gnädigst erteilen wird.
Ich hätte mich der Pflicht, diese hochachtungsvollen Anfrage zu
stellen, auch gar nicht entziehen können, bedenkt man meine Eigenschaft
als Bischof, aufgrund deren ich meiner Herde und der ganzen Kirche
gegenüber für die bereits veröffentlichten Grundsätze verantwortlich
bin, und die Gerechtigkeit und Hirtensorge Eurer Heiligkeit geben mir
die Gewissheit, daß sie mir diese pflichtschuldige Genugtuung nicht
vorenthalten werden.
Indem ich daher Euren Gnadenerweisen entgegensehe, Euch für mich und
meine Schäflein um den apostolischen Segen anflehe und Eure heilige
Hand küsse, beehre ich mich, Euch meine Hochschätzung und Verehrung zu
beteuern.
***
Zweites Breve Pius‘ VI. an den Bischof von Chiusi und Pienza
PAPST PIUS VI.
Ehrwürdiger Bruder,
Gruß und apostolischen Segen. In keiner Weise Unseren Erwartungen
entsprochen hat die Antwort, die du auf Unseren Brief gegeben hast, mit
dem Wir dich von dem falschen Entschluss abmahnen wollten, in den du
durch die Veröffentlichung eines Hirtenbriefes gefallen bist, aus dem
Lehren zu entnehmen sind, die der Kirche Ärgernis geben und den
Apostolischen Stuhl beleidigen: du verlangst nämlich, daß man dir
erkläre, was denn dein Brief an Aussagen enthalte, die mit den
Lehr-entscheidungen des Apostolischen Stuhles weniger übereinstimmen,
wobei du dir gewissermaßen ein Urteil über eben diese Entscheidungen
anmaßt, und du verlangst, daß man dir die Gründe an-gebe, auf die sie
sich stützen, und dich nur dann zur Richtigstellung deines
Hirtenbriefes bereit erklärst, wenn man dich von diesen Gründen
überzeugt. Diese Vorgangsweise kann unmöglich mit der Autorität des
Apostolischen Stuhles in Einklang stehen, die du in deinem Brief zu
verehren behauptest, und zeigt auch nicht jene Redlichkeit und
Weisheit, die deiner Würde entspräche. Da du aber mit Fleiß und Eifer
von den Definitionen und Lehren des Apostolischen Stuhles abweichst und
vor allem anderen die jansenistische Häresie ein Gespenst und einen
leeren Schein nennst, obwohl es niemandem verborgen ist und auch du
sehr wohl weißt, daß sie von Innozenz X. mit dem Bann-strahl durchbohrt
wurde, daß aber Alexander VII. sie als eine besonders in Frankreich
herumschlei-chende Häresie zu unterdrücken bestrebt war, indem er auf
Verlangen des allerchristlichsten Königs sogar eine feste, von den
Klerikern zu unterzeichnende Eidesformel festlegte; und obwohl es
niemandem verborgen ist, daß Clemens XI, nachdem zwar der Streit schon
längst entschieden, der Irrlehre aber noch kein Ende gesetzt worden
war, unter seinen vielfältigen Maßnahmen durch die sehr bekannte
Konstitution "Vineam Domini" die Kirche ermahnt hat; wird es
offenkundig, daß du nun zu Unrecht Unkenntnis hinsichtlich jener
Aussagen vortäuschst, durch die dein Hirtenbrief den um die
Unversehrtheit der Lehre besorgten Apostolischen Stuhl in
schwerwiegender Weise verletzt.
Und das kann um so weniger behauptet werden, je deutlicher du Bücher
anführst und Schriftsteller mit Lob überhäufst, die sich nicht
scheuten, sich den Entscheidungen eben dieses Apostolischen Stuhles zu
widersetzen und davon abzuweichen, und unter Geringschätzung der gegen
ihre Schriften verhängten Zensuren deinen Klerus zum Studium eben
dieser Schriften, als ob es sich um unschädliche Quellen der Lehre
handelte, ermunterst. Du täuschst dich aber sehr, wenn du mit
Argumenten von den vom Apostolischen Stuhl getroffenen
Lehrentscheidungen überzeugt werden willst, um ihnen dann deine
Zustimmung zu erteilen; das nämlich würde den Ungeist des Privaturteils
über Sachen des Glaubens und der Sitten heraufbeschwören, der dem
katholischen Dogma ganz und gar widerspricht. Deshalb ziemt es sich für
Uns keineswegs, über einmal gefällte Entscheidungen, die ja immer nur
nach vorausgegangener überaus strenger Erörterung ergangen sind,
Rechenschaft abzu-legen; im Gegenteil, wir müssen uns im Interesse
Unseres Amtes und Unserer Würde ganz und gar sorgfältig von neuen
Streitigkeiten fernhalten; sonst hätten die Auseinandersetzungen nie
ein Ende und würde das Ansehen jener Autorität schwinden, der ein jeder
sich selbst unterwerfen muß.
Da dies augenscheinlich ist, bedauern wir zutiefst dein
Täuschungsmanöver, wodurch du so tust, als würdest du weiter ausholen,
und danach strebst, durch Verzögerung Zeit zu gewinnen, um nicht Unsere
liebevolle Stimme bereitwillig aufnehmen zu müssen, als ob dir nicht
das zur Genüge bekannt wäre, was zwangsläufig nur allzu bekannt ist.
Doch Unsere unermessliche Liebe zu dir, die in noch höherem Maße darum
besorgt ist, daß der Name der Mitbrüder nicht in Gefahr gerät, zwingt
Uns aufgrund Unseres apostolischen Amtes dazu, dich erneut dazu zu
drängen, daß du das der Kirche gegebene Ärgernis ohne jeden Verzug in
kluger Weise beseitigst, wie Wir es in Unserem vorigen Brief
verlangten; und Wir bitten und beschwören deine Brüderlichkeit
inständig, dich nicht mehr länger widerspenstig zu zeigen gegenüber
jenen Lehren, die von unseren Vorfahren überliefert worden sind, und
nicht mehr länger mit verstocktem Herzen jenen Leuten anzuhangen, die
nur sich selbst weise dünken und die, wie man erzählt, heute in der
Toskana auftreten und entweder mit Verschlagenheit oder Unverschämtheit
darauf hinarbeiten, daß das Lehrsystem weniger unversehrt sei. Und Wir
erteilen dir, ehrwürdiger Bruder, in herzlichster Liebe den
apostolischen Segen.
Geschrieben zu Rom, bei St.Peter, am 2. Februar 1787, im zwölften Jahr Unseres Pontifikats.
CALLISTUS MARINUS
Sekretär für die lateinischen Brief Sr.Heiligkeit
***
Zweites Breve Pius VI. an Ferdinand III. über dasselbe Thema.
8.August 1794.
PAPST PIUS VI.
Geliebtester usw.
Obwohl es Uns sehr am Herzen liegt, dir, dem überaus geliebten Sohn in
Christus, soweit wir können Genugtuung zu leisten, glaubten wir
wiederum zuerst eine neue Aufgabe erledigen zu sollen, nämlich die
Beantwortung der Stellungnahmen, die Kardinäle, Bischöfe und Theologen
über die Synode des Bischofs Ricci von Pistoia sorgfältig abgefaßt
hatten; deshalb antworten Wir hiermit mit einiger Verspätung auf deinen
überaus freundlichen Brief, der Uns am 16.Mai übersandt wurde.
Wir müssen dir freilich bestätigen, daß in eben dieser Zeit der
erneuten Überprüfung nichts festgestellt wurde, was Unsere Haltung auch
nur um ein Weniges von der besonderen oder formellen Verurteilung jener
Synode abbringen könnte. Und um sorgfältig zu den einzelnen Abschnitten
deines Briefes Stellung zu nehmen, zeigst du dich als erstes davon
überzeugt, daß dieser Unserer Schritt lediglich zur Folge haben werde,
daß die früher dort aufgeflammten Störungen des öffentlichen Friedens
wiederum erregt und der Brand der Volksleidenschaften erneut angefacht
würden, was in dieser gefährlichen Zeit mit größtmöglicher Vorsicht
vermieden werden müsse. Aber da es völlig augenscheinlich ist und du
darin auch mit Uns einig bist, daß jene Störungen, Ausbrüche,
Streitereien und Unruhen keine andere Ursache gehabt haben als die von
Ricci in seiner Diözese eingeführten Neuerungen und daß hierauf aus
keinem anderen Grund der Friede wiederhergestellt und gefestigt wurde
als durch den Rücktritt eben dieses Bischofs von seinem Bischofsamt in
Prato und Pistoia, glauben Wir Uns keineswegs zu täuschen, wenn wir
sagen, daß Unsere formelle Verurteilung der Synode um so mehr dazu
angetan ist, den Frieden der Gemüter wiederherzustellen, je sicherer
sie die haßerfüllten und verabscheuenswerten Neuerungen beseitigt. Und
da, wie du selbst schreibst, der am 12.Mai 1792 veröffentlichte
Hirtenbrief des Nachfolgers auf dem Bischofsstuhl von jenem Klerus und
Volk mit großem Beifall und großer Freude aufgenommen wurde, dagegen
jene von der Synode von Pistoia erlassenen Beschlüsse im Volk auf
heftigsten Unmut und Ableh-nung gestoßen sind, kann nicht daran
gezweifelt werden, daß Unsere besondere Verurteilung eben dieser Synode
ein noch viel erfreulicheren Erfolg haben wird, in der sowohl Bischof
Ricci selbst als auch das Gift klar beim Namen genannt wird, das schlau
in viele Sätze verpackt worden ist, durch welche die ursprüngliche
Aufgebrachtheit von Klerus und Volk gegen den Bischof und seine Synode
hervorgerufen wurde. Wir sind zuversichtlich, daß dies ausreichen kann,
dir die Furcht vor solchen Unruhen ganz und gar aus dem Herzen zu
vertreiben.
Wenn es aber dennoch ein paar Leute geben sollte, die offen etwas
dagegen in Bewegung zu setzen versuchen (Wir stellen sicher nicht in
Abrede, daß dies geschehen kann), so wird sich daraus abgesehen davon,
daß sich alle Guten gegen jene stellen werden, auch dieser Vorteil
ergeben, daß sich in aller Öffentlichkeit zeigen wird, was das für
Leute sind, nachdem sie die Maske abgelegt haben, hinter der sie sich
bisher versteckt hatten. Außerdem behaupten Wir, daß es mehr als gewiss
ist, daß die öffentliche Ruhe in Verbindung mit der Irrlehre nicht
bestehen kann, wenn es sich um eine, wenn auch verheimlichte, Irrlehre
hinsichtlich der Religion handelt. Diese pflegt nämlich weder lange
geheim zu bleiben noch von alleine zu verschwinden, sondern irgendwann
kommt sie plötzlich ans Tageslicht, zum Verderben des Gemeinwesens und
zum Umsturz auch der höchsten Gewalten. Wer würde nicht erkennen und
bejammern, welch gewisse und schauerliche Beweise hierfür heute in
Europa gegeben sind oder drohen?
Aber du meinst, augenscheinlich sei die besagte Synode wenigstens
einschlussweise bereits durch den erwähnten Hirtenbrief des heutigen
Bischofs für ungültig erklärt worden, so daß überhaupt keine
Notwendigkeit bestehe, nun durch neuerliches Reiben an jener Narbe eine
alte Wunde aufzureißen. Da er nämlich allen für die Seelsorge in seiner
Diözese Verantwortlichen aufträgt, in Zukunft als sichere Richtschnur
für ihre Amtsführung einzig und allein die Synodaldekrete des Bischofs
Colombini Bassi mit den Hinzufügungen des Bischofs Alamanni zu
gebrauchen, braucht es für die rechte Verwaltung der heiligen
Angelegenheiten weiter nichts mehr, wobei natürlich auf diese Weise die
Ricci-Synode von beiden Diözesen ausgeschlossen wird.
Hier aber bitten Wir dich, Unseren in Christus vielgeliebten Sohn,
immer wieder zu überlegen, ob, da Wir gründlich und lange jene Synode
abgewogen und dabei festgestellt haben, daß darin verschiedene
verderbliche und verworfene Irrlehren enthalten sind, die Gefahren und
Schäden, die durch jene nur verdeckt und einschlußweise verbotenen
Irrlehren verursacht wurden, zur Genüge abgewendet bzw. wieder
gutgemacht werden können, indem der Titel des Buches und der Name des
Urhebers zur Gänze unterdrückt wird, oder ob es ganz und gar notwendig
ist, daß öffentlich eine sichere und ausdrückliche Verurteilung
vorgenommen werde, die jeden Weg in diese Richtung endgültig versperrt,
sowohl für die künftigen Bischöfe von Pistoia und Prato als auch für
alle anderen, die ja den Eindruck haben könnten, daß nichts hindere,
daß sie mit genau derselben Autorität, welche der heutige Bischof in
Anspruch genommen hat, jenem Hirtenbrief dieses letzteren
entgegengesetzte Hirtenbriefe erlassen und veröffentlichen, und daß auf
diese Weise die Ricci-Synode wieder ans Tageslicht gebracht wird. Denn
hier geht es nicht nur um die Diözesen Pistoia und Prato, sondern um
viele andere Bezirke und Provinzen, in welche die Meinungen dieser
Synode, gefördert durch die heute so genannten Philosophen,
eingedrungen sind. Es muß also mit deutlicher Stimme so laut wie
möglich gleichsam wie mit einer Posaune verkündet werden, damit es alle
in der katholischen Welt, wo auch immer sie sind, hören und verstehen.
Denn es kann nicht verhindert werden, daß irgendwelche Schriften, an
welchem Ort sie auch immer gedruckt wurden, leicht verbreitet und
weitum bekannt werden, besonders wenn parteiische Menschen durch sie
sehr viele Menschen zu verführen und ihre Partei durch die Menge der
Anhänger zu stärken trachten.
Dass dies bereits vor der Erfindung des Buchdrucks zu geschehen
pflegte, ja schon zu Beginn des vierten Jahrhunderts von feindlichen
Heidenpriestern getan wurde, wissen wir aus der Kirchengeschichte des
Eusebius, der schreibt: "Nachdem sie gewisse (angeblich) bei Pilatus
über unseren Heiland verwendete Prozessakten zusammengeschrieben
hatten, die voll waren von Frevelmut gegen Christus, schickten sie
diese auf Befehl Maximins in alle seine Provinzen und ordneten
brieflich an, daß sie überall, sowohl auf dem Lande als auch in den
Städten öffentlich vorgestellt würden und daß die Lehrer diese den
Schülern als Diktate ansagen und zum Auswendiglernen aufgeben sollten."
Genau das war immer die ununterbrochene Gewohnheit solcher
Schriftsteller: und dies wurde freilich auch bei der Ricci-Synode in
einem kurzen Zeitraum praktiziert: denn damit sich deren Irrlehren
möglichst weit über Europa ausbreiteten, erschienen aus einer Druckerei
in Pavia im Jahre 1789 sehr viele neue Exemplare, die ins Lateinische
übersetzt waren, damit sie in dieser Sprache in die ausländischen
Provinzen gebracht und überall verstanden werden könnten. Der Titel
dieser lateinischen Ausgabe lautet: "Akten und Dekrete der
Diözesansynode von Pistoia 1786. Zu Pavia im Verlag des Balthasar
Comini, unter Billigung der Schrifttumszensoren im Jahre 1789." Wer
kennt nicht die Namen jener unter den Professoren der Universität von
Pavia, die alle Aktionen dieser Synode gesteuert haben und die mit
ihren Schriften darauf ausgehen, daß überall gewissermaßen der
Bajanismus, Jansenismus und Quesnellismus triumphieren, jener Sekten,
deren Pesthauch mit gewiss unglaublich hinterlistigem Geschick
eingedrungen ist und die gesamte Ricci-Synode inspiriert hat, nicht
ohne Verwüstung besonders der Bestimmungen des Konzils von Trient und
der apostolischen Konstitutionen?
Außerdem fügst du in deinem Brief hinzu, daß, da Ricci seine Diözese
bereits aufgegeben habe und er keine Zuständigkeit mehr dafür habe, das
Volk zu unterrichten und zu leiten, auch seine Synode durch den
Hirtenbrief des Nachfolgebischofs ihre frühere Autorität eingebüßt habe
und jetzt nichts anderes sei als das Buch eines x-beliebigen privaten
Schriftstellers, das daher keineswegs einer formellen Zensur
unterworfen werden müsse. Doch gestatte bitte aufgrund deiner
Höflichkeit, du unser vielgeliebter Sohn in Christus, daß hier zu dem,
was wir oben berührt haben, noch etwas anderes hinzugefügt werde, daß
nämlich der Hirtenbrief des heutigen Bischofs lediglich ein
zweideutige, schwer verständliche, verdeckte und nur durch
schlussfolgernde Überlegung zu entnehmende Verwerfung der Synode
beinhaltet; dadurch kann niemals bewirkt werden, daß die so
ausführlichen Schriften derselben Synode als verdientermaßen verworfen
erscheinen, und man darf daher keineswegs glauben, daß die der
katholischen Kirche durch die Synode zugefügten Schäden durch jenen
Hirtenbrief wiedergutgemacht worden sind. Aber einmal zugegeben, daß
jene Synode nunmehr bereits als privates Buch gelten kann, darf es
deswegen von einer förmlichen Zensur verschont blei-ben? Gibt es denn
unter jenen Büchern, die einem besonders strengen Verbot unterliegen,
nicht sehr viele, die von privaten Autoren verfasst wurden, die
keinerlei Titel tragen und über keinerlei amtliche Autorität verfügen?
Sie konnten auch als Privatleute nicht dem feierlichen Bücherverbot
entrinnen, wie sie es verdienten: und auch Ricci, mag er auch nunmehr
keine Schafe mehr haben und leiten, hat doch schon sehr vielen das
Verderben gebracht durch seine allerorten so sehr verbreitete Synode,
die von hinterlistigen Irrlehren wimmelt. Denn nicht die Amtsautorität,
nicht die Titel der Verfasser, sondern die Verkehrtheit der Lehre
machen ein Buch verwerflich und verabscheuenswert; und Namen und Titel
tun nichts anderes dazu, als daß sie die Leser unschlüssig und im
Zweifel lassen, da sie glauben, der Verfasser dürfte wohl aufgrund
seiner Würde und des Bandes des geleisteten Eides nicht so leicht die
Grenzen der wahren Lehre überschritten haben. Und diese Belastung wurde
von der Bischofssynode Riccis durch seine darauffolgende Abdankung
sicher nicht weggenommen. Und doch zeigst du dich, du unser
vielgeliebter Sohn in Christus, immer noch sehr geneigt dazu, daß
lediglich ein einfaches und allgemeines Verbot der Synode ausgesprochen
werde, wodurch diese unter jene Bücher gereiht wird, bei denen nur die
Lektüre verboten ist, natürlich wenn sie nach Unserer Überzeugung
irgendetwas enthalten, was von der Lehre der katholischen Kirche
abweicht.
Im Herzen wären auch Wir wie du dieser von dir vorgeschlagenen milderen
Gangart zugeneigt. Doch viel mehr verlangt von Uns der schwerwiegende
Charakter der in Rede stehenden Angelegenheit sowie die Uns obliegende
strenge Pflicht, die Volksmassen zu unterrichten, die Betrügereien, die
darin verborgen sind, und die Verführungen, die hier versucht werden,
aufzudecken; dies kann aber sicher nicht geschehen, wenn nicht genau
dargelegt wird, welches die Irrlehren sind und wel-ches das Gewicht
einer jeden Irrlehre ist, die in jenes Buch hineingetragen wurde und
eingedrungen ist, in welchem man es unternommen hat, die Dogmen der
katholischen Kirche und ihre Kirchenzucht zu erläutern. Und daher
müssen wir, ja wir sind förmlich dazu gezwungen, jene alte in der
Kirche übliche Vorgangsweise einhalten, welche die ökumenischen
Konzilien und Unsere Vorgänger in solchen Angelegenheiten immer
eingehalten haben. Wir führen hier nur wenige Beispiele an, die aber in
ausreichendem Maß aufzuzeigen, was jetzt durch Uns getan werden muß.
Die 8.Sitzung des Ökumenischen Konzils von Konstanz verwarf
fünfundvierzig Artikel Johannes Wicliffs in der Weise, daß sie jeden
Artikel einzeln anführte. In der 15. Sitzung aber verurteilte sie in
ähnlicher Weise 30 Artikel des Johannes Hus. Unser Vorgänger Johannes
XXIII. zeigte in der in Avignon am 22. Oktober des 12. Jahres seines
Pontifikats erlassenen Konstitution viele Irrlehren des Marsilius von
Padua und des Johannes von Janduno in derselben Form auf. Leo X. aber
verwarf in seiner berühmten Konstitution Exsurge Domine vom 16.Juni
1520 einundvierzig Sätze Luthers. Doch würden wir dir sehr zur Last
fallen, wenn wir hier ein Verzeichnis aller Verwerfungsurteile
zusammenstellen würden, die einzeln und klar unterschieden von anderen
Unserer Vorgänger ausgesprochen wurden. Aber Wir dürfen freilich nicht
jenes Verdammungsurteil übergehen, das von Benedikt XIV. in seinem
Breve vom 10. November 1752 in bezug auf mehrere Sätze ausgesprochen
wurde, die aus einigen Büchern entnommen wurden, in denen behauptet
wurde, daß das Duell unter bestimmten Umständen erlaubt sei; noch auch
in einem anderen Breve desselben Papstes vom 4. März 1755 die
Verwerfung besonderer Irrlehren, die aus dem Buch des Oratorianers La
Borde exzerpiert waren, dessen Titel lautet: "Principes sur l’essence,
la distinction e les limites des deux puissances spirituelle et
temporelle, ouvrage posthume du père La Borde de l’Oratoire".
Wir selbst hielten aufgrund unserer religiösen Einstellung dafür,
diesen hochberühmten Beispielen folgen zu sollen, und haben daher in
Unserem Breve vom 20.September 1779 das von Johann Lorenz Isenbiehl in
deutscher Sprache herausgegebene Buch "Neuer Versuch über die
Weissagung vom Emmanuel" verworfen und dabei die Gründe dargelegt, die
Uns zur Verwerfung bewogen haben. In ähnlicher Weise haben Wir am
11.November 1784 das Buch "Was enthalten die christlichen Urkunden des
Altertums über die Ohrenbeichte?" von Eybel verurteilt. Mit derselben
Formel verboten wir am 17. November 1784 das aus dem Deutschen ins
Lateinische übersetzte Buch "Universales Glaubensbekenntnis aller
Religionen, dem gesunden Menschenverstand gewidmet". Am 28.November
1786 aber haben wir mit einem anderen Breve ebenso das deutsch
geschriebene Buch "Was ist der Papst?" verworfen. All diese auf diese
Art und Weise verurteilten Bücher waren von Schriftstellern
herausgebracht worden, die mit keiner öffentlichen Amtsautorität
bekleidet waren, und obwohl sich über diese Vorgangsweise vielleicht
einige Leute beklagt haben, die ihre Untreue gegenüber Gott als
politische Klugheit hinstellen und deren hauptsächliches Bestreben
darin besteht, den römischen Verurteilungen gehässig jeden Glauben zu
nehmen; dennoch haben weder Unsere Vorgänger noch Wir aufgrund der uns
vom ewigen Hirten anvertrauten Sorge um seine Herde dafür gehalten,
solche Klagen berücksichtigen zu sollen, da wir ja die Schafe des Herrn
von schädlichen Weiden, von zweifellos ruchlosen und vergifteten
Büchern mit lauter Stimme zurückriefen. Wenn Wir nun die Ricci-Synode
einer bloß jener Verurteilung unterwerfen würden, die allgemein
gehalten ist, würden sich seine Förderer sofort öffentlich rühmen, daß,
weil die einen bei diesen, die anderen bei jenen Büchern in gleicher
Weise vorgegangen sind, nach so vielen Überprüfungen und sorgfältigen
und langwierigen Untersuchungen in jener Synode nichts hätte gefunden
werden können, was mit einer ausdrücklichen Verurteilung verworfen
werden müsste; und so würde dann jeder Katholik, da er durch Uns in
keiner Weise aufgeklärt wurde, im Ungewissen sein, wovor man sich an
jener Synode hüten müsse, und könnte daher leicht in die überall
gelegten Fallen geraten, und nachdem ihm in der Finsternis das Licht,
von dem er sich leiten lassen könnte, genommen wäre, sich in
verderbliche Irrtümer verstricken. Die Verkehrtheit gewisser Bücher ist
derart, daß keineswegs eine nur allgemeine und undifferenzierte
Verurteilung derselben genügen kann, sondern daß das klare und
deutliche Urteil dessen ergehen muß, bei dem die von Christus
übertragene Gewalt liegt, über die Lehre zu urteilen.
Nachdem Wir dir dies vor Augen gestellt und gründlich erläutert haben,
du Unser vielgeliebter Sohn in Christus, können Wir wirklich nicht
daran zweifeln, daß du es nicht nur nicht mit Unwillen erträgst,
sondern auch billigst, daß Wir endlich das zu Ende führen, was von
allen Guten schon so lange erwartet wird; das natürlich fordert von Uns
unbedingt die äußerst schwerwiegende Rücksicht auf Unser Hirtenamt, das
fordert von Uns unbedingt die Unversehrtheit des wahren Glaubens und
das Heil der Schafe Christi. Ja wenn Wir auf deine Frömmigkeit schauen,
sind wir vollkommen davon überzeugt, daß du der Verteidiger und
Vorkämpfer dieser Unserer so notwendigen Handlung sein wirst, und
gerade dadurch wirst du deinem Amt eines höchsten Fürsten bei Gott
Genüge tun und durch diesen so angebrachten Ehrenerweis Gott gegenüber
seine überreiche Gnade auf dich und all die Deinen herabrufen. Und als
weiteres Vorzeichen dir zuteil werdender Himmelsgaben erteilen Wir dir,
Unserem in Christus vielgeliebten Sohn, und deiner österreichischen
Familie in innigster Liebe den apostolischen Segen.
Gegeben zu Rom, bei Santa Maria Maggiore, am 8. August 1794, im 20. Jahr Unseres Pontifikats.
Anmerkungen:
1) Joseph II., röm-deutscher Kaiser, geb. 13.3.1741,
gest. 20.2.1790, König seit 1764, kaiserlicher Mitregent seiner Mutter
Maria Theresias seit 1765, 1780 Alleinherrscher in den österreichischen
Erblanden. - Dem Febronianismus zugetan und unter jansenistischem
Einfluß stehend hatte Joseph II. gleich zu Beginn seiner
Alleinregentschaft damit begonnen, seine staatskirchlichen und
reformerischen Ideen im Bereich der Kirche selbst zu verwirklichen.
Bereits 1781 verbot er den Orden, Kontakt zu auswärtigen
Niederlassungen, d.h. zu den Ordenshäusern in Rom zu halten und Abgaben
dorthin zu entrichten. Alle päpstlichen Bullen und Verkündigungen
durften nur mit kaiserlicher Zustimmung in den Kirchen verkündigt
werden. Viele Klöster wurden aufgehoben. Von den insgesamt über 2000
wurden im Laufe von acht Jahren 700 Klöster geschlossen, von den 63000
Ordensangehörigen (Mönche und Nonnen) im Jahre 1780 waren 1788 27000 in
den restlichen Instituten verblieben. Die Eingriffe in die
Gottesdienstgestaltung und das öffentliche kirchliche Leben führten zu
Verboten der Andachten, der Wallfahrten, der Prozessionen (abgesehen
von Fronleichnam), der sakralen Instrumentalmusik, der Gregorianik und
der lateinischen Gesänge, die durch Lieder in deutscher Sprache (mit
Orgelbegleitung) ersetzt werden sollten. Die Predigten wurden
zensuriert. In den neuen Ehegesetzen wurde der Einfluß der Kirche
zurückgedrängt. Die Priesterseminare wurden staatlicher Kontrolle
unterstellt. Um diesen Attacken auf die Autorität und Souveränität der
Kirche zu begegnen, war Papst Pius VI. im Jahr 1782 eigens nach Wien
gereist, um die kaiserlichen Kirchenreformen wieder rückgängig machen
zu lassen. Doch Joseph II., der angebliche "Protector Ecclesiae"
verstand es geschickt, dem Papst auszuweichen. Kard. Graf von Migazzi,
Fürsterzbischof von Wien stellte Überlegungen an, Joseph II. zu
exkommunizieren, wozu es jedoch nicht kam.
2) Wiederabdruck aus EINSICHT VIII/7 vom April 1979, S. 240 ff.
3) Anfang und Schluß der Bulle "Auctorem fidei", vgl. Mansi,
"Conciliorum Collectio" XXXVIII, col.1104: "Nemo autem non intelligit
apertam hinc inferri violationem dogmaticis judiciis, quae Petri
cathedra tulit, eorumque censorem te constituere." "Dum in synodis
prolata sunt apostolicae sedis decreta, numquam est actum, ut
contenderetur de incertis, sed ut certa atque immutabilia."
4) II.II. q.1.art.10.
5) Mansi, a.a.O., col.1105: "Contra ea, quae apostolicis sunt fundata
decretis, nihil cuique audere conceditur; ita ut si quis diversum
aliquid decernere velit, se potius minuat, quam illa corrumpat,
causamque iampridem definitam haud decere per paucorum insipientiam ad
conjecturas opinionum, et ad carnalium disputationum bella revocare.
(...) Nam si humanis persuasionibus semper foret liberum disceptare,
numquam deessert qui veritati audeant insultare, nullusque
contentionibus ac certaminibus finis, si de his, quae plurimorum
pontificum consensione firmata sunt, novum liceret ferre judicium".
Col.1106: "Nos qui custodes esse debemus paternarum constitutionum,
unde assensum praebere non possumus illarum impugnationibus (...)
monito d. Petri Damiani tradentis: 'Qui vice Petri claves tenet, ipse
potissimum adversus novum dogma consurgat, et introdutores pravitatis
dignae sententiae jaculatio confodiat."
6) Mansi, a.a.O., col.1108: "Quapropter nobis minime convenit, ut de
semel prolatis judiciis, quae nonnisi praevia severiori discussione
sunt edita, reddamus rationem; immo pro munere dignitateque nostra a
novis concertationibus omnio ac diligenter abstinere debemus; alias
nunquam foret disputationum finis, ac mi-nueretur auctoritas .cui sese
subiicere quisque constringitur."
7) Mansi, a.a.O., col.1258: "ut certa atque expressa pateat damnatio
quse omnem praecludat viam futuris tam Pistoriensibus et Pratensibus
episcopis, quam ceteris òmnibus, quibus nihil obstare videri posset, ut
eadem pariquae auctoritate, qua hodiernus usus est episcopus,
contrarias ipsius epistolae pastorali illi constituant ac edicant, et
ita fiat ut Ricciana rursus synodus in lucem proferatur."
8) Krenzer, Ferdinand: "Morgen wird man wieder glauben" 18 1978, S.190.
9) Litterae apostolicae de dogmatica definitione Immaculati Conceptus Beatae Mariae Virginis, A.D. 1854 "Ineffabilis Deus".
10) Diese Angelegenheit haben wir im Vorwort zur Genüge besprochen. Wir
hielten dafür, den Pastoralbrief selbst wegen seiner Länge hier nicht
wiedergeben zu sollen. Die übrigen Dokumente jedoch, besonders aber die
beiden Brevia des Papstes, glaubten wir sofort wiedergeben zu sollen,
weil darüber in vielen Sitzungen der Florentiner Versammlung gesprochen
werden soll.
11) Act. Concil. Ephesin. apud Harduin. ad an. 431, act.1 (Akten des Konzils von Ephesus, bei Harduin. zum Jahr 431, Akte 1).
12) Bei demselben zum Jahr 431, Spalte 306 E.
13) Lib. pont. in Victor. conferend. cum actis conc. Nic. I, apud
Harduin. ad an. 325, col 439 A, 442 B, 450 B, 517 E. (päpstliche
Schriften – bei Viktor – zu vergleichen mit den Dokumenten des I.
Konzils von Nizäa, bei Harduin. zum Jahr 325, Spalten 439 A, 442 B, 450
B, 517 E).
14) Epist. Agathonis papae, inter acta concilii VI oecum., seu
Constantinop. III, an. 680, apud Harduin. tom. III, col. 2123 B (Brief
des Papstes Agathon unter den Urkunden des VI. Ökumenischen oder III.
Konstantinopolitanischen Konzils, im Jahre 680, bei Harduin. Band III,
Spalte 2123 B).
15) Epist. Theodoreti, cap. 3, At ego, praemissa epist. 48 S. Leonis
operum, tom. II, edit. Tyrneviae, 1767 (Brief des Theodoretus, Kap.
3, Ich aber: der vorausgehende Brief 48 aus den Werken des hl.
Leo, Band II, Tyrnevische Ausgabe, 1767).
16) Epist. Chrysologi inter citat. s. Leonis ante epist. 34, eiusdem
edit. (Brief des Chrysologus unter den erwähnten Werken des hl. Leo vor
Brief 34, dieselbe Ausgabe).
17) Epist. LXIII, edit. Vallars., Venetiis, tom. I, part.1, f. 253 (63.
Brief, Ausgabe Vallars., Venedig, Band I, Abteilung 1, f. 253).
18) Apol. Adv. Ruf. Lib. 3, § 15, tom 2, eiusdem edit. f. 545 (Apologie
gegen Rufinus, 3. Buch, §15, Band 2, dieselbe Ausgabe, f.545).
19) s, s, q. 1, art.10.
20) Collect. Constit. Imper. Melchior. Goldast., tom. I, f.514, edit.
Francofurti ad Moenum ann. 1673, sol. (Sammlung der kaiserlichen
Konstitutionen, Melchior Goldast, Band I, f.514, hrsg. zu Frankfurt am
Main im Jahre 1673, sol.)
21) Epist. XXX, apud Coustant, col. 896 (30. Brief, bei Coustant, Spalte 896).
22) Epist. XV, edit. cit., tom. 1, part. 1, f. 38 (15.Brief, zitierte Ausgabe, Bd.1, Abteilung 1, f. 38).
23) Collect. const. imper. Goldast. ubi sup. (Sammlung der kaiserlichen Konstitutionen, Goldast., a.a.O)
24) S. Leo magnus epist. LXXIX, c. s. (hl. Leo der Große, 79. Brief, c. s.)
25) Idem epist. LXXII, c. s. (derselbe, 72. Brief, c. s.)
26) Idem epist. CXXXI, c. s. (derselbe, 131. Brief, c.s.)
27) S. Leo magnus, epist. CXXVI, c.s. (hl. Leo der Große, 126. Epistel, c.s.).
28) Opusc. V, tom. II, edit. Rom. f. 36 (5. Werk, 3. Band, hrsg. zu Rom, f. 36)
29) Epist. LIV (44. Brief).
30) Opusc. VI, cap. 34 (6.Werk, Kap. 34).
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