MODE UND TUGEND
von
Papst Pius XII.
MODE TRÄGT NICHTS SCHLECHTES IN SICH; sie ist bedingt aus dem Ursprung
menschlicher Geselligkeit, in dem Antrieb, sich mit seinesgleichen und
mit der Praxis in Einklang zu fühlen, die von den Menschen geübt wird,
in deren Mitte man lebt.
Gott verlangt von euch nicht, daß ihr außerhalb eurer Zeit lebt und die
Forderungen der Mode mißachtet. Ihr würdet seltsam erscheinen, wenn ihr
euch gegen den Geschmack und den gemeinsamen Brauch unserer
Zeitgenossinnen kleiden wolltet, ohne euch darum zu kümmern, was heute
gefällt. Daher erklärt auch der heilige Thomas, in den äußeren Dingen,
die der Mensch gebrauche, sei kein Übel, sondern das Übel komme von dem
Menschen, der sie ohne das rechte Maß gebrauche; der sich für seine
Person im Vergleich mit der Gewohnheit derer, mit denen er lebt, auf
seltsame Weise absondere; oder der die Dinge nach der Gewohnheit oder
über die Gewohnheit der anderen hinaus mit ungeordneter Neigung durch
ein Übermaß reichgeschmückter oder gefallsüchtiger oder mit
übertriebenem Eifer gesuchter Kleidung gebrauche, während doch Demut
und Einfachheit genügen würden, um die nötige Würde zu behalten. Und
derselbe heilige Lehrer sagt sogar in bezug auf den weiblichen Schmuck,
es könne ein verdienstlicher Tugendakt dabei sein, wenn er dem Brauch
der Welt, der Person und der rechten Absicht angemessen sei. Die Frauen
sollten ruhig nach ihrem Stande und ihrer Würde geziemenden Schmuck
tragen und maßvoll sein in dem, was sie dem Brauch ihres Landes gemäß
trügen. Dann wird auch das Sichschmücken ein Akt jener Tugend der
Bescheidenheit, die dem Gehen und Stehen, der Kleidung und allen
äußeren Dingen das rechte Maß verleiht.
Grundsätze der Mode
Auch hier, nämlich wie man die Mode mitmacht, liegt die Tugend in der
Mitte. Was Gott verlangt, ist, stets daran zu denken, daß die Mode
nicht höchste Regel des Verhaltens ist noch sein kann; daß es über der
Mode und ihren Forderungen höhere und wichtigere Gesetze gibt, ewig
unveränderliche Grundsätze, die in keinem Falle der Willkür des
Vergnügens oder der Laune geopfert werden dürfen, und vor denen der
Götze der Mode seine flüchtige Allmacht beugen muß. Diese festen
Grundsätze sind von Gott, von der Kirche, von den Heiligen, von der
Vernunft und der christlichen Sittenlehre verkündet worden; sind
Grenzzeichen, jenseits deren Lilien und Rosen weder sprießen noch
blühen, Reinheit, Bescheidenheit, weibliche Würde und Ehre ihren Glanz
nicht verbreiten, sondern wo eine ungesunde Luft des Leichtsinns,
zweideutiger Sprache, verwegener Eitelkeit, leerer Ruhmsucht des Gemüts
nicht weniger als der Kleidung weht und herrscht. Es sind jene
Grundsätze, auf die der heilige Thomas von Aquin in bezug auf den
weiblichen Schmuck hinweist, wenn er lehrt, welches die Ordnung unserer
Liebe und unserer Neigungen sein soll: das Wohl unserer Seele hat dem
des Leibes voranzugehen, und dem Vorteil unseres eigenen Leibes müssen
wir das Wohl der Seele unseres Nächsten vorziehen. Sieht man nicht, daß
hier eine Grenze ist, die keine Mode überschreiten darf, jenseits
welcher die Mode der Ursprung der Zerstörung der eigenen Seele und der
Seele des Nächsten wird?
Hygiene der Kleidung
Manches junge Mädchen wird vielleicht sagen, eine bestimmte Art von
Kleidung sei bequemer oder auch hygienischer. Wenn sie aber zu einer
ernsten, drohenden Gefahr für das Seelenheil wird, dann ist sie sicher
nicht hygienisch für den Geist, man hat alsdann die Pflicht, auf sie zu
verzichten. Das Heil der Seele machte die Märtyrerinnen zu Heldinnen,
wie eine heilige Agnes und eine heilige Cäcilie, inmitten von Qualen
und Zerfleischung ihrer jungfräulichen Leiber.
Wenn man um eines bloßen persönlichen Vergnügens willen nicht das Recht
hat, das leibliche Wohl anderer in Gefahr zu bringen, ist es dann nicht
noch weniger erlaubt, das Heil, ja sogar das Leben ihrer Seelen zu
gefährden? Wenn eine gewagte Mode, wie manche Frauen behaupten, auf sie
keinen schlechten Eindruck macht, was wissen sie dann von dem Eindruck,
den andere davon empfangen? Wer gibt ihnen die Gewißheit, daß andere
nicht böse Anregungen daraus ziehen?...
(aus der Ansprache an die Delegation der weiblichen
Jugend der Katholischen Aktion vom 22.5.1941; zitiert nach: Chinigo,
Michael: "Der Papst sagt - Lehren Pius' XII." Frankfurt a.M., 1955, S.
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