Doppelte Moral
von
Michael Wiesberg: "Auge um Auge",
Die Bilder sind bekannt: Kommen deutsche Politiker nach Israel, beginnt
der Besuch in der Regel mit dem obligatorischen Schuldbekenntnis, das
inzwischen schon rituelle Züge angenommen hat: Deutschland,
Nazi-Deutschland habe den Tod von Millionen von Juden herbeigeführt.
Es wird nicht bestritten, für vergangene Verbrechen Sühne zu leisten -
wer weiß das besser als ein Christ -, sondern es ist bemerkenswert, daß
gerade dieses Land, welches solche Schuldrituale einfordert und
instrumentalisiert, selbst von einem Präsidenten, Scharon, regiert
wird, dem man die Schuld zuweist für zahlreiche Massaker.
E. Heller
* * *
"Drei Tage nach Beginn des Sechs-Tage-Krieges (1967) wurde das
US-Spionageschiff USS-Liberty" Zeuge eines israelischen Massakers:
Israel hatte viele ägyptische Kriegsgefangene ge-macht, aber keine
Möglichkeit, diese unterzubringen oder zu bewachen. Deshalb ließen
israelische Soldaten die Gefangenen antreten, eine Grube ausheben und
erschossen diese. Etwa 1.000 wehrlose ägyptische Kriegsgefangene wurden
niedergemetzelt. Diese Massaker geschahen im Verantwortungsbereich von
Ariel Scharon. Dieser erklärte 1995 zur Frage der Aufarbeitung
israelischer Kriegsverbrechen: "Israel braucht das nicht, und niemand
kann uns deswegen Moralpredigen - niemand." All das passierte in
Reichweite amerikanischer Spionageohren. Israel reagierte auf die
Abhöraktion auf eigene Art: Es erteilte den Befehl zum Angriff.
Düsenjäger beschossen die "USS Liberty" zunächst mit konventioneller
Munition, dann auch mit Napalm. Fünfzehn israelische Flugzeuge
beteiligten sich an dieser Aktion. Um zu verhindern, daß von dem schwer
getroffenen amerikanischen Schiff auch nur ein Verwundeter entkam,
zerstörten sie auch die Ret-tungsflöße. Der US-Journalist James
Barnford hat über dieses in der Öffentlichkeit kaum bekannte Kapitel
amerikanisch-israelischer Geschichte in seinem Buch "NSA" berichtet.
Ziel dieser Aktion sei es gewesen, die Beweise für die israelischen
Massaker, die die "USS Liberty" mutmaßlich aufgezeichnet hatte, zu
vernichten: "Damit hätten Hunderten von hohen israelischen Offizieren
schwere Kriegsverbrechen nachgewiesen werden können. In der Tat hatte
die 'Liberty' viele israelische Funksprüche aufgefangen." Barnford
behauptet vor dem Hintergrund seiner Recherchen, daß die Aussage
Israels, die "USS Liberty" mit einem ägyptischen Schiff verwechselt zu
haben, nicht wahr sein könne. Nach seinen Angaben hält die NSA
belastendes Material gegen noch lebende israelische Pölitiker in
Händen. Israelische Historiker wie Dan Diner oder Moshe Zim-mermann,
die sich gerne mit den angeblichen Verbrechen der deutschen Wehrmacht
beschäftigen, hätten allen Grund, sich kritisch mit Israels
Militärgeschichte zu beschäftigen. Dabei würde zutage treten, daß
Israel im Sechs-Tage Krieg einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen
versuchte. Den USA wurde im Frühjahr 1967 die Mär aufgetischt, Ägypten
werde in Kürze gegen Israel losschlagen. Der ehemalige israelische
Ministerpräsident Menachem Begin hat 1982 zugegeben, daß es sich
hierbei um eine Lüge gehandelt habe - eine Lüge, die furchtbare
Konsequenzen hätte haben können. Denn wäre es Israel gelungen, die USA
in einen Krieg mit Ägypten hineinzuziehen, wäre eine sowjetische
Intervention nicht mehr zu vermeiden gewesen. Ein Atomkrieg wäre im
Bereich des Möglichen gewesen. Scharon steht zweifelsohne in der
Tradition einer israelischen Politik, die die Eskalation als Mittel der
Politik kalt in Kauf nimmt, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Er war
es, der am 28. September 2000 den blutigen Konflikt mit den
Palästinensern ausgelöst hat. Sein Besuch auf dem Platz, den die
Moslems Haram-al-Sharif und die Juden Tempelberg nennen, war eine für
die Palästinenser nicht hinnehmbare Provokation: eine Provokation, die
Scharon ganz offensichtlich gesucht und gewollt hat, um das
Palästinenserproblem auf seine Weise bereinigen zu können." (JUNGE
FREIHEIT vom 26.10.01)
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ZITAT:
In der Zeit, in der wir leben, ist (...) die Zahl der Kinder, überhaupt
der Bevölkerung in einem Maße zurückgegangen, daß die Städte verödet
sind und das Land brachliegt, obwohl wir weder unter Kriegen von
längerer Dauer noch unter Seuchen zu leiden hatten. (...) nur deshalb,
weil die Menschen der Großmannssucht, der Habgier und dem Leichtsinn
verfallen sind, weder mehr heiraten, noch, wenn sie es tun, die Kinder,
die ihnen geboren werden aufziehen wollen, sondern meist nur eins oder
zwei, damit sie in Luxus aufwachsen und ungeteilt den Reichtum ihrer
Eltern erben.
In: Polybios (210-127 v.Chr.): Geschichte. Eingeleitet
und übertragen v. Hans Drexler. Bd.2. Zürich/Stuttgart: Artemis 1963,
S.1302 f. |