Die menschliche Gesellschaft
unter dem Zepter der katholischen Theologie
von
Donoso Cortés
Diese neue Theologie, deren Predigt die Welt umgestaltete, heißt
Katholizismus. Der Katholizismus ist ein vollständiges
Zivilisationssystem, so vollständig, daß es in seiner Unermeßlichkeit
alles umfaßt: die Wissenschaft von Gott, die Wissenschaft vom Engel,
die Wissenschaft vom Universum, die Wissenschaft vom Menschen. Gläubige
und Ungläubige bleiben vor diesem Riesenbau staunend stehen...
Die ganze Menschheit ist neunzehn Jahrhunderte lang bei den Theologen
und Gelehrten des Katholizismus in die Schule gegangen. Aber trotz
ihres vielen Lernens und In-die-Schule-Gehens ist die Menschheit mit
der Sonde ihres Geistes der katholischen Wissenschaft bis zum heutigen
Tage noch nicht auf den Grund gekommen. In der Schule des Katholizismus
nämlich lernt man, wie und wann die Dinge und Zeiten enden müssen, wie
und wann sie begonnen haben. Hier entschleiern sich all die wunderbaren
Geheimnisse, die dem Denken und Forschen der heidnischen Philosophen
und Ge-lehrten zeitlebens verborgen geblieben waren. Hier, in dieser
Schule, werden offenbar die Endursachen alles Seienden; der planmäßige
Verlauf alles menschlichen Geschehens; die Natur der Körper und das
Wesen der Geister; die Wege, auf denen die Menschen wandeln, und das
Ziel, dem sie zustreben; der Punkt, von dem sie ausgegangen sind; das
Geheimnis ihrer Pilgerschaft und der Kurs ihrer Lebensfahrt; das Rätsel
ihrer Tränen; das Geheimnis des Lebens und das Mysterium des Todes. Die
kleinen Kinder, die an den vollen Brüsten des Katholizismus trinken,
wissen heute mehr von diesen Fragen als Aristoteles und Plato, die
Leuchten von Athen, davon gewußt haben. Und doch sind die Meister der
katholischen Wissenschaft, deren Lehre sich zu solch schwindelnder Höhe
erhebt, von Haus aus demütig. War es doch der katholischen Welt - ihr
ganz allein - vorbehalten, auf Erden ein Schauspiel zu geben, das
bislang ein Vorrecht der Engel des Himmels gewesen war: das Schauspiel
der Wissenschaft, die sich in Demut vor Gottes Majestät zu Boden wirft.
Diese Theologie heißt katholisch, weil sie allumfassend ist. Und das
ist sie in jedem Sinne und nach jeder Richtung. Sie ist allumfassend,
weil sie alle Wahrheiten umfaßt. Sie ist allumfassend, weil sie auch
das umfaßt, was jede Wahrheit im einzelnen alles enthält. Sie ist
allumfassend, weil sie ihrem Wesen nach dazu bestimmt ist, sich über
alle Räume auszudehnen und sich über alle Zeiten zu erstrecken. Sie ist
allumfassend in ihrem Gott und allumfassend in ihren Dogmen.
Der lebendige wahre Gott der katholischen Theologie ist eins in Seinem
Wesen... Er ist mehrfach in Seiner Person... Er ist mannigfach in
Seinen Attributen... Er ist Universalursache, unbegrenzte,
unkörperliche Substanz, ewige Ruhe, Urheber jeder Bewegung, erhabenster
Geist und höchster Wille. Er enthält alles, und nichts enthält Ihn. Er
ist's, der alles, was ist, aus dem Nichts hervorgezogen hat. Er ist's,
der jedes Ding in seinem Dasein erhält. Er ist's, der waltet über die
Welt der Engel, der Menschen und der Dämonen. Er ist der Barmherzigste,
der Gerechteste, der Liebevollste, der Stärkste, der Mächtigste, der
Einfachste, der Geheimnisvollste, der Schönste, der Weiseste. Der
Morgen kennt Seine Stimme, der Abend gehorcht Seinem Winke, der Mittag
verehrt Ihn in Ehrfurcht, die Mitternacht betet Ihn an. Sein Wort
belebt die Schöpfung, die Sterne verhüllen Sein Antlitz, die Seraphine
spiegeln Sein Licht auf ihren Feuerschwingen, die Himmel dienen Ihm als
Thron, und der Erdball hängt an Seiner Hand. Als die Zeiten erfüllt
waren, zeigte der katholische Gott Sein Antlitz, und das genügte, um
alle von Menschenhand gebildeten Götzen von ihrem Thron zu stürzen. Es
konnte auch nicht anders sein. Die menschlichen Theologien waren ja nur
verstümmelte Fragmente der katholischen Theologie und die Götter der
Heiden nur Personifikationen der einen oder anderen Wesenseigenschaft
des wahren, des biblischen Gottes.
Der Katholizismus nahm nunmehr den ganzen Menschen in Besitz, seinen
Leib, sein Herz, seine Seele. Die Dogmatiker des Katholizismus lehrten
den Menschen, was er zu glauben, die Moralisten, was er zu tun habe.
Hoch über allen anderen Theologen schwangen sich die Mystiker des
Katholizismus empor; sie zeigten dem Menschen, wie er sich auf den
Flügeln des Gebetes zur Höhe erheben, wie er auf dieser Jakobsleiter
von köstlichem Gestein emporsteigen könne, auf dieser Leiter, auf der
Gott zur Erde herabsteigt und der Mensch zum Himmel sich empor hebt,
bis Himmel und Erde, Gott und Mensch sich vereinigen im Glutbrande
unendlicher Liebe.
Durch den Katholizismus kam wiederum Ordnung in den Menschen und durch
den Menschen Ordnung in die menschlichen Gesellschaften. Am Tage der
Erlösung entdeckte die sittliche Welt die Gesetze wieder, die sie am
Tage des Sündenfalls verloren hatte. Das katholische Dogma ward nunmehr
zum Prüfstein für die Wissenschaften, die katholische Moral zum
Prüfstein für alles menschliche Handeln und die katholische Liebe zum
Prüfstein für die menschlichen Neigungen und Affekte. Das Gewissen des
Menschen trat heraus aus seiner bisherigen chaotischen Wirrsal. Nunmehr
konnte es bei jeglicher inneren wie äußeren Finsternis wiederum klar
sehen, und im Lichte der genannten drei göttlichen Kriterien erkannte
es das Glück des Friedens wieder, den es verloren hatte.
Von der religiösen Welt ging die Ordnung über auf die sittliche Welt
und von der sittlichen Welt auf die politische Welt. Der katholische
Gott, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, unterstellte diese Welten
der Regierung Seiner Vorsehung und regierte sie durch Seine
Stellvertreter. Der heilige Paulus sagt in seinem Briefe an die Römer:
"Es ist keine Gewalt außer von Gott." Und schon Salomon hatte in den
Sprichwörtern geschrieben: "Durch Mich regieren die Könige und
verordnen die Gesetzgeber, was Recht ist." Die Autoritat Seiner
Stellvertreter war heilig vor allem um des willen, was sie nun Neues
und Fremdes, das heißt Göttliches, an sich hatte. Die Idee der
Autorität ist katholischen Ursprungs. Die antiken Machthaber stützten
ihre Herrscherrechte auf menschliche Grundlagen. Sie regierten kraft
eigenen Rechtes, sie herrschten mittels der Gewalt. Die katholischen
Herrscher dagegen nahmen nichts für ihre Person in Anspruch, sie waren
nur Verwalter Gottes und Diener der Völker. Der Mensch, der Kind Gottes
geworden ist, kann nicht mehr Sklave des Menschen sein.
Es gibt nicht leicht etwas Ehrwürdigeres, Feierlicheres und Erhabeneres
als die Worte, die die Kirche dem christlichen Fürsten bei seiner
Salbung zum König zuruft: "Nimm dieses Zepter als Zeichen deiner
geheiligten Macht, damit du die Schwachen stärkest, die Wankenden
stützest, die Bösen zurechtweisest und die Guten auf dem Wege des
Heiles führest! Nimm das Zepter als die Richtschnur der göttlichen
Gerechtigkeit, die den Guten leitet und den Bösen züchtigt, die dich
die Gerechtigkeit lieben und das Unrecht verabscheuen lehrt!" Diese
Worte bekunden volle Übereinstimmung mit dem Begriff von der
rechtmäßigen Gewalt, wie er der Welt durch unsern Herrn Jesus Christus
kundgemacht wurde: "Ihr wisset, daß die, die als Fürsten der Völker
gelten, Gewaltherrscher sind über sie, und daß ihre Großen Gewalt über
sie üben. Nicht so aber soll es unter euch sein, sondern wer immer
unter euch größer werden will, der soll euer Diener sein, und wer unter
euch der Erste sein will, der soll euer Knecht sein. Denn auch der
Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu
dienen und sein Leben hinzugeben zur Erlösung für viele."
Alle gewannen bei dieser glücklichen Revolution, die Völker so gut wie
ihre Fürsten. Die Fürsten hatten bisher nur durch das Recht der Stärke
geherrscht und nur über die Leiber ihrer Untertanen. Von nun an
herrschten sie über die Leiber und Geister zusammen, und zwar durch die
Stärke des Rechtes. Aber auch die Völker gewannen dabei, weil sie aus
der Obödienz des Menschen zur Obödienz Gottes, aus dem erzwungenen
Gehorsam zum frei gewollten emporstiegen. Doch wenn auch alle dabei
gewannen, so doch nicht alle in gleichem Maße. Denn gerade dadurch, daß
die Fürsten von nun an im Namen Gottes regierten, wurden sie ein Bild
der Menschheit, die außerstande ist, aus sich allein heraus und in
ihrem eigenen Namen eine rechtmäßige Autorität zu begründen.
Die Völker dagegen wurden gerade dadurch, daß sie in ihren Fürsten von
nun an nur ihrem Gott gehorchten, die Repräsentanten des höchsten und
herrlichsten aller menschlichen Vorrechte, das darin besteht, nur der
Autorität Gottes selbst unterworfen zu sein. Daraus erklärt sich
einerseits die wun-derbare Bescheidenheit, in der in der Geschichte
jene glücklichen Fürsten erglänzen, die die Welt "die Großen" und die
Kirche "heilig" nennt, und andererseits die Würde und Größe, die sich
im Ant-litz aller katholischen Völker ausgeprägt findet. Eine Stimme
des Friedens und des Trostes und der Barmherzigkeit hatte sich auf
Erden erhoben und in der Tiefe des menschlichen Gewissens Widerhall
gefunden. Diese Stimme hatte die Völker belehrt, daß die Kleinen und
Armen deshalb in die Welt kommen, um, eben weil sie klein und arm sind,
bedient zu werden, und daß die Großen und Reichen geboren werden, um zu
dienen, eben weil sie reich und groß sind.
Der Katholizismus hat die Autorität zur Höhe Gottes erhoben und dadurch
den Gehorsam geheiligt. Indem er aber den Gehorsam heiligte und die
Autorität vergöttlichte, verurteilte er den Hochmut in seinen beiden
furchtbarsten Formen: als Geist der Herrschsucht und als Geist des
Aufruhrs. Zwei Dinge sind daher in einer wahrhaft katholischen
Gesellschaft absolut unmöglich: Despotismus und Revolution. Rousseau,
bei dem zuweilen ein lichtvoller Gedanke blitzartig aufleuchtet,
schreibt die bemerkenswertenWorte: "Die modernen Regierungen sind
zweifellos die Schuldnerinnen des Christentums, einmal wegen der
Festigkeit ihrer Autorität und dann, weil die Zwischenräume zwischen
den Revolutionen größer sind. Und nicht allein das! Die Revolutionen
selber hat das Christentum durch sein Einwirken viel weniger blutig
gestaltet. Man vergleiche sie nur einmal mit den Revolutionen unter den
antiken Regierungen!" . . .
Derselbe Gott, der der Urheber und Gesetzgeber der politischen
Gesellschaft ist, ist auch der Urheber und Gesetzgeber der häuslichen
Gesellschaft, der Familie. Im verborgensten, höchsten, stillsten und
lichtvollsten aller Himmel steht ein Gezelt, das selbst den Chören der
Engel unzugänglich ist. In diesem unzugänglichen Gezelte vollzieht sich
in Ewigkeit das Wunder aller Wunder, das Geheimnis aller Geheimnisse.
Hier wohnt der eine und dreieinige katholische Gott, eins in der
Wesenheit, dreifach in den Personen. Der Vater zeugt von Ewigkeit
Seinen Sohn und vom Vater und vom Sohn geht von Ewigkeit aus der
Heilige Geist. Der Heilige Geist ist Gott, der Sohn ist Gott und der
Vater ist Gott. Und doch gibt es bei Gott keine Mehrheit, weil es nur
einen Gott gibt, dreifach in den Personen und einfach in der Wesenheit.
Der Heilige Geist ist Gott wie der Vater; aber Er ist nicht Vater. Er
ist Gott wie der Sohn; aber Er ist nicht Sohn. Der Sohn ist Gott wie
der Heilige Geist; aber Er ist nicht Heiliger Geist. Er ist Gott wie
der Vater; aber Er ist nicht Vater. Der Vater ist Gott wie der Sohn;
aber Er ist nicht Sohn. Er ist Gott wie der Heilige Geist; aber Er ist
nicht Heiliger Geist. Der Vater ist die Allmacht, der Sohn ist die
Weisheit, der Heilige Geist ist die Liebe. Der Vater, der Sohn und der
Heilige Geist sind die unendliche Liebe, die höchste Allmacht und die
vollkommenste Weisheit.
Hier vollzieht sich ewig ein doppeltes Geheimnis: Es weitet sich die
Einheit und zeugt in Ewigkeit die Verschiedenheit; es schließt sich die
Verschiedenheit zusammen und wird in Ewigkeit zur Einheit. Gott ist
Thesis, ist Antithesis und ist Synthesis. Er ist höchste Thesis,
vollkommene Antithesis und unendliche Synthesis. Weil Er eins ist, ist
Er Gott; weil Er Gott ist, ist Er vollkommen; weil Er vollkommen ist,
ist Er über alles fruchtbar; weil Er über alles fruchtbar ist, ist Er
Verschiedenheit; weil Er Verschiedenheit ist, ist Er Familie. In Seinem
Wesen ruhen auf unbeschreibliche und unfaßbare Art die Gesetze der
Schöpfung und die Urbilder aller Dinge. Alles ist nach Seinem Bilde
geschaffen; darum ist auch die Schöpfung eins und verschieden. DasWort
Universum bezeichnet ja auch nichts anderes; es will soviel besagen wie
Einheit in der Verschiedenheit und Verschiedenheit in der Einheit.
Der Mensch ist von Gott geschaffen nach Seinem Bilde; doch nicht nur
nach Seinem Bilde, auch nach Seinem Gleichnisse. Darum ist auch der
Mensch eins im Wesen und dreifach in den Personen. Eva geht hervor aus
Adam; Abel ist gezeugt von Adam und Eva: Abel, Eva und Adam sind ein
und dasselbe, sie sind Mensch, sie sind menschliche Natur...
Die Idee der Vaterschaft - die Vaterschaft ist die Grundlage der
Familie - lag nicht im Erkenntnisbereiche des menschlichen Verstandes.
Zwischen dem Vater und dem Sohn besteht kein solcher
We-sensunterschied, der eine genügende Basis böte, um darauf ein Recht
aufzubauen. Denn die Priorität ist eine Tatsache und weiter nichts und
ebenso die Stärke. Priorität und Stärke können aus sich allein heraus
nicht das Recht der Vaterschaft begründen. Wohl können sie eine andere
Tatsache schaffen, die Tatsache der Leibeigenschaft. Diese letztere
Tatsache vorausgesetzt, ist der eigentliche Name des Vaters Herr und
der eigentliche Name des Sohnes Sklave.
Diese Wahrheit, die uns die Vernunft erkennen läßt, wird durch die
Geschichte bestätigt. Bei allen Völkern, die die großen biblischen
Traditionen vergessen hatten, war die Vaterschaft weiter nichts als der
eigentliche Name für eine Gewaltherrschaft im Hause. Hätte es je ein
Volk gegeben, das einerseits diese großen Traditionen vergessen gehabt,
andererseits vom Kult der materiellen Kraft sich freigehalten hätte, so
wären bei diesem Volk die Väter und Söhne Brüder gewesen und hätten
sich auch so genannt. Die Vaterschaft kommt von Gott. Ihrem Namen wie
ihrem Wesen nach kann sie nur allein von Gott kommen. Hätte es Gott
zugelassen, daß die Überlieferungen des Paradieses in völlige
Vergessenheit geraten wären, so hätte das Menschengeschlecht nicht nur
die Vaterschaft als Institution, sondern sogar ihren Namen verloren.
Die in ihrer Einsetzung wie in ihrem Wesen von Gott stammende Familie
teilte nach jeder Richtung die Schicksale der katholischen
Zivilisation. Das ist so wahr, daß die Reinheit oder die Verderbnis der
Familie stets ein untrügliches Symptom für die Reinheit oder Verderbnis
der katholischen Zivilisation darstellt. Umgekehrt ist die Geschichte
der mannigfachen Schicksale und Wandlungen der katholischen
Zivilisation zugleich die Geschichte der Wandlungen und Schicksale der
Familie.
In den katholischen Geschichtsperioden geht die Tendenz der Familie auf
ihre eigene Vervollkomm-nung: Sie wendet sich vom Natürlichen zum
Geistigen, sie wandert vom häuslichen Herd in die Klöster. Während sich
am häuslichen Herd die Kinder ehrfurchtsvoll dem Vater und der Mutter
zu Füßen werfen, benetzen die Bewohner der Klöster als Kinder von noch
größerer Ehrfurcht und Unter-würfigkeit mit ihren Tränen die geweihten
Füße eines gütigeren Vaters und das geweihte Kleid einer zärtlicheren
Mutter. Wo dagegen die katholische Zivilisation die Herrschaft verliert
und in eine Periode des Verfalls eintritt, dort verfällt im selben
Augenblick auch die Familie. Ihre Einrichtung verschlechtert sich, ihre
Bestandteile scheiden sich, alle ihre Bande lockern sich. Gott hat
zwischen Vater und Mutter keine andere Schranke gesetzt als die Liebe;
nun aber errichten sie zwischen sich die Schranke steifer Höflichkeit,
während auf der anderen Seite zwischen Eltern und Kindern eine
gott-lose Vertraulichkeit die Schranken der Ehrfurcht durchbricht und
damit den Abstand beseitigt, den Gott zwischen den Kindern und Eltern
haben wollte. Die herabgewürdigte und entweihte Familie zerstreut sich
alsdann und geht in den Vereinen und Vergnügungsstätten zugrunde.
Man kann die Geschichte der Familie in wenigen Zeilen darstellen. Die
göttliche Familie, das Muster und Urbild der menschlichen Familie, ist
ewig in allen ihren Personen. Die menschliche Familie in ihrer
vollkommensten Form, d.h. die geistliche Familie, dauert in allen ihren
Gliedern solange, als es eine Zeit geben wird. Die natürliche Familie
besteht zwischen Vater und Mutter auf Lebenszeit, zwischen Eltern und
Kindern dauert sie viele Jahre. Die anti-katholische Familie dauert
zwischen Vater und Mutter nur einige Jahre, zwischen den Eltern und
Kindern gar nur einige Monate. Die künstliche Familie der Vereine
dauert nur einen Tag und die der Vergnügungsstätten nur einen kurzen
Augenblick. Wie in vielen anderen Dingen, ist auch hier die Dauer das
Maß der Vollkommen-heit. Zwischen der göttlichen Familie und der
menschlichen Familie der Klöster besteht dasselbe Verhältnis wie
zwischen Zeit und Ewigkeit. Zwischen der geistlichen Familie der
Klöster und der sinnlichen Familie der Vergnügungsstätten, also der
vollkommensten und der unvollkommensten Form der menschlichen Familien,
besteht dasselbe Verhältnis wie zwischen der flüchtigen Dauer einer
Minute und der Unermeßlichkeit der Zeiten.
(aus "Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und
den Sozialismus", 2.Kapitel, zitiert nach: "Der Staat Gottes" übersetzt
und herausgeben von Ludwig Fischer, Karlsruhe, 1933) |