Die Auflösung der Geschlechter
von
Ellen Kositza
Vorbemerkung der Redaktion:
Die nachfolgende Darstellung zeichnet mit teils kräftigen, ja grellen
Strichen ein veristisches Bild des desaströsen Verhältnis der
Geschlechter, welches zunehmend durch feministische und
emanzipatori-sche Ansätze ideologisiert wird. Diese soziale Realität
prägt in großem Maß auch unsere gesamte Gesellschaft, das Staatswesen
ebenso wie das Berufsleben... mit all den negativen Auswirkungen auch
auf dem Sektor der Erziehung und Ausbildung. Man mache sich nur einmal
bewußt, daß die Protagonistinnen der 68-iger Revolte - speziell der
emanzipatorischen Frauenbewegung - Negierung von Ehe und Familie,
Propagierung freier Liebe, geschlechtliches Ausleben ab der Pubertät,
Polarisierung der Geschlechter - inzwischen 'ruhiger' und teilweise
Großmütter geworden sind, die aber ihr unheilvolles Gespenst von der
sog. anti-autoritären Erziehung (und dessen Umsetzung) durch die
Gesellschaft wehen lassen, dessen Resultat mir täglich in den
unschuldig/schuldigen Nachfahren zweiter Generation dutzendfach in Bus
und S-Bahn begegnen.
Wenn wir nicht Christen sind, die ihre Augen vor der Wirklichkeit, die
uns alltäglich begegnet, verschließen und die die böse Welt nur
'anbellen', dann begreifen wir diese (gesellschaftliche) Realität als
Aufgabe!
E. Heller
***
Als sich kürzlich Alt-Emanze Alice Schwartzer und Medienstar Verona
Feldbusch in einer TV-Runde ein Rededuell lieferten, gab es von der
Bild-Zeitung (die noch Wochen später davon zehrte) bis zur Berliner
Zeitung kaum ein Tagesblatt, das sich einen Kommentar verkneifen
wollte. "Brain trifft Body", hieß es bereits im voraus, worauf
Feldbusch, letztlich als Siegerin des Schlagabtausches gefeiert,
gekontert hatte, sie wisse garnicht, daß Schwarzer einen so
vorzüglichen Körper habe. Mit der Gegenüberstellung der überzeugten
Feministin, die die Popularisierung der Abtreibung als eines ihrer
Verdienste verbucht, auf der einen Seite und dem herausgeputzten
Weibchen auf der anderen sollten zwei Extreme weiblicher Lebensentwürfe
und ihre Begründungen vorgeführt werden.
Feldbusch, das "Phänomen", versäumt in kaum einem Interview, auf ihre
potentielle Mütterlichkeit hinzuweisen, auch letzthin bei "Kerner"
nicht: Viele Kinder wolle sie haben; Mutterschaft statt Karriere und
Emanzipation als das eigentlich Erstrebenswerte. Tatsache ist, daß
Feldbusch 33 Jahre ist (Schwarzers Häme: "Die ist schneller 58, als sie
denkt"), und von einer ersten der ursprünglich geplanten fünf
Schwangerschaften keine Spur.
In dieser Konsequenz hebt sich der zunächst gewaltig scheinende
Gegensatz zweier vollkommen konträrer Frauenbilder also zunächst auf.
Sowohl das hochhackig-prallbusige Pseudo-Dummchen als auch die
Vorzeige-Emanze fungieren als role-models, als Vorbilder mit
Massenwirkung, des späten Feminismus. Dazu paßt, daß die aktuelle
"Emma" als deutschlandweit konkurrenzloses Haupt-organ feministischen
Diskurses mit genau diesem Thema titelt: "Gebärstreik - Sterben die
Deutschen aus? Warum Frauen immer weniger Kinder kriegen". Die
Schlagzeile ist so reißerisch wie verlogen, in Wahrheit kümmert
Schwarzer & Co weder das Aussterben des deutschen Volkes, noch
gebrauchen sie das Wortfeld "Mutterschaft" im positiven Sinne, außer
wenn es semantisch abgedeckt ist durch Konzepte der
Selbstverwirklichung und außerfamiliäre Zusammenhänge. Virulent ist die
An-gelegenheit, allerorten immer wieder beliebtes Titelthema, ja
dennoch. Die Frage, ob eine Reduktion europäischer Bevölkerungen
tatsächlich eine "Gesundschrumpfung" wäre - sie verläuft ja nicht als
selektiver Vorgang - einmal beiseite gelassen: Worin wurzelt die
schwindende Bereitschaft zum Muttersein? War es tatsächlich und
maßgeblich die Frauenbewegung der siebziger Jahre, die uns dies
unfruchtbare Ei legte, das mit staatlich geregelter Abtreibung und der
pillemanipulierten Frau dann widernatürliche Blüten trieb? Ist es -
Lieblingsthese der Konservativen - die mangelnde
gesellschaftliche Anerkennung des "Berufs Mutter", die sich, positiv
gewandt, finanziell als Hausfrauengehalt oder verdoppeltes und
ausgeweitetes Erziehungsgeld niederschlagen müßte? Ist es - aktuell
frauenpolitische Lieblingsthese - die mangelnde Vereinbarkeit von
Familie und Beruf? Die Unwil-ligkeit der Väter zum demokratisch
geteilten Erziehungsauftrag?
Natürlich hat das politische Taktieren mit einem pekuniären Anreiz
seinen Grund und seine Berechtigung, wenngleich einer finanziell
ausgerichteten Erwägung hin zum Zweitkind eine gewisse Würdelosigkeit
ja nicht abzusprechen ist. Das eben ist Reproduktionspolitik. Die
Rechnung aber ist zu simpel, um sie leugnen zu können, aus Doppel-
werden im Kinderfall zunächst Einzelverdiener, von der boomenden
Alleinerziehendengruppe ganz zu schweigen. Zusätzlich kosten Kinder -
sowieso, und schon gar, wenn der Sprößling etwas gelten soll im
kindlichen Freundeskreis und späterhin in der Erwachsenenwelt:
Einzelzimmer mit Lerncomputer ab dreieinhalb, Markenkleidung, Ballett-
und Tennisunterricht, Zweitwagen für die Chauffeurin, Urlaub hin und
wieder. Armutsrisiko Kind, ein Schlagwort, dem in naher wie ferner
Vergangenheit eine Entsprechung fehlte. Nie waren Kinder so teuer wie
heute. Dennoch: kein Mütterlohn wäre hoch genug, eine markante
Trendwende einläuten zu können. Ähnliches gilt für familienpolitische
Bestrebungen, die mit flexibler Teilzeit, Jobsharing,
Betriebskindergärten und Ganztagsschulen dem Kindermangel begegnen
wollen - dies alles wirkt bestenfalls konsolidierend, wie die
vielzitierten und allseits hochgelobten Beispiele Skandinavien und
Frankreich zeigen, wo trotz eines kurzfristigen und bereits wieder
abgeflauten Geburtenanstiegs die 1,8-Kinder-Marke pro Frau nicht
überschritten wurde. Dabei sind es drei Kinder, die eine konstante
Bevölkerungszahl gewährleisten würden. Im übrigen wird wohl auch der
Einwanderungstrick nicht wirklich fruchten, wie Experten anläßlich des
jüngsten Uno-Bevölkerungstages betonten - auch Migranten, so zeige die
Statistik, passen ihr Zeugungsverhalten schnell den herrschenden
Verhält-nissen an.
Daß der Feminismus selbst Schuld trägt am nun scheinheilig beklagten
Gebärstreik und weiblicher Identitätskrise, ist ein bekanntes
konservatives Argument. Schließlich ist solcher Zusammenhang
offensichtlich. Cora Stephan, hellsichtige Publizistin und sicher nicht
rechts von der Mitte einzuordnen, hat gewiß recht mit ihrem Urteil, daß
kein Projekt der Linken seit 68 so erfolgreich war wie die
Frauenbewegung. Klar, die emanzipatorische Frauenbewegung ist's, die
all dies brachte, Pille, "Mein Bauch gehört mir", Karriere statt
Kinder. Das schwerste Gewicht, das die Frau zu Boden ziehe, erklärte
einst die feministische Pionierin Simone de Beauvoir, sei der Embryo,
und solange es weder die perfekte Verhütung noch ein sanktionsfreies
Recht auf Abtreibung gebe, bleibe die Frau Opfer ihrer biologischen
Funktion und damit unmündig. Der Feminismus, der die Normalfrau
viel-leicht nicht in seinen schrillsten Äußerungen, sondern in seinem
Alltagsgesicht (wer ist schon ernsthaft gegen Gleichberechtigung?)
erreichte, ist also Auslöser der selbstgewollten Kinderarmut, er
ist aber gleichzeitig Reaktion und Konsequenz eines Lebens im
Unnatürlichen.
So mag man die moderne Frauenemanzipation als Pendelausschlag sehen,
der seinen Anlauf vor über 120 Jahren nahm, zur Zeit der industriellen
Revolution, die das mit sich brachte, was als Degeneration der
Männlichkeit gefaßt werden kann - das demokratisierte Bürgertum und
seine Institutionen. Akademien, Ämter, Arbeit im Getriebe. Hier schon
zerbrach die heile Welt mit Großfamilie, klar und einsichtig
definierter Männlichkeit und Weiblichkeit, Rollen, die kein stupider
Zwang, sondern schlüssige Notwendigkeit waren "Des Mannes ist hier
wenig", merkte da schon Nietzsche an, "darum vermännlichen sich ihre
Weiber. Denn nur wer Mannes genug ist, wird im Weib das Weib erlösen."
Natürlich mangelte es nicht an Versuchen der Kompensation für die
strukturell reduzierte Männlichkeit, die so entstandene
gesellschaftliche Brüchigkeit findet ihren Niederschlag in brodelndem
Aufbegehren der nachwachsenden Generation, der jungen Männer vor dem
Ersten Weltkrieg und, fast analog dazu, der Frauen nach den Kriegs- und
Trümmerjahren in der Mitte des Jahrhunderts.
Arbeit in entfremdeten Zusammenhängen manifestierte sich als neue
Normalität, der Mann als Rädchen im Getriebe von Fabrik und
Dienstleistung, in Bankinstitut und Börse: Das alles kann auch ich,
merkte Frau und hatte ja recht damit. Warf Staubsauger und
Waschmaschine an, kochte, wickel-te, fütterte und merkte dabei, daß ihr
Megaberuf (Erzieherin, Köchin, Krankenschwester, Psychologin,
Chauffeurin usw., wie Mutterschaftsideologen wacker zu betonen nicht
müde werden) sie im Nebeneinander ständiger Unter- und Überforderung
nicht wirklich erfüllte. Dem hatte der Nachkriegsmann, der mit weichen
Händen (Bürotätigkeit!) das Haushaltsgeld zuteilte und nicht nur durch
seine Entfernung aus dem häuslichen Umfeld seinen Söhnen längst kein
brauchbares Identitätsmuster zu liefern wußte, wahrlich wenig
entgegenzusetzen. Hirnhälftenpolitik hin oder her: die alten
Arbeitsfelder des Mannes als Krieger und Bauer gab es spätestens in den
Fünfzigern nicht mehr und auch den Grund nicht, warum Universität und
Erwerbsarbeit nicht massenhaft den Frauen offenstehen sollten. Die
Struktur der Notwendigkeiten wurde im folgenden in einem
wechselseitigen Prozeß aufgehoben, bis heute: So wertet der
Kindermangel, der sich ja bereits jetzt in Bereichen als
Arbeitskräftemangel darstellt, gleichzeitig die berufstätige Frau auf.
Wenn Kanzler Schröder bekennt, "wir" könnten uns es nicht leisten, die
"ungeheure Begabung der Frau" im Werktätigenleben nicht zu nutzen, dann
ist dies keine frauenbewegte Einsicht, sondern schlichtweg
wirtschaftlicher Zwang. Mittlerweile - die Alleinerziehendenpolitik,
wiederum auf Zustände reagierend und sie zugleich fördernd, trägt dazu
bei - brauchen Mann und Frau einander nicht mehr, um ihre jeweilige
Existenz abzusi-chern. Im Zeitalter der Patchworkfamilie sind Kinder
weder Kitt noch Verpflichtung und Auftrag, sondern nur noch jahrelanger
Ballast für - meist - die Frau.
Es fehlt der triftige Grund, warum nicht die Frau so gut wie der Mann
Daten archivieren, Seminare halten und in der Politik die Welt
verändern sollte, während der Mann die ganz privaten Betreuungs- und
Fahrdienste ausüben sollte. Die Folgen sind bekannt. Bleibt nur eines
zu erledigen: die Biologie - so oder so, Verzicht auf Mann oder auf
Kinder. Das eine ist die Vision und wohl nur sommerloch-bedingt
aktueller und heißdiskutierter Tageszeitungenfüller; die Nachricht, daß
australische Wissenschaftler ein Verfahren entdeckt haben, das den Mann
für den menschlichen Reproduktionsprozeß überflüssig machen könnte
(BILD-Titel: "Gen-Forscher schaffen den Vater ab").
Das andere ist die bewußte Ablehnung der Mutterschaft. Zu gebären ist
eine natürliche Bestimmung der Frau. Allein diesen nicht neuen Satz zu
Papier zu bringen kostet Kraft, dutzendhafte Hinterfragung und ein
Aufatmen über die Möglichkeit, per indefinitem Artikel zu
differenzieren.
Ein gewöhnlicher Vorgang ist es längst nicht mehr, im Westen, das
Gebären, es ist ein exklusives Ereignis, ein privates event von
europaweit durchschnittlich anderthalbmaliger Häufigkeit. Es droht
womöglich verlernt zu werden, schaut man auf den gewaltigen Anstieg von
Schnittgeburten, die sich heutzutage fast allerorten ordern und planen
lassen können. Brachten vor drei Jahrzehnten noch über 90 Prozent aller
Frauen ihre Kinder aus eigener Kraft zur Welt und wurden Kaiserschnitte
nur in begründeten Notlagen durchgeführt, wird heute bald 25 Prozent
der Schwangeren unter Narkose der Säugling entnommen. In den USA findet
bereits jede dritte Entbindung als Operation statt. Das Kind, derart
planmäßig und technologisch aufwendig in die Welt gesetzt, ist
Statussymbol geworden, welches man sich einfach, vielleicht zweifach,
leistet. Mutter und Vater sind dabei eins geworden bei gleichzeitiger
Liquidierung dessen, was einst Mütterlichkeit und Väterlichkeit
meinten.
Der arte-Themenabend "Der Mann in der Krise" lieferte in den
vergangenen Wochen mit den Tränen gleichsam hinwegtherapierter Männer
ein beredtes Bild davon, wie unmöglich heute eigentlich die
Legitimation originär männlichen Verhaltens ist. Männliche Werte
verkörpern in der Informationsgesellschaft keinen Wert mehr, dem Mann
und seinem Agieren als solcher ist die Selbstverständlichkeit genommen.
Die Männerrolle, so Dietrich Schwanitz in einer ansonsten lähmenden
Diskussion über Gerechtigkeit und Gefühl, ist ausschließlich sexuell
noch wahrnehmbar. Männer, das bemerkte Otto Weininger vor hundert
Jahren, sind "heute nahe dran, sich der weiblichen Wertung ihrer selbst
zu fügen".
Es ist eine späte Konsequenz der Postmoderne, "Männlichkeit" und
"Weiblichkeit" mit Michel Foucault als "historische
Geschlechtskrankheiten", als längst obsolet gewordene Kategorien zu
bezeichnen. Im heutigen feministischen Diskurs, der, vertreten durch
ideologische Wissenschaftler wie die amerikanische Rhetorikprofessorin
Judith Butler, durchaus akademisch geführt wird, wird der Sinn der
Zweigeschlechtlichkeit, ja überhaupt die Existenz eines binären Systems
geschlechtlicher Identität, schlichtweg geleugnet. Mithin lehnt die
Soziologie ein Kriterium "Geschlecht" selbstredend als altbacken ab,
unterscheidet vielmehr in, amerikanisch, sex, was die biologische und
als solche grundsätzlich zu hinterfragende Ausstattung eines Menschen
meint, und gender: die soziale, kulrurell erworbene Rolle und damit
eine variable Größe. Das ist kein Begriffsgeklapper, sondern eine
längst durchgesetzte Sichtweise, betrachtet man etwa betreffende
Arbeitsfelder nicht nur der Gemein-schaftskunde, sondern auch etwa der
Linguistik, Pädagogik und Psychologie. So ist eine ursprüng-lich
feministische These gleichsam unter der Hand interdisziplinär geworden,
Männlichkeit wie Weiblichkeit gelten, soweit klassifizierbar, als im
kulturellen Kontext erworbene Verhaltensnormen. In einschlägigen und
nur scheinbar randständigen Medien wie eben der Emma hat das sogenannte
gender-switching mittlerweile nicht mehr nur den Ruch des Subversiven,
Revolutionären, sondern gar die Bedeutung gesellschaftlicher
Notwendigkeit.
Der große run aufs Silikon, der seinen Höhepunkt längst nicht erreicht
hat, und die plakativen Weibchen-Attribute, von denen der aktuelle
"Tussen-Trend" zehrt, sind Ausweichmanöver, die von der immer populärer
werdenden Androgynitätsmaschine nicht ablenken dürfen. Uni-Sex ist in,
nichts cooler als ein Mädel im Blaumann, Männer riechen nach Parfüm,
Lesben werden Mütter, schwule Schlagersänger, Sympathieträger der
Rentnergeneration, adoptieren Kinder, und in bürgerlichem Gewand
propagiert auch die Techniker-Krankenkasse in ihrer Fitness-Broschüre
"Lustvoll arbeiten" den geschlechtlich neutralisierten Menschen:
"Androgynes Verhalten und Erscheinungsbild", so der ernste Ratschlag,
"sind bei beiden Geschlechtern heute die beste Voraussetzung für Erfolg
und Gesundheit". Das ist Leben im Künstlichen, fügt sich nahtlos und
zwangsläufig ein in die Welt des Scheinbaren, der Virtualität. Von der
großen Lüge zum nur halb ironisch gebrochenen Hype, mit globaler
PR-Maschinerie letztlich zum Entwurf der identitätsfreien role-models
der Gegenwart und Zukunft. Das Unnatürliche als Wünschenswertes: Das
beginnt mit den Chemieblondsträhnen und den Kunstlocken im
Schwarzerhaar und endet nicht mit Veronas Busen, das Künstliche ist
längst Struktur geworden, Lebensumfeld, Eckpfeiler des Alltags. Beschiß
als Futter für eine Zeit und Menschen, die sich in der Unwahrheit
einrichten, Kunstprodukte wie Lara Croft als verkehrt-androgynen
Übermenschen als virtuose Virtualität verbrämen: Geschlechtsmerkmale
werden hier nicht nivelliert, sondern statt dessen männliche und
weibliche Attribute in einer Person auf die Spitze getrieben, scharf
für Männer, okay (Amazone! Kämpferisch! Unerbittlich!) für die
Feministin; der schöne neue Mensch als Ende der Kette. Die Auflösung
der Geschlechter ist nicht mehr nur Programm exaltierter Theoretiker
und Designer kultiger Comicfiguren, sie ist alltäglich im Gange.
Aber: was ist schon "natürlich", kann "historisch gewachsenes" sich
nicht ebensogut historisch verformen, und sei es als Bruch, als
Implosion, das wäre eben der unvermeidliche Tribut des
elektroni-schen, des Medien- und Machbarkeitszeitalters, in dem
Entwicklungen rasen und Manipulationen Regel sind. Und: was ist
gut, was erhaltenswert oder rekonstruierbar, was wünschens-, was
lebenswert? Ist es die außen heile Kleinfamilie der fünfziger Jahre mit
ihren klaren Regelungen: festgelegt vom alljährlichen Urlaub in
Bodenmais und dem nächsten Dauerwellentermin bis hin zum
samstag-abendlichen Geschlechtsverkehr? Die Gebärmentalität jedenfalls
unterschied sich auch in den Vor-Pille-Jahrzehnten nicht wesentlich von
der heutigen, die Nazifamilie eingeschlossen, in der die
kinderscharumringte Mutter mehr Propagandabild denn Realität
darstellte.
Wo scharf umrissene männliche Tätigkeitsfelder wegfallen, der Mann als
identitätserschüttertes Mängelwesen agiert, werden Schwangerschaft und
Geburt als absolut und exklusiv weibliche Aufgaben zu beinahe
anachronistischen Sonderleistungen.
Jenseits der Linken, vor allem aber jenseits des politischen
Tagesgeschäfts besteht hierzu offensichtlich kein Diskussionsbedarf.
Man artikuliert sich rein defensiv. Das heißt: vom
christlich-konservativen Spektrum, beispielhaft verkörpert durch
Christa Meves, bis hin zu den Nationalisten der NPD-Zeitung "Deutsche
Stimme" verharrt man unbewegt, bisweilen ressentimentgeladen auf
überlieferten Stereotypen. Dem emanzipatorischen Extrem, als Frau werde
man nicht geboren, zur Frau werde man gemacht, wird eine unflexible -
dadurch nicht unwahre, wohl aber wehrlose - Absolutheit (Biologie!
Anatomie! Tradition!) entgegengestellt, die sich, mehr oder minder
sprachlos, auf einmal gewonnene Einsichten zurückzieht. Wem aber
sollten Frauen heute Kinder gebären? Dem geschlechts-demokratischen
Geldverdiener und Wochenendpapa? Dem domestizierten Hausmann? Dem
egomanischen Selbstdarsteller mit Muskeln aus Studioproduktion? Dem
Rentensystem der Bundesrepublik Deutschland? Einem Generationenvertrag,
der nicht mal als theoretisches Konstrukt mehr greift? Es ist ein
Zeichen von Ignoranz und müder Sattheit, daß diese Fragen
wertkonservativer Politik heute ferner stehen als politisch
korrekt-beflissenes Nicken zu Frauenförderungsfinanzierung und freien
Wahl der Abtreibungsmethode.
Ellen Kositza, 27, hat Deutsch und Geschichte studiert und arbeitet als
Lektorin. Die langjährige JF-Autorin ist Mutter von drei Kindern.
(aus JUNGE FREIHEIT vom 20. Juli 2001; mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)
* * *
Nachwort:
In vorstehendem Beitrag hat die Autorin die Situation der Geschlechter
analysiert, deren heutige Ausprägung teilweise historisch bedingt ist.
Frau Kositza hat zwar Trends zur weiteren Idelogisierung dieses
Verhältnisses aufgezeigt, aber selbst keine Lösung zur Behebung der
Defizite vorgetragen, die sie selbst aufzeigt. Wie könnte das Problem
des Verhältnisses der Geschlechter zueinander gelöst werden? Warum
sollen Ehepaare Kinder bekommen? Fragen, die in einer
ent-theologisierten Welt prinzipiell - und auch für kath. Christen
nicht mehr bloß mit dem Hinweis auf die Ehezwecke - beantwortet werden
müssen. Fragen, die angesichts der demographischen Schieflage derzeit
ebenfalls in Deutschland heftig diskutiert werden, basiert (korrekter:
basierte) doch unser Alters-Versorgungssystem, d.i. das Rentensystem,
auf einem ausgeglichenen Generationsvertrag. Aber es ist auch klar, daß
mit dem Hinweis auf die Rente die ideologisierte Einstellung zur
Geschlechtlichkeit und zur Ehe nicht korrigiert werden kann. Denn die
Ehe wird allgemein nicht mehr als moralisches Institut, das durch
Christus zum Sakrament, d.i. zur Anteilnahme am Leben Gottes, erhöht
worden ist, gesehen (bei den Protestanten seit der Reformation nicht
mehr), sondern nur noch als (juristischer) Vertrag von gleichwertigen
und gleichberechtigten Partnern, der jederzeit kündbar ist.
Wie könnte das Problem der Geschlechtlichkeit des Menschen
grundsätzlich angegangen werden? Im Rahmen dieses Nachwortes möchte ich
einen solchen Weg zur Lösung des Problems nur skizzieren, um später
eine eigene Ausarbeitung folgen zu lassen (in einem Beitrag über den
Sinn der Schöpfung, in dem ich dann auch auf das Verhältnis der
Geschlechter eingehen werde).
Wie könnte man vorgehen? Es müßte gezeigt werden, daß die
Interpersonalität als Form zur Realisation der Sittlichkeit,
insbesondere der Liebe als höchstem sittlichem Wert, der absolut gilt,
konsti-tutiv ist: Kein ICH ohne DU, das das ICH
aufruft (zum Vernünftigsein): kein Verhältnis, in dem letzten Endes
nicht die Liebe realisiert werden soll! Ohne diese Eröffnung würde das ICH nicht zur Vernunft kommen: kein Selbstbewußtsein, welches nicht zur Vernunft aufgerufen wäre. Es müßte bewiesen werden, daß Gott das absolut erste DU
ist, welches uns zur Realisiation dieses sittlichen Werts der Liebe
aufruft. Es müßte weiter gezeigt werden, daß der Sinn der Schöpfung
Gottes gerade darin besteht, daß Er mit uns einen Bund schließen will
zur Anteilnahme und zur Verwirklichung dieser geoffenbarten Liebe. Es
muß klar werden, daß Gott hier nicht nur als bloßes Geltungs-Prinzip
erscheint, sondern Personifizierung dieses Prinzipes ist, also er muß
erscheinen als der (absolut) Gute, der (absolut) Liebe. Die Umsetzung
dieser Aufforderung stellte sich uns dann als Aufgabe. Weil Liebe
absolut sein soll, müßte gezeigt werden, daß diese empfangene Liebe auf
die Mitmenschen, d.h. auf das andere DU, übergehen soll, indem das ICH das DU in dieses Liebesbündnis mit einschließen soll, um so in das Schöpfungsgeschehen Gottes einzugreifen, es zu erweitern.
Es müßte gezeigt werden, daß das (Geschlechter)-Verhältnis von Mann und
Frau die konstitutive Form ist, in der zum einen neues (physisches)
Leben gezeugt werden kann und daß zum anderen das neue Leben erst durch das DU (der Eltern) selbst zum ICH
aufgerufen wird, d.h. fähig wird zur Vernunft, um sich dann in diesen
(Liebes-)Bund mit einzubinden, d.h. der physischen müßte die moralische
Zeugung (Erziehung) folgen. Im Hinblick auf die Relation zu Gott, in
der eine solche moralische Zeugung steht, müßte gezeigt werden, daß
dazu das Verhältnis von Mann und Frau ihre vollendete Form der Liebe in
dem sich gegenseitig zugesicherten Treueverhältnis (Ehe) besteht, in
der der Dualismus der Geschlechter im Hinblick auf ihre Bestimmung
aufgehoben wird, und daß dann diese Liebe durch die Zeugung neuen
Lebens eine doppelte Teilnahme an der Schöpfung darstellt bzw. erfährt:
die Ehegatten untereinander und dann die Liebe zu dem bzw. den
Kinder(n); durch die gegenseitige Hingabe und durch den Akt der
Zeugung, der seine Erfüllung erfährt in der geistigen Zeugung, d.h. der
vermittelnden Liebe: Die Eltern vertreten in dieser Hinsicht am Kind
Gottes Stelle, sie übernehmen quasi die moralische Zeugung, in dem sie
die Liebe - letztlich aus Gott kommend - dem Kind eröffnen.
Die Lösung der Frage, die bei der Autorin Kositza offen bleibt, warum
Eheleute Kinder bekommen sollen, läßt sich nach diesen Hinweisen schon
andeuten: Ob Eltern Kinder haben wollen, hängt davon ab, ob sie am
andauernden Schöpfungsgeschehen (Gottes) Anteil nehmen wollen oder
nicht.
Eberhard Heller
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