"Dem christlichen
Glauben hat es in den letzten Jahrhunderten an Intelligenz gemangelt
und der christlichen Intelligenz an Glauben." Dieser Satz des großen
Kolumbianers Dávila sei mottoartig über das Leben und Wirken eines
faszinierenden Mannes gestellt, dessen 10. Todestag sich am 26.
Dezember 2003 jährt. Der Schweizer Professor Dr. phil. Max Thürkauf ist
den dornenreichen Weg vom Agnostiker zum tiefgläubigen pazifistischen
Denker gegangen. Durch sein Leben und Wirken hat er die Hypothese
verifiziert, daß eine Naturwissenschaft der moralischen Verantwortung,
welche der Wahrheit Gottes nicht widerspricht, möglich ist.
Die erste Leidenschaft des 1925 in Basel Geborenen galt
der Chemie. "Die ganze Liebe meines Bubenherzen entflammte an den
Zauberformen dieser Röhren und Kolben. (...) Keine andere Erklärung als
das Unerklärliche der Liebe vermag eine Deutung für dieses Feuer zu
geben, das damals in meiner Seele entbrannt ist ... "1) Max Thürkaufs
Bestimmung war unzweifelhaft jene des erfolgreichen
Naturwissenschaftlers. Daran änderten weder die fast skurrilen Umwege
seines Lebens etwas, noch der mutige von autodidaktischen Phasen
mitgeprägte Werdegang. Er arbeitete auf verschiedenen Gebieten, unter
anderem auch im Bereich der Atomenergie.
Im Rahmen eines Forschungsprogramms entwickelte der
Wissenschaftler Isotopentrennverfahren und weitere
chemisch-physikalische Stofftrennverfahren. 1959 leitete er den Bau
einer Anlage für die Erzeugung des sogenannten "schweren Wassers" in
Saclay bei Paris. Mit schwerem Wasser kann in Atomreaktoren aus Uran
Plutonium für Atombomben erbrütet werden. Weitere Arbeitsgebiete waren
die Elektronenmikroskopie großer Moleküle sowie chemische Thermodynamik
und Reaktionskinetik. 1963 wird Max Thürkauf für die Herstellung von
schwerem Sauerstoff der RUZICKA-Preis verliehen. Im gleichen Jahr
beruft ihn die Universität Basel zum ordentlichen Professor für
physikalische Chemie. Als die erste französische Plutoniumbombe unter
strengster Geheimhaltung in der Sahara gezündet wird, beginnt für den
Forscher eine intensive Phase des Umdenkens: "Die Atombombe ist die
zweckvollste und sinnloseste Tat der modernen Natur-Wissenschaft, der
weltweite Tod, der Tod, der nicht nur die Leben, sondern das Leben zu
töten vermag, der die Heimat des Lebens zu vernichten droht: die Erde."
2)
Max Thürkauf spürt plötzlich eine ungeheuere
Verantwortung und erkennt, daß eine wertfreie Wissenschaft nicht
möglich ist. So beginnt der erschütternde Gewissenskonflikt des großen
Forschers. Er endet im "Sieg der Demut über den Hochmut, der
Gottesfurcht über der Menschenfurcht". Immer klarer erkennt Thürkauf,
daß eben die heißgeliebte Chemie zur Zerstörung des Menschen und der
Welt missbraucht wird. Es kommt zum offenen Konflikt mit der
Universität. 1967 tritt er aus Gewissensgründen als Leiter des
Instituts für physikalische Chemie zurück, behält aber seine
akademische Lehrtätigkeit bei. Bis zu seiner Emeritierung 1990 hält er
Vorlesungen über erkenntnistheoretische, philosophische und religiöse
Fragen der modernen Naturwissenschaft, ohne dafür Honorar zu erhalten.
Sein Brot verdient er als Fluglehrer und Instruktor für Kunstflug.
Daneben entfaltet Max Thürkauf eine segensreiche schriftstellerische
Tätigkeit, hält Vorträge und begeistert die akademische Öffentlichkeit
im Rahmen des Studium generale durch seine Darlegungen über
"Naturwissenschaft und Christentum". In dem Buch "Christuswärts" wurden
seine Argumente gegen einen platten und zerstörerischen Materialismus
der breiten Leserschicht zugänglich gemacht.
Als wichtigste Veröffentlichungen sind zu nennen:
"Christuswärts - Glaubenshilfe gegen den naturwissenschaftlichen Atheismus", Stein a. Rhein 1983.
"Die Gottesanbeterin" - Zwei Naturwissenschaftler auf der Suche nach Gott, Stein am Rhein 1984.
"Das Fanal von Tschernobal" - Tröstliche Erzählungen. Stein am Rhein 1987.
"Unruhig ist unser Herz", Stein am Rhein 1990.
"Die Spatzen pfeifen lassen", Geistliches Tagebuch eines Physikers, Stein am Rhein 1992.
"Ein unbequemer Mahner", Müstair 2001
Es ist nicht ganz einfach, das Credo dieses großen
Denkers und Forschers knapp zu verdeutlichen. Vielschichtig und radikal
ist seine Kritik an dem üblichen Wissenschaftsbetrieb. Wir versuchen
hier eine punktuelle Darstellung.
Max Thürkauf war Schüler und verständnisvoller Freund
des bedeutenden unorthodoxen Zoologen Adolf Portmann, der ja immer
wieder die Grenzen des Wissens betont. Portmann unterscheidet die
Allgemeine Evolutionslehre von der sogenannten Faktorentheorie.
Darunter versteht er spezielle Vorstellungen über bestimmte wirksame
Faktoren, die den Tatbestand "Evolution" hervorbringen. Auch Thürkauf
durchleuchtet den klassischen Darwinismus und kommt zu der Aussage:
"Alle darwinistischen Betrachtungen sind in erster Linie eine Frage des
Glaubens und nicht der Wissenschaft." 3) Der Schweizer Chemiker lehnt
auch den Gedanken der Deszendenz, also den Abstieg vom klassischen zum
molekularen Darwinismus, ab. Er erkennt darin die spektakuläre
Verkleinerung der Maschine und die sich dadurch eröffnende Verengung
des Denkens. Die materialistischen Welterklärer, die einer
Selbstorganisation der Materie das Wort reden, übersehen in ihrem
"Hyperzyklus" genannten Zirkelschluss, daß es jenen "Zufall", der
Moleküle entstehen lässt, welche nach chemischen Gesichtspunkten "die
größte Replikations- und somit Überlebenschance haben", nicht gibt.
"Davon abgesehen, daß sie Leben und Replikation gleichsetzen, vergessen
sie, daß die Werkzeuge, mit welchen sie ihre Moleküle machen, also die
Chemie und Physik, in der Natur nicht existieren. (...) Chemie und
Physik sind nichts Natürliches, sondern Gegenstände des menschlichen
Denkens. " 4)
Max Thürkauf verwendet immer wieder den Begriff der
Ehrfurcht vor dem Leben, welchen er nicht in einer
mathematisch-mechanistischen, sondern der anschauenden Urteilskraft
(Goethe) verwirklicht sieht: Denn die Welt ist nicht machbar, sondern
nur schaubar.
Eben gegen die materialistische Geisteshaltung der
modernen Welt und Naturwissenschaft, führte Thürkauf seinen Kampf. Nur
"geistgelenkte Hände" können die Vollstrecker des "Willens zum Guten
oder zum Bösen, zum Schönen oder zum Hässlichen" sein. Wider den Primat
der Materie hält der Schweizer die Personalität der Geistseele und
deren Existenz in Ewigkeit. Gegen die Wunder der Technik setzt er die
Wissenschaft als Gabe des Heiligen Geistes. Benediktinisch inspiriert,
spricht er sich für eine Neuorientierung der Forschung aus, welche sich
am "ora et labora" des Mönchsvaters von Nursia orientiert.
Der unbequeme Mahner weist immer wieder darauf hin, daß
eine globale Katastrophe auf uns zukommt, deren Ursache die maßlose
Technik sein wird. Im April 1986 erschüttert das Reaktorunglück von
Tschernobyl die ganze Welt. Max Thürkauf betrachtet dies als Fanal. Wie
recht er damit hatte, beweist im November des gleichen Jahres der
verheerende Brand in einem Chemiewerk in Schweizerhalle bei Basel. Wie
in Seveso, Bophal oder Harrisburg wird erst allmählich das volle Ausmaß
dieses Schweizer Supergaus sichtbar.
Schonungslos legt der unermüdliche Warner den Finger auf
die Wunden der Zeit. Als Ursache des moralisch-ethischen Zusammenbruchs
nennt er die Lästerung des Geistes und dessen Selbstmord durch die
Vergötzung der Materie.
Zehn Jahre sind vergangen, seit der Wissenschaftler am
26. Dezember 1993, dem Tag, des ihm so wesensverwandten Erzmartyrers
Stefanus, in Weil am Rhein verstarb. Nach einem 14-monatigem Leidensweg
ging dieser überragende Geist heim in die Ewigkeit.
Anmerkungen:
1) M. Thürkauf: "Christuswärts. Glaubenshilfe gegen den naturwissenschaftlichen Atheismus", Stein 1983, S.17.
2) ebd. S. 77/78.
3) Max Thürkauf in: "Wir sind Evolution. Initiative" Bd. 40 Hrsg. von G.K.s Kaltenbrunner, Freiburg 1981, S. 155.
4) a.a.0. S. 160.
Weiterführende Literatur:
Max Thürkauf: "Das Fanal von Tschernobal" Stein am Rhein 1987.
Max Thürkauf : "Franziskus im Atomzeitalter" Stein am Rhein 1985.
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Ãœber den hl. Pius X.
"Ein anderer Schmerz, der mich viel mehr erregt und mich
in Angst versetzt, ist die erschreckende Verbreitung des Modernismus,
besonders bei den Welt- und Ordensgeistlichen. Bei den wenigsten
handelt es sich um theoretischen, bei den meisten aber um den
praktischen Modernismus, der dieselben Folgen wie der erstere nach sich
zieht: Schwächung und schließlich völliger Verlust des Glaubens. Oh!
dies ist der schrecklichste Gegner, welcher der Kirche und dem Papst
zusetzt. Die Gutgesinnten müssen ihn bekämpfen, um das Glaubensgut rein
zu bewahren und so viele Seelen, die in ihr Verderben rennen, zu
retten. Bitten wir den Herrn, Er möge Seiner Kirche bessere Zeiten
gewähren." (Brief vom 10.7.1913; aus: Nello Vian: "Briefe des
heiligen Pius X." Freiburg 1960, S. 241.)
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