Die moderne Frau - zwischen Familie und Beruf
Vorbemerkung der Redaktion:
Die Politik hat ein neues Thema: die Familie - die Ehefrau, die nicht
nur ihre berufliche Karriere im Auge haben sollte, sondern auch noch
die Erziehung von Kindern. An denen mangelt es. So ganz nebenbei ist
das Thema eingeflossen. Man will den politisch gehätschelten Feminismus
nicht verprellen, der sich all die Jahre große Mühe gegeben hat,
respektlos oder mitleidig auf die biederen Heimchen am Herd und am
Wickeltisch herunterzuschauen. Doch die Probleme drängen. Nicht, daß
man der Ehemoral - und damit verbunden: dem Kindersegen - ihren
früheren Stellenwert wieder ver-leihen wollte - die Emanzipation mit
ihren Emanzen und der Männlein-Schar scheint irreversibel! Nein, die
Probleme in der Wirtschaft und den Versorgungssystemen sind nach
Pillenknick und staatlich sowie 'kirchlich' geförderter Abtreibung
unübersehbar geworden. Deutschland bildet zusammen mit Italien (dem
angeblich so 'katholischen' familienfreundlichen Land) bezüglich der
Geburtenrate das Schlußlicht in Europa. Während Abtreibungsgegner, die
gelegentlich mit dem Argument auftraten, in einem sterbenden
Deutschland seien die Renten gefährdet, mit dem Schlagwort des
"Biologismus" abgefertigt wurden, ist man mit solchen Redensarten
inzwischen vorsichtiger geworden. Es zeichnet sich ab, daß in einigen
Jahren die Rentensysteme nicht mehr auf der Basis des
Generationenvertrages funktionieren werden und daß diese auch nicht
mehr im bisherigen Umfang finanziert werden können. Die Alten werden
auf jeden Fall ärmer. Zum anderen schreit die Wirtschaft: "Es fehlen
300000 qualifizierte Arbeitskräfte!... 300000 - seit den 80iger Jahren
die jährliche Rate der Abtreibungen in Deutschland. Herr Rütgers hatte
schon recht: "Kinder statt Inder" - nur dürfte er seine Kampagne nicht
ganz so gemeint haben.
Da wir alle von den Problemen, die sich im Zusammenhang mit "Frauen -
im Haushalt und im Beruf" ergeben, betroffen sind - und nicht bloß die
'gottlosen' Weltmenschen -, geben wir Ausschnitte von Darstellungen zu
deren Lösung wieder, die von engagierten Frauen verfaßt wurden.
Eberhard Heller
***
Die Mutter aller Steuern
von
Christine Brinck
Kleine Kinder brauchen eine Familie: Warum staatliche Fremdbetreuung keine Lösung ist.
Angela Merkel hat keine, Schröder auch nicht, dito die Damen Minister
Bulmahn und Künast. Frau Däubler-Gmelin hat zwei, die Hauptarbeit
übernahmen jedoch ihre Mutter und eine Haushälterin. Wir reden von
Kindern. Hat Herr Riester welche? Nein. Immerhin hat Frau Bergmann, die
Familienministerin, zwei. Alle sind für Familie, nur leben die
Politiker sie noch weniger als ihre gebär-faulen Untertanen. Die
Familien unserer Politiker werden selten vorgezeigt, manchmal gar
versteckt. Würden unsere beiden Spitzenmänner, Schröder und Fischer,
nicht andauernd heiraten, wüssten wir kaum, ob sie überhaupt eine
Gemahlin haben.(...) Als Cornelia Schmalz-Jacobsen Senatorin für Jugend
und Familie in Berlin wurde, sagte die Mutter von drei Söhnen, sie
werde nicht jeden Abend in ihrem Büro verbringen. Man könne nicht für
Jugend und Familie zuständig sein, aber nicht danach leben. Ihre
Zuhörer waren bass erstaunt, obwohl Schmalz-Jacobsen stets betont
hatte, dass "wir Frauen uns um die Zukunft unserer Kinder kümmern
müssen". (...)
Jetzt wird wieder ausgiebig über Familie geredet. Erfreut sich die
Familie eines Konjunkturaufschwungs? Nein, denn es gab nie einen
Abschwung, zumindest nicht in der Wertigkeit dieser Institution. So
lange die Menschen denken können, hat es keine bessere Form zur
Aufzucht der Kinder gegeben, keinen stärkeren Loyalitätsverband und
Besitzschutz. Aus jeder neuen Umfrage geht hervor, dass die meisten
Menschen sich Familie wünschen, dass die meisten Frauen Kinder wollen.
Nur: Der Alltag ist schwer, das Durchhaltevermögen schwach, Verzicht
ein Fremdwort. Das schlägt sich in den horrenden Zahlen zerbrochener
Familien (vulgo: Scheidungen) nieder. Familien sind ein teures
Vergnügen. Teuer sind sie nicht so sehr, weil die Kids Pampers,
Gameboys und CDs brau-chen, sondern viel Betreuung. Praktischerweise
gab es dafür seit eh und je die Mütter und Groß-mütter, in selteneren
Fällen Kindermädchen, Gouvernanten, Nannies. (...)
Vorbei. Die Emanzipation brach in der Form der feministischen
Revolution über uns herein, und alles war für die Befreiung der Frau
besser, als ihre Brut zu hüten. Jeder noch so stumpfsinnige
Fließbandjob bedeutete Befreiung. Babyjäckchen häkeln? Lächerlich.
"Hausfrauenghetto" nannte das Simone de Beauvoir, und ihre Adeptinnen
plapperten es nach. (...) Eine Berühmtgewordene ist Germaine Greer.
Doch die bekannte im vergangenen Jahr plötzlich eine Sehnsucht nach
Kind und Kegel. Bedauerlicherweise ist sie zu alt fürs Gebären, aber
ehrlich genug, ihrer alten Ideologie abzuschwören. (...) Noch immer
grassiert unter den Altfeministen die Vorstellung, dass es hier Frauen,
dort Mütter gibt. Die einen sind die Avantgarde, die den Männern
zeigen, was eine Harke ist. Die anderen, das sind die vom
Mutterinstinkt Verblödeten, die es lieben, in Milch und Windeln zu
waten, auf öden Spielplätzen zu hocken und ihrem Mann das Frühstück zu
servieren.
Doch schon lange geht es den meisten Frauen nicht um ein schlichtes
Entweder-oder, sondern um das weit schwierigere Sowohl-als-auch. Sie
wollen Kinder haben und sich auch um sie kümmern, aber gleichzeitig in
der Arbeit eine andere Form der Erfüllung und Selbständigkeit finden.
Die Lösung ist bis heute nicht der Hausmann, freilich auch nicht die
staatliche Ganztagsbetreuung der Kleinsten. Die neueste Forschung aus
den USA berichtet von der Zunahme an Aggression bei Kindern, die ihr
Frühleben hauptsächlich in Fremdbetreuung in Krippen oder Horten,
verbracht haben. Folglich lauscht man schaudernd der Forderung des
Zentralverbandes des deutschen Handwerks nach einem staatlich
finanzierten Netz von Krippen für Kleinkinder ab dem dritten Monat.
Dagegen steht eine Allensbach-Umfrage. Die Mehrheit der Frauen (56
Prozent) fordert, "dass Frauen die Möglichkeiten haben, für eine
längere Zeit aus dem Beruf auszusteigen". Zwei Drittel wünschen, dass
Frauen, "die sich auf Familie konzentrieren und nicht berufstätig sind,
mehr anerkannt werden" . Diese statistisch Erfassten haben weit mehr
kapiert als all jene, die glauben, Familienfragen seien nur
Frauenfragen, und Frauen haben nur Forderungen an den Staat. (...)
Die verlogene Rhetorik in puncto Mutterschaft und Familie ist
unübertroffen. Unser viermal verheirateter, kinderloser Bundeskanzler
gab unlängst in der Welt ein lyrisches Bekenntnis zur
"Selbstverwirklichung (der Frau) in der Familie" zum besten. Dabei geht
es nicht wirklich um das Wohl der Mütter oder der Kinder, sondern um
die Belange der Wirtschaft. Wenn Firmen sich um Mütter kümmern, indem
sie Betreuungsformen schaffen, tun sie das aus ökonomischen Gründen.
Kinder contra Frauenglück? Das ist nicht die Frage, sondern: Wie kann
das Dilemma von Berufstätigkeit und Mutterschaft zugunsten der Kinder
gelöst werden? Dazu gehört ein Bewusstseinssprung: Was für Erwachsene
wunderbar ist, kann für Kinder ein Graus sein. (...)
Wenn, wie die Krippenstudie aus Amerika belegt, die schiere Dauer der
Fremdbetreuung eines Kleinkinds horrible Folgen hat, muss die Zeit
verkürzt werden. Das bedeutet mehr elterliche Fürsorge. Auf
Behördendeutsch: längerer Erziehungsurlaub und mehr Teilzeit. Es sind
nur zwei, drei Jahre, in denen die Kleinsten ihre Mütter (oder Väter)
als Hauptbezugspersonen brauchen. Dann sind die meisten gut vorbereitet
für den Kindergarten und die Gruppe der Gleichaltrigen. (...) Die
Mütter müssen also nicht dauerhaft ihr Ich auf dem Familienaltar
opfern. Es geht um die ersten drei Jahre in einem Mutter- (oder auch
Vater-)Leben. Den Kindern diese Jahre aus wirtschaftlichen oder
Selbstverwirklichungs-Gründen nicht zu gönnen, führt genau in die
Misere, die wir gegenwärtig beklagen: die Kinderflaute.
(SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 11.5.2001)
***
Wieder Lust aufs Muttersein
- Zur Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf -
In einem Artikel für DIE TAGESPOST nimmt auch die bekannte
Psychotherapeutin, Frau Christa Meves zum Thema "Frauen zwischen Beruf
und Familie" unter dem obigen Titel Stellung. Obwohl auch nach ihr die
Notwendigkeit der Erhöhung der Geburtenrate allgemein als dringend
angesehen werden muß - ein Thema, welches noch im Wahlkampf von 1998
tabu war -, so merkt die Autorin zugleich an, daß mit der Forderung
nach mehr Kindern bei vielen der emanzipierten Frauen - einschließlich
der Familienministerin Bergmann - die "Alarmglocken" schrillen würden:
sie befürchteten, die Errungenschaften der Emanzipation könnten in
Gefahr geraten. So sehen diese ideologisch aufgeladenen Frauen nur
einen Weg, um Beruf und Familie zu vereinbaren: die Einrichtung von
ganztägigen Betreuungsstätten. Frau Meves weist darauf hin, daß durch
diese Maßnahmen die angestrebte Erhöhung des Kindersegens bereits
bisher nicht erreicht wurde. Sie schreibt:
"Der Ruf nach der uneingeschränkten Möglichkeit zur Berufstätigkeit
aller Frauen - einschließ-lich der jungen Mütter - beruht auf einer
kurzsichtigen ideologischen Blindheit. Sie besteht seit 36 Jahren. Denn
mit der Freigabe der Antibabypille konnte mit sehr viel
durchschlagenderem Erfolg die "Selbstverwirklichung" als Gegenmodell
gegen das der Familienmutter auf den Thron gehoben werden. Deshalb nahm
bereits in den siebziger Jahren der Geburtenschwund bedrohliche Formen
an. Aber obgleich die Bilanz bedrohlich negativ ist, will diese
Erkenntnis immer noch nicht greifen. Im Gegenteil: Vor dem Ruf nach der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf kriechen vielmehr sämtliche
Parteien weiterhin ins Mauseloch und überschlagen sich mit Vorschlägen,
um die Kinder von ihren Müttern und die Mütter von ihren Kindern zu
befreien."
Doch diese ideologische Sichtweise geht nach Meves an den Realitäten
vorbei: sowohl die Kinder als auch die Mütter lehnen die kollektive
Erziehung ab; denn die dadurch entstandenen psychischen Störungen und
sozialen Verhaltensschäden bei den solchermaßen erzogenen Jugendlichen
seien enorm - als Psychotherapeutin weiß Frau Meves, wovon sie spricht
-, weshalb viele Frauen letztendlich auf die Gründung einer Familie
verzichteten.
"Und das feministische Pochen auf die zeitgleiche Familientätigkeit des
Vaters hat sich doch ebenfalls längst ad absurdum geführt.
Hausmannsleben ist - trotz der so vielstimmigen Propaganda dafür - so
selten geblieben, dass das gewiss nicht mehr als ein Tropfen auf allzu
heiß gewordene Steine gewertet werden kann. Aber warum können wir aus
dieser vielfältigen Erfahrung denn nicht lernen? Das liegt an der
unberechtigten angstvollen Behauptung, die Konsequenz aus den negativen
Erfahrungen mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie könnte
womöglich bedeuten, die Frau wieder in den alten Status einer ihr nicht
würdig seienden Abhängigkeit vom Mann, in ein benachteiligtes Dasein
zwischen "Kindern, Küche und Kirche" zurückzunötigen."
Dabei geht es der Autorin nicht um ein "Entweder-oder", sondern um ein
"Sowohl-als-auch". Junge Mädchen, junge Frauen könnten bei uns einen
Beruf erlernen, den sie in der Regel auch nach einer Reihe von Jahren,
in denen sie ihre Kinder erzogen hätten, wieder ausüben könnten. Nur
sollten die Erziehungszeiten nicht als "Fehlzeiten" angesehen werden
(mit einer entsprechenden Mindereinstufung bei der Rente), sondern
diese sollten vom Staat auch merklich finanziell honoriert werden,
zumal in einer Notsituation wie der aktuellen. Frau Meves fährt fort:
"Die Lösung unseres Problems müsste heißen: Mutter sein sollte zu einem
Beruf ernannt werden, und es sollte am besten mit einem
Abschlusszertifikat vorher dafür ausgebildet werden. Die Jahre der
Mutterschaft sollten nicht als etwas Negatives eben als "Fehlzeiten" -
weiterhin fehlgewertet werden, sondern als Berufstätigkeit, die mit
einem entsprechenden Rentenanspruch belohnt wird. Die Erfahrung lehrt
nämlich: Zwar wünschen sich viele Frauen auch heute noch, Mütter zu
sein und Kinder aufzuziehen, aber sie scheuen davor zurück, weil sie
damit einen zu hohen Preis zahlen:
Erstens werden sie in der Wertung
der Gesellschaft herabgemindert (man bezeichnet sie hierzulande
dann traurigerweise als "Nur-Hausfrauen").
Zweitens zahlen sie einen zu hohen Preis, indem sie sich wieder allein
von ihrem Ehemann abhängig machen, obgleich sie doch die Möglichkeit
zur eigenständigen Sicherung ihres Lebens erworben haben und
drittens fürchten sie, nach dem Selbstständigwerden der Kinder in Bezug
auf den Beruf, den sie erlernt haben, den Anschluss zu
verpassen."
Wenn diese berechtigten Bedenken ausgeräumt würden, könnten nach
Meinung der Autorin "junge Frauen wieder Lust aufs Muttersein"
bekommen. Um Mütter mit mehreren Kleinkinder zu entlasten, schlägt
Meves vor, daß junge Mädchen ein "Familienjahr" - ähnlich dem
Wehrdienst für junge Männer - absolvieren sollten, in dem sie u.a. in
solchen Familien mit Kindern Dienst tun könnten.
"Unser Existenzproblem würde auf diese Weise eine wirksame Lösung
erfahren können: Dann würde sich die Arbeitslosigkeit um den
erheblichen Posten reduzieren, der aus Müttern in Not besteht. Diese
Mütter werden nämlich so sehr zu Hause gebraucht, dass sie in Wahrheit
gar keinen Arbeitsplatz suchen. Aber das Arbeitslosengeld können sie
nicht entbehren. Zweitens würden langfristig die Krankenkassenkosten
sinken, weil weniger Kinder seelisch krank und suchtanfällig würden.
Drittens würden die Abtreibungszahlen - diese Schande einer
Gesellschaft im Wohlstand - zurückgehen. Viertens würden die
Gefängnisse nicht mehr mit vernachlässigten, verwahrlosten Jugendlichen
gefüllt sein."
Eine ideologisch verfälschte Sicht der Realität erlaubt keine konkrete
Zukunftsplanung der Gesellschaft. Man muß durch die gemachten
Erfahrungen lernen. Das heißt nach Frau Meves: "Der Mensch wird als ein
hilfloses Wesen geboren und bedarf einer artgemäßen, gekonnten
individuellen Pflege und Erziehung durch seine Kindheit hindurch". Ich
füge noch hinzu: Nur indem das Kleinkind als Vernunftwesen aufgerufen
wird, kann es sich selbst überhaupt erst real zu einem Vernunftwesen
entwickeln, welches sich dann auch in die sozialen Systeme einbinden
kann. Das Phänomen des Hospitalismus in der Pädagogik ist längst
bekannt! 1) Frau Meves faßt zusammen:
"Daraus entsteht die Einsicht, dass die Familie für eine gesunde
Erziehung der Kinder unaufgebbar ist. Zu dieser Erkenntnis gehört, dass
der Mensch grundsätzlich nicht alles auf einmal haben kann. Die beiden
wichtigen Lebensaufgaben für die Frau: Die Erziehung lebenstüchtiger
Kinder und die Verwirklichung eigener anderweitiger Begabungen können
in den seltenen Fällen in zureichender Weise zeitgleich geleistet
werden. Die Gesellschaft hat deswegen die Pflicht, der Frau zu helfen,
dass sie die Jahre der Mutterschaft - dem hohen Wert dieser Aufgabe
gemäß - in einem erfolgversprechenden Rahmen verwirklichen kann."
Das sollte gelingen, denn nach Christa Meves wünschen sich 87% der jungen Leute von heute eine richtige Familie.
Anmerkung:
1) Kinder, die von ihren Eltern - diese sind in erster
Linie für die Erziehung verantwortlich! - nicht als Vernunftwesen
aufgerufen werden, müssen geistig verkümmern und können nicht zum
Vernunftgebrauch gelangen. Dies wird auch empirisch belegt durch die
Experimente Kaiser Friedrichs II. (1212-50), der auf Sizilien
Kleinstkinder nur physisch ernähren ließ, ihnen jedoch jede Form der
Erziehung verweigerte. Die Kinder gelangten nicht zur Vernunft, sondern
vegetierten wie Tiere dahin und starben nach wenigen Jahren.
(zitiert nach: DIE TAGESPOST vom 19.4.01)
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Muttertag:
Melancholische Nachbetrachtungen zu einem Feiertag
von
Jutta Winckler
Am vergangenen Sonntag bekam Johanna Simons Besuch von ihrem Sohn
Hendrik. Wie jedes Jahr brachte er Blumen, sagte "Danke, Mama" und nahm
sie in den Arm. Das haben alle Mütter gerne, nicht bloß am Muttertag.
Der Sohn heißt Hendrik Nikolas Simons, genannt "Heintje", und war unter
diesem Künstlernamen ein gefeierter Schlagerstar der siebziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts. Heute ist Heintje-Hendrik 45 Jahre alt
und noch immer ein Mamakind. "Maaama, Du sollst doch nicht um deinen
Jungen weinen" ist seine Altersversorgung. Der hochtönende Liebling
unzähliger Mütter ist älter geworden, und meint, daß "der Muttertag
eine Erfindung der Blumenhändler" sei. Weit gefehlt, denn der
"Mothering Day" wurde bereits seit dem 17. Jahrhundert in England
feierlich begangen und um 1900 in Amerika als offizieller Feiertag
eingeführt, 1914 mit Absegnung vom amerikanischen Kongreß - ganz ohne
Blumenhändler und Geschenkverkäufer. In Deutschland wurde er 1923
erstmals feierlich begangen.
"Ich bau Dir ein Schloß", sang Heintje, "so wie im Märchen", und singt
es nach wie vor auf Butterfahrten, Firmenfeiern und Vereinsjubiläen,
denn sein Publikum ist rüstig: Die gestiegene Lebenszeit kommt ihm
entgegen. Wenngleich er seine Mama-Hymne ein paar Oktaven niedriger
intonieren muß, bekennt er: "Ohne dieses Lied komme ich von keiner
Bühne runter." Seine eigenen Kinder von neunzehn, zwölf und acht
"lachen immer, wenn sie meine alten Platten hören"; sechs Millionen
davon schwappten nach der Maueröffnung 1989 ins "Maaama"-Vakuum
zwischen Bad Schandau und Greifswald. Dort hört man zwar die Botschaft,
doch mittlerweile fehlen Glaube und Tat. Die Frauen in der Ex-DDR
bringen noch weniger Kinder zur Welt (die derzeit BRD oder "unsere
Gesellschaft" heißt), als es ihre materiell besser gestellten
Geschlechtsgenossinen in der Alt-BRD tun. Die Selbstwidersprüche, die
Lebenslügen des Liberalismus sind nicht länger kaschierbar:
Materialismus, Massenabtreibung, Körperkult, Individualismus,
Hedonismus, schlagen zu Buche und dies im gesamten "westlichen"
Wohlfahrtsgürtel.
In der Antike hat derlei nicht funktioniert. Die Zeiten aber sind
andere geworden: Nach zweihundert Jahren "Aufklärung" steht die Gattung
sich selbst als nahezu unbegrenzt modellierbare zur
wissenschaftlich-technischen Disposition.(...) Die Sicherung
ausreichender Nachkommenschaft wird besonders hierzulande als primär
fiskalische Aufgabe begriffen. Zu nationalen Existenzfragen fällt
hiesigen Politikern nichts als Geld ein: Kindergeld, Pflegegeld,
Wohngeld, Arbeitslosengeld... Wer so falsch ansetzt, hat schon verloren
und hätte er jährlich Billionen zu verteilen.
Entsprechend der abstrakt-individualistischen Doktrin des Liberalismus
ist der soziale Verpflichtungs-Typus "Mutter" diskreditiert worden.
Höchst irrational sind die weiblichen Populationen der einschlägigen
"Gesellschaften" bereit, sich dem Diktat eines hedonistischen
Mammonismus zu unterwerfen. Die stalinistische Eiseskälte, die
Luxusgier der "moderierenden" Dreißigerinnen im TV steht prototypisch
für die "große Verweigerung". Bei Marcuse wird sie als Mittel zur
Vernichtung der Kapitalherrschaft empfohlen, gepaart mit kraftvoll
ausgelebter "neuer Sinnlichkeit". Das Gegenteil trat ein: dem
warenbezogenen Austoben der Sinnesgenüsse paart sich Aktionärsgesinnung
und Mutterschaftsverweigerung. Dummer Marcuse! Idealistischer Verkenner
der Frauenseele!
Die psychosozialen Verwerfungen bezüglich des mütterlichen Frauseins
haben in der BRD binnen dreier Jahrzehnte signifikant Gestalt
angenommen: Die "junge Mutter" findet man nahezu ausschließ-lich im
Umkreis sozial Deklassierter bzw. jener Sippen, die aus dem Ausland
zugewandert sind; "Spätaussiedler" aus der vormaligen Sowjetunion
stellen hier die größte Zahl junger und jüngster Mütter.
Die "alleinerziehende Mutter" ist epidemisch geworden; die Gründe dafür
liegen in der wachsenden Trennungsbereitschaft der Partner, näherhin
der Verantwortungsscheu charakterschwacher Jungmänner. 2,5 Millionen
solcher meist "sozial schwacher" Mütter weilen derzeit unter uns, wobei
davon auszugehen ist, daß die seelischen Folgeschäden ihrer Kinder
später von "der Gesellschaft" auszubaden sein werden.
Die "berufstätige Mutter" arbeitet meist teilzeitig, um
Spezialbedürfnisse wie Fernurlaube oder Papas Limousine
mitzufinanzieren. Leidtragende sind die Kinder, die naturgemäß zeitlich
wie emotional vernachlässigt werden, Mehrfachbelastungen nerven. Die
"Nachzügler-Mutter" gehört in die wachsende Gruppe Spätgebärender, die
sich unter Assistenz der Apparatemedizin bis in Klimakteriumsnähe den
Wunsch meist eines Einzelkindes erfüllen möchten. Weil es exotisch,
schick oder hip ist, nach ausgekosteter Jugend, Karriere und
Partneranpassung auch noch an der Mutterrolle zu schnuppern. Und nicht
selten ist der Katzenjammer groß, wenn das Produkt solch mutwilliger
Herbeiführung mehr oder weniger behindert in Erscheinung tritt.
Die "Durchschnittsmutter" hierzulande bekommt laut Statistik als
Endzwanzigerin ihr erstes Kind, zunehmend häufig bleibt es das einzige;
ein zweites, gar drittes wird in der Regel als massive Bedrohung des
Lebensstandard begriffen. Gegen diese konsumistische Logik ist kein
Kraut gewachsen. Eine prominente SPD-Bayerin: "Entweder wir denken alle
radikal um, oder wir Deutschen sterben in ein paar Generationen einfach
aus." Umgedacht wird, doch in die grundfalsche Richtung, fordern doch
sattsam bekannte Wortführerinnen des Zeitgeistes, zum Beispiel in
Gestalt der Kölner "Familientherapeutin" Annelie Dott, daß der
Muttertag zugunsten eines Frauentags "modernisiert" werde, etwa "so wie
der Vatertag, der ja auch den Männern ganz allein gehört". Rechte
Zyniker könnten hierzu nach dem Gesetz des Stärkeren bemerken:
Radikalliberal zerklüftete "Gesellschaften" bekämpft man nicht, sie
gehen an sich selbst zugrunde - sie sterben einfach aus und machen
Platz für jene, die vom Leben letztlich mehr
verstehen.
(JUNGE FREIHEIT vom 18.5.01, Nr. 21/01)
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