DIE MODERNE FRAU
von
Papst Pius XII.
LEBENSWEISE UND BILDUNGSGANG DER FRAU waren einst nach altem Herkommen
durch ihr natürliches Wesen bestimmt, das ihr als eigentlichen Bereich
ihres Wirkens die Familie zuwies, falls sie nicht aus Liebe zu Christus
die Jungfrauschaft vorzog. Zurückgezogen vom öffentlichen Leben und
außerhalb der öffentlichen Berufe, war das junge Mädchen behütet und
bewacht, wie eine heranwachsende Blume, bestimmt für den Beruf als
Gattin und Mutter. An der Seite der eigenen Mutter erlernte sie die
Frauenarbeiten, den Haushalt und sonstige Verrichtungen, und half bei
der Aufsicht über die jüngeren Geschwister. So entfaltete sie ihre
Kräfte und ihre Talente und übte sich in der Leitung des Hauswesens.
Manzoni stellt uns in der Gestalt der Lucia den höchsten und
lebendigsten literarischen Ausdruck dieser Auffassung dar. Die
einfachen und natürlichen Formen, in de-nen sich das Leben des Volkes
abspielte, die gründliche religiöse Erziehung, die bis weit ins I9.
Jahrhundert hinein alles beseelte, der Brauch, früh zu heiraten, was
unter den damaligen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen möglich
war, der Vorrang, den die Familie im Leben des Volkes genoß, all dies
und noch andere Umstände, die sich inzwischen von Grund auf geändert
haben, waren erste Nahrung und Stütze für jene Art und Weise weiblicher
Bildung
Heute ist das alte Bild der Frau in rascher Verwandlung begriffen. Ihr
seht die Frau, und vor allem das junge Mädchen, aus ihrer
Zurückgezogenheit hervortreten und fast alle Berufe ergreifen, die
vordem der ausschließliche Lebens- und Tätigkeitsbereich des Mannes
waren. Schüchterne Anfänge dieser Umwandlung hatten sich durch die
Entwicklung der Industrie schon vor langer Zeit bemerkbar gemacht. Aber
seit einigen Jahren ist, einer Flut gleich, die die Dämme durchbrochen
hat, jeder Widerstand besiegt. Die Frau ist in alle Bezirke des
Volkslebens eingedrungen. Wenn sich dieser Strom auch nicht überall in
gleichem Maße ausgebreitet hat, so ist es doch nicht schwer, selbst in
dem abgelegensten Gebirgsdorf seinen Lauf zu erkennen. In der Großstadt
wie in den Werkstätten und Fabriken haben alter Brauch und Einstellung
bedingungslos vor der modernen Bewegung zurückweichen müssen.1)
Die Würde der Frau
Wir sagen gleich eingangs, daß für Uns das Problem der Frau in seiner
Gesamtheit wie in jedem seiner vielfältigen Einzelaspekte
ausschließlich in der Erhaltung und der Erhöhung der Würde liegt, die
die Frau von Gott empfangen hat. Für Uns ist es also nicht ein rein
rechtliches oder wirtschaftliches, pädagogisches oder biologisches
Problem, auch keine Frage der Politik oder der Bevölkerungsbewegung,
sondern ein Problem, das auch in seiner Gesamtheit durchaus um die
Frage kreist: Wie kann man die Würde der Frau unter den
Lebensbedingungen, in die sie die Vorsehung heute gestellt hat,
aufrechterhalten und stärken? Das Problem anders sehen, es einseitig
unter einem der oben
erwähnten Gesichtspunkte betrachten, hieße soviel wie es umgehen, ohne
Gewinn für irgendwen, am wenigsten für die Frau selber. Die Frage von
Gott trennen, von der weisen Ordnung des Schöpfers, von seinem heiligen
Willen, hieße sie in ihrem Wesen entstellen, hieße ihr die wahre Würde
nehmen, die sie nur durch Gott hat.
Hieraus folgt, daß all jene Systeme nicht imstande sind, die
Frauenfrage richtig zu lösen, die Gott und sein Gesetz aus dem
gesellschaftlichen Leben ausschließen und der Religion höchstens einen
bescheidenen Platz im Privatleben des einzelnen einräumen.
Worin aber besteht die Würde, die die Frau von Gott erhalten hat? Fragt
die menschliche Natur, wie sie der Herr gebildet hat, und wie sie
erhoben und erlöst ist durch Christi Blut.
In ihrer persönlichen Würde sind alle Kinder Gottes, Mann und Frau,
völlig gleich, ebenso im Hinblick auf das letzte Ziel menschlichen
Lebens, das die ewige Vereinigung mit Gott in der ewigen Seligkeit ist.
Es ist der unvergängliche Ruhm der Kirche, daß sie diese Wahrheit
hervorgehoben hat, und die Frau von einer naturwidrigen und
erniedrigenden Knechtschaft befreit hat. Aber Mann und Frau können
diese ihre gleiche Würde nicht aufrechterhalten und vervollkommnen,
wenn sie nicht die besonderen Eigenschaften achten und zur Geltung
bringen, die die Natur dem einen wie dem anderen verliehen hat. Diese
unzerstörbaren leiblichen und geistigen Eigenschaften kann man nicht
umstürzen, ohne daß die Natur selbst sie immer wieder neu herstellte.
Die besonderen Merkmale, die die beiden Geschlechter unterscheiden,
offenbaren sich vor aller Augen mit solcher Klarheit, daß nur Blindheit
oder weltfremde, verhängnisvolle Verbohrtheit ihren Wert in der
gesellschaftlichen Ordnung verkennen oder gar übersehen könnte.
Die beiden Geschlechter sind durch ihre besonderen Eigenschaften
einander dergestalt zugeordnet, daß diese wechselseitige Zuordnung
ihren Einfluß auf all die vielfachen Äußerungen des menschlichen
Gemeinschaftslebens ausübt. Wir wollen uns darauf beschränken, auf zwei
Punkte wegen ihrer besonderen Bedeutung hinzuweisen: auf den Ehestand
und die freiwillige Ehelosigkeit nach dem Rat des
Evangeliums.
Freiwilliger Eheverzicht
Seit fast zwanzig Jahrhunderten verzichten in jeder Generation Tausende
und aber Tausende von Männern und Frauen, und zwar von den besten,
freiwillig auf eine eigene Familie. Sie verzichten auf die heiligen
Pflichten und Rechte des Ehelebens, um dem Rat Christi zu folgen.
Wird dadurch etwa das Wohl der Völker und der Kirche in Gefahr
gebracht? Im Gegenteil, diese großmütig Gesinnten anerkennen die Ehe
als ein hohes Gut. Aber wenn sie auch vom gewöhnlichen Wege abweichen,
so lassen sie ihn doch nicht im Stich, sondern weihen sich dem Dienst
an der Menschheit in gänzlicher Selbstentäußerung und im Verzicht auf
ihren eigenen Vorteil mit unvergleichlich weiterer, allumfassender Tat.
Betrachtet diese Männer und Frauen! Seht, wie sie sich Gebet und Buße
hingeben, sich um Unterweisung und Erziehung der Jugend und der
Unwissenden mühen, sich über die Betten der Kranken und Sterbenden
neigen mit offenem Herzen für Elend und Schwäche, um
wiederherzustellen, zu trösten, zu erheben und zu heiligen.
Denken wir an die Mädchen und Frauen, die freiwillig auf die Ehe
verzichten, um sich einem höheren Leben der Betrachtung, des Opfers und
der Nächstenliebe zu widmen, so kommt uns ein strahlendes Wort auf die
Lippen: Berufung! Es ist das einzige Wort, das zu so erhabener
Gesinnung paßt. Berufung: dieser Ruf der Liebe, er ertönt auf
verschiedenste Weise, so wie der göttliche Anruf unendlich verschieden
ist: unwiderstehliche Aufforderung, liebevoll mahnende Eingebung,
sanfter Antrieb. Doch auch die junge Christin, die wider ihren Willen
unvermählt geblieben ist, die aber fest an die Vorsehung des
himmlischen Vaters glaubt, erkennt in den Wechselfällen des Lebens die
Stimme des Meisters: "Magister adest et vocat te" - "Der Meister ist da
und ruft dich!" Sie antwortet, sie verzichtet auf den Traum ihrer
Kindheit und Jugend, einen treuen Gefährten im Leben zu besitzen, eine
Familie zu gründen. In der Unmöglichkeit sich zu verheiraten, entdeckt
sie ihre Berufung und gibt sich mit ganzem Herzen den Werken der
Karitas hin.
Im einen wie im andern Stand erscheint die Aufgabe der Frau deutlich
vorgezeichnet durch die Haltung und besonderen Fähigkeiten ihres
Geschlechtes. Sie wirkt mit dem Mann zusammen, aber derart, wie es ihr
eigen ist. Die Aufgabe der Frau aber, ihre Eigenart und angeborene
Neigung ist Mutterschaft. Jede Frau ist dazu bestimmt, Mutter zu
werden, Mutter im physischen Sinne des Wortes oder auch in einem
geistigen und erhabeneren, und doch nicht weniger wirklichen
Sinn.
Auf diesen Zweck hat der Schöpfer die ganze Eigenart der Frau
hingeordnet, ihren Organismus, ihren Geist und vor allem ihre
Feinfühligkeit, so daß die echte Frau alle Probleme des menschlichen
Lebens nicht anders sehen, noch von Grund auf verstehen kann als unter
dem Blickpunkt der Familie. Darum versetzt das empfindsame Gefühl für
ihre Würde sie jedesmal in Besorgnis, wenn die gesellschaftliche oder
politische Ordnung ihrer mütterlichen Sendung und dem Wohl der Familie
zu schaden drohen.
Versprechungen
Leider sind heute die sozialen und politischen Verhältnisse von vorher
geschilderter Art. Ja, sie können für die Heiligkeit des häuslichen
Herdes und damit für die Würde der Frau noch unsicherer werden. Eure
Stunde hat geschlagen, katholische Frauen und Mädchen: das öffentliche
Leben braucht euch. Zu jeder von euch kann man sagen "Tua res agitur"
-"Deine eigene Sache steht auf dem Spiel." Daß sich das öffentliche
Geschehen schon seit langer Zeit auf eine für das wirkliche Wohl der
Fa-milie und der Frau ungünstige Weise entwickelt hat, ist eine
unleugbare Tatsache. Und viele politische Bewegungen wenden sich an die
Frau, um sie für ihre Sache zu gewinnen. Manches totalitäre System
macht ihnen wunderbare Versprechungen: Gleichberechtigung mit dem Mann,
Schutz der Schwangeren und der Wöchnerinnen, Gemeinschaftsküchen und
andere Gemeinschaftsdienste, die sie von der Last der Hausarbeit
befreien, öffentliche Kindergärten und andere Einrichtungen, die vom
Staat und von den Gemeinden unterhalten und verwaltet werden, und die
ihr die mütterlichen Pflichten gegenüber den eigenen Kindern abnehmen,
freier Schulbesuch für die Kinder, Hilfe in Krankheitsfällen.
Die Vorteile, die aus der einen oder anderen dieser sozialen Maßnahmen
gewonnen werden können, wenn auf rechte Weise angewandt, sollen nicht
geleugnet werden. Wir haben selbst bei einer anderen Gelegenheit
bemerkt, daß der Frau für dieselbe Arbeit und bei gleicher Leistung
dieselbe Entlohnung zusteht wie dem Mann. Es bleibt aber die
wesentliche Frage, auf die Wir schon hingewiesen haben: Ist die Lage
der Frau dadurch besser geworden? Die Gleichberechtigung mit dem Mann
hat, mit der Preisgabe des Hauses, in dem sie Königin war, die Frau
derselben Arbeitslast und Arbeitszeit unterworfen. Man hat sich nicht
um ihre wahre Würde und das feste Fundament aller ihrer Rechte, das
heißt um den besonderen Charakter ihres weiblichen Wesens und die
innere Zuordnung der beiden Geschlechter gekümmert. Man hat das vom
Schöpfer zum Wohl der menschlichen Gesellschaft und vor allem der
Familie gewollte Ziel aus dem Auge verloren. Bei den Zugeständnissen,
die der Frau gemacht werden, ist leicht zu sehen, daß sie weniger aus
der Achtung vor ihrer Würde und Sendung hervorgehen, als aus der
Absicht, die wirtschaftliche und militärische Macht des totalitären
Staates zu stärken, dem alles unerbittlich untergeordnet werden
muß.
Andererseits, kann die Frau ihr wahres Wohlergehen von einem Regime
erhoffen, in dem der Kapitalismus vorherrscht? Wir brauchen hier nicht
die wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu schildern, die sich daraus
ergeben. Ihr kennt die charakteristischen Zeichen und tragt selbst ihre
Last. Übermäßige Zusammenballung der Bevölkerung in den Städten,
mächtig zunehmendes Anwachsen der Großunternehmen, schwierige Lage der
anderen Gewerbebetriebe, besonders im Handwerk und noch mehr in der
Landwirtschaft, beunruhigende Ausdehnung der Arbeitslosigkeit.
Die berufstätige Mutter
Die Sendung der Frau und Mutter am häuslichen Herd soweit wie möglich
wieder zu Ehren bringen: das ist die Losung, die von vielen Seiten wie
ein Alarmruf laut wird, als ob die Welt erwache, fast erschreckt von
den Früchten eines materiellen und technischen Fortschritts, auf den
sie vordem so stolz war.
Sehen wir, wie die Dinge in Wirklichkeit liegen.
Da ist die Frau, die, um das Einkommen des Gatten zu erhöhen, ebenfalls
zur Arbeit in die Fabrik geht und während ihrer Abwesenheit das Haus
sich selbst überläßt. Und das, vielleicht an sich schon eng und arm,
wird durch die mangelnde Pflege noch elender; die Familienmitglieder
arbeiten jedes für sich, in den vier Ecken der Stadt und zu
verschiedenen Stunden; fast nie finden sie sich zusammen, weder zum
Essen noch zur Ruhe nach den Mühen des Tages, noch weniger zum
gemeinsamen Gebet. Was bleibt übrig vom Familienleben? Und welche
Anziehungskraft kann es auf die Kinder ausüben?
Zu diesen mißlichen Auswirkungen des Fernbleibens der Frau und Mutter
vom häuslichen Herd kommt eine noch beklagenswertere hinzu: Sie
betrifft vor allem die Erziehung der jungen Mädchen und deren
Vorbereitung auf das praktische Leben. Gewohnt, die Mutter stets außer
Haus und das Haus selbst so traurig in seiner Verlassenheit zu sehen,
werden sie nicht imstande sein, irgendeinen Reiz darin zu finden, sie
werden keine Neigung für die strengen häuslichen Beschäftigungen
spüren; sie werden den Adel und die Schönheit dieser Arbeiten nicht
empfinden und nicht wünschen, sich ihnen eines Tages selbst als Frau
und Mutter zu widmen.
"Mondäne" und werktätige Frauen
Das gilt für alle Gesellschaftsstufen, in allen Lebensverhältnissen.
Die Tochter einer mondänen Frau, die die ganze Leitung ihres Hauses
fremden Händen überläßt und die Mutter in leichtfertigen
Beschäftigungen und nichtigen Vergnügungen aufgehen sieht, wird dem
Beispiel folgen, wird sich so schnell wie möglich selbständig machen
und, nach einem sehr traurigen Ausdruck, "ihr eigenes Leben leben"
wollen. Wie könnte sie den Wunsch hegen, eines Tages eine wirkliche
'domina' zu werden, das heißt eine Hausfrau in einer glücklichen,
blühenden und würdigen Familie? Die Frau der arbeitenden Klasse, die
gezwungen ist, ihr tägliches Brot zu verdienen, würde sich, wenn sie
recht nachdächte, vielleicht darüber Rechenschaft geben, daß der
zusätzliche Verdienst, den sie durch Arbeit außerhalb des Hauses
erwirbt, nicht selten durch andere Ausgaben oder auch durch
verderbliche Verschwendung für die Familienwirtschaft verlorengeht. Und
die Tochter, die gleichfalls zur Arbeit in die Fabrik, in ein Geschäft
oder ein Büro geht, wie könnte sie, betäubt von der aufgeregten Welt,
in der sie lebt, geblendet von dem Flittergold eines falschen Luxus,
begierig geworden nach bedenklichen Vergnügungen, die zerstreuen, aber
weder Sättigung noch Erholung bieten - in jenen "Schau"- oder
Tanzsälen, die überall hervorsprießen, oft mit dem Nebenzweck von
Parteipropaganda, wo die Mädchen verdorben werden, die sich als "Frauen
von Klasse" fühlen und die altmodischen Lebensregeln aus dem
"neunzehnten Jahrhundert" verachten; wie sollte eine solche Tochter das
bescheidene Heim nicht ungastlich finden und noch düsterer, als es in
Wirklichkeit ist? Um es anziehender zu machen, um trotzdem zu wünschen,
sich selbst eines Tages darin niederzulassen, müßte sie den natürlichen
Eindruck mit dem Ernst des geistigen und sittlichen Lebens, mit der
Kraft der religiösen Erziehung und des übernatürlichen Ideals
auszugleichen wissen. Aber was für eine religiöse Bildung hat sie unter
solchen Verhältnissen mitbekommen?
Doch das ist noch nicht alles. Wenn, mit dem Dahineilen der Jahre, ihre
vor der Zeit gealterte, von Mühsalen, die über ihre Kraft gingen, von
Tränen und Ängsten ausgezehrte und erschöpfte Mutter sie am Abend zu
sehr später Stunde nach Hause kommen sieht, dann muß sie, statt an ihr
eine Hilfe und Stütze zu finden, sogar bei der Tochter, die ja Frauen-
und Hausarbeiten nicht gewöhnt und dazu unfähig ist, die Stelle einer
Dienstmagd versehen. Nicht glücklicher wird das Schicksal des Vaters
sein, wenn ihn in vorgerücktem Alter Krankheiten, Gebrechen,
Arbeitslosigkeit zwingen werden, für seinen dürftigen Unterhalt von dem
guten oder bösen Willen der Söhne abhängig zu sein. Die heilige
Autorität von Vater und Mutter ist da ihrer Würde entkleidet.
Angesichts der Theorien und der Methoden, die auf verschiedenen Wegen
die Frau ihrer Sendung entziehen und sie mit der Vorspiegelung einer
zügellosen Verselbständigung oder in der Wirklichkeit eines
hoffnungslosen Elends, um ihre persönliche Würde bringen, um ihre Würde
als Frau, haben Wir den Ruf der Besorgnis vernommen, der so weit als
nur möglich ihre tätige Gegenwart am häuslichen Herd fordert.
Freilich wird die Frau nicht nur durch die Verkündigung ihrer
Selbständigkeit dem Hause ferngehalten, sondern oft auch durch die
Notwendigkeiten des Lebens, durch die ständige Forderung des
Broterwerbs. Ihre Rückkehr ins Heim wird man also so lange vergeblich
predigen, wie die Verhältnisse andauern, die sie nicht selten zwingen,
ihm fernzubleiben.
Und so offenbart sich der erste Teil eurer Sendung im sozialen und im
politischen Leben, das sich vor euch auftut. Euer Eintritt in dieses
öffentliche Leben ist plötzlich gekommen, durch soziale Umwälzungen,
deren Zeugen wir sind. Gleichviel, ihr seid berufen, daran
teilzunehmen. Wollt ihr etwa anderen, jenen, die sich zu Anstiftern
oder Mitschuldigen der Zerstörung des häuslichen Herdes machen, das
Alleinrecht der sozialen Organisation überlassen, deren Mittelpunkt die
Familie in ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen, geistigen und
sittlichen Einheit ist? Das Schicksal der Familie, das Schicksal des
menschlichen Zusammenlebens steht auf dem Spiel; es liegt in euren
Händen, "tua res agitur"! Jede Frau ohne Ausnahme hat daher die
Pflicht, die strenge Gewissenspflicht, nicht beiseite zu stehen,
sondern tätig zu sein (in den Formen und in der Weise, die der Lage der
einzelnen Frau entsprechen), um die Strömungen einzudämmen, die das
Heim bedrohen, die Lehren zu bekämpfen, die seine Fundamente
untergraben, und um seine Wiederherstellung vorzubereiten, zu
organisieren und zu vollenden.
Zu diesem wichtigen Beweggrund für die katholische Frau, in das Leben
einzutreten, das sich heute ihrer Tätigkeit auftut, kommt noch ein
anderer hinzu: ihre Würde als Frau. Sie hat mit dem Manne zum Wohl der
"civitas" zusammenzuwirken, in der sie ihm an Würde gleich ist. Jedes
der beiden Geschlechter muß den Anteil nehmen, der ihm seiner Natur,
seinem Charakter, seinen körperlichen, geistigen und sittlichen
Fähigkeiten nach zukommt. Beide haben das Recht und die Pflicht zum
Gesamtwohl der Gesellschaft und des Vaterlandes zusammenzuarbeiten.
Aber es ist klar: während der Mann durch sein Temperament mehr dazu
neigt, die äußeren Angelegenheiten, die öffentlichen Geschäfte zu
betreiben, hat die Frau im allgemeinen mehr Scharfblick und einen
feineren Takt, um die delikaten Probleme des Haus- und Familienlebens,
der Grundlage des ganzen Gemeinschaftslebens zu erkennen und zu lösen.
Das schließt nicht aus, daß einzelne Frauen tatsächlich Proben von
großer Erfahrung auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zu geben
wissen.
Die Frau in der Wohlfahrtspflege
Das alles ist nicht so sehr eine Frage verschiedener Zuständigkeit, als
vielmehr eine Frage der Art zu urteilen, und zu konkreten, praktischen
Anwendungen zu kommen. Nehmen wir den Fall der bürgerlichen Rechte: sie
sind heute für beide Geschlechter gleich. Aber mit wieviel größerem
Unterscheidungsvermögen, mit wieviel größerer Wirksamkeit werden sie
benützt, wenn Mann und Frau sich gegenseitig ergänzen! Die
Empfindsamkeit und das Feingefühl, die der Frau eigen sind und sie
verleiten könnten, ihren Gefühlseindrücken nachzugeben, und die damit
der Klarheit und Weite der Anschauungen, dem ruhigen Abwägen der
Voraussicht entlegener Folgen schaden könnten, sind im Gegenteil eine
wertvolle Hilfe, die Erfordernisse, die Bestrebungen, die Gefahren im
häuslichen und religiösen Bereich ins Licht zu rücken.
Die weibliche Tätigkeit umfaßt zu einem großen Teil die Arbeiten und
Beschäftigungen des häuslichen Lebens, die mehr und wirksamer zum
wahren Nutzen der Gemeinschaft beitragen, als man allgemein annimmt.
Dieser Nutzen erfordert darüber hinaus jedoch auch Frauen, die über
genügend Zeit verfügen, um sich ihm unmittelbar und ausschließlich
widmen zu können.
Wer könnten also diese Frauen sein, wenn nicht im besonderen (Wir
wollen gewiß nicht sagen: ausschließlich) jene, auf die Wir eben
hinwiesen, denen gebieterische Umstände jene geheimnisvolle Berufung
auferlegt haben; Frauen, die ihr Schicksal zu einer Einsamkeit
gezwungen hat, die nicht in ihrem Denken und Streben lag und sie zu
einem nutz- und ziellosen Leben in Selbstsucht zu verurteilen schien?
Heute aber offenbart sich ihre Sendung vielfältig und kämpferisch, eine
Sendung, die alle ihre Energien aufruft, und solcher Art ist, daß nur
wenige andere von denen, die mit der Sorge für die Familie und der
Erziehung der Kinder betraut oder unter das heilige Joch der Regel
gebeugt sind, in gleicher Weise imstande wären, sie zu erfüllen.
Bislang widmeten sich einzelne dieser Frauen mit einem oft
bewundernswerten Eifer den Werken der Pfarrei, andere fanden mit immer
größerem Weitblick eine bedeutende moralische und soziale Tätigkeit.
Ihre Zahl ist durch den Krieg und das Unglück, das er mit sich brachte,
beträchtlich angewachsen. Viele tapfere Männer sind im vergangenen
Kriege gefallen, andere sind krank zurückgekehrt. Viele junge Frauen
werden daher in ihrem einsamen Hause vergebens auf ihren Mann warten
und das Erblühen neuen Lebens. Zugleich aber fordern die heutigen
Notwendigkeiten, die durch den Eintritt der Frau in das öffentliche und
politische Leben gegeben sind, ihre Mitarbeit. Ist das nur ein
zufälliges Zusammentreffen oder darf man darin das Walten der
göttlichen Vorsehung erblicken?
So ist also der Wirkungskreis, der sich heute der Frau eröffnet, sehr
weit, und je nach Charakter und Fähigkeiten kann er geistiger oder mehr
praktisch-tätiger Art sein. Platz und Aufgabe der Frau in der
Gesellschaft, ihre Rechte und Pflichten erforschen und klarstellen;
Erzieherin und Führerin der eigenen Schwestern werden; Ideen darlegen;
Vorurteile zerstreuen; Verwirrungen klären; die Lehre der Kirche
erläutern und verbreiten, um Irrtum, Täuschung und Lüge sicher zu
entlarven, um die Taktik der Gegner der katholischen Glaubens- und
Sittenlehre wirksamer zu vereiteln: hierin besteht die weitgesteckte
und dringend notwendige Arbeit, ohne die aller apostolische Eifer nur
dürftige Ergebnisse erzielen würde. Auch die mittelbare Aktion ist
unerläßlich, wenn man nicht will, daß die gesunden Lehren und die
gediegenen Überzeugungen, wenn nicht gänzlich platonisch, so doch zum
mindesten arm an praktischer Wirkung bleiben.
Dieser mittelbare Anteil, dieses wirksame Mittun bei der sozialen und
politischen Tätigkeit, verändert keineswegs die Eigenart des normalen
Wirkens der Frau. Teilhaberin am Wirken des Mannes im Bereich des
öffentlichen Lebens, wird sie sich vor allem jenen Aufgaben zuwenden,
die mehr Takt, Feingefühl, mütterlichen Instinkt erfordern als
verwaltungsmäßige Strenge und Härte. Wer wird besser als sie verstehen,
was die Würde der Frau, was Unbescholtenheit und Ehre des jungen
Mädchens, was Schutz und Erziehung des Kindes erfordern? Und wie viele
Probleme auf all diesen Gebieten rufen nach Aufmerksamkeit und Handeln
von Regierenden und Gesetzgebern! Nur die Frau wird beispielsweise mit
ihrer Güte, ohne Schaden für den Erfolg, die Unterdrückung der
Unsittlichkeit zu mildern wissen; sie allein wird die Wege finden, die
sittlich verwahrlosten Kinder vor Erniedrigung zu bewahren und sie in
Ehrbarkeit und zu religiösen und bürgerlichen Tugenden zu erziehen; sie
allein wird fähig sein, das Werk der Fürsorge und der
Wiedereingliederung der entlassenen Sträflinge und der gefallenen
Mädchen zu verrichten; sie allein wird aus ihrem Herzen das Echo des
Rufes der Mütter widertönen lassen, denen ein totalitärer Staat, mit
welchem Namen er sich auch schmücken mag, die Erziehung ihrer Kinder
rauben möchte.
Die Erziehung zur Frau
So ist das Programm der Pflichten der Frau umrissen, das einen
doppelten Gegenstand hat: ihre eigene Vorbereitung und Ausbildung für
das soziale und politische Leben, und die Entwicklung und
Verwirklichung dieses sozialen und politischen Lebens im privaten und
im öffentlichen Bereich.
Es ist einsichtig, daß die Aufgabe der Frau, so begriffen, nicht
unvorbereitet erfüllt werden kann. Der mütterliche Instinkt in ihr ist
ein menschlicher Instinkt, der von der Natur nicht bis hinein in die
Einzelheiten seiner Anwendung bestimmt ist. Er wird vom freien Willen
gelenkt, und dieser seinerseits vom Verstand - daher sein sittlicher
Wert und seine Würde, aber auch seine Unvollkommenheit, die durch
Erziehung ausgeglichen und behoben werden muß.
Die frauliche Erziehung des jungen Mädchens, und nicht selten auch der
erwachsenen Frau, ist also eine notwendige Bedingung ihrer Vorbereitung
und Ausbildung zu einem ihrer würdigen Leben. Das Ideal wäre natürlich,
daß diese Erziehung schon in der Kindheit begänne, in der Traulichkeit
eines christlichen Heims und unter dem Einfluß der Mutter. Das ist
leider nicht immer der Fall, und auch nicht immer möglich. Doch läßt
sich dieser Mangel wenigstens zum Teil beheben, indem man dem jungen
Mädchen, das außerhalb des Hauses arbeiten muß, eine jener Tätigkeiten
verschafft, die in gewissem Sinne die Vorschule und Ausbildung für das
Leben sind, zu dem es berufen ist. Dieses Ziel verfolgen auch die
Schulen für Hauswirtschaft, die aus dem Kind und dem jungen Mädchen von
Heute die Frau und Mutter von Morgen machen wollen.
Solche Einrichtungen verdienen Lob und Ermunterung! Sie sind eine der
Formen, in denen sich euer mütterliches Gefühl und euer Eifer in großem
Maß üben und auswirken können. Außerdem sind sie eine der wertvollsten,
weil das Gute, das ihr hier verrichtet, ins Unendliche weiterwirkt.
Denn eure Schutzbefohlenen werden befähigt, in der Familie und draußen,
andern das Gute zu tun, das ihr ihnen getan habt. Was soll man noch von
so vielen anderen Einrichtungen sagen, mit denen ihr den
Familienmüttern zu Hilfe kommt, zur Förderung ihrer geistigen und
religiösen Bildung, wie auch in den schmerzlichen oder schwierigen
Umständen ihres Lebens?
Der Stimmzettel der Frau
In der politischen und sozialen Tätigkeit hängt viel von der
Gesetzgebung des Staates und von der Verwaltung der Gemeinden ab. Daher
ist der Stimmzettel in den Händen der katholischen Frau ein wichtiges
Mittel, ihre strenge Gewissenspflicht zu erfüllen, vor allem in dieser
Zeit. Denn Staat und Politik haben gerade den Auftrag, den Familien
aller Kreise die notwendigen Bedingungen zu sichern, damit sie als
wirtschaftliche, rechtliche und sittliche Einheiten bestehen und sich
entfalten können. Dann wird die Familie wahrhaft die Lebenszelle von
Menschen sein, die sich redlich um ihr irdisches und ihr ewiges Wohl
bemühen. All dies begreift die Frau, die wirklich Frau ist, sehr wohl.
Was sie aber nicht begreift, ist, daß man unter Politik die Herrschaft
einer Klasse über die anderen versteht, das ehrgeizige Streben nach
immer weiterer Ausdehnung wirtschaftlicher und nationaler Macht. Denn
sie, die Frau, weiß, was auch immer als Beweggrund dafür genannt werden
mag, daß eine solche Politik dem geheimen oder offenen Bürgerkrieg, der
immer drückenderen Last der Rüstungen und der dauernden Kriegsgefahr
den Weg bahnt; sie weiß aus Erfahrung, daß diese Politik auf jeden Fall
zum Schaden der Familie ausschlägt, den diese mit ihrem Besitz und
ihrem Blut teuer bezahlen muß. Daher neigt keine kluge Frau zu einer
Politik von Klassenkampf oder Krieg. Ihr Weg zur Wahlurne ist ein
Friedensweg. Im Interesse und zum Nutzen der Familie wird darum die
Frau diesen Weg gehen und ihre Stimme allen Bestrebungen verweigern -
von welcher Seite auch immer sie kommen mögen -, die den inneren und
äußeren Frieden des Volkes selbstsüchtigem Machtstreben unterordnen. 2)
1) Aus der Ansprache an die weibliche Jugend der Katholischen Aktion. 24. April 1943
2) Aus der Ansprache an die Frauen der Katholischen Aktion, 21. Oktober 1945
(zitiert nach: Chinigo, Michael: "Der Papst sagt - Lehren Pius' XII." Frankfurt a.M., 1955, S. 51 ff.)
|