Und das Wort ist Fleisch geworden
von Myra Davidoglou
übersetzt von Elfriede Meurer
(aus "La Voie", No XIX; gekürzt, widergegeben nach KYRIE ELEISON, 1990, Nr. 2, S. 29 ff.)
Vorbemerkung der Redaktion:
In dem Kommentar zum Rundschreiben "Dominus Iesus" (EINSICHT XXX/7 vom
März 2001) hatte ich behautet, die Aussage "wir beten alle den gleichen
Gott an" von Johannes Paul II. beinhalte eine immanente Apostasie, weil
durch sie implizit die Offenbarung des Sohnes Gottes geleugnet würde,
nach welchem "niemand zum Vater" käme außer durch IHN (vgl. Joh 14,6).
Manchem mag meine Interpretation dieser Aussage als Überbewertung oder
Verkürzung einer nicht geleisteten Argumentation erschienen sein. Um
diesem Vorwurf entgegenzutreten, veröffentliche ich die aus der Feder
von Frau Myra Davidoglou stammende, ausführliche Exegese einer
Ansprache, welche Johannes Paul II. gehalten hat. In dieser
Untersuchung legt die Autorin minutiös die theologischen Positionen
Joh. Pauls II. bloß, wodurch der von mir erhobene Vorwurf der Apostasie
nur bestätigt wird.
Eberhard Heller
* * *
Liebe Freunde der Wahrheit,
ich will zu Ihnen sprechen über das durch die Geburt des Sohnes Gottes
geoffenbarte Mysterium, das seine Menschwerdung ist. In der göttlichen
Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus findet man diesen Hymnus auf die
heilige Jungfrau: "Es ist in Wahrheit recht, dich zu preisen,
Muttergottes und allzeit Jungfrau Maria, die du ewig selig bist und
unbefleckt und die Mutter unseres Gottes; die du ehrwürdiger bist als
die Cherubim und unvergleichlich glorwürdiger als die Seraphim; die
ganz unversehrt Gott das Wort zur Welt gebracht hat; die du wahrhaft
Mutter Gottes bist, wir preisen dich." Ich habe dieses Gebet zitiert,
weil es im wesentlichen die katholische Lehre enthält, die 431 vom
Konzil zu Ephesus über die Menschwerdung des Wortes und die
Gottesmutterschaft Mariens definiert wurde.
Gewiß, Sie, meine Freunde, zweifeln, Gott sei Dank, nicht eine Sekunde
daran, daß die allerseligste Jungfrau den Sohn des ewigen Vaters in
ihrem Schoß getragen hat, Ihn, "durch den alles geschaffen ist" (Joh I,
3). Aber, sehen Sie, die Feinde Gottes sind heimtückisch; sie wenden
alle möglichen Tricks an, um die Christen zum Abfall von ihrem Glauben
zu bringen. Sie kennen doch die Modernisten: Nicht offen, sondern
versteckt und mit tausend Windungen leugnen sie die Gottheit unseres
Herrn Jesus Christus. Auch machen sie es in Ansprachen und Schriften,
die anscheinend ein ganz anderes Thema behandeln, um besser die
Aufmerksamkeit des Zuhörers oder des Lesers abzulen-ken, wie Sie gleich
sehen werden.
Die Katechese Johannes Pauls II.
1. Ich nehme als Beispiel die Lehre Johannes Pauls II. in der
Generalaudienz vom 6. September 1989. "In dieser Katechese", sagt er,
"wollen wir hauptsächlich den Zusammenhang zwischen Pfingsten und dem
Sakrament der Taufe betrachten" 1). Das überrascht gleich von Anfang
an, denn wenn es einen Zusammenhang zwischen Pfingsten und einem
Sakrament gibt, kann dies nur die Firmung sein. Denn am Pfingsttag
empfingen die Apostel die Kraft des Heiligen Geistes, die ihre Liebe
entfachen und aus ihnen jede Furcht vor den Verfolgern vertreiben
sollte 2), gemäß der Verheißung des Herrn: "Bleibt in der Stadt
Jerusalem, bis ihr mit der Kraft von oben ausgerüstet werdet" (Lk.
XXIV, 49). Nun verleiht der Heilige Geist eben im Sakrament der Firmung
dem Getauften diese Kraft, die ihn in gewisser Weise bewaffnet zum
Kampf für den Glauben 3). Die Taufe als das erste Sakrament der Kirche
hat nicht die Kraft zu festigen, sondern von allen Sünden
reinzuwaschen; durch sie erwirbt der Mensch die Fülle der Unschuld 4).
Wo ist da der Zusammenhang mit Pfingsten? An jenem Tag waren die
Apostel schon rein, wie es die Worte bezeugen, die der Herr am Abend
vor seinem Leiden an sie richtet: "Wer gebadet hat, braucht sich nicht
mehr zu waschen; er ist ganz rein. Auch ihr seid rein, jedoch nicht
alle." Denn er wußte, wer ihn verraten würde; darum sagte er: "Ihr seid
nicht alle rein" (Joh XIII, 10—11) . Der Unreine war offensichtlich
Judas.
2. Wie sollten übrigens die Jünger nicht rein gewesen sein, sie, die
schon vor dem Leiden des Herrn den Heiligen Geist empfangen hatten?
Denn es wäre ein Irrtum zu glauben, die Propheten und alle, die an
Jesus Christus geglaubt haben, hätten dieses Geschenk Gottes nicht
gehabt 2). Der hl. Petrus sagt nämlich: "Niemals erging eine Weissagung
aus menschlichem Willen; sondern vom Heiligen Geist angetrieben,
sprachen Männer im Auftrag Gottes" (II, I, 21). Und der hl. Paulus
sagt: "Niemand kann sagen: Jesus ist der Herr, außer im Heiligen
Geiste" (1 Kor XII, 3). Nun hat Chri-stus selbst uns gelehrt, daß seine
Jünger ihn während seines Erdenlebens "Meister und Herr" nannten (vgl.
Joh XIII, 13). Da sie vom Heiligen Geist bewegt waren, konnten sie also
nur bereits vor Pfingsten rein sein.
3. Um glauben zu machen, das Sakrament der Taufe datiere von eben
diesem Pfingsten und deswegen sei es nicht vor seiner Himmelfahrt von
Christus eingesetzt worden, beruft sich Johannes Paul II. auf jene
Stelle bei Matthäus, wo Johannes der Täufer sagt: "Er wird euch mit dem
Heiligen Geist und mit Feuer taufen" (III, 11), und nach ihm ist das
Feuer "ein von Gott benutztes Mittel, um die Gewissen zu reinigen" 5),
und "ein in sich viel mächtigeres Element als dasWasser" 5). Es ist
wahr, daß die Worte Johannes des Täufers sich auf das Pfingstwunder
beziehen, als der Heilige Geist unter der Gestalt von Feuer auf die
Apostel herabkam, ein Wunder, das der Herr vorhergesagt hatte (Apg I,
5), aber es ist falsch, daß sie vom Element des Sakraments der Taufe zu
verstehen sind 6). Dieses Element oder diese Materie ist das Wasser und
nicht das Feuer, wie Johannes Paul II. behauptet. Durch die Taufe, die
eine zweite Geburt ist, werden wir Kinder Gottes und Miterben Christi.
Nun hat Christus gesagt: "Niemand, der nicht wiedergeboren wurde aus
dem Wasser und dem Geist, kann in das Reich Gottes eingehen" (Joh III,
5). Deshalb lehrt der Apostel, daß "die Kirche durch Wasser gereinigt
wurde" (Eph V, 25), und nicht durch Feuer.
4. Aus all dem geht hervor, daß das Sakrament der Taufe nicht mehr
Zusammenhang mit dem Pfingstwunder hat als seine Materie. Wann wurde es
eingesetzt? Hier ist kein Zweifel möglich: es war, als Christus selbst
die Taufe im Jordan empfing, denn "bei dieser Gelegenheit", sagt der
hl. Gregor von Nazianz, "heiligte er das Wasser durch seinen
allerreinsten Leib und begrub den alten Adam" 7). Das ist die Lehre
aller Kirchenväter. Der hl. Augustinus schreibt: "Der Herr hat sich
taufen lassen nicht, weil er es nötig gehabt hätte gereinigt zu werden,
sondern um bei der Berührung mit seinem makellosen Fleisch das Wasser
zu reinigen und ihm die Kraft mitzuteilen, dann uns zu reinigen" 8).
"Denn", sagt auch der hl. Johannes Chrysostomus, "das Wasser hätte
nicht die Sünden derer, die glauben, tilgen können, wenn es nicht
geheiligt worden wäre, als es den Leib unseres Herrn Jesus Christus
berührte" 9). Man darf jedoch nicht vergessen, daß die Taufe, obwohl
sie vor dem Leiden eingesetzt wurde, gerade daraus ihre Wirksamkeit
bezieht, wie es der Apostel den Römern aufzeigt: "Wir alle, die wir auf
Jesus Christus getauft sind, sind auf seinenTod getauft" (VI, 3).
Merken Sie sich schließlich, daß zu einer Zeit der Herr die Taufe
eingesetzt hat, und zu einer anderen Zeit die Verpflichtung zum Empfang
der Taufe allen auferlegt worden ist. Das letztere geschah nach der
Auferstehung Christi, als er ausdrücklich zu seinen Aposteln sagte:
"Gehet und lehret alle Völker; taufet sie im Namen des Vaters und des
Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt. XXVIII, 19). "Denn durch seine
Auferstehung von den Toten", wie der hl. Petrus uns erinnert, "hat
Christus uns wiedergeboren werden lassen zur Hoffnung des Lebens" (vgl.
I, I, 3).
5. Sie sehen also, liebe Freunde der Wahrheit, daß nichts uns
berechtigt, mit Johannes Paul II. den Ursprung des Sakraments der Taufe
in die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die junge christliche
Gemeinde am Pfingsttag zu legen. Das ist eine Erfindung der
Modernisten, welche leugnen, daß Christus Jesus persönlich der Urheber
dieses Sakraments ist. Nach ihnen soll es in "der stürmischen
Pfingstbegeisterung" entstanden sein, wie sie sagen, um einer Lehre
Glauben zu verschaffen, die später der Katechismus "Pierres vivantes"
wieder aufnehmen wird. Das ist auch eine raffinierte und sehr
versteckte Art, die Notwendigkeit des Sakraments der Wiedergeburt zu
leugnen, das heißt, "die Wassertaufe im Wort des Lebens" (Eph V, 26),
durch die Jesus Christus seine Kirche gereinigt und geheiligt hat,
indem er sich für sie dahingab. Aber Johannes Paul II. geht noch
weiter, wie ich gleich zeigen werde.
6. In der gleichen Ansprache und wie im Widerspruch zu dem, was er
gerade gesagt hat, wenigstens auf den ersten Blick, erklärt der Oberste
der Konzilssekte: "Taufen im Heiligen Geist bedeutet die Menschheit
erneuern durch die Macht des Geistes Gottes: das vollbringt der
Messias, auf dem, wie Isaias vorhergesagt hatte, der Geist ruht, der
seine Menschheit mit göttlichem Wert erfüllt von der Menschwerdung an
bis zur Fülle der Auferstehung nach seinem Tod am Kreuze. Nachdem er
diese Fülle erworben hat, kann der Messias die neue Taufe im Geist
geben, von dem er erfüllt ist" 5). Ich verstehe nicht, daß der Mann,
der vorgibt, auf dem Stuhl Petri zu sitzen, öffentlich so skandalöse
Worte aussprechen konnte, ohne ein allgemeines Protestgeschrei
hervorzurufen. Wie das? Zwischen dem Augenblick der Menschwerdung im
Schoße der Jungfrau Maria und dem Augenblick der später von Christus
"erworbenen" und "nach seinem Tod am Kreuz" offenbar gemachten "Fülle"
hat der Geist Gottes Christi "Menschheit mit göttlichem Wert erfüllt".
Erfüllen bedeutet: "das liefern, was fehlt (jemandem oder etwas)". Der
"göttliche Wert", sprich: die Gottheit, soll vor dem Opfer von Kalvaria
der Menschheit Jesu Christi gefehlt haben? Das geht jedenfalls aus dem
spitzfindigen Satz Johannes Pauls II. hervor. Ich habe noch nichts
Heimtückischeres gelesen. Wenn man ihn recht versteht, war Christus ein
gewöhnlicher Mensch: er war nicht der menschgewordene Gott, denn Gott
kann der "göttliche Wert" nicht mangeln.
7. Übrigens unterstreicht Johannes Paul II. selbst noch seine Häresie,
wenn man es so sagen kann, indem er präzisiert, daß "nachdem er diese
Fülle erworben hatte, der Messias (von jetzt an) die neue Taufe im
Geist, von dem er (jetzt) erfüllt ist, geben kann" 5). Bevor er durch
den Heiligen Geist mit "göttlichem Wert" erfüllt war, konnte also der
Messias nicht alles machen. Ein Beweis mehr, wenn es noch einen
brauchte, daß in den Augen von Karol Wojtyla Der, welcher aus der
Jungfrau Maria geboren wurde und der sich für uns dahingegeben hat,
nicht das "fleischgewordeneWort" (Joh I, 1) ist, jenes "Wort, das Gott
war" (Joh I, 1), denn bei Gott ist nichts unmöglich.
8. Ich habe nicht die Absicht, liebe Freunde von LA VOIE, Ihnen über
diesen Punkt die Heilslehre in Erinnerung zu rufen. Übrigens kann kein
Christ, der dieses Namens würdig ist, nicht wissen, daß der vor aller
Zeit aus dem Vater geborene Sohn vom Vater ausgegangen ist, um in die
Welt zu kommen (Joh XVI, 27-28); daß alles, was dem Vater gehört, auch
dem Sohn gehört (Joh XVI, 15); daß der Sohn also dem Vater gleich ist
und daß folglich, wenn der Vater allmächtig ist, der Sohn es ebenfalls
ist. Daher zerstört Johannes Paul II. den katholischen Glauben, wenn er
glauben macht, es habe eine Zeit gegeben, in welcher der ewige und
unveränderliche Sohn des Vaters, "Christus, Gottes Kraft" (I Kor I,
24), nicht die Macht gehabt habe, "die Taufe im Geist zu geben'' 5).
9. Bei einer solchen Hypothese würde übrigens keine ewige Dreieinigkeit
existieren. Denn wenn Jesus Christus vor seinem Leiden den Geist nicht
geben konnte, weil er selbst nicht von ihm "erfüllt" war, wie Wojtyla
verstehen läßt, bedeutet das, daß dieser Geist nicht der Geist Christi
war, sondern der Geist eines anderen, zu dem Christus seine Zuflucht
nehmen mußte, um das Pfingstwunder zu wirken. Also ist Christus nicht
Gott. Er ist nicht eine der drei Personen der Trinität, die folglich
keine Dreieinigkeit ist, sondern eine Zweiheit oder eine Monade, man
weiß es nicht so genau, falls überhaupt ein anderer Gott als ihr Bauch
für die Modernisten existiert.
10. Ein wenig weiter sagt Johannes Paul II. noch klarer: "Bis in das
Opfer (des Kreuzes) hinein empfängt Christus den Heiligen Geist. Er
empfängt ihn auf eine solche Weise, daß er selbst ihn dann (...) seinen
Aposteln, der Kirche, der Menschheit geben kann" 5). "Christus empfängt
den Heiligen Geist", sagt er. Also ist eine andere die Substanz
Christi, eine andere die des Heiligen Geistes. Das Wort und der Geist
sind nicht eins. Nun erklärt aber der Apostel Johannes, er, der das
Wort des Lebens (vgl. I, I, 1) gesehen und mit seinen Händen berührt
hat, das Gegenteil: "Der Vater, das Wort und der Geist sind eins" (I,
V, 7), das heißt, eine einzige Wesenheit oder Substanz. Mit drei Worten
leugnet Wojtyla das ganze Evangelium. Wenn Christus den Heiligen Geist
auf Kalvaria empfängt, bedeutet das, daß Christus nicht vom Heiligen
Geist empfangen worden ist. Nun sagt aber der Engel zu Josef: "Fürchte
dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen, denn was in ihr
geworden ist, stammt vom Heiligen Geiste" (Mt I, 20). Wenn Christus den
Geist Gottes empfangen muß, bevor er ihn anderen geben kann, will das
sagen, daß entgegen der Schrift Christus selbst nicht "der wahre Gott
und das ewige Leben" (I Joh V, 20) war. Wenn Christus den Geist des
Vaters empfängt, dann war der Geist des Vaters nicht in ihm, und dann
war folglich auch der Vater nicht im Sohne. Nun erklärt aber die
Wahrheit selbst: "Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir" (Joh XIV,
10). Der menschliche Verstand kann natürlich die unendliche Tragweite
dieser Worte nicht erfassen, die das größte, das erhabenste der
Geheimnisse enthüllen, aber das hindert nicht daran, daß wir uns
bemühen müssen, wenigstens ein bißchen ihre Bedeutung zu verstehen,
denn der Herr Jesus hat sie zu unserer Belehrung gesprochen.
11. "Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir" (Joh IV, 10). Vor
aller Zeit zeugt der Vater den Sohn, der Sohn wird vom Vater gezeugt.
In dieser ewigen Zeugung empfängt der Sohn alles vom Vater (vgl. Joh
XVI, 15). Denn ohne jede Veränderung teilt der Vater dem Sohne sein
unwandelbares Wesen oder seine Substanz mit, mit all seinen
Vollkommenheiten. Demzufolge ist der Vater ganz im Sohne, weil der
Vater das Wesen des Sohnes selbst ist; und der Sohn ist ganz im Vater,
weil der Sohn das Wesen des Vaters selbst ist. Sie sind ineinander,
weil es nicht etwas Andersartiges im einen und im anderen gibt. Wenn
nun der Vater im Sohne ist, muß auch der Geist des Vaters im Sohne
sein, er kann nicht anders. Dieses einzige Argument würde genügen, um
die neo-arianische These Johannes Pauls II. zu widerlegen, aber treiben
wir die Analyse noch ein Stück weiter.
12. Da der Vater und der Sohn von einer einzigen Substanz oder
Wesenheit sind, geht der Geist, der vom Vater ausgeht, auch vom Sohne
aus. Es kann nicht anders sein. Wenn nun der Geist des Vaters eines und
des gleichen Wesens ist wie der Vater und der Vater eines und des
gleichen Wesens wie der Sohn, bedeutet dies, daß der Geist eines und
des gleichen Wesens ist wie der Sohn. Was im Sohn ist, ist auch im
Geist, und was im Geist ist, ist auch im Sohn. Sie sind wechselseitig
ineinan-der, denn ebenso wie alle Vollkommenheit im Sohn ist, ist auch
alle Vollkommenheit in seinem Geiste. Die gleiche Schlußfolgerung läßt
sich auf die wechselseitige Immanenz des Vaters und des Heiligen
Geistes anwenden 10). Dieser gegenseitigen Erkenntnis und Durchdringung
der drei göttlichen Personen in der ewigen Dreieinigkeit haben die
Theologen nach dem hl. Johannes von Damaskus den Namen Ineinander-Sein
(circuminsessio) gegeben 11).
13. Hier folgt nun der Wortlaut, mit dem die Kirche diese Lehre
unfehlbar definiert hat in ihrem Dekret für die Jakobiten 12) auf dem
Konzil von Florenz: "Wegen dieser Einheit (der göttlichen Wesenheit
oder Substanz) ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Heiligen Geist; ist
der Sohn ganz im Vater, ganz im Heiligen Geist; ist der Heilige Geist
ganz im Vater, ganz im Sohn. An Ewigkeit ist keiner früher als der
andere an Größe übertrifft keiner den anderen oder ist ihm überlegen an
Macht . Von Ewigkeit her und ohne Anfang hat der Sohn seinen Ursprung
im Vater; von Ewigkeit her und ohne Anfang geht der Heilige Geist aus
dem Vater und dem Sohn hervor" 12).
14. Daher, liebe Freunde von LA VOIE, merken wir uns also gut die
Immanenz des Heiligen Geistes in Christus, dem Sohn des lebendigen
Gottes, der demnach alle Macht hatte, ihn den Aposteln und Heiligen zu
geben, und prangern wir das Manöver an, mit dem das modernistische Rom
die Irrlehre des Arius, Photinus und Konsorten ausgegraben hat, diese
Gnosistochter der Judaisierer, um den Übergang von der christlichen
Wahrheit zum Judaismus zu erleichtern, also ob das möglich wäre.
15. Ich komme noch einmal auf den bereits zitierten Satz Johannes Pauls
II. zurück: Christus, sagt er, "empfängt den Heiligen Geist auf eine
solche Weise, daß er ihn dann selbst - und er allein mit Gott dem Vater
kann es - den Aposteln, der Kirche, der Menschheit geben kann. Er
allein sendet ihn vom Vater, etc." 5). Tausendmal Verzeihung! Entweder
empfängt Jesus Christus von einem anderen den Geist Gottes, und in
diesem Fall ist Jesus selbst nicht Gott und konnte daher nicht wem auch
immer den Heiligen Geist geben, kann es nicht und wird es niemals
können. Oder Christus kann den Heiligen Geist geben, weil Christus Gott
ist, aber in diesem Fall konnte er immer, kann und wird immer ihn geben
können. Er hat ihn übrigens nicht empfangen, weder am Kreuz noch in
irgend-einem anderen Augenblick, weil der Geist von Ewigkeit her von
ihm und in ihm war. Es gilt entweder das eine oder das andere. Möge es
den Gotteslehrlingen des freimaurerischen Rom keinen Verdruß machen,
der Mensch kann den Heiligen Geist nicht geben.
16. Wenn es auch so aussieht, als herrsche große Unordnung in den
Gedankengängen, die neo-arianische und neo-photinianische Lehre
Johannes Pauls II. ist im Grunde genommen kohärent. Sie sollen selber
darüber urteilen. Seiner Aussage, nachdem der Messias am Kreuz den
Geist Gottes empfangen hat, "kann er die neue Taufe geben" 5), fügt
Johannes Paul II. hinzu: "Von seiner verherrlichten Menschheit wie von
einer Quelle lebendigen Wassers aus wird der Geist sich über die Welt
ergießen" 5). Er bestätigt also die extravagante Meinung, die ich
gerade untersucht habe und nach welcher der Mensch als Mensch die
Quelle der Göttlichkeit sein kann. Das Sein soll nicht vom Nicht-Sein
ausgehen können. Wir hören hier gleichsam das Echo der albernen Theorie
Teilhards, der sich schon in den Gott-Omega transformiert sah.
17. Aus der gleichen Textstelle geht hervor, daß am Kreuz, bevor "der
Heilige Geist als Liebe und Gabe ins Herz des Geopferten selbst
herabsteigt" 5), wie Wojtyla ein wenig später sagen wird, an diesem
Kreuz also nur "die Menschheit" Christi Jesu vorhanden war, "seine
verherrlichte Menschheit" zwar, aber eben seine "Menschheit" ohne seine
Gottheit. Der Irrlehrer will unbedingt unseren Glauben zerstören und
uns einreden, daß Der, welcher sein Leben dahingegeben hat, um uns dem
Tod zu entreißen, ein Mensch wie jeder andere war.
18. Beachten Sie, meine Freunde, worin hier die Hinterlist des Feindes
besteht! Wenn er sagt, "von der verherrlichten Menschheit" (des
Messias) "wie von einer Quelle lebendigen Wassers aus wird der Geist
sich über die Welt ergießen" 5), versucht Johannes Paul II., uns
glauben zu machen, daß er sich auf das Evangelium stütze (Joh VII, 39).
Es stimmt, daß der hl. Johannes sagt: "Der Geist war noch nicht
gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war" (VII, 39). Hüten wir
uns jedoch, darunter zu verstehen, daß vor der Verherrlichung von
Kalvaria der Heilige Geist nicht gegeben worden sei, oder daß Christus
vorher nicht die Herrlichkeit besessen habe.
19. Den ersten Punkt betreffend, den ich übrigens schon erwähnt habe,
lesen wir im Buch der Weisheit: "Der Geist des Herrn erfüllt das All,
und ihm, der alles zusammenhält, ist jeder Laut bekannt" (I, 7). Ebenso
wie das Wort Gottes schon in der Welt war vor seiner Menschwerdung aus
der Jungfrau (vgl. Joh I, 10—11; Weish VIII, 1), verhielt es sich also
auch mit seinem Geist vor dem Pfingstwunder. Durch ihn haben alle
Propheten gesprochen, wie die Schrift an mehreren Stellen sagt. David
war "vom Geist erleuchtet" (Mt XXII, 43); Johannes der Täufer war
"schon vom Schoß seiner Mutter an mit dem Heiligen Geist erfüllt" (Lk
I, 15); der Heilige Geist ließ Zacharias (ebd. 67), Simeon (ebd. II,
25—32) und Anna (ebd. 36—38) prophetisch reden. Daraus folgt, daß die
Worte des Evangelisten: "Der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus
noch nicht verherrlicht war" (Joh VII, 39) nur in dem Sinn verstanden
werden können, daß die Ausgießung des Heiligen Geistes in einer Art
erfolgen werde, wie es sie vorher noch nie gegeben hatte. "Denn
nirgends in unseren Büchern", sagt dazu der hl. Augustinus, "sehen wir
Menschen auf Antrieb des Heiligen Geistes Sprachen sprechen, die sie
vorher nicht gekannt haben, wie es damals geschah, als die Ankunft des
Geistes durch sinnenfällige Zeichen bewiesen werden mußte (Apg II, 4),
um der ganzen Welt und allen auf der Verschiedenheit der Sprachen
fußenden Nationen ihren zukünftigen Glauben an Christus durch das
Geschenk des Heiligen Geistes offenbar zu machen und die Erfüllung
dessen, was wir im Psalm singen: ,Es gibt keine Sprachen und keine
Reden, deren Stimme man nicht hörte. Auf der ganzen Erde verbreitete
sich ihr Schall, bis an die Enden der Welt drangen ihre Worte' (Ps,
XVIII, 5)" 13).
20. Ich komme nun zum zweiten Punkt. Wenn er sagt: "Der Heilige Geist
war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war" (Joh
VII, 39), meint der Evangelist damit nicht, daß Jesus Christus vor
seiner Opferung auf Kalvaria die Herrlichkeit nicht gehabt habe. Der
Beweis dafür: derselbe Evangelist sagt, daß beim ersten seiner Wunder
zu Kana in Galiläa "Jesus so seine Herrlichkeit offenbarte, und seine
Jünger an ihn glaubten" (Joh II, 11). Von dieser Herrlichkeit sagt
Jesus selbst zu seinem Vater: "Ich hatte sie, bevor die Welt war" (Joh
XVII, 5). Wieso war dann Christus "noch nicht verherrlicht" (Joh VII,
39) vor dem Vollzug seines Opfers? Wir antworten: Jesus Christus ist
Gott und Mensch, wahrer Gott und wahrer Mensch. Als Gott besitzt er die
gött-liche Glorie von Ewigkeit her; als Mensch und Seliger besaß er die
Glorie der Seele vom ersten Augenblick seines Daseins an 14); es fehlte
ihm jedoch die leibliche Glorie und alle Güter, die dazu beitragen, sie
äußerlich zu vermehren, zum Beispiel die Verehrung durch die Menschen
15). Diese Glorie hat Christus für sich selbst am Kreuz verdient, wie
aus dem Brief des Apostels an die Philipper hervorgeht: "Er ist
gehorsam geworden bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, darum hat Gott
ihn auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist,
auf daß im Namen Jesu jedes Knie sich beuge im Himmel, auf der Erde und
unter der Erde, und jede Zunge bekenne, daß der Herr Jesus Christus in
der Herrlichkeit Gottes des Vaters ist" (II, 8-11). Diese leibliche
Herrlichkeit Christi sowie die Ehre und Anbetung aller waren ihm als
Sohn Gottes und Seliger dennoch geschuldet; wenn sie ihm nicht sofort
gewährt wurden, war es aus Gründen providentieller Ordnung. Denn
Christus mußte für das Heil der Menschen leiden und sterben (vgl. Lk
XXIV, 44-47) 15).
21. Kommen wir nun auf die Ansprache Johannes Pauls II. zurück. "In der
Taufe", sagt er, "verschmelzen die Symbole des Wassers und des Feuers"
5). Hier nimmt er die Meinung des Theosophen, Erzählers und Dramaturgen
Edouard Schuré wieder auf, nachdem "wiedergeboren werden durch das
Wasser und den Geist, getauft werden im Wasser und im Feuer, zwei Grade
der Initiation bezeichnet" 16). Man weiß, daß für die Okkultisten wie
für gewisse heidnische Philosophen der Geist und das (materielle) Feuer
eins sind. "Auch Jesus", sagt Johannes Paul II. "spricht im Lauf seiner
öffentlichen Tätigkeit von seinem Leiden und von seinem Tod als von
einer Taufe, die er empfangen müsse, einer Taufe, weil er ganz
eingetaucht sein wird ins Leiden, die auch symbolisiert wird durch den
Kelch, den er wird trinken müssen. Aber es handelt sich um eine Taufe,
die von Jesus mit dem anderen Symbol in Verbindung gebracht wird, dem
Feuer, das zu bringen er gekommen sei, ein Feuer, in dem es leicht ist,
den Heiligen Geist zu ahnen, der seine Menschheit erfüllt, und der
eines Tages, nach der Feuersbrunst des Kreuzes, in der Welt ausgegossen
werden und die Feuertaufe verbreiten wird, die Jesus so sehnlich zu
empfangen wünscht, daß es ihn beengt, bis sie vollendet ist (vgl. Lk
XII, 50)" 5).
22. Diese Textstelle enthält eine neue Falle. Wieder einmal tut der
Irrlehrer so, als würde er sich auf das Evangelium stützen, das er in
Wirklichkeit völlig auf den Kopf stellt. Wieder einmal, aber mit einem
anderen Trick versucht er, die Christen zum Fall in die abgedroschene
Irrlehre eines Ebion, Paulus von Samosata, Photinus, Arius, Theodor von
Mopsuestia, Nestorius zu stürzen, die die Kirche auf ihren ersten
heiligen Konzilien feierlich verurteilt und immer wieder verurteilt
hat. Alle diese Leute leugneten die Gottheit unseres Herrn. Alle
machten aus Christus ein Geschöpf ohne jegliches Vorrecht vor den
anderen Menschen. Alle lehrten im wesentlichen die gleiche Lehre, das
gleiche Märchen, das vierzehn Jahrhunderte später der Okkultist Edouard
Schuré in seiner dicken Sammlung von Albernheiten "Les grands initiés"
17) wieder aufgegriffen hat. Nehmen Sie nebenbei zur Kennt-nis, daß
dieser in Frankreich der Freund und Gönner des Anthroposophen und
Rosenkreuzers Rudolf Steiner war, von dem einige unter Ihnen vielleicht
schon wissen, daß er der geistige Lehrmeister des jungen Karol Wojtyla
war 18). Die falsche Christologie des letzteren kann also nicht
überraschen.
23. In dem oben zitierten Text behauptet er, sich auf die "Taufe" zu
beziehen, von welcher der Heiland nach Lukas sagt: "Ich muß eine Taufe
empfangen, und wie bin ich beengt, bis sie vollendet ist!" (XXII, 50).
Diese Taufe des Herrn ist sein Leiden, was Johannes Paul II. erkennt.
Nur fügt er sogleich hinzu: "Es handelt sich um eine Taufe, die von
Jesus mit dem anderen Symbol verbunden wird, dem Feuer, das auf die
Erde zu bringen er gekommen ist, ein Feuer, in dem es leicht ist, den
Heiligen Geist zu ahnen, der seine Menschheit erfüllt, etc." 5). Es ist
zwar richtig, daß Jesus gerade vor der Erwähnung seines Leidens gesagt
hatte: "Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und was will
ich anderes, als daß es brenne?" (Lk XII, 49), aber dieses Feuer
bezeichnet nicht den Heiligen Geist, der am Kreuz auf Christus
herabgekommen sein soll, um "seine Menschheit zu erfüllen", einen
Geist, den diese Menschheit bis dahin nicht gehabt haben soll. Dieses
Feuer bedeutet in der Schrift metaphorisch die Liebe und die Drangsal.
In dem Wort des Heilands (Lk XII, 49) hat es nach den Kirchenvätern
(St. Ambrosius, St. Hieronymus und St. Augustinus) diese doppelte
Bedeutung. Unser Herr hat uns durch seine Leiden und seinen Tod die
unsägliche Liebe Gottes geoffenbart und läßt uns an dieser Liebe
teilhaben. Nur müssen auch seine Jünger durch das Feuer der Verfolgung
gehen.
24. Ich komme auf Johannes Paul II. zurück. Beachten Sie, daß er in
seiner Ansprache nicht nur sagt, der Heilige Geist sei nicht der Geist
Christi, der daher nicht Gott sein kann; er geht noch weiter, wenn er
zu verstehen gibt, Jesus sei vor seinem Todesleiden nicht vom Geist
Gottes erfüllt gewesen im Unterschied zu vielen frommen und gerechten
Menschen. Der ewige Vater soll ihm also verweigert haben, was er
anderswo seinen Heiligen manchmal vom Mutterschoß an geschenkt hat. Als
Beispiele werde ich nur zitieren Johannes den Täufer (Lk I, 15),
seinenVater Zacharias (ebd. 67), seine Mutter Elisabeth (ebd. 41) und
sie, die von ihrer Empfängnis an voll der Gnade war, die allerseligste
Jungfrau Maria (ebd. 27). Wieder einmal verhöhnt Johannes Paul II. den
Meister, der ihn erlöst hat, und betrügt die Christen. Wenn Jesus nicht
vor seiner Kreuzigung die Fülle des Geistes hatte, wie soll man dann
folgendes Wort des Evangelisten erklären: "Voll des Heiligen Geistes
kehrte Jesus vom Jordan zurück und wurde vom Geist in der Wüste
umhergeführt", etc. (Lk IV, 1)? Und dieses andere von Johannes dem
Täufer: "Der, den Gott gesandt hat (das heißt, der Sohn) spricht die
Sprache Gottes, denn "nicht mit Maß gibt Gott ihm seinen Geist" (Joh
III, 34)? Und auch das, was der Herr selbst zu den ungläubigen Juden
sagt: "Wenn ich die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, ist
ja das Reich Gottes zu euch gekommen" (Lk XI, 20)? Wojtyla verspottet
die Heilige Schrift und den Glauben der Kirche. Eine einzige Idee
beschäftigt ihn: hinterhältige Sätze zu konstruieren, die so
aneinandergereiht werden, daß sie das Gift der Häresie in die Seelen
träufeln. Gott helfe mir, daß ich nun den Sophismus auflöse, auf den er
seine These errichtet hat!
25. Ich fasse sie zusammen. Jesus Christus ist ein gewöhnlicher Mensch,
der zum Kreuzestod verurteilt wird. Er betrachtet seinen zukünftigen
Tod als eine Taufe, die er nach Johannes Paul II. "so heftig zu
empfangen wünscht, daß es ihn beengt, bis sie an ihm vollendet ist" 5).
Er präzisiert: "an ihm", weil Jesus bei dieser Gelegenheit vom Himmel
den Heiligen Geist empfangen wird, der ihn erfüllen wird, wie er
übrigens alle Heiligen erfüllt, wobei mitverstanden ist, daß Christus
wegen seines Glaubens an Gott hingerichtet worden sei. In der
wojtylaschen Optik ist die Taufe Christi also eine Taufe im
eigentlichen Sinn dieses Wortes: es ist die Taufe des Martyrers, die
Bluttaufe. Freilich wissen wir, daß, wenn ein Gläubiger bei einer
Verfolgung um seines Glaubens willen getötet wird, bevor er durch das
Wasser der Taufe gereinigt wurde, "justificabitur, baptismum enim in
pro prio sanguine accepit", so wird er gerechtfertigt werden, denn er
hat die Taufe in seinem eigenen Blut empfangen 19). Von den als
Martyrer gestorbenen Katechumenen sagt der hl. Cyprian: "Sie sind nicht
ohne das Sakrament der Taufe, da sie ja die herrlichste aller Taufen
empfangen haben, die Taufe in ihrem Blut" 20). Und der hl. Augustinus
schreibt, wobei er sich auf die Schrift stützt (Mt X, 32; XVI, 25, Ps
CXV, 15), daß bei all denen, die, ohne die Taufe empfangen zu haben,
für den Glauben sterben, das die gleiche Wirkung für die Vergebung der
Sünden hat, als ob sie im Brunnen der Taufe reingewaschen worden wären"
21).
26. Daraus folgt, daß, nach Johannes Paul II., Jesus, der auf Kalvaria
die Taufe in seinem Blut empfangen hat und in dieser Taufe, wie
übrigens in jeder Taufe, den Heiligen Geist, den Tröster, Jesus also
nun reingewaschen ist von seinen Sünden und zu allererst von der
Erbsünde. Er, das fehlerlose Lamm! Er soll gereinigt worden sein, er,
der ohne Befleckung ist, "der fleckenlose Spiegel der Majestät Gottes"
(Weish VII, 26)! In einer solchen Perspektive wäre Christus vor seinem
Tod gewesen wie jeder Mensch vor seiner Taufe: ein Sünder in der
Knechtschaft Satans. Das ist die Ungeheuerlichkeit, die sich hinter der
einschmeichelnden Geschwätzigkeit Johannes Pauls II. verbirgt. Man kann
sich schlecht etwas Blasphemischeres vorstellen. In der Tat, zwischen
Leuten wie Ebion, Photinus, Renan, Schuré, Wojtyla, die aus Christus
einen gewöhnlichen Menschen machen, und Scorsese gibt es, was die Lehre
betrifft, im Grund keinen Unterschied.
27. Aber, werden vielleicht die Modernisten sagen, hat nicht
Jesus Christus selbst, als er auf sein Leiden hinwies, gesagt: "Ich muß
eine Taufe empfangen, und wie bin ich beengt, bis sie vollendet ist"
(Lk XII, 50)? Es ist sicher, daß das Leiden des Herrn seine Taufe im
Jordan vollendet, die wiederum als notwendige Folge das Leiden des
Herrn ankündigt. Nur, ebenso wie im Jordan nicht die Sünden Christi
hinweggespült wurden, sondern die unseren, wurden in der auf Kalvaria
vollzogenen Bluttaufe unsere Sünden durch sein Blut getilgt und nicht
die Sünden Christi. Wir sind es, die den Geist der Heiligung empfangen
in jenem Tod, der die Taufe ist, es ist nicht der Sohn Gottes am Kreuz,
weil der Geist und der Sohn eins sind, und weil wir nicht Gott sind.
Daher besteht der So-phismus Johannes Pauls II. darin, daß er in
doppelzüngiger Rede über das Wort "Taufe" insinuiert, der Gerechte habe
die Bluttaufe nicht für uns, sondern für sich empfangen, während er in
Wahrheit ohne Sünde war. Er, der für uns zur Sünde geworden ist. Denn
zu unserer Erlösung "sandte Gott seinen eigenen Sohn in ein unserem
sündigen Fleisch ähnlichen Fleisch und verurteilte die Sünde im
Fleisch, damit die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit an uns vollendet
werde" (Röm VIII, 3-4). An uns, nicht an ihm! Der hl. Paulus sagt auch:
"Christus hat sich als Opfer dargebracht, um die Sünden vieler auf sich
zu nehmen" (Hebr IX, 28). Und der hl. Johannes sagt: "Das Blut Jesu,
des Sohnes Gottes, reinigt uns (uns!) von jeder Sünde" (I Joh I, 7).
Sein Sühnopfer war übrigens von den Propheten angekündigt worden. "Er
wurde durchbohrt wegen unserer Sünden, zerschlagen wegen unserer
Missetaten; die Züchtigung, die uns den Frieden bringt, lag auf ihm,
und durch seine Wunden sind wir geheilt" (Is LIII,
5).
Anmerkungen:
1) Doc. Cath. 19. 11. 1989, No 1994, S. 1000 - O. R. 7. 9. 1989.
2) Vgl. Leo der Große, 2. Predigt über das Pfingstfest, B. M. 76.
3) Vgl. St. Melchiades, Papst, "Epist. ad Hisp." und St. Thomas von Aquin, "Contra Gentes" IV, 60.
4) Diese Unschuld darf nicht verwechselt werden mit dem ebenfalls
ursprüngliche Gerechtigkeit genannten Stand der Unschuld unserer
Stammeltern im irdischen Paradies . Denn die Taufe tilgt unsere Sünden,
aber unsere Schwächen bleiben.
5) Doc. Cath., op. cit., S. 1001.
6) Katechismus - Konzils v. Trient, Kap. XV,1.
7) St. Gregor von Nazianz, Homilie XXXIX für Epiphanie und Oratio in Nativitate.
8) Serm. 19, 36 und 37 de Temp.
9) Hom. 4 - Siehe auch St. Johannes Chrysostomus, Hom. 12, 3, In Mat. und St. Ambrosius, In Luc. 2, 83.
10) Siehe St. Augustinus, "DeTrin." XV, 17, 29; XV, 26, 47 und "Contra
Maximianum", II, 1 - St. Hilarius von Poitiers, "De Trin." III, 1—9
pass. - St. Athanasius, Orat. I contra Arianos, 11 f. und 17, und Orat.
III contra Arianos 27 f. St. Thomas von Aquin, S. Th. Ia, 42, 5.
11) Lat. "circuminsessio", griech. "perichoresis" .
12) Auszug aus der Bulle "Cantate Domino" 4. 2. 1442. Dz 704.
Konzil von Florenz. 7. ökumenisches.
13) St. Augustinus, "DeTrin." Lib. IV, cap. XX, 29.
14) S. Th. Illa, 19, 3.
15) St. Thomas von Aquin, "De Veritate", 29, 6. sol. 3 und S. Th. IIIa, 19, 3.
16) Über Edouard Schure siehe "La nouvelle theosophie" von P. Leonce de Grandmaison, in dem Werk
"La theosophie et l'anthroposophie" von L. de Grandmaison und J .de Tonquedec, Ed. Beauchesne et Films, Paris 1939.
17) Ed. Schure, "Les grands inities", Esquisse de l'histoire secrete
des religions, Librairie Academique Perrin, Paris 1943, S. 496.
18) "La theosophie et l'anthroposophie", op. cit., SS. 105, 109, 111, 115, 122, 124.
19) Kirchliche Vorschrift von Hippolytus, Kap. 44.
20) Epist. LXXIII, 22.
21) "De Civ. Dei" XIII, 7.
|