OFFENER BRIEF
an H.H. Pater Daniel A. Pérez Gómez
Ergertshausen, den 26. Mai 2001
Hochwürdiger Pater Pérez,
nachdem mir Ihr Offener Brief an den Generaloberen der
Priesterbruderschaft St. Pius X., der in der Zeitschrift TRENTO (3.
Jahrgang, Nr. 3, dem offiziellen Blatt der gleichnamigen Priesterunion)
erschien und in dem Sie diesem einen Dialog zur Klärung strittiger
Positionen vorschlagen, in deutscher Übersetzung vorliegt - dank der
engagierten Mitarbeit von Frau Meurer - erlaube ich mir, einige
Anmerkungen zu Ihrem Vorhaben zu machen.
So sehr ich verstehen kann, daß Sie sich als Priester der Priesterunion
Trento um eine Zusammen-arbeit unter den sog. Traditionalisten bemühen
- mein Besuch bei Mgr. Dávila und den übrigen Priestern Ihrer Union
diente ja auch nur diesem Ziel - so hat uns dieses Gesprächsangebot
dennoch überrascht und entsetzt. Denn die Prämissen, unter denen Sie
sich einen Dialog vorstellen können, bereiten uns Sorgen.
Bei einem solchen Vorhaben ist es ist meines Erachtens erforderlich,
die Bedingungen dafür zu überprüfen. Man muß sich fragen, welche
theologische Position der zukünftige Gesprächspartner vertritt und ob
unter den aktuellen Gegebenheiten eine gemeinsame Basis gefunden werden
kann, auf die man eventuell gemeinsame Anstrengungen stellen kann.
Weiter sollte man vorher erruiert haben, ob bei dem Angesprochenen eine
Bereitschaft vorliegt, über strittige Fragen überhaupt zu diskutieren.
Man darf und kann miteinander reden, aber darf dabei auch nicht die
Geschichte und die damit verbundenen Tatsachen - die der letzten 30
Jahre - vergessen, und die redet zunächst von unüberbrückbaren
Gegensätzen. Es sind auf beiden Seiten Entscheidungen getroffen worden,
die zu ignorieren naiv wäre.
Als Anfang der 70-iger Jahre, also vor nunmehr 30 Jahren, bekannt
wurde, daß Mgr. Lefebvre die liturgischen Reformen von Vatikanum II
ablehnte und die Tradition fortführen wolle, war zunächst das Interesse
an seiner Person und seinen Bemühungen für die Glaubenserhaltung ebenso
an dem von ihm errichteten Priesterseminar recht groß. Zwei von meinen
damaligen Studienkameraden, P. Schmidberger und P. Wodsack, der erste
Obere für den deutschsprachigen Distrikt, traten in das Seminar ein.
Ihnen sollten bald noch zwei weitere Kommilitonen folgenden, die Abbés
Wildfeuer und Prosinger. Dennoch zeigte sich bald, daß die
theologischen Differenzen zwischen der Gruppe Una voce und den Econern
erheblich waren. Im Winter 1973 kam es zu einem Treffen von Mgr.
Lefebvre, seinem Spiritual und Mitgliedern des Freundeskreises der Una
Voce, um u.a. solch strittige theologische Probleme zu erörtern, wie
auch das der Ungültigkeit der sog. 'neuen Messe'. Es stellte sich bald
heraus, daß Mgr. Lefebvre kein all zu großes Interesse an unseren
Argumenten hatte, die uns berechtigten, den N.O.M. Pauls VI. für
ungültig zu erklären. Eines dieser Argumente befaßte sich mit der
Verfälschung der Wandlungsworte. In der Formel für die Konsekration des
Blutes war das "für euch" durch "für alle" im N.O.M. ersetzt worden,
womit die Formel inhaltlich geändert worden war. Es hieß nicht mehr:
"Das ist der Kelch meines Blutes (...) das für euch und für viele
vergossen wird zur Vergebung der Sünden", sondern: "Das ist der Kelch
meines Blutes (...) , das für euch und für alle vergossen wird zur
Vergebung der Sünden", womit der All-Erlösungslehre das Wort geredet
wurde. 1) Mgr. Lefebvre und sein Spiritual wandten ein, es genüge für
die Gültigkeit zu sprechen: "Das ist der Kelch meines Blutes", der
Relativsatz spiele keine Rolle. Auf den Einwand, daß der Nebensatz den
Hauptsatz inhaltlich erst präzisiere, wiederholten beide nur ihre erste
Antwort. Auf die Frage endlich, ob denn auch eine Wandlung zustande
käme, wenn es heißen würde: "Das ist der Kelch meines Blutes
(...) das für euch und für den Teufel vergossen wird zur
Vergebung der Sünden", meinte Lefebvre, auch eine solche Formel berühre
die Gültigkeit nicht, worauf verschiedene Teilnehmer angwidert von
einer solchen Auffassung die Diskussionsrunde verließen.
In der Folgezeit zeigte sich immer deutlicher, daß Mgr. Lefebvre und
seine Econer Bruderschaft kein ernsthaftes Interesse an einer
theologischen Aufarbeitung an all den durch das Vatikanum II und seine
Reformen entstandenen Probleme hatte.
Es gibt weder zu den neuen Sakramentsriten noch zur kirchlichen
Situation bzw. zur Frage der Autorität in der Kirche von Econe klare
und eindeutige Stellungnahmen, in denen diese theologisch präzise
beurteilt werden. Die Gläubigen wurden mit allgemeinen Schlagworten
abgefertigt wie "die neue Messe ähnele dem protestantischen Abendmahl"
oder etwa so: wenn man diese neue Messe besuche, verlöre man die Idee
vom Opfer (wenn der N.O.M. gültig wäre, wie sollte man dann die Idee
vom Opfer verlieren?) etc.
Sie zitieren in Ihrem Offenen Brief einige Passagen aus Stellungnahmen
Mgr. Lefebvres anläßlich seiner "Suspension a Divinis", die andeuten,
daß er sich zu einer klareren Haltung in der Papstfrage durchgerungen
habe: "Diese Konzilskirche ist schismatisch, weil sie als ihre Basis
Grundsätze angenommen hat, die denen der katholischen Kirche
entgegengesetzt sind. Die Kirche, welche diese Irrtümer behauptet, ist
gleichzeitig SCHISMATISCH UND HÄRETISCH. Deswegen ist diese
Konzilskirche NICHT KATHOLISCH. Bis zu dem Grade, in dem Papst,
Bischöfe, Priester oder Gläubige dieser neuen Kirche anhangen, trennten
sie sich von der katholischen Kirche." (Ecône 29.Juli 1976) (N.b.diese
Beurteilung enthält die Häresie, daß Häresie und Schisma nur eine
graduelle Trennung von der Kirche bzw. vom Amt bewirken.) 2)
Darüber vergessen Sie aber, daß kurze Zeit darauf Mgr. Lefebvre seine
Meinung revidiert hatte. Um dies zu erruieren, brauchen Sie nur "Il
'Dossier' Saventhem" der ital. Una-voce nachlesen! Dort wird ein Brief
Lefebvres vom 17.9.1976 zitiert, in dem er an v. Saventhem schreibt:
"Für die universale Kirche sehe ich wie Sie, die friedliche Koexistenz
der vor- und nachkonziliaren Riten voraus. Man lasse dann die Priester
und die Gläubigen die 'Familie der Riten' wählen, der sie vorzugsweise
anhängen wollen." Diese Aussage wurde von Mgr. Lefebvre weder
dementiert noch jemals zurückgenommen. Wenn Sie noch eine Bestätigung
benötigen: die Econer haben im Gegensatz zu uns nie öffentlich
behauptet, der sog. "N.O.M." Pauls VI. sei in sich ungültig! Ganz im
Gegenteil! Die theologische Position der Bruderschaft bezüglich des
N.O.M. hat der Obere von Econe in einem Interview, welches er der
Pariser Zeitung L'AURORE gab - hier zitiert nach dem FELS vom März
1979, S. 92 -, festgelegt: Er sei in zwei Punkten falsch zitiert
worden. So habe er weder behauptet, daß sich das Zweite Vatikanum
"gegen den Glauben richte", noch daß die neue Messe "Häresien" enthalte
und somit ungültig sei. "Was ich (Lefebvre) verlange, ist ganz einfach:
Daß Rom uns erlaube, in Frieden und Ruhe das Experiment der Tradition
weiterzuführen." (N.b. wenn der N.O.M. nach Lefebvre keine Häresien
enthält, warum sollte er dann von den Priestern der Bruderschaft nicht
auch gelesen werden können? Nach kirchlicher Norm müßten sie ihn dann
sogar annehmen!)
Mgr. Lefebvre hat es in den siebziger Jahren zwar offiziell immer
abgelehnt, der Führer der Traditionalisten zu sein, hat aber dennoch
alles getan, um den Widerstand an Econe zu binden bzw. von ihm abhängig
zu machen, indem er durchblicken ließ, daß ja nur in seiner Kommunität
Theologiestudenten ausgebildet und von ihm geweiht würden, Priester,
von denen doch die Zukunft der Traditionalisten abhängig wäre. Deswegen
war es für seine Pläne eine ausgesprochene Betriebspanne, als Mgr.
Ngô-dinh-Thuc Bischöfe weihte. Mgr. Ngô-dinh-Thuc wurde von Lefebvre
als verrückt beschimpft, weil er durch diese Konsekrationen Lefebvres
Monopol der Priesterausbildung gebrochen hatte. (N.b. als Mgr. Thuc von
dieser Beschimpfung bei uns in München erfuhr, war er davon überrascht,
hatte er doch Lefebvre in der Vorbereitungskommission für das II.
Vatikanum als wohl disziplinierten Kleriker kennen gelernt.)
Weil die Reformen von Vatikanum II nie einer grundsätzlichen und
gründlichen Analyse unterzogen wurden - mit dem Resultat, daß sie
häretisch sind -, können, ja müssen die Econer auch die Promulgatoren
(Paul VI., Joh. Paul II.) als legitime Päpste anerkennen. Wir wissen
von H.H. Dr. Katzer, der hier in Europa eine ähnlich führende Rolle als
Theologe spielte wie bei Ihnen in Mexiko H.H. P. Dr. Joaquin Sáenz y
Arriaga und der als erster Kandidat von Mgr. Ngô-dinh-Thuc zum Bischof
geweiht werden sollte - er starb überraschend! -, daß z.B. Mgr.
Lefebvre nie ein ernstes Interesse daran hatte, sich mit dem Problem
der Sedisvakanz auseinanderzusetzen, trotz des überwältigenden
Materials, welches ihm H.H. Dr. Katzer zu Studienzwecken zur Verfügung
gestellt hatte. An dieser grundsätzlichen Haltung hat sich auch nach
dem Tode des Chefs von Econe in der Bruderschaft bis heute nichts
geändert.
Wir haben uns und natürlich auch die führenden Persönlichkeiten des
Widerstandes in Mexiko - u.a. H.H. P. Dr. Joaquin Sáenz y Arriaga, H.H.
Pater Carmona, den wir recht bald bei den Gebetsnächten in Rom kennen
lernten, und Frl. Riestra - haben sich darum bemüht, die theologischen
Positionen, die uns das II. Vatikanum beschert hatte, gründlich zu
studieren, um auf der Grundlage dieser Analysen und Recherchen zu einer
eindeutigen und klaren Stellungnahme gegenüber den Reformen zu
gelangen. Das Resultat war eindeutig: Übereinstimmend stellten wir
lehramtlich fixierbare Abweichungen, d.h. Häresien in der reformierten
Liturgie, dem sog. N.O.M. Pauls VI., fest, durch die keine gültige
Konsekration zustande kommt. Wenn aber der Promulgator, Paul VI.,
Häresien verkündet und sie der Kirche als verbindlich proklamiert, dann
hat er als "Papa haereticus" ipso facto sein Amt verloren. Das ist
zwischen uns sicherlich nicht strittig.
Hier ergeben sich aber nun die grundlegenden Unterschiede zwischen den
Lefebvreisten und uns, den Sedisvakantisten. Während die Lefebvreisten
die alte Liturgie, genauer die von 1962, beibehalten, um "das
Experiment der Tradition weiterzuführen", lehnen wir die 'neue
Messe' ab, weil sie in sich ungültig ist. Während die Lefebvreisten
Paul VI. und seine Nachfolger als legitime Päpste anerkennen, sich aber
deren Anordnungen widersetzen, in dem sie - die Econer aus eigener
Machtvollkommenheit entscheiden, wann sie gehorchen wollen und wann
nicht, sagen wir - die Sedisvakantisten -, daß diese Personen als
Häretiker ipso facto "depositi" bzw. "deponendi" sind.
Damit soll deutlich gemacht werden, daß die Econer und wir, die
Sedisvakantisten, theologisch und kirchlich prinzipiell verschiedene
Positionen vertreten, daß wir auf prinzipiell verschiedenen Fundamenten
stehen. Als sich dies immer klarer zeigte - der erste, der dies
aufgedeckt hat, war Herr Dr. Kellner /USA in seinen Rundbriefen -,
konnten P. Carmona mit seinen Freunden und auch wir nicht anders, als
uns von Econe zu trennen... trotz aller anfänglichen Sympathien. Wir
wollten katholische Christen bleiben und nicht
traditionalistisch-schismatische Rebellen in der durch und durch von
Häresien durchzogenen 'Konzils-Kirche' werden, was die Econer vorzogen.
(Ich erinnere Sie daran, daß Mgr. Lefebvre all jene mit seinem ganzen
Haß verfolgte, die es wagten, aus dieser Schizophrenie auszubrechen, um
sich auf unsere Seite zu stellen.)
Und weil diese prinzipiellen Unterschiede real bestehen, gibt es mit
den Econern weder eine Einheit in der Sakramentenspendung noch eine
kirchliche Einheit. Die Sedisvakantisten sind und wollen keine
Traditionalisten sein. Darum ist es falsch und verwirrend, wenn Sie von
der Notwendigkeit einer "Übereinstimmung" unter den Traditionalisten
reden.
Wir können nicht hinter diese Position zurückgehen, ohne zugleich damit unsere eigene Identität aufzugeben und zu verlieren.
Seit der ausführlichen Untersuchung von P. Guerard des Lauriers über
die Bedeutung des "una cum" im "Te igitur" der hl. Messe
(veröffentlicht unter dem Titel "Christus novum instituit Pascha" in
EINSICHT X/3 vom Sept. 1980), worin er nachweist, daß Messen, die "una
cum" Wojtyla, dem Häretiker gelesen werden, sakrilegisch sind, gehört
es nun seit gut 20 Jahren zu den Standards der Sedisvakantisten, vor
dem Besuch der Econer Messen zu warnen. Denn diese lesen die Messen -
nicht die tridentinische, sondern die johanneische von 1962 - "una cum"
Wojtyla, d.h. in Einheit und im Auftrag dieses Häretikers. Die Econer,
die ja zur 'Konzils-Kirche' gehören (wollen) und mit uns keine
kirchliche Gemeinschaft haben, haben aus ihrer Sicht auch Gründe, vor
dem Besuch der Messen der Sedisvakantisten zu warnen. Das sollte uns
nicht stören. Ob man im Einzelfall von dieser Maxime aus pastoralen
Gründen (wegen des begrenzten Fassungsvermögens eines einzelnen
Gläubigen) davon Ausnahmen machen darf, müßte untersucht werden. (N.b.
die Liturgie der Orthodoxen, die wir ja als gültig annehmen, dürfen wir
wegen des bestehenden Schismas ja auch nicht besuchen. Umgekehrt lassen
diese die "Römer" auch nicht an ihrer Liturgie teilnehmen, zumindest
die Athos-Mönche nicht.)
Ich finde es völlig richtig, daß man diejenigen, die normalerweise den
sog. 'N.O.M.' in der Konzils-Kirche besuchen und die aus reinem
Traditionalismus - wissend um die Problematik der Gültigkeit und der
Autorität - die 'alte' Messe bei uns besuchen wollen, diese vom Besuch
zurückweist, bis sie zu einer klaren Haltung gelangt sind (von
Ausnahmen abgesehen, in denen das theologische Urteilsvermögen gering,
aber die Intuition, das Richtige zu wollen, sehr groß ist), weil sie
einer an-deren Kirche bzw. 'Kirche' angehören (wollen). N.b. das war
auch die Auffassung unseres H.H. Dr. Katzer! Wir sind doch keine
Institut für traditionalistischen Kundendienst!
Die Parole "nur die alte Messe" läßt unberücksichtigt, daß die
Sakramentenspendung nur im Auftrag der Kirche erfolgen darf. Wie dieser
Rückbezug auf sie als beauftragende Institution heute real möglich ist,
darüber haben wir, so meine ich doch, erfolgreich Ende Februar letzen
Jahres in Hermosillo diskutiert. Ich meine die Anschluß-Erklärung an
die Declaratio von Mgr. Ngô-dinh-Thuc, in der für dieses Problem eine
Lösung angegeben ist. Die pastoralen Fragen, die sich bei den Gläubigen
stellen, lösen wir nur im Rückgriff auf die prinzipiellen Positionen,
und nicht umgekehrt, daß nämlich nur Positionen gelten, die die
jeweilige Pastoral zuläßt, d.h. der jeweilige Wissensstand der Kleriker
oder der Gläubigen. Hier ist dauernde Aufklärung und Information
seitens der Kleriker gefordert!
Es geht ja nicht nur um die Feier der tridentinischen Messe, sondern
darum, daß diese erlaubterweise nur im Auftrag der Kirche gefeiert
werden darf, d.h. man muß bestimmen, wo diese Kirche (heute) ist bzw.
wie sie zu restituieren ist. Ohne diese Rückbeziehung auf die Kirche
bzw. kirchliche Autorität, die erst per Delegation die Kleriker zur
Feier der Messe beauftragt, ist das Zelebrieren unerlaubt. Die Berufung
auf den heutigen Notstand oder den Wunsch der Gläubigen konnte in den
Anfängen des Widerstands einmal als Provisorium gelten, als vorläufige
Begründung. (Wir haben heute die Situation, daß wir hinter den
Argumentationsstand von vor über 20 Jahren zurückgehen.)
Die Ähnlichkeit des Handelns - Zelebration der alten Messe,
Verweigerung des Gehorsams gegenüber Anordnungen der Autorität bzw.
'Autorität' - schafft von sich aus noch keine Basis der
Übereinstimmung. Man muß die Gründe betrachten, die zu diesem oder
jenen Handeln führen. Und dann sind die aufgeführten Ähnlichkeiten denn
doch nicht so groß: Econe feiert eine Messe, die gar nicht so 'alt'
ist, nämlich die von Johannes XXIII. reformierte Messe von 1962, die
zwar keine dogmatischen Defizite aufweist, die aber den Auftakt der
schrittweisen Einführung des N.O.M. einleitete... promulgiert von einem
dezidierten Freund der Freimaurer; während die Sedisvakantisten doch
die wirklich "alte" Messe feiern, die von Pius V. promulgierte. Zum
anderen verweigert sich Econe einer von ihr anerkannten Autorität, von
der wir behaupten, daß es sie gar nicht gibt, weswegen wir uns ihr auch
nicht verweigern können. Und noch eines: wir befinden uns nicht (mehr)
in Opposition, im Widerstand gegen die 'Konzils-Kirche' wie die Econer,
sondern in der Phase des Wiederaufbaus der Kirche als
Heilsinstitution... wenn sich dieser auch noch so schleppend dahinzieht.
Es gibt eine ganze Reihe von Gläubigen, die hellhörig geworden sind und
sich innerlich von der 'Konzils-Kirche' losgesagt haben - der Grund für
diese Trennung muß nicht nur die Einführung der neuen Liturgie sein, es
gibt viele Felder, wo die Einsicht reifen kann, daß diese 'Kirche'
nicht mehr identisch mit der früheren ist oder daß sie offensichtliche
und prinzipielle Fehlhaltungen (z.B. auf moralischem Gebiet) einnimmt.
Um diese kirchlich Heimatlosen - nennen wir sie ruhig Traditionalisten
- bemühen sich die Econer und wir. Daß diese Personen dabei in einen
gewissen Konflikt geraten (können), ist nicht zu verhindern. Gewinnen
können wir sie nur, indem wir sie konsequent aufklären und
Überzeugungen einpflanzen. Wir dürfen uns nicht bloß auf die Befriedung
emotionaler, religiöser Defizite einlassen.
Durch die DECLARATIO von Mgr. Ngô-dinh-Thuc, die er zwar nicht "ex
officio", sondern "ex caritate", d.h. aus Fürsorge für die
Gesamt-Kirche abgegeben hat, ist die Position der Sedisvakanz in eine
Form gebracht worden, die für alle katholichen Christen, die um den
Zustand der Kirche wissen, verbindlich ist. Übrigens hatten die
inzwischen zu Bischöfen konsekrierten Patres Carmona und Zamora diese
DECLARATIO in abgwandelter Form noch speziell für die Gläubigen in
Mexiko öffentlich wiederholt.
Es ist also falsch, wenn Sie sagen, wir hätten keine Stimme, die uns
sagt, ob Johannes XXIII. und seine Nachfolger Päpste waren oder nicht.
Diese Stimme hat zwar vor knapp 20 Jahren gesprochen, aber das, was sie
sagte, gilt auch heute noch. Sie hat für alle katholischen Christen
verbindlich gesprochen, auch für die Econer, wenn sie katholische
Christen sein wollen, da die DECLARATIO von Mgr. Ngô-dinh-Thuc an die
gesamte Kirche gerichtet war. Die DECLARATIO stellt nicht die
Privatmeinung von Thuc dar, sondern stellt ein Urteil dar, welches er
aus Sorge um die Kirche offiziell getroffen hat und welches er
öffentlich innerhalb eines Gottesdienstes proklamiert hat. Mir scheint,
Sie mißverstehen die Bedeutung der DECLARATIO gründlich.
Wenn dieser Mißstand der Kirche, verursacht durch den geistigen
'Selbstmord' der Hierarchie, festgestellt wird, dann ist es die
Pflicht, der rechtgläubig gebliebenen kath. Christen, die Kirche als
Heilsinstitution wieder aufzubauen, in toto!, wozu auch die Wahl eines
(rechtmäßigen) Papstes gehören würde (auch wenn man heute noch nicht
genau wissen sollte, wie unter den gegebenen Umständen eine solche Wahl
durchzuführen wäre!). Kommen wir der Forderung der Restitution der
Kirche nicht nach, klammern wir sie aus unserer Konzeption aus, gleiten
wir immer mehr (und immer schneller) in ein katholisierendes
Sektierertum ab. In dieser Gefahr befinden wir uns in der Tat!
Eine solcher Gesamt-Wiederaufbau der Kirche würde dann auch den
folgenden Passus Ihres Offenen Briefes ins richtige Licht setzen, wenn
Sie schreiben: "Diese Intention schließt den aufrichtigen Wunsch mit
ein, uns der rechtmäßigen Autorität der Kirche unterworfen zu sehen, um
den Geist einer echten Katholizität aufrechtzuerhalten. Denn der ist
nicht echt katholisch, der sich nie der Autorität der Kirche
unterwerfen will, da er es gewohnt ist, in einer völlig sektiererischen
Haltung unabhängig zu leben."
Und nur auf der Grundlage einer solchen theologischen Analyse, die die
dogmatischen Defizite fixiert hat, hat man überhaupt erst das Recht,
den N.O.M. abzulehnen. Wenn dieser Ordo keine Häresien enthalten würde
und er verpflichtend eingeführt worden wäre , wären wir im Gehorsam
verpflichtet, ihn anzunehmen (wenn sein Promulgator sich anderweitig
keiner Häresie schuldig gemacht hätte, was uns verpflichten würde,
seine Autorität abzulehnen). Denn der Papst hat die Hohheit über die
Liturgie! Dann spielte auch der Wunsch noch so vieler Gläubigen keine
Rolle, die alte Liturgie beizubehalten. In dieser Situation könnte man
sich nur noch auf der Ebene der Petition an den Papst um Beibehaltung
der früheren Liturgie (wegen deren besonderen Vorzüge) wenden.
Was die "unnütze und schädliche Behauptung" angeht, die Weihen von Mgr.
Lefebvre seien ungültig, so möchte ich Sie darauf aufmerksam machen,
daß zum einen diese Behauptung von uns so nie gemacht wurde und wird,
daß aber zum anderen wegen berechtigter Zweifel an ihnen die Bischöfe
Carmona, Zamora, Musey und Vezelis vereinbart hatten, Priester, die von
Econe zu uns stoßen würden, nur aufzunehmen, wenn sie sich sub
conditione nachweihen lassen würden. Ich erinnere Sie auch an den Brief
von Mgr. Ngô-dinh-Thuc an Mgr. Lefebvre, in dem er diesem anbietet, ihn
sub conditione nachzuweihen. (Diesen Brief habe ich in Übersetzung an
Mgr. Dávila geleitet.) Schließlich erlaube ich mir noch, auf meine
eigene Darstellung dieser Problematik hinzuweisen. Die entsprechende
Übersetzung des Artikels, der in der EINSICHT erschienen ist (zuletzt
als Nachdruck in Nr. 4-5 vom Nov. 2000, S. 118), ging ebenfalls dem
Oberen der Priesterunion Trento zu.
Soviel zunächst zu den prinzipiellen Unterschieden zwischen Econe und den Sedisvakantisten.
Sie werden vielleicht meine Ansichten nach Ihren eigenen Vorgaben für
radikal, d.h. für "schädlich" und "unreif" halten. Vergessen Sie dabei
nicht, daß sie auch die Ansichten Ihres einstigen Oberen waren und
dessen Konsekrators. Ich würde sie nur als konsequent bewerten.
Vergessen Sie auch nicht, daß es nur diese Art von 'Radikalität' war,
die uns bewogen hat, P. Carmona mit Mgr. Ngô-dinh-Thuc - beide teilten
unsere 'Radikalität' - wegen einer möglichen Konsekration in Verbindung
zu bringen (als wir die apostolische Sukzession gefährdet sahen) und
daß Sie dem konsekrierten Bischof Carmona Ihre Ausbildung und Ihr
Priestertum verdanken.
Ein Dialog mit Econe wäre nur dann sinnvoll, wenn deren führende
Vertreter ihre vorgefaßte, taktisch-politisch motivierte Position, die
nur Argumente zur Stützung dieser Position zuläßt, aufgeben und sich
vorbehaltlos und offen an die theologische Lösung der Probleme
heranwagen würden... wie wir das ja auch getan haben. Das aber ist in
den letzten 30 Jahren nicht geschehen und eine Änderung dieser
Einstellung ist auch nicht in Sicht. Im Gegenteil! Man ist gerade
dabei, mit der 'Konzils-Kirche' einen Deal "auf Teufel komm raus"
auszuhandeln.
Sollten Sie allerdings heute mit den Econern über strittige Positionen
diskutieren, werden Sie bald feststellen, daß Ihr Gesprächspartner bei
einem bestimmten Punkt stehen bleibt, sich weiteren Argumenten
verweigert, weil er nicht weiter diskutieren will. Wenn sich die
Situation in Econe in Richtung auf eine theologische Aufarbeitung der
Probleme ändern sollte, werden deren Obere auf Sie bzw. auf uns als
Sedisvakantisten zukommen. Dann ist die Zeit für Dialoge reif.
Fatalerweise starten Sie Ihren Annäherungsversuch an Econe gerade zu
einem Zeitpunkt, wo die Lefebvreisten sich um ein Abkommen mit den
Autoritäten der 'Konzils-Kirche' bemühen, welches ihnen einen rechtlich
fixierten Status in jener Institution verleihen soll, die ihrerseits
über Legaten mit der Welt-Einheits-Kirche verhandelt. Wollen Sie
tatsächlich via Econe - Econe, das einen krassen Hausegoismus pflegt
und nur kirchen-politische Ziele verfolgt, würde nie mit Ihnen
kooperieren, sondern Ihre Unterwerfung fordern! - und 'Konzils-Kirche'
von diesem freimaurerisch-synkretistischen Moloch verschlungen werden?
Ich frage Sie dies angesichts der vielen mexikanischen Martyrer, die in
der freimaurerischen Revolution, die in Mexiko tobte, für Christus, den
König, ihr Leben ließen.
Sie werden verstehen, wenn ich, der ich mich über Jahre bemüht habe,
die Anstrengungen S.E. Erzbischofs Ngô-dinh-Thucs und Mgr. Carmonas für
den Wiederaufbau der Kirche zu unterstützen, versuche, deren geistiges
Erbe als Auftrag zu artikulieren und weiterzuführen.
Mit ehrfurchtsvollen Grüßen
Ihr Eberhard Heller
Anmerkungen:
1) Zum Problem der Verfälschung der Wandlungsworte vgl.
u.a. die ausgezeichneten Artikel von Franz Bader in EINSICHT, 1.
Jahrgang, Nr. 2 vom Mai 1971, Nr. 3 vom Juni 1971, Nr. 5 vom August
1971, Nr. 6 vom Sept. 1971, Nr. 7 vom Okt. 1971 und weitere
Fortsetzungen.
2) Zu den in Econe vertretenen häretischen Positionen, die einzunehmen
man gezwungen war, um klaren Stellungnahmen auszuweichen, lese man die
Erklärung, die die Abbés Munari, Nitoglia, Ricossa und Murro abgegeben
haben, als sie Econe wegen all der widersprüchlichen Positionen, die
dort vertreten wurden, insbesondere in der Papst-Frage, verlassen
hatten:
Öffentlicher Widerruf
Die Unterzeichner, Don Franco Munari, Don Francesco Ricossa, Don Curzio
Nitoglia und Don Giu-seppe Murro, der Lehre der katholischen Kirche
gehorchend, derzufolge die Notwendigkeit eines öffentlichen Widerrufs
als Folge der Veröffentlichung falscher Lehren über den Glauben und die
Sitten erforderlich ist, erkären öffentlich zu widerrufen, daß sie
gelehrt haben oder wenigstens impliziter als übereinstim-mend mit der
Wahrheit zuließen, daß geglaubt wurde, in der Zeit von 1982 bis 85,
also während ihrer Zugehörigkeit zur Priesterbruderschaft St. Pius X.,
die folgenden Irrtümer:
1. Dem römischen Papst kommt nur bei "ex cathedra"-Entscheidungen (also wenn er Dogmen lehrt) Unfehlbarkeit zu.
2. Das gewöhnliche und universale Lehramt der Kirche ist nicht unfehlbar.
3. Das II. Vatikanische Konzil kann nicht unfehlbar sein als pastorales, und nicht als dogmatisches Konzil.
4. Es ist erlaubt und gewöhnlicherweise geboten, der doktrinellen,
moralischen und liturgischen Lehre der legitimen Autorität (Papst und
Bischöfen) den Gehorsam zu verweigern, obgleich anerkannt wird, daß
derselben Autorität die ganze Autorität kraft der göttlichen Einsetzung
der Kirche zukommt.
5. Es ist möglich, daß die legitime Autorität (der römische Papst) der
universalen Kirche Gesetze (Meßritus, Sakramente, Codex des
Kirchenrechts) promulgiert und auferlegt, welche Irrtümer, Häresien wie
auch für das Heil der Seelen Schädliches enthalten.
6. Es ist möglich, daß ein authentischer wahrer Papst, ein wahrer
Stellvertreter Christi, gleichzeitig schismatisch, apostatisch und in
Bruch mit der Tradition sein kann und daß seine Akte als null und
nichtig zu erachten sind.
Oben genannte IRRIGEN ERKLÄRUNGEN verletzen auf tödliche Weise das
katholische Dogma der GÖTTLICHEN EINSETZUNG DER KIRCHE, ihr LEHRAMT,
die UNFEHLBARKEIT der Kirche und des RÖMISCHEN PAPSTES.
(SODALITIUM NR. 13, übers. von E. Gerstner; zitiert nach KYRIE ELEISON Nr.3/1987)
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