Leserbrief:
Zum Problem des Papsttum
als eines Wesens-Elementes der Kirche
den 22.2.2001
Sehr geehrter Herr...!
Auch auf folgende Fragen (bzw. Umfragen) habe ich von Leuten, die sich
als gläubige Katholiken bezeichnen, entweder gar keine Antwort erhalten
oder nur eine abwegige oder irrige. Dadurch aber erschwert sich meine
Abhandlung über das Papsttum als eines Wesens-Elementes der Kirche,
weil offensichtlich nichts mehr an wirklichen Kenntnissen in dieser
Sache vorausgesetzt werden kann, worauf man zurückgreifen könnte (...).
Sogar gebildete Katholiken verstanden nicht einmal folgende einfach
Frage, was mir ziemlich unverständlich ist: Warum herrscht heutzutage
unter Katholiken so viel Unwissenheit und Verwirrung über die Existenz,
das Wesen und die Dauer des Apostolischen Primates wie auch des
Jurisdiktions-Primates Petri in den Römischen Bischöfen (Romanis
Pontificibus), sobald diese in Wahrheit (vero) rechtmäßig Papst sind?
Woran liegt denn das? Und könnte hier nicht auch eine Ursache dafür
liegen, daß so viele und angeblich theologisch Gebildete die heutige
Vakanz des Apostolischen Stuhles gar nicht erkennen (im Unterschied zu
denen, die bloß daran 'glauben', worunter sich sogar vermeintliche
Sedisvakantisten befinden!)? So manche werden ihrer Überraschungen
erleben, wenn man bestimmte Fragen stellt, die nie gestellt werden.
Und warum wohl schrieb Pius IX. in seiner Einleitung zur dogmatischen
Konstitution 'DE ECCLESIA CHRISTI' (18.7.1870): "Wir (= das
außerordentliche Lehramt der Kirche) halten es für notwendig, allen
(Christ-)Gläubigen insgesamt (cunctis fidelibus) die (wahre) Lehr über
die Einrichtung, die Fortdauer und auch die Natur des heiligen (sacri,
nicht: sancti) Apostolischen Primates (als unbedingte Glaubenspflicht!)
vorzulegen"? - Ja, warum wohl war dies denn notwendig? Nun,
offensichtlich deshalb, weil [viele] nichts mehr von dieser uralten
Lehre der Kirche gewußt haben oder bereits häretisch verseucht waren!
In der Tat, so war es bereits vor 130 Jahren, und heute ist inzwischen
auch das Wissen um das Papsttum als eines Wesens-Elementes der Kirche,
und zwar der "Ecclesia militans et in via" (worauf sich auch das
Vatikanum I bezog), generell verlorengegangen. Es ist mehr als traurig,
wenn dies auch von Sedisvakantisten nicht mehr gewußt wird, die sich
mit dem Papstwahlproblem beschäftigen, indes die gesamtkirchliche
Situation nicht beachten, in der sie leben (d.h. mehr vegetieren als
leben).
Wer weiß noch, was das Vatikanum I in seiner Lehre über die Kirche Jesu
Christi u.a. auf folgende zwei Fragen geantwortet hat, die aufgrund des
Vatikanum 2 akut geworden sind?:
I. Warum hat Christus den hl. Petrus, genauer: den Apostel Simon-Petrus
den übrigen Aposteln vorangestellt oder vorgesetzt (praeposuit), obwohl
dieser sich gegenüber den anderen durch keine persönlichen Vorzüge oder
Qualitäten auszeichnete? Außerdem behandelte Christus, nebenbei
bemerkt, nicht alle Apostel gleich. Dies aber steht auf einem ganz
anderen Blatt, da der göttliche Menschensohn kein "!Gleichmacher" war.
II. Warum hat Christus in ihm (Petrus) selbst (in ipso) sowohl ein
fortdauerndes Prinzip als auch ein sichtbares Fundament für eine zu
erhaltende und zu bewahrende doppelte Einheit eingerichtet, nämlich für
die Einheit des (künftigen) Episkopates selbst wie auch für die Einheit
im (wahren) Glauben und in der (kirchlichen) Gemeinschaft der "ganzen
Menge der Glaubenden (und Bekennenden) (multitudo universa
credentium)"? - Warum diese Doppelung oder "beiderlei Einheit"
(utriusque unitatis)? Und welche tiefere Bedeutung hat diese Lehre des
Vatikanums I? Wer weiß noch etwas davon?
Nicht Jesus von Nazareth, sonder der auferstandene Christus hatte
erstaunlicherweise im Beisein von nur 7 Personen, 5 Aposteln und 2
Jüngern, völlig überraschend dem Simon-Bar Jona nicht den Auftrag
erteilt: weide deine Herde oder die irgendeines anderen, sondern Meine
Herde und die auch bereits existierte (hauptsächlich in Galiläa und nur
teilweise in Judäa, aber nicht in Jerusalem). Diese Herde
(congregatio) besaß drei ordines dispositiones:
1. die von Christus selbst berufenen Jünger und
2. die aus ihnen herausgerufenen oder erwählten Apostel und
3. die beständigen Anhänger Christi und echten Christus-Gläubigen
(asseclae religiosae Christi), deren Anzahl niemand wissen kann...
Unter diesen Anhängern befanden sich bereits Ihm gläubig gewordene
Heiden (Römer und Griechen, worauf schon Christus selbst hingewiesen
hatte). Man kann die echten Sedisvakantisten von den unechten oder den
Pseudosedisvakantisten auch dadurch leichter unterscheiden, daß man
ihre Kenntnisse überprüft, die sie von den Lehren des Vatikanums I
haben. Denn nur einer ist der "pastor aeternus et episcopus animarum
nostrarum" und nur dieser (nicht jedoch irgendeine 'urchristliche
Gemeinde') hatte beschlossen, die "sanctam Ecclesiam aedificare" (d.i.
die heilige Kirche aufzubauen, Anm.d.Red.), nachdem er Seine Kirche
schon vor seinem Tode gegründet hatte. Christus "stiftete" keine
"Heilsanstalt" weder innerhalb noch außerhalb des jüdischen Volkes mit
seiner falschen Messiasauffassung, von der sogar die Apostel infiziert
waren und von der sie sich nur unter großen Schwierigkeiten 'bekehrten'.
Täglich, so lehrte Pius IX., erheben sich die Pforten der Hölle mit
größerem Haß gegen das "fundamentum divinitus positum" (d.i. das durch
göttliche Fügung gelegte Fundament, Anm.d.ed.) der Ecclesia Christi und
womit das Papsttum gemeint ist, nicht jedoch irgendein Papst oder Hl.
Vater oder "Pontifex Maximus", den es ja schon bei den Alten Römern
gegeben hat. Inzwischen ist dieser Haß ver-schwunden. Warum wohl?
Anderseits jedoch nehmen sogar Mitglieder der 'röm. Konzils-Kirche' ihr
Oberhaupt gar nicht mehr ernst, aber ohne sich nach den Ursachen zu
fragen. Doch auch diese Leute sind in Wahrheit keine kath. Christen
mehr, sondern simple Apostaten, die anderen nur etwas vormachen.
Man muß heutzutage im kirchlichen Bereich unter Katholiken zwei
Apostasien unterscheiden, die sich schauerlich auswirken: die Apostasie
von der apostolischen Ecclesia Romana mit ihrem Apo-stolischen Stuhl
oder der Cathedra Petri und die Apostasie von der einen (einzig-einen)
Ecclesia Jesu Christi mit ihrem heiligen göttlichen Haupt, dem einzigen
"Heiland", von dem alle Gnaden der Erlösung ausgehen, da nur Er "das
Leben IST". Niemand verstand Jesus (den) Christus, als Er offenbarte
und von sich selbst sagte: "Ich bin die Auferstehung und das Leben ..."
(Joh 11,25). Christus hat auch nicht gesagt: ich bin ein guter Hirt,
sondern: "Ich bin der gute Hirt", den schon die alten Propheten
weissagten.
Bei dem auf äußeren Umständen beruhenden Abbruch des Vatikanums I war
sicherlich auch der Teufel mit seiner irdischen Gefolgschaft beteiligt.
Man tat aber immer schon so, als habe dieser Abbruch keinerlei
Bedeutung für die "tota Ecclesia Romana" gehabt. Doch auch dies beruhte
auf einer Einflüsterung Satans, um neu aufgebrochenen Fragen aus dem
Wege zu gehen.
Vielleicht würde Christus heutzutage auch einige Sedisvakantisten
fragen: wovon eigentlich reden die kath. Leute, wenn sie das große Wort
"Papst" gebrauchen?! Diese Frage geht mir schon seit einiger Zeit
im Kopfe herum und angeregt von einer anderen ...
Als man nämlich, Bezug nehmend auf das Vatikanum I, von einem
"römischen Papst" zu reden und zu schreiben anfing, da verschob man
bereits die Perspektiven. Denn nicht der röm. Papst, sondern "der
Römische Bischof steht durch das göttliche Recht des Apostolischen
Primates der ganzen (oder gesamten) Kirche vor", so daß er auf diese
Weise dann auch der "oberste Richter der (Christ-)Gläubigen (iudex
supremus fidelium) ist", gleichgültig wo auch immer sie leben. -
Heutzutage aber wird nicht bloß geredet und geschrieben von einem "röm.
Papst", sondern sogar von einem "kath. Papst" oder von einem 'Papst',
der "nicht mehr katholisch" ist... - Was aber wollen dann gewisse Leute
wählen in einer künftigen Papstwahl? (...)
Das Papsttum mit seiner Primatialgewalt, die von Christus herstammt,
ist auch eine besondere Herrschafts- und Regierungs-Form und hat manche
Ähnlichkeit mit der alt-biblischen (nicht: heidnischen) Theokratie. Das
stumpfsinnige und regelrecht verblödete Demokratiebewußtsein und
demokratische Rechtsbewußtsein der Leute von heute kann diese Sache gar
nicht erfassen; sie geht über deren Horizont.
Neulich las ich in einer Wochenzeitung die tiefe Weisheit eines
Kommentators: "Der Pole und römische Papst J-P-2 sei ein wahrer
Pontifex Maximus, ein Brückenbauer zwischen den Religionen und
Weltanschauungen und global orientiert". (Er habe sogar noch zwei
Deutsche zu Kardinälen gemacht, was ihm als Polen hoch anzurechnen sei!
- Diese Wahl sei auch "ausgewogen"; denn der eine sei liberal und der
andere konservativ!)
Der hl. Petrus, der Apostel, war sicherlich weder ein Apostelfürst noch
ein römischer Papst, und die judenchristliche Gemeinde in Rom war
sicherlich (noch) keine "Ecclesia Romana". Heute aber fehlt schon
lange der Nachfolger Petri im Primat ...
Prof. Dr. Diether Wendland |