Auferstehung
vom
hl. Petrus Chrysologus
(433-449 Bischof von Ravenna)
- 23. Vortrag über das Evangelium des Matthäus -
Über die Stelle: "Spät am Sabbat
aber, in der Frühe des ersten Wochenta-ges, kam Maria Magdalena und die
andere Maria, das Grab zu sehen..." bis: "die Wächter aber erschraken
und waren wie tot." Matth. 28, 1-4.
Eine Zeitlang, geliebteste Brüder, hat uns die Anstrengung der
Nachtwachen schweigen gemacht; die Ermattung, die das Fasten mit sich
bringt, hat uns dazu gezwungen. Und deshalb beginnen wir unsere
Predigttätigkeit heute 1) wieder mit einer Rede über die Auferstehung
des Herrn. Wenn es ein göttliches Werk war, daß Christus aus der
Jungfrau geboren wird, wieviel mehr ist es Gottes Werk, daß Christus
von den Toten aufersteht! Wenn es also Gottes Werk ist, darf es nicht
mit menschlichem Sinne aufgefaßt werden.
"Spät am Sabbat aber", heißt es, "in der Frühe des ersten Wochentages."
- "Am Abend des Sabbats, der leuchtete." Das kennt nicht der weltliche
Tag, das ist nicht nach dem Brauch dieser Welt! Der Abend beendet den
Tag, er beginnt ihn nicht! Der Abend dunkelt, aber leuchtet nicht! Er
wandelt sich nicht in Morgenrot, da er den Aufgang des Lichtes nicht
kennt. (Hier) gebiert der Abend, der Vater der Nacht, den Tag! Die
Ordnung wird durch ihn verkehrt, indem er seinen Schöpfer erkennt. Ein
Geheimnis leuchtet auf ob der ungewohnten Erscheinung: (der Abend) eilt
dem Schöpfer zu dienen, nicht aber der Zeit.
"Spät am Sabbat", heißt es, "in der Frühe des ersten Wochentages, kam
Maria Magdalena und die andere Maria, das Grab zu sehen." 2) Spät eilt
das Weib zur Verzeihung, das so schnell eilte zur Schuld. Am Abend
sucht sie Christum, sie, die am frühen Morgen den Adam, wie sie
erkannte, für sich verloren hatte.
"Es kam Maria und die andere Maria, das Grab zu sehen." Sie, die sich
von dem (Baume des) Paradieses den Unglauben geholt hatte, eilt nun,
sich den Glauben zu holen von dem Grabe; sie, die vom Leben(sbaume) den
Tod sich geraubt hatte, eilt nun, dem Tode das Leben zu
entreißen.
"Es kam Maria." Das ist der Name der Mutter Christi. Es kam also die
Mutter, wenn wir auf den Namen sehen; es kam das Weib, damit sie würde
die Mutter der Lebendigen, sie, die geworden war die Mutter der
Sterbenden, damit erfüllt würde, was geschrieben steht: "Das ist:
Mutter aller Lebendigen" 3).
"Es kam Maria und die andere Maria." Es heißt nicht. "Sie kamen",
sondern: "Es kam". Unter dem einen Namen kamen zwei, nicht aus Zufall,
sondern wegen des Geheimnisses.
"Es kam Maria und die andere Maria." Sie selbst kam, und doch eine
andere; es kam eine andere, und doch sie selbst" 4). Das Weib sollte
sich ändern im Leben, nicht aber im Namen; durch ihre Tugend, nicht
aber in ihrem Geschlechte. Sie sollte werden die Botin der Auferstehung
in dem einen Falle, die in dem anderen Falle war die Unglücksbotin des
Sturzes und des Verderbens.
"Es kam Maria, das Grab zu sehen", damit sie, die der Anblick des
Baumes getäuscht hatte, nun erneuert werde durch den Anblick des
Grabes, damit, wie der Blick des Verführers sie zu Boden geworfen
hatte, der Anblick des Heilandes sie wieder
aufrichte.
"Siehe, es entstand ein starkes Erdbeben; denn ein Engel stieg vom
Himmel." 5) Es zittert die Erde, nicht weil der Engel vom Himmel stieg,
sondern weil aus der Unterwelt der Herr emporstieg. "Siehe, es entstand
ein starkes Erdbeben." Erschüttert wird das Chaos, die Abgründe der
Erde öffnen sich, das Innerste der Erde zerreißt, die Erde erbebt, die
gewaltigen Berge zittern, die Grundfesten des Erdkreises werden
erschüttert, die Unterwelt wird gefangen, die Hölle (vor Gericht?)
gestellt, der Tod wird verurteilt, weil er sich, fahndend nach dem
Schuldigen, auf den Herrn selbst stürzte, herrschend über die Knechte,
nun auch gegen den Herrn entbrennt, gegen die Menschen wütend, nun auch
anstürmt gegen Gott. Mit Recht also geht zugrunde das Gesetz der
Unterwelt, sind gelöst die Gesetze der Hölle, ist vernichtet die Macht
des Todes, und mit Recht hat die dem Richter zugedachte Schmach zur
Strafe der Vermessenheit auferweckt die Toten. Und sofort werden diesen
die Leiber wiedergegeben. Der Mensch wird erneuert, das Leben
wiederhergestellt, und alles genießt nun Gnade, weil das Strafgericht
(wieder) übergegangen ist in die Hand des Urhebers des Lebens
selbst.
"Siehe, es entstand ein starkes Erdbeben." (Warum) gerade jetzt ein
starkes Erdbeben? - O, wenn doch damals 6) ein leichter Wirbelwind den
todbringenden Baum entwurzelt hätte! O, wenn doch der Rauch eines
Nebels den Blick jenes Weibes verdunkelt hätte! O, wenn doch eine
schwarze Wolke den Glanz des todbringenden Apfels verdüstert hätte! O,
wenn doch die Hand, die nach der verbotenen Frucht langte, gezittert
hätte! O, wenn doch nur eine unheilvolle Nacht den Tag der Sünde
verdunkelt und den Jammer der Welt und die vielen Todesfälle und die
Schmach des Schöpfers damals weggenommen hätte! Aber dem Laster dient
immer die Liebkosung; gar süß schmeicheln die Sünden: die Tugend aber
hat als Freundin nur die Strenge und die Kraft!
"Denn ein Engel des Herrn stieg vom Himmel." Als Christus auferstand,
als der Tod unterlag, wur-de der Erde wiedergegeben die Verbindung mit
dem Himmel und dem Weibe, das mit dem Teufel den tödlichen Plan
eingegangen war, wird eine lebenbringende Unterredung mit dem Engel
zuteil. "Denn ein Engel des Herrn stieg vom
Himmel und wälzte den Stein weg." Nicht heißt es: "er wälzte" sondern:
"er wälzte den Stein weg". Der aufgewälzte Stein bezeugte den Tod;
weggewälzt verkündigte er die Auferstehung. O seliger Stein, der
Christum sowohl verhüllen als enthüllen durfte! Ja selig, der nicht
minder die Herzen öffnet als das Grab; selig, der den Glauben an die
Auferstehung gibt wie auch die Auferstehung des Glaubens, der bezeugt
die Auferstehung des göttlichen Fleisches! Verändert ist hier die
Ordnung der Dinge: den Tod, nicht den Toten verschlingt hier das Grab.
Das Haus des Todes wird zur Wohnstätte des Lebens; unerhört die
Eigenart dieses Mutterschoßes: er empfängt einen Toten und gebiert
einen Lebenden.
"Denn ein Engel des Herrn stieg vom Himmel, trat hinzu und wälzte den
Stein weg und setzte sich darauf." 7) Welche Veranlassung hatte denn
der Engel, sich zu setzen, er, der doch keine Ermattung kennt? Aber er
sitzt hier als Glaubensbote, als Lehrer der Auferstehung. Er setzte
sich auf einen Felsen, damit die Festigkeit dieses Sitzes den Gläubigen
verleihe die Festigkeit des Glaubens. Der Engel legte die Grundlage des
Glaubens auf den Fels, auf den Christus die Kirche gründen wollte, da
er sagte: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche
bauen" 8). "Sein Anblick", heißt es, "war wie der Blitz, und seine
Kleider waren wie Schnee." 9) Genügt denn zur Herrlichkeit des Engels
nicht der Blitz? Was tut denn das Kleid noch zu der Natur eines
himmlischen Wesens? Aber durch solchen Glanz enthüllt er Gestalt und
Weise der Auferstehung; denn die durch Christus auferstehen, werden
umgewandelt in die Herrlichkeit Christi.
"Aus Furcht vor ihm aber erschraken die Wächter und waren wie tot" 10.)
Die Elenden, die damals erschütterte die Furcht vor dem Tode, als dem
Leben die Sicherheit wiedergegeben wurde! Aber wie konnten auch sie,
die Diener der Grausamkeit, die Vollstrecker fremder Treulosigkeit,
Glauben fassen von oben? Sie belagerten das Grab, sie richten die
Pforten der Macht auf gegen die Auferstehung und machten, daß
kein Leben eintreten könne, daß der Tod nicht vernichtet würde. Ganz
mit Recht also erschüttert und wirft sie zu Boden die Ankunft des
Herrn! O, diese elenden und nie auf ihr eigenes Wohl bedachten
sterblichen Menschen: sie beklagen ihren Tod, aber sie widersetzen sich
der Möglichkeit der Auferstehung! Man hätte das Grab öffnen sollen; es
hätte sich geziemt herbeizuschaffen, was immer die Auferstehung
erleichtern konnte, damit an dem Ereignis das Wunder, an dem Vorbild
die Hoffnung, an dem Zurückgekehrten die Erfüllung sich zeige, an dem
Lebenden sich entzünde die Glaubensüberzeugung. Groß aber ist dieser
Wahnsinn, daß der Mensch nicht glauben will, wovon er wünscht, daß es
ihm dereinst beschieden sein möge.
So viel genüge heute über die Wächter gesagt zu haben. Was aber unser
Glaube daran hat, wollen wir später, weil es heute zu lang sein würde,
besprechen unter dem Beistande unseres Herrn Jesus Christus, der lebt
und regiert mit dem Vater als Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
- 24. Vortrag über das Evangelium des Matthäus -
Über die Stelle: "Der Engel
antwortete und sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht...." bis: "Und
sieh, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt." Matth. 28,
5-20.
Weil wir in der letzten Rede den ersten Teil unserer Lesung besprochen
haben, wollen wir heute vernehmen, was folgt.
"Der Engel", heißt es, "antwortete und sprach zu den Frauen: 'Fürchtet
euch nicht. Ich weiß ja, daß ihr Jesum, den Gekreuzigten, sucht. Er ist
nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht
den Platz, wo der Herr lag.'" 11) Glaubst du etwa, daß die Abwesenheit
des Petrus und des Johannes, ja die aller Jünger getadelt oder als
Feigheit gescholten werde dadurch, daß dem auferstandenen Christus
zuerst die Frauen, die allein die Nacht durchwacht hatten, voll Eifer
entgegeneilen? Wird denn der Vorrang des Mannes dadurch hervorgehoben,
daß zur Herrlichkeit der Auferstehung (ihm) vorauseilt das schwache
Weib? Das sei ferne, Brüder! Es hat dies einen tiefen Grund nicht ist
es des Zufalls Spiel; ein Geheimnis waltet vor, nicht Fügung des
Schicksals, gewollte Ordnung, nicht Schuld (irgendeines). Denn das Weib
folgt doch hier dem Manne, nicht eilt es ihm vorauf; denn der Mann war
doch (vorher) auferstanden in Christus. Erkenne also, daß Petrus nicht
zurückstand hinter den Frauen, sondern hinter Christus; daß er nicht
wich der Magd, sondern dem Herrn, dem Geheimnis sich unterwarf, nicht
dem Schlafe, der Ordnung, nicht der Furcht. Denn der Mann war auch
schon da in Christus, als der Engel zu den Frauen kam, so daß in
demselben Maße, in dem der Herr die Engel überragte, auch der Mann das
Weib überragte an Ehre.
"Fürchtet euch nicht!" Die Guten sind immer erfüllt von Liebe, die
Bösen von Furcht; die Gottlosen schreckt immer die Angst, die Frommen
tröstet die Liebe.
"Fürchtet euch nicht", d.h. fürchten sollen sich die Juden, die ihn
überliefert haben; Pilatus, der ihn verurteilt hat; die Soldaten, die
ihn verspottet, die Gottlosen, die ihn ans Kreuz geschlagen haben; die
Grausamen, die ihm den bitteren Kelch reichten; die Wuterfüllten, die
das Grab bewachen ließen; die Treulosen, die sich erkauften die Aussage
von Lügnern, aber preisgaben den Glauben; die Unmenschen, die darüber
Schmerz empfanden, daß der Herr auferstanden sei, die kein Leid darüber
hatten, daß sie ihn getötet hatten. Ihr aber sollt euch geziemend
freuen, nicht fürchten denn es ist auferstanden, den ihr als tot
gesucht, es lebt ,den ihr als tot beweintet.
"lch weiß ja, daß ihr Jesum, den Gekreuzigten, sucht", d.h. was sucht
ihr den Lebenden bei den Toten? 12) Was sucht ihr das Leben im Grabe?
Geht doch vielmehr dem Lebenden entgegen, eilt doch nicht mehr hin, dem
Toten einen Dienst zu erweisen!
"Ich weiß ja, daß ihr Jesum, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht
hier." So sprach der Engel, der das Grab nicht geöffnet hatte, damit
Christus aus demselben hervorgehen könnte, da er ja schon nicht mehr
darin war, sondern um zu zeigen, daß Christus nicht mehr da
sei.
"Er ist auferstanden, wie er gesagt hat": eine doppelte Wundertat:
zurückkehren aus dem Lande der Toten und vorherwissen das
Zukünftige.
"Kommt, seht den Platz, wo der Herr lag!" Kommt Frauen, kommt, schaut,
wohin ihr den Adam 13) gelegt habt, wo ihr den Menschen begraben habt,
wohin ihr den Mann gestoßen habt durch euren Rat, durch den ihr bewirkt
habt, daß für die Knechte der Herr selbst dort liegen mußte! Und
erkennet die ganze Größe einer solchen vergebenden Liebe gegen euch aus
der Größe der Schmach, die dem Herrn zugefügt worden
war.
"Kommt, seht den Platz, wo der Herr lag!" Es bekennt die Kraft eines
Engels, daß es der Herr ist, der gekreuzigt worden ist; und menschliche
Schwachheit ergeht sich in Erörterungen, ob es der Herr sei, der
auferstanden ist. Christus hat die menschlichen Leiden so auf sich
genommen, daß er seine Kraft nicht verlor.
"Geht eilends, sagt seinen Jüngern, daß er auferstanden ist, und sieh,
er wird euch nach Galiläa vorangehen: dort werdet ihr ihn sehen." 14)
Auch hier werden die Apostel nicht den Frauen nachgesetzt, sondern das
Weib wird von der Schuld losgesprochen, indem es die Kunde von dem
Leben bringt, die Kunde von der Auferstehung übermittelt, da es auch
überbracht hatte die Kunde von dem Tode und dem
Untergang.
"Und sie gingen", heißt es weiter, "schnell vom Grabe weg in Furcht und
großer Freude" 15) Die Frauen gehen in das Grab hinein, um teilhaftig
zu werden des Begrabenseins, Genossinnen des Leidens zu sein; sie gehen
aus dem Grabe heraus, um im Glauben aufzuerstehen, noch ehe sie
auferstanden waren im Fleische 16).
"Sie gingen hinweg in Furcht und großer Freude." Wo bleibt denn nun das
Wort: "Fürchtet euch nicht"? Die Furcht ist nicht hinweggenommen,
sondern umgewandelt. Verschwunden ist die Furcht wegen der Schuld,
geblieben aber die Furcht der Knechtschaft. Schlecht ist die Furcht ob
der Schuld, gut aber die Furcht aus Verehrung. Adam, der ihnen
geschenkt war, hatten sie verloren; nun fürchten sie, sie möchten ihn,
der ihnen wiedergeschenkt, wieder verlieren.
"In Furcht und großer Freude." Es steht geschrieben: "Dienet dem Herrn
in Furcht und frohlocket mit Zittern" 17). "In Furcht und großer
Freude." Denn "die Furcht des Herrn ist heilig und bleibt in Ewigkeit"
18). In der Heiligkeit also bleibt der, welcher in der Furcht Gottes
bleibt.
"Sie eilten nun hin, es seinen Jüngern zu melden." Und sieh, Jesus
begegnete ihnen und sprach: "Seid gegrüßt!" 19) Ihnen, die im Glauben
dahineilten, begegnete Christus, damit sie auch mit den Augen sehen
könnten, was sie im Glauben für wahr hielten, damit seine Gegenwart sie
bestärke, sie, die bis dahin ob des Gehörten noch im Zweifel waren.
"Jesus begegnete ihnen und sprach: 'Seid gegrüßt!'" Er begegnete ihnen
als der Herr, er begrüßte sie als Vater. Er ermutigt sie mit Liebe, er
hütete vor Furcht. Er grüßt sie, damit sie in Liebe ihm dienten, nicht
aber vor ihm fliehen möchten aus Furcht.
"Sie aber traten herzu und umfaßten seine Füße" 20). Er, der sich umfassen ließ, wollte auch, daß wir ihn besitzen sollten.
"Sie traten herzu und umfaßten seine Füße", damit sie wüßten, daß im
Haupte Christi der Mann sei, daß sie nur seien in den Füßen Christi,
daß es ihnen gegeben sei, dem Mann in Christo zu folgen, nicht aber ihm
voranzugehen 21).
"Er sprach zu ihnen: 'Fürchtet euch nicht!'" 22) Wie der Engel gesagt
hatte, sagt auch der Herr, damit Christus die, die der Engel gestärkt
hatte, noch stärker mache.
"Gehet vielmehr, saget meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen
sollen! Da werden sie mich sehen." 23) Christus, von den Toten
auferstanden, nimmt den Menschen wieder auf, läßt ihn nicht im Stich.
Darum nennt er sie Brüder, die er gemacht hatte zu Teilhabern seines
Leibes; er nennt sie Brüder, die er erhoben hat zu Kindern des Vaters;
er nennt sie Brüder, die er, der glückliche Erbe, gemacht hat zu seinen
Miterben.
Doch hört, wie nach der Auferstehung der Unglaube sich auch erhob.
"Sieh, da kamen einige von den Wächtern in die Stadt und meldeten den
Hohenpriestern alles, was geschehen war. Und sie kamen mit den Ältesten
zusammen, hielten Rat und gaben den Soldaten viel Geld und sprachen:
'Sagt: Seine Jünger kamen nachts und stahlen ihn, während wir
schliefen'" 24). Die Geld geben, erwerben sich etwas, um es zu
bewahren, nicht um es zu verlieren. Die Juden aber kauften sich durch
den Verkauf des Judas den Herrn, um ihn wieder zu verlieren. Und nun
werfen sie viel Geld weg, um auch noch sich selbst, Gesetz, Tempel und
Vaterland zu verlieren. Blutmenschen, voll Ränkelust, wie sie sind,
setzen sie einen falschen Preis aus, schmieden die Waffen der
Treulosigkeit, erkaufen in grausamer Tat den Glaubensbetrug, den
Wahrheitsraub. Sie bestechen die Soldaten, um als Diebstahl nur
auszugeben, was in Wirklichkeit das Geheimnis der Auferstehung
war.
"Seine Jünger kamen nachts und stahlen ihn." Nicht zufrieden damit, den
Meister getötet zu haben, sinnen sie auch noch darauf, wie sie die
Jünger verderben konnten. Die Wundertat des Meisters stempeln sie zum
Verbrechen der Jünger: "Seine Jünger kamen nachts und stahlen ihn."
Aber voll-ständig haben die Soldaten (ihr Spiel) verloren, haben die
Juden ihr eigenes Werk vernichtet; denn die Jünger trugen ihren Meister
hinweg nicht durch Diebstahl, sondern durch Glauben; nicht durch
Betrug, sondern durch Tugend, nicht durch Verbrechen, sondern durch
Heiligkeit, sie trugen nicht den Toten hinweg, sondern den Lebenden.
Deshalb werden auch die Apostel, damit sie ihn sehen könnten, nach
Galiläa geschickt, weil der Herr nicht geschaut werden kann am Orte des
Unglaubens.
Wenn er aber weiter sagt: 'Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und
auf Erden', so beweist er, daß er selbst sie sich gegeben hat, nach den
Worten des Apostels: "Gott hat in Christo die Welt mit sich versöhnt"
25).
Der Sohn Gottes hat dem Sohne der Jungfrau, Gott dem Menschen, die
Gottheit dem Fleische mitgeteilt, was er immer mit dem Vater und dem
Hl. Geiste besaß. Und deshalb sagt er auch: "Geht hin, taufet alle
Völker im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistets" 26),
damit alle Völker eine und die gleiche Gewalt zurückführe zum Heile,
wie sie sie auch geschaffen hatte zum Leben.
"Und sieh", heißt es, "ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der
Welt." 27) Er ist immer bei uns, der immer ist beim Vater, und er wird
zu uns kommen in dem, was er von uns angenommen hat.
Wozu noch viele Worte, Brüder? Daß er geboren, daß er litt, daß er
auferstand, daß er (uns) annahm, erforderte nicht sein Bedürfnis,
sondern unsere Rettung!
Anmerkungen:
1) Wahrscheinlich am 1. Ostertage.
2) Matth. 28, l.
3) Vgl. Gen. 3, 20.
4) Venit ipsa sed altera, altera sed ipsa.
5) Matth. 28, 2.
6) D.i. bei der Versuchung von Adam und Eva.
7) Matth. 28, 2.
8) Matth. 16, 18.
9) Matth. 28, 3.
10) Matth. 28, 4.
11) Matth. 28, 5f.
12) Vgl. Luk, 24, 5.
13) Vgl. 1 Kor. 15, 45.
14) Matth. 28, 7.
15) Matth. 28, 8.
16) Vgl. Röm. 6, 3.
17) Ps. 2, 11.
18) Ps. 18, 10.
19) Matth. 28, 8 f.Matth. 28, 8 f.
20) Matth. 28, 9.
21) Vgl. 1 Kor. 11, 9.
22) Matth. 28, 10.
23) Matth. 28, 10.
24) Matth. 28, 10.
25) 2 Kor. 5, 19.
26) Matth. 28, 19.
27) Matth. 28, 20.
(Sermo 74 und 80 in: "Bibliothek der Kirchenväter" Bd. 28, Kempten und München 1916, (S. 130-140) |