OMNIA INSTAURARE IN CHRISTO
Zum Fest des hl. Pius X. am 3.September
von
Heinrich Storm, München
"Alles erneuern in Christus": Das war das Lebensziel und das Programm
des hl.Papstes Pius' X. Im Konklave nach dem Tod Leos XIII. sprach am
2.August 1903 der Bischof von Krakau, Kardinal Pusyna, im Namen
Sr.Apostolischen Majestät, des Kaisers von Österreich, das Veto gegen
Kardinal Rampolla, den Staatssekretär des verstorbenen Papstes, aus.
Wahrscheinlich wußte er damals nicht, welchen Dienst er der Kirche
damit geleistet hatte, ja, daß er Werkzeug Gottes geworden war, um
einen Heiligen an ihre Spitze zu berufen: Am 4.August 1903 wurde
Giuseppe Kardinal Sarto, der bisherige Patriarch von Venedig, zum Papst
gewählt und legte sich den Namen "Pius" zu, zum Andenken an die Päpste,
die im vergangenen Jahrhundert am meisten für die Kirche gelitten
haben."
Giuseppe Sarto, wie der neue Papst mit bürgerlichem Namen hieß, stammte
aus einfachsten Verhältnissen. Am zweiten Juni 1835 kam er in Riese,
einem Dorf im Venezianischen, als Sohn des Postboten dieser Gemeinde
zur Welt. Da seinen Eltern nach ihm noch weitere acht Kinder geboren
wurden, kann man sich vörstellen, daß es im Hause Sarto alles andere
als reichlich zuging. Doch waren die Eltern Sarto, fromme,
gewissenhafte Menschen, denen in erster Linie daran gelegen war, ihren
zahlreichen Kindern eine wahrhaft christliche Erziehung zu geben. Vor
allem an seine Mutter bewahrte Pius X. ein dankbares Andenken: "...
eine musterhafte Frau, verständige Gattin und unvergleichliche Mutter,
in Freud und Leid Gott ergeben, ebenso gelassen als starkmütig...", so
charakterisierte er sie einmal. Auf ihr Zureden stimmte denn auch der
Vater schließlich zu, als Giuseppe, sein Ältester, der schon von Kind
an durch besondere Frömmigkeit aufgefallen war, den Wunsch äußerte,
Priester zu werden, obwohl dem armen Postboten das bei dem ohnehin
knappen Lebensunterhalt der Familie sicher nicht leicht fiel.
Am 13.November 1850 trat der junge Giuseppe in das Priesterseminar zu
Padua ein, um arn 18.September 1858 die Priesterweihe zu empfangen. Im
gleichen Jahr begann er sein seelsorgerliches Wirken als Kaplan in
Tombolo. Nachdem er dort acht Jahre lang segensreich gewirkt hatte,
wurde er 1867 zum Pfarrer von Salzano ernannt, und damit begann sein
langsamer aber stetiger Aufstieg in der Hierarchie, der ihn über die
Stationen eines Domherrn in Treviso (1875), Bischofs von Mantua (1884),
Kardinals und Patriarchen von Venedig (1893) schließlich zur höchsten
Würde der Christenheit, dem Papstum, führte. In all den verschiedenen
Ämtern, die er bekleidete, erwies er sich stets vor allem als ein
begeisterter Seelsorger, der alle körperlichen und geistigen Kräfte,
oft bis zur völligen Erschöpfung, für das Wohl der ihm anvertrauten
Seelen einsetzte. Selten schlief er mehr als vier Stunden oder gönnte
sich eine noch so wohlverdiente Pause. Seine Frömmigkeit und Andacht,
vor allem bei der Feier des heiligen Opfers, war beispielhaft. "Mir
schien, als sähe ich Christus selber am Altare", berichtete ein
einfacher Dörfler schon über den Kaplan Sarto. Die Milde und
Freigebigkeit des Priesters Sarto kannte keine Grenzen. Wenn man ihn
nicht fast mit Gewalt daran gehindert hätte, so hätte er wohl auch
buchstäblich sein letztes Hemd an die Armen verschenkt. Noch als
Patriarch von Venedig war seine Wohltätigkeit so groß, daß er einem
Freund, der ihn um Hilfe anging, schreiben konnte: "Ich schäme mich,
auf Ihren Hilferuf mit dieser kärglichen Gabe zu antworten, muß jedoch
bekennen, daß ich unmöglich mehr tun kann, denn wenn ich in Mantua
immer arm war, so bin ich hier ein Bettler geworden."
Bei solchen Eigenschaften nimmt es nicht wunder, daß Giuseppe Sarto an
allen Orten reiche Früchte seines Wirkens hinterließ und man ihn daher
nur ungern aus einem Amte scheiden sah. Doch auch er selbst tat sich
jedes Mal von neuem sehr schwer, wenn ihm wieder einmal ein neues,
höheres und verantwortungsvollores Amt übertragen wurde. Das lag zum
einen an seiner großen Anhänglichkeit an seine jeweiligen Pfarrkinder
bzw. Diözesanen, zum anderen aber auch daran, daß er alles andere, als
ehrgeizig nach Titeln und Ämtern zu streben, im Sinne hatte. Im
Gegenteil je höher das Amt war, das ihm angetragen wurde, desto stärker
wehrte er sich gegen seine Annahme. Mußte ihm schon die Annahme des
Bischofsamtes und noch mehr die des Patriarchats und Kardinalats von
Leo XIII. ausdrücklich geboten werden, so wehrte er sich beinahe
verzweifelt, unter Weinen und Flehen, als er die Bürde des Papstums auf
sich zukommen sah, und gab seinen Widerstand erst nach dem eindeutigen
Votum der Kardinäle, in dem der unmißverständliche Wille Gottes sich
kundtat, auf. Es war nicht etwa Angst vor den höheren
Leistungsanforderungen des jeweiligen Amtes, sondern sein großes
Verantwortungsgefühl der von Gott gestellten Aufgabe gegenüber, seine
Demut und seine Bescheidenheit, die ihn dazu veranlassten. Als seine
Mutter nach seiner Erhebung zum Bischof berechtigte Freude äußerte,
schrieb er ihr besorgt zurück: "Mutter, Mutter, Ihr wißt nicht, was es
heißt, Bischof zu sein. Meine Seele geht verloren, wenn ich meine
Pflicht nicht erfülle." Seiner Bestürzung über seine Wahl zum Papst gab
er in einem Brief an einen geistlichen Freund Ausdruck: "Ich habe mich
noch nicht richtig von der Bestürzung erholt, in die mich das
entsetzliche Kreuz, das auf mir lastet, versetzt."
Doch diese Bestürzung, so groß sie auch sein mochte, hielt ihn nicht
davon ab, das ihm auferlegte Kreuz willig und gehorsam in der Nachfolge
Jesu Christi auf sich zu nehmen. "Im Vertrauen auf Gottes Kraft legen
Wir Hand ans Werk und erklären, daß das leitende Ziel Unseres
päpstlichen Waltens das ist: "in Christus alles erneuern", auf daß
"Christus alles in allem sei", heißt es in seiner Antrittsenzyklika "E
supremi apostolatus cathedra". Niemand wußte besser als Pius X., wie
sehr eine solche Erneuerung in Christus der Kirche, ja der ganzen
Menschheit nottat, weil niemand sich weniger Illusionen als er über die
Gottesferne und Christusfeindschaft unserer Zeit machte. Und so konnte
er denn auch unsere Zeit in der schon einmal zitierten Enzyklika
folgendermaßen analysieren: "Es ist ja allen bekannt, daß die
menschliche Gesellechaft heute an einer schweren, tief eingesessenen
Krankheit leidet, wie sie die früheren Zeiten nicht gekannt haben. Tag
für Tag wächst dieselbe und schleppt ihre Opfer in gänzlicher
Zerrüttung dem Untergange zu. Ihr wißt, ehrwürdige Brüder, welches
diese Krankheit ist. Der Abfall, die Trennung von Gott, dieser engste
Bundesgenosse des Verderbens, nach dem Wort des Propheten: "Siehe, die
sich weit von Dir machen, kommen um." An einer anderen Stelle heißt es:
"Die Betrachtung dieser Zustände ruft unwillkürlich die Befürchtung
wach, als hätten wir in dieser Verderbnis der Herzen die Vorboten, ja
den Anfang jener Übel vor uns, welche am Ende der Zeiten zu erwarten
sind."
Jedoch ließ es Pius X. nicht bei dieser allgemeinen Charakteristik der
Lage bewenden. Er war sich vollkommen klar darüber, daß die Kirche es
nicht nur, wie in früheren Zeiten, vorwiegend mit äußeren, sondern vor
allem mit inneren Feinden zu tun hatte. Diese Zersetzung der Kirche von
innen her bereitete nicht erst dem Papst die größten Sorgen. Schon der
Bischof von Mantua hatte von den "katholischen Liberalen" als den
"Wölfen im Schafspelz" gewarnt und seine Priester dazu ermahnt, deren
schlechte Absichten unnachsichtig zu entlarven: "Man wird euch
Papisten, Klerikale, Rückständige, Unversöhnliche nennen. Betrachtet
das als eine Ehre und achtet nicht auf den Spott und Hohn der
Verirrten."
Diese Tugend der Gleichgültigkeit gegen Spott und Hohn, die der Bischof
seinen Priestern anempfahl, mußte nun der Papst in reichem Maße üben,
als es darum ging, den "Modernisten" und ihrer Lehre unmißverständlich
den Kampf des apostolischen Lehramtes anzusagen. Dies geschah am
3.September 1907 durch die Enzyklika "Pascendi Dominici gregis", die
den Modernismus, "das Sammelbecken aller Häresien", feierlich
verurteilte. In ihr verdammt der heilige Papst die Lehren all jener
"blinden Blindenführer", wie die Enzyklika sie nennt, die da meinen,
der Glaube sei nichts anderes als das "religiöse Gefühl", das "aus den
Tiefen des Unterbewußtseins ins Bewußtsein steige" und nicht, wie die
Kirche es allzeit gelehrt hat, die "wahrhaftige Zustimmung der
Intelligenz zu der Wahrheit."
Von den weiteren Irrlehren der Modernisten hebt die Enzyklika vor allem
den Evolutionismus hervor: "So kommen sie also auf die Entwicklung,
sozusagen die Quintessenz ihrer ganzen Lehre. Dogma, Kirche, religiöser
Kult, die Bücher, die wir als heilige verehren, ja auch der Glaube
selbst müssen, wenn wir sie nicht alle für abgestorben erklären wollen,
unter den Gesetzen der Entwicklung stehen."
Doch war die feierliche Verurteilung all dieser Häresien für Pius X.
erst der Beginn des Kampfes gegen Modemisten und Modernismus, den er
nun tatkräftig weiterführte, indem er modernistische Professoren von
den Priesterseminarien und katholischen Lehranstalten entfernen, den
Modernismus durch Wort und Tat vertretende Priester suspendieren ließ
und verbot, solche Priesteramtskandidaten, bei denen der Verdacht auf
modernistische Gesinnung bestand, zu den Weihen zuzulassen. 1910 ließ
er dann den sogenannten "Antimodernisteneid" folgen, durch den die
Priester und Professoren der katholischen Theologie ihre Othodoxie
feierlich geloben und dem Modernismus abschwören mußten.
Der Kampf gegen den Modernismus hat Pius X., den man vorher vielfach
nur als den "armen Landpfarrer", als der bezeichnet zu werden er
liebte, einschätzte, sehr viele Feinde eingetragen, aber es ist seinem
Mut zu danken, wenn die heimtückischen Zerstörer der Kirche von innen
her noch einmal, wenn auch nur für ein halbes Jahrhundert, siegreich
zurückgeschlagen wurden.
Unbeugsame Festigkeit bewies Pius X. auch gegenüber den Staaten und
ihren Führern. Deshalb erklärte er gleich zu Beginn seines Pontifikates
sein völliges Desinteresse an irgendwelchen politischen Zielen: "Es
wird gewiß nicht ausbleiben, daß man das Göttliche mit dem Maßstabe des
Menschlichen mißt, die Absichten Unseres Innern zu ergründen und im
Sinne weltlicher Bestrebungen und Parteiziele zu deuten sucht. Solche
eitlen Hoffnungen wollen wir von vornherein mit der bestimmten
Versicherung abschneiden, daß Wir nichts sein wollen und mit Gottes
Hilfe vor der menschlichen Gesellschaft nichts sein werden als der
Diener Gottes, in dessen Namen Wir walten." In diesem Bewußtsein
protestierte er feierlich gegen die Trennung von Staat und Kirche in
Frankreich: "Das Gesetz (der Trennung von Staat und Kirche,
Anm.d.Verf.) ist ein schweres Unrecht gegen Gott, welchen es feierlich
entrechtet, indem es den Grundsatz durchführt, daß der Staat jeglicher
Teilnahme an der Gottesverehrung sich entschlagen soll." Lieber
verzichtete er daher auf die gesamten irdischen Güter der französischen
Kirche, als daß er sie ihr unter Bedingungen erhielt, die ihrer
göttlichen Verfassung in keiner Weise angemessen und würdig waren. Mit
ähnlicher Kompromißlosigkeit begegnete er kirchenfeindlichen
Regierungen in Spanien und Portugal.
Doch hieße es den wahren Mittelpunkt dieses ruhmreichen Pontifikates zu
übersehen, wollte man bei diesen vorwiegend defensiven Maßnahmen
Pius'X. stehen bleiben und daneben jene unerwähnt lassen, mit denen er,
treu seinem Wahlspruche, wahre Aufbauarbeit im Reiche Christi leistete.
Hier muß an erster Stelle seine Sorge für die Reinerhaltung des
Priesterstandes genannt werden, die schon für den Bischof und Kardinal
Sarto im Mittelpunkt stand in der klaren Erkenntnis, daß die Kirche
Jesu Christi steht und fällt mit ihren Priestern. Nicht auf viele,
sondern auf heilige Priester kam es ihr an. In der wunderbaren
"Ermahnung an den Klerus", die er anläßlich seines fünfzigjährigen
Priesterjubiläums am 4.8.1908 veröffentlichte, heißt es über die
Aufgaben des Priesters: "Ein besonderes Maß an Belehrsamkeit, Geschick
und Erfahrung in der praktischen Arbeit können zwar der Kirche und den
einzelnen manche Vorteile bringen, aber nicht selten wirken sie
schädlich. Wer hingegen mit Heiligkeit geschmückt ist, kann - selbst
wenn er im Übrigen als der letzte zu betrachten wäre - eine
segensreiche Tätigkeit im Volk Gottes unternehmen und zur Vollendung
bringen. (...) Nur die Heiligkeit macht uns zu Menschen, wie die
göttliche Berufung sie haben will: Menschen, die der Welt gekreuzigt
sind und für die die Welt gekreuzigt ist; Menschen, die ein neues Leben
leben." Nur Priester, die ihr Leben nach dieser Norm ausrichten, sind
fähig, das Volk durch Wort und Beispiel zu lehren und damit eine der
Hauptursachen für die religiöse Indifferenz unserer Zeit, die nach Pius
X. die Unwissenheit ist, zu bekämpfen."Kein Fortschritt der
Wissenschaft werde deshalb als Gefahr für das Glaubenslicht betrachtet
als vielmehr der Mangel an Kenntnissen; je größer daher irgendwo die
Unwissenheit ist, desto weiter greift der offene Abfall vom Glauben um
sich."
Ein weiterer Schwerpunkt im Wirken Pius' X.ist seine Verehrung der
Gottesmutter. Schon als Junge betete er oft und gern im
Muttergottesheiligtum von Cendrole, nahe seinem Heimatdorf gelegen. Die
Verehrung der allerseligsten Jungfrau durchzieht sein ganzes Leben,
"Denn wer sieht nicht ein, daß es kein sichereres und leichteres Mittel
gibt, alle mit Christus zu vereinigen und durch Ihn die vollkommene
Kindschaft zu erlangen, damit wir selig und makellos vor Gott seien,
als die Verehrung Marias?" wie es in seiner Enzyklika "Ad diem illum
laetissimum" (zum 50.Jahrestag der Verkündung des Dogmas von der
Unbefleckten Empfängnis durch Pius IX.) von 1904 heißt. Immer wieder
empfahl Pius X. den Gläubigen daher das Rosenkranzgebet und ermutigte
sie zum festen Glauben an den Beistand der Jungfrau: "selbst in den
verzweifeltsten Lagen, sie wird den Kampf verfolgen, den sie von ihrer
Empfängnis an begonnen, so daß es jeden Tag von ihr heißen kann: heute
ist der Schlange von ihr der Kopf zertreten worden."
Schließlich ist Pius X. auch der Papst, der die Liebe zur heiligen
Eucharistie beispielhaft förderte und ihre Verehrung vermehrte, wo er
nur konnte, so daß man ihn geradezu den "eucharistischen Papst" genannt
hat. Gründlich und energisch räumte er mit den letzten Resten der
jansenistischen Häresie, durch die der Kommunionempfang in den
vergangenen Jahrhunderten in erschreckendem Maße zurückgegangen war,
auf. Dagegen förderte er alle Unternehmungen, die sich im besonderen
Maße die Verehrung der heiligen Eucharistie zum Ziel gesetzt hatten und
dazu geeignet waren, die Gläubigen zum häufigeren Empfang der
hl.Kommunion anzuhalten, darunter vor allem die eucharistischen
Kongresse. Durch das Dekret "Quam singulari Christus amore" ließ er die
Kinder wiederum vom 7.Lebensjahr an zur heiligen Kommunion zu, damit
sie schon von klein auf durch die himmlische Nahrung in der Treue zu
Christus gefestigt würden. Zu einer Pilgergruppe sagte er einmal: "Die
heilige Kommunion ist der kürzeste und sicherste Weg zum Himmel. "Es
ist so leicht, sich dem heiligen Tisch zu nahen und Himmelsfreuden zu
genießen."
Pius X. war im wahrsten Sinne des Wortes eine "Heiliger Vater". Das
spürten auch die Römer, die ihn in liebevoller Abwandlung seines Namens
den "Papa Santo" (Heiligen Papst) nannten. Wer ihm begegnete, war tief
beeindruckt von einer Persönlichkeit, der wahre Heiligkeit, aber auch
väterliche Güte und Humor anhafteten. Schon zu seinen Lebzeiten stand
er im Rufe, Wunder zu wirken. Auch sagte man ihm eine Fähigkeit nach,
die vor ihm schon der Pfarrer von Ars besessen hatte, nämlich die,
Taten und Absichten von Menschen durch ihren bloßen Anblick bestimmen
zu können.
Unter seinen Propheezeiungen war eine der düstersten die Vorahnung des
Ersten Weltkrieges, die den letzten Teil seines Lebens überschattete.
Immer wieder sprach er von "dem großen Krieg, der kommen wird". Niemand
litt mehr als er, als die furchtbaren Ereignisse ihm schließlich
rechtgaben: "Meine armen Kinder! Das ist die letzte Prüfung, die Gott
mir sendet. Gern würde ich mein Leben als Opfer hingeben, könnte ich
diese furchtbare Gottesgeisel zurückhalten!" Der Krieg hat die
Lebenskraft dieses großen Papstes gebrochen: "Ich leide für alle, die
auf den Schlachtfeldern sterben ... O dieser Krieg! Ich spüre es,
dieser Krieg ist mein Tod."
Er, der nach seinem eigenen Geständnis "arm an allem, aber reich an
Liebe" war, hatte nichts mehr zu geben als sein Leben. Am 20.August
1914 starb er, tief betrauert von der gesamten katholischen
Christenheit, der ein wirklicher Vater genommen worden war. Sein
Testament legte noch einmal Zeugnis ab für die evangelische Einfachheit
seiner Lebensführung. Es beginnt mit den Worten: "Arm bin ich geboren,
arm habe ich gelebt und ich bin sicher, daß ich in größter Armut
sterben werde." Für alle, die ihn zu Lebzeiten aus nächster Nähe hatten
beobachten können, war es daher der größte Wunsch, ihn einst zur Ehre
der Altäre erhoben zu sehen.
Im Jahre 1943 schließlich wurde der Seligsprechungsprozeß Pius' X.
eingeleitet, um im Jahre 1951 mit der feierlichen Seligsprechung durch
Pius XII. zu enden. 1954 wurde Papst Pius X., als erster Papst seit
Jahrhunderten, nämlich seit Pius V. in die Schar der Heiligen
eingereiht.
An seinem Grabmal in der Peterskirche zu Rom sind die schönen und ergreifenden Worte zu lesen:
Pius P.P.X.
Pauper et dives
Mitis et humilis corde
Instaurare omnia in Christo satagens
Pie obiit XX. Aug. A.D. MCMXIV
(Papst Pius X.
arm und doch reich
sanft und demütig von Herzen
Ein starker Verteidiger der katholischen Sache
Bestrebt, alles zu erneuern in Christus
Starb fromm am 20. Aug. A.D. 1914)
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