WARUM LATEIN?
von
Dr. Joachim May, Schaftlach
Daß die vom letzten Konzil keineswegs vorgeschriebene, aber erlaubte
Verwendung der Landessprache anstelle der lateinischen Kultsprache in
der Messe fast überall hierzulande zur Verbannung des Lateins geführt
hat, weiß der Kundige. Die weitreichenden Folgen dieser Preisgabe sind
allerdings nur wenigen klar. Richtig gesehen hat sie Reinhard Raffalt
in seiner Fernsehsendung "Der Verfall der römischen Tradition in der
katholischen Kirche" (ARD, 4. und 8.4. 1971). Darin sagte Raffalt:
"Warum Latein? Es war eine Universalsprache, auf die keine Nation einen
Sonderanspruch hatte. Und es war eine Sprache, die genaue
Formulierungen erzwingt... Warum Latein? Ich glaube, weil diese Sprache
unbrauchbar ist, einem nebulosen Gedanken Worte zu leihen. Wer die
Unterscheidung zwischen dem Wesentlichen und dem Unwichtigen nicht
getroffen hat, bevor er spricht, dem geht jede lateinische Konstruktion
in die Irre. Auch verlangt das Latein für einen Gedanken einen einzigen
Satz. Zwang also - aber zur Klarheit des Geistes und zur Präzision des
Wortes. - So stand in der alten Kirche neben der Disziplin der
Lebensform die Disziplin des Denkens und der Sprache, einheitlich für
die ganze katholische Welt. Heute, wo unser Erdball in einem
schmerzhaften Prozeß nach Einheit strebt, gibt der katholische Klerus
gegen den ausdrücklichen Willen des Konzils die eine Sprache der Kirche
auf, indem er sie einfach nicht mehr gebraucht. Die Volkesprache in der
Messe ist kein Gegengrund, wie das Konzil richtig gesehen hat. Eine
neue, gleichwertige Ausdrucksform der Universalität gibt es nicht...
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