HAT DIE KIRCHE DAS RECHT?
ODER DIE KRITISCHE FRAGE, OB DER PAPST RECHTENS
DIE FORM EINES VON JESUS CHRISTUS EINGESETZTEN SAKRAMENTES ÄNDERN DARF.
von Henry Omlor,
aus dem Englischen übersetzt von Günther Mevec, Gröbenzell.
EINE KRITISCHE FRAGE
In vielen Teilen des Lagers der orthodoxen Katholiken wird an der
Auffassung festgehalten, daß die Messe mit dem englisch-sprachigen
Kanon ungültig oder wenigstens sehr wahrscheinlich ungültig ist. Die
primäre theologische Grundlage für den Zweifel an der Gültigkeit der
englischen Version besteht darin, daß die Neuerer und sogenannten
Übersetzer es in ihrer unglaublichen Unverfrorenheit wagten, eine
Änderung in der Form selbst für die Konsekration des Kelches
einzuführen. Diese Worte Unseres Herrn selbst, die Er bei der
Einsetzung des Sakramentes der Hl.Eucharistie gebrauchte, machen das
innerste Wesen der Messe aus.
Wenn also im Schlußteil des Satzes die Worte "für alle" anstatt
der Worte "für viele" gesetzt wurden - "[das Blut] das für Euch und
für alle zur Vergebung der Sünden vergossen wird" -, so hat man
sich damit an der Existenz der Messe vergriffen. [Die systematischen
Gründe, warum es bei der Konsekration des Kelches nicht "für alle"
heißen kann, hat F.Bader in der letzten Nummer von EINSICHT, S.1-8
dargelegt.- Anm.d.Übersetzers]
Durch die Verstümmelung des Sinnes der Worte Christi ergeben sich
Implikationen und Konsequenzen dieser speziellen Veränderung, die in
der Tat tiefgreifend sind. Es ist indes nicht meine Absicht, hier die
gesamten theologischen Gründe durchzugehen, die den sicheren Hinweis
darauf geben, daß die Veränderung der Form die Messe de facto ungültig
gemacht hat. Ich möchte hier vielmehr nur einen Aspekt der ganzen Frage
behandeln, nämlich ob diese Neuerung "für alle" vom Heiligen Stuhl
sanktioniert wurde oder nicht. Letzteres scheint nämlich die kritische
Frage zu sein, die von vielen gestellt wird.
Eigentlich ist diese Frage bereits lange, bevor sie gestellt wurde,
beantwortet worden. Denn es ist die unveränderliche Lehre des
Lehramtes, daß nicht einmal die Kirche, d.h. kein Papst, kein Bischof,
weder die vereinigten Bischöfe zusammen, noch auch ein Konzil das Recht
oder die Gewalt hat, Neuerungen, die das Wesen der Sakramente
betreffen, einzuführen. Um zu verstehen, wie diese Lehre auf den
gegenwärtigen in Frage stehenden Fall bezogen werden kann, ist es
erforderlich zu wissen, was unter "dem Wesen eines Sakramentes" zu
verstehen ist. Das soll im Folgonden erklärt werden.
DIE KIRCHE HAT GESPROCHEN
Hinsichtlich der Beschränkung der Rechte und der Macht des Papstes und
der Kirche bestehen wenigstens vier eindeutig bestimmte Aussagen des
Lehramtes. Alle vier sind in Denzingers "ENCHIRIDION SYMBOLORUM", dem
zuständigsten Kompendium von Definitionen und Deklarationen zu
Glaubens- und Sittenfragen, enthalten.
1) In dem Brief SUPER QUIBUSDAM (29.September 1351) lehrte Clemens VI.:
"Bezüglich der Spendung der Sakramente kann der Papst verschiedene
Riten der Kirche Christi dulden oder sogar erlauben, [... jedoch] ohne
dabei das anzutasten, was die innere Geschlossenheit und die
notwendigen Momente der Sakramente betrifft."
2) Das Konzil von Trient sagte in seiner XXI.Sitzung, Kap.2: "Es (das
tridentinische Konzil) deklariert des weiteren, daß die Kirche immer
die Macht gehabt hat, bezüglich der Austeilung der Sakramente, und ohne
ihr Wesen zu verletzen, festzusetzen oder zu ändern, wenn sie dachte,
daß sich dies des Heiles jener wegen schicke, die die Sakramente
empfangen, oder wenn es der Verehrung der Sakramente dienlich sei, je
nach der Verschiedenheit der Umstände, der Zeit und des Ortes."
3) Der hl.Papst Pius X. in seinem Brief EX QUO, NONO (26.Dez. 1910):
"Es ist bekannt, daß die Kirche kein wie auch immer geartetes Recht
hat, Neuerungen einzuführen, die das Wesen der Sakramente berühren."
4) Und schließlich gab Papst Pius XII. am 30.Nov.1947 die apostolische
Konstitution SACRAMENTUM ORDINIS heraus, die dasselbe Prinzip
wiederholt und verdeutlicht: "Wie das tridentinische Konzil lehrt, sind
die sieben Sakramente des Neuen Gesetzes von Jesus Christus, Unserem
Herrn, eingesetzt worden, und die Kirche hat keinerlei Macht über "das
Wesen der Sakramente", d.h. über die Dinge, zusammen mit dem Ursprung
der göttlichen Offenbarung als Zeugen, von denen Christus der Herr
festsetzte, daß sie in einem sakramentalen Zeichen zu erhalten sind.
Kraftvoll und unzweideutig ist die Sprache Pius' X.: "kein wie auch
immer geartetes Recht". Die Worte Pius' XII."keine Macht" sind ebenso
unzweideutig. Diese Verbote - das ist zu beachten - beziehen sich auf
"das Wesen" der Sakramente.
WESEN GEGEN ZEREMONIELL
Ehe wir den Sinn des "Wesens" eines Sakramentes untersuchen, scheint es
nützlich, einige andere Aspekte des Sakraments zu bedenken, die nicht
unter diesen Begriff des[Wesens] fallen.
In seiner Bulle "Apostolicae Curae" hat Leo XIII. eine wichtige
Unterscheidung getroffen: "Im Ritus zur Durchführung und Verteilung
eines Sakramentes muß zwischen dem Zeremoniell und dem "wesentlichen"
Teil des Sakraments unterschieden werden. Der Letztere wird gewöhnlich
als "Form und Materie" bezeichnet. Obwohl es der Kirche verboten ist,
die Form oder Materie eines Sakraments im geringsten zu verändern, kann
sie doch an den nicht-wesentlichen Riten oder am zeremonialen Teil, der
der Ausspendung der Sakramente dient, wie z.B. Prozessionen, Gebete
oder Hymnen, bevor oder nachdem die eigentlichen Worte der "Form"
gesprochen werden, Dinge ändern, abschaffen oder einführen.
Doch sollte jeder Katholik wissen, daß nicht einmal der Papst zu
bestimmen vermag, daß z.B. Alkohol statt Wasser als die Materie des
Taufsakraments gebraucht werden dürfe, oder daß die Worte "ich taufe
Dich" gebraucht werden anstatt "Ich taufe Dich im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes." Neuerungen wie diese wären
Beispiele von Vergreifen am Wesen eines Sakraments.
Wie von den Theologen gewöhnlich erklärt wird, besteht das Wesen eines
Sakramentes in den Elementen, die absolut notwendig sind, damit ein
Sakrament gegeben sei, d.h. Form und Materie. Unter Materie wird das
bestimmte sinnliche Etwas verstanden, das bei dem äußerlichen Ritus des
Sakraments gebraucht wird, z.B. Wasser bei der Taufe, Brot und Wein in
der Heiligen Eucharistie. Die Form hingegen ist die Reihe bestimmter
festgesetzter Worte, gesprochen durch den, der das Sakrament vollzieht.
"Das Wort", sagt der hl.Augustinus, "ist dem Element beigesellt und es
wird zum Sakrament."
Addid und Arnolds "Catholic Dictionary" sagt dazu folgendes: "Das
Konzil von Trient bestimmte, daß - wiewohl die Kirche Riten und
Zeremonien ändern darf - sie doch nicht das Wesen eines Sakramentes
verändern darf. Das ergibt sich aus dem Wesen des Sakraments. Form und
Materie haben in sich keine Kraft, Gnaden zu spenden. Diese Kraft liegt
allein bei Gott, der die versprochenen Gnaden vom Gebrauch gewisser
Dinge (Materie) und Worte (Form) abhängig machte, damit, wenn diese in
ihrem Wesen verändert werden, das Sakrament gänzlich abwesend ist."
Unsere gegenwärtige Untersuchung, die speziell auf das Sakrament der
Heiligen Eucharistie bezogen ist, fragt, ob das Ersetzen der
Konsekrationsworte "für viel" durch die Worte "für alle" ein Vergehen
gegen das Wesen des Sakraments darstellt. Aus diesem Grunde müssen wir
ein dieses Sakrament auszeichnendes Merkmal betrachten, nämlich daß es
(das Sakrament) als "in specie" eingesetzt wurde. So lesen wir in "The
Catholic Encyclopedia" (V.XIII,p.299, 1913 ed.): "Christus legte fest,
welche Gnaden durch äußerliche Riten mitgeteilt werden sollten.
Bezüglich mancher Sakramente - z.B. für das der Taufe, der Heiligen
Eucharistie bestimmte Er (in specie), d.h. ganz genau, Form und
Materie. Bezüglich anderer legte Er nur in allgemeiner Hinsicht (in
genere) fest, daß sie mit einer äußerlichen Zeremonie vollzogen werden
sollten, durch welche die besonderen Gnaden mitgeteilt würden. Doch
überließ Er es (bezüglich der letzteren) den Aposteln oder der Kirche,
zu entscheiden, was Er offen gelassen hatte: z.B. Form und Materie der
hl.Firmung und der Ordination festzulegen."
Da die Heilige Eucharistie "in specie" eingesetzt wurde (darüber sind
sich alle Theologen einig), denn Unser Herr hat dazu beim letzten Mahl
die Worte der Form bestimmt, so blieb in dieser Hinsicht absolut nichts
übrig, was die Kirche noch hätte weiters festlegen können.
DIE FORM DER HEILIGEN EUCHARISTIE
Die Materie der Hl.Eucharistie ist zweifach, nämlich Brot und Wein.
Zweifach ist auch die Form. Hier geht es uns nur um die Form der
Konsekration des Weins. "Bezüglich der Konsekration des Weines",
belehrt uns der vom tridentinischen Konzil herausgegebene Katechismus,
"ist es notwendig [...], daß die Priester die Form gut kennen und
sie verstehen. Wir sind aber fest überzeugt, daß sie in den folgenden
Worten besteht:
"DAS IST DER KELCH MEINES BLUTES, DES NEUEN UND EWIGEN BUNDES
-GEHEIMNIS DES GLAUBENS -, DAS FÜR EUCH UND FÜR VIELE VERGOSSEN WIRD
ZUR VERGEBUNG DER SÜNDEN." An dieser Form kann niemand zweifeln."
Hier ist ein Wort am Platz über die große Autorität des Katechismus des
tridentinischen Konzils, der auch als Römischer Katechismus bekannt
ist. In einer feierlichen Entscheidung hat das Konzil von Trient die
Echtheit der sakramentalen Formen garantiert und im Katechismus
bestimmt: "Die Form für jedes der Sakramente wird durch das heilige
Konzil in einem Katechismus vorgeschrieben, den die Bischöfe sinngetreu
in die Sprache des Volkes übersetzen und dem Volk durch die Priester
erklären lassen werden." (XXIV.Sitzung, Kap.7) Während der vierhundert
Jahre des Bestehens dieses Katechismus wurde sein Gebrauch von
zahlreichen Päpsten und Konzilien anbefohlen. Eine in naher
Vergangenheit gegebene päpstliche Empfehlung ist in der Enzyklika des
hl.Pius X. "Acerbo Nimis"' enthalten. Er empfahl darin allen Treuen,
den Römischen Katechismus zu lernen und zu befolgen.
In gleicher Weise bestimmt ein Entscheid des Konzils von Florenz
dieselbe identische Form: "In der Konsekration des Blutes gebraucht die
Kirche diese Form der Worte: "DAS IST DER KELCH MEINES BLUTES... DAS
FÜR EUCH UND FÜR VIELE VERGOSSEN WIRD ZUR VERGEBUNG DER SÜNDEN."
Viele Theologen von hoher Autorität, darunter der Hl.Thomas von Aquin,
die Salmanticener und alle frühen Thomisten hielten bis Cajetan
einstimmig daran fest, daß all diese Worte (eingeschlossen natürlich
die veränderten "für viele") für die Gültigkeit notwendig sind und
daher zum Wesen des Sakraments gehören.
Andere Theologen sind jedoch der Ansicht, daß nicht alle der oben
genannten Worte für die Gültigkeit genügen würden. Der hl.Bonaventura
und Cajetan sind wohl die hervorragenden Autoritäten der Schule, die
diese Ansicht vertrat. Doch geben selbst die Cajetan-Thomisten zu, daß
die hier diskutierten Worte "das Blut, das vergossen wird für Euch und
für viele..." in der Tat zum Wesen der Form gehören, obschon sie die
Notwendigkeit dieser Worte für die Gültigkeit der Konsekration leugnen.
Das besagt, daß sie zwischen dem, was zum Kern und dem, was zum Wesen
mit Notwendigkeit gehört, unterscheiden. Somit behaupten sie aber, daß
die letzteren Worte, obgleich sie für die Gültigkeit des Sakraments
nicht wesentlich sind, dennoch für die Vollständigkeit der Form und
daher zum Kern notwendig sind. Obwohl diese Unterscheidung der
Auffassung des hl.Thomas zu widersprechen scheint, so gilt es doch
festzuhalten, daß beinahe alle Theologen zugeben, daß die in Frage
stehenden Worte nach der diesen Theologen eigenen Auffassung des
Begriffs [des Sakraments] zum Kern desselben gehören.
Was hat nun aber die Kirche offiziell zu diesem Thema gesagt? Es bedarf
keiner besonderen Bemerkung darüber, daß sie bislang keinerlei
Bestimmung getroffen hat, welche Worte für die Konsekration des Weins
absolut wesentlich sind, denn sonst wäre der Streit darüber beigelegt.
Es liegen uns jedoch gewisse klare Hinweise vor, welches die Auffassung
der Kirche zu dieser Frage ist - z.B. der Entscheid des Konzils von
Florenz, den wir schon oben zitierten. Die Auffassung der Kirche ist,
daß in Ermangelung einer eigentlichen de fide-Definition die gesamte
Form (also nicht nur die Worte: "Das ist der Kelch meines Blutes") so
behandelt werden muß, als ob sie zur Grundlage des Sakraments gehöre.
Ein unbezweifelbares Zeugnis, daß dies in der Tat die Auffassung der
Kirche ist, liefert Kap.V. von "De Defectibus", welches ein Teil der
offiziellen, das Missale Romanum von Pius V. begleitenden Rubriken ist;
sie stellen möglicherweise etwas dar, was einer wirklichen "Definition"
dieses Punktes am nächsten kommt.
"Die Worte der Konsekration, welche die Form dieses Sakraments sind,
sind die folgenden: "Denn das ist mein Leib. Denn das ist der Kelch
meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes - Geheimnis des Glaubens -
das für Euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.
Wird an der Form der Konsekration von Leib und Blut irgendetwas
ausgelassen oder verändert, durch welche Veränderung die Worte nicht
mehr dasselbe bedeuten, so vollzieht derjenige, der so verfährt, das
Sakrament nicht, werden Worte hinzugefügt, welche die Bedeutung
verändern, so ist zwar das Sakrament gültig, aber der Zelebrant begeht
durch diese Hinzufügung eine Todsünde."
Zieht man in Betracht, daß sogar kleine Veränderungen, die noch nicht
einmal sinnentstellend sind, die Strafe tödlicher Sünde nach sich
ziehen, so steht es außer Frage, daß die Kirche die ganze Form
behandelt, als gehöre sie gänzlich zum Kern des Sakraments.
DIE DEFINITION PIUS' XII.
Bei dem Versuch, in dieser Frage zu einem richtigen Urteil zu gelangen,
wäre es unvorsichtig, die von Pius XII. gegebene Definition des Kerns
[des Sakraments] außer acht zu lassen. Ohne die Frage der Gültigkeit zu
berühren, definiert er den Kern "als jene Momente, für die - da sie aus
den Quellen göttlicher Offenbarung bezeugt sind - der Herr selbst
forderte, daß sie in einem sakramentalen Zeichen zu bewahren seien."
Fällt nun der von uns untersuchte Satz unter die Definition, bzw.
erfüllt er sie? Das erste Erfordernis, das verlangt, daß das Zeugnis
göttlicher Offenbarung gegeben sei, ist zweifelsohne erfüllt; denn wir
finden die Worte "das für viele vergossen wird" in der
Hl.Schrift, nämlich in den Evangelien des hl.Matthäus und des
hl.Markus. Und wenn irgendwelche Worte in der Form eines Sakraments die
zweite Bedingung der von Pius XII. aufgestellten Definition erfüllen,
daß "der Herr selbst verlangte, daß sie im Zeichen eines Sakraments
bewahrt würden", so erfüllen keine anderen Worte diese Bedingung
besser, denn die von Christus bei der Einsetzung des Sakraments
gebrauchten. Denn da Er sie über die Materie von Brot und Wein
gesprochen hatte, ordnete Unser Herr ausdrücklich an: "Tut dies zu
meinem Gedächtnis".
Zusätzliche Aufklärung über diesen Gegenstand gewinnt man durch ein
abermaliges Heranziehen der "Catholic Encyclopedia": "Das
tridentinische Konzil verlautbarte, daß die Kirche nicht die Macht hat,
den Kern eines Sakramentes zu verändern. Jedoch würde sie keine Macht
zu einer solchen Veränderung beanspruchen, wenn sie von ihrer
gottgewollten Autorität Gebrauch machte, um Form und Materie (des
Sakramentes) näher insoweit zu bestimnen, als dies nicht bereits durch
Jesus Christus geschehen ist."
Das impliziert, daß, wenn die Kirche die bereits von Christus
bestimmten Dinge verändern sollte, sie darin ihre Macht mißbrauchen
würde.
UMGANG MIT ABSURDITÄTEN
Ein bestimmtes Argument von sehr absurder Natur (augenscheinlich von
den Neuerern des Intern. Council for English Liturgy - Internationale
Kommission für englische Liturgie - abgekürzt I.C.E.L.) hat die Runde
gemacht. Dieser lächerliche Einwand sagt, daß "viele" und "alle" das
Gleiche ausdrücken, weswegen eigentlich gar keine Änderung eingetreten
ist. Außer der Tatsache, daß jedes, seine Vernunft zu Rate ziehende
Kind den Unterschied zwischen "viele" und "alle" kennt, läßt dieses
Argument folgende peinliche Frage unbeantwortet: Wenn "viele" und
"alle" bezüglich der Konsekration zwei gegeneinander rechtmäßig
auswechselbare Worte darstellen, warum weist dann der Römische
Katechismus dieses Austauschen ausdrücklich zurück? Denn er lehrt: "Aus
Gründen ) daher wurden die Worte "für alle" nicht gebraucht, denn an
dieser Stelle ist die Rede von den Früchten des Leidens, und wiederum
nur für die Auserwählten (i.e."für viele") brachte Sein Leiden die
Frucht des Heils. Und warum haben wenigstens zwei Lehrer der Kirche -
der hl. Thomas von Aquin (Summa, IIIOQO78;Art.3) und der hl.Alphonsus
Maria von Liguori (Abhandlung über die Hl. Eucharistie) sich bemüht,
die theologischen Gründe anzugeben, warum "alle Menschen" an dieser
Stelle unangebracht ist? Warum hat der Oberhirte Benedikt XIV. in
seinem DE SACROSANCTO MISSAE SACRIFICIO, Buch II, K.XIV, t.11 die Lehre
des hl. Thomas über diesen Punkt ratifiziert, bestätigend, daß der
englische Lehrer Christi Wortgebrauch des "für viele" gegenüber dem
"für alle" richtig erklärt?
Eine Variation des von den Neuerem gebrauchten Argumentes, das auf
einer bloßen linquistischen Verdrehung beruht, sagt: Eigentlich wollte
Unser Herr "für alle Menschen" sagen, doch da Er sich des Aramäischen
bediente, das für "alle" kein eigenes Wort, sondern nur den
zweideutigen Terminus kennt, der "viele" und "alle" bedeuten kann, so
stand Unserem Herrn ein Hindernis entgegen. Natürlich gestehen wir zu,
daß die Internationale Kommission das genannte Argument mit größerer
Finesse präsentiert. Auf S.34 ihres Pamphlets "Der Römische Canon in
englischer Übersetzung" lesen wir: "Weder Hebräisch noch Aramäisch
besitzen ein Wort für "alle". Das Wort "rabbim" wurde daher auch mit
inkludierender Bedeutung für "das Ganze" gebraucht, obwohl das
entsprechende griechische oder lateinische Wort eine "exkludierende"
Bedeutung zu haben scheint, nämlich eher "die vielen" als die "allen".
Es sei zu Beginn bemerkt, daß der grammatikalische Unsinn in Englisch,
der im ersten Satz enthalten ist, kein großes Vertrauen in die von den
Experten vorgetäuschte Kenntnis der hebräischen und aramäischen Sprache
erweckt. Mit den von ihnen angeführten Tatsachen verhält es sich nicht
besser, denn ihr Anspruch ist absolut falsch. Wie man eigentlich
erwarten dürfte, hat das Ararnäische in der Tat ein Wort für "alle" und
ebenso ein von diesem vollkommen verschiedenes für "viele". Tatsächlich
werden bis auf den heutigen Tag bei den im maronitischen Ritus
gefeierten Messen die alten aramäischen Worte gebraucht, die streng und
unzweideutig "für viele" bedeuten. Der kategorische Beweis dafür, daß
das ganze pedantische "Erklären" durch die Neuerer nur eine Serie von
semantischen Schwindeleien ist, liegt in der Tatsache, daß der
hl.Markus, der eine der beiden Quellen für das "für viele" ist, in
Griechisch geschrieben hat. Insgesamt betrachtet, erscheint das
I.C.E.L.-Pamphlet als nicht mehr denn ein handlicher Katalog von
betrügerischen Ausreden, um die Fälschung durch diesen finsteren
Verband (I.C.E.L.) hinwegzuerklären.
ZWISCHENERGEBNIS
Ehe wir fortfahren, wollen wir noch einmal sehen, inwieweit die Frage
bis jetzt diskutiert ist. Das Lehramt (der Kirche) hat sich bei
wenigstens vier verschiedenen Anlässen darüber geäußert, daß der Kern
des Sakramentes ein selbst durch die Kirche unberührbares Gebiet
darstellt. Die Worte dür die Konsekration des Weines "das für Euch und
für viele vergossen wird...", werden von den meisten Theologen als zum
Kern des Sakraments der Heiligen Eucharistie gehörig verstanden. D.h.
die beiden Schulen, die diese Frage am ausführlichsten studiert und
diskutiert haben - jede nach ihrer eigenen Auslegung des Begriffs -
behaupten, daß diese Worte dem Kern [des Sakraments] eigentümlich sind.
Da diese Worte die Unseres Herrn sind, die Er bei der Einsetzung des
Sakraments in specie gebrauchte, sollten sie ihrer Kraft zufolge als
unberührbar angesehen werden. Die Kirche, obwohl sie in dieser Frage
nie eine de fide Entscheidung getroffen hat, hat diese Worte immer
behandelt, als ob sie zum Kern des Sakraments gehörten. Halten wir uns
jedoch an die von Pius XII. gegebene Definition über den "Kern eines
Sakraments", so finden wir darin ein zwingendes Argument dafür, daß
diese Worte unleugbar zum Kern des Sakraments gehören. Daraus scheint
hinlänglich klar, daß diese Worte, die verändert wurden, im
Zweifelsfall zu ihren Gunsten zu verstehen sind, d.h. daß sie dem
unberührbaren Kern des Sakraments angehören.
DIE URSPRÜNGLICHE FRAGE
Die früher gestellte Frage war: Hat der Papst dem Gebrauch der Worte
"für alle" anstatt "für viele" zugestimmt? In seiner apostolischen
Konstitution vom 3.April 1969 sagte Paul VI.: "Wir wünschen, daß über
den Kelch folgende Worte gesprochen werden: "Hic est enim calix
sanguinis mei... qui pro vobis er pro multis effundetur in remissionem
peccatorum". Offiziell also hat Paul VI. keine Änderung der Worte des
Herrn erlaubt.
Jedoch muß in der Frage noch mit einer anderen Tatsache gerechnet
werden. Die gleiche Verstümmelung, wie sie in der englischen Form
voliegt, erscheint ebenfalls in dem ins Italienische übertragenen
Kanon, d.h. die Formel "per tutti", das italienische Pendant für "für
alle" wird gebraucht. Und jüngsten Informationen zuverlässiger
Augenzeugen zufolge hat Paul VI. selbst sich der italienischen Version
bedient und die Worte "per tutti" gesprochen. Darin läge ein
hinreichender Beweis, daß diese Wendung ("für alle") vom Papst -
wenigstens - stillschweigend bejaht wird und das, obwohl seine
offizielle Aussage eine solche Veränderung ausschließt! Welchen Schluß
haben wir nun daraus zu ziehen?
Obwohl diese Neuerung anderswo**) entsprungen sein kann, so muß nunmehr
dennoch behauptet werden, daß Paul VI. selbst diese Veränderung
eingeführt hat, da er als "Oberhaupt" der Kirche sich ihrer bewußt ist
und sie augenscheinlich - in der Praxis - angenommen und gut geheißen
hat. Alle Emotionen beiseite lassend, ergeben sich daraus vom streng
logischen Standpunkt her zwei mögliche Alternativen: Paul VI. steht
entweder im direkten Widerspruch zum Lehramt der Kirche, das ihm jedoch
keinerlei Recht zu irgendeiner Neuerung in dieser Frage gibt, oder er
befindet sich nicht im Widerspruch dazu.
EINE ALTERNATIVE
Betrachten wir die zweite Möglichkeit zuerst. Um zu beweisen, daß er
sich nicht im Widerspruch zum Lehramt befindet, müßte nachgewiesen
werden, daß die Worte "für viele" nicht zum Kern des Sakramentes
gehören. Es ist klar, daß dieser Punkt nicht nachgewiesen werden kann,
denn die Evidenz bezeugt das Gegenteil.***)
Man könnte versucht sein, folgendermaßen zu argumentieren: Paul VI. hat
diese Änderung nicht nur toleriert, sondern hat sich ihrer selbst
bedient. Da er "Papst" ist und es eigentlich undenkbar ist, daß ein
Papst sich Befugnisse anmaßt, die ihm nicht zukommnen - hier in Bezug
auf den Kern eines Sakramentes -, so folgt daraus automatisch, daß
diese Worte nicht zum Kern des Sakraments gehören; denn er hat in der
Tat an diese Worte gerührt. Folglich, insoweit die Kirche bis jetzt
nicht darüber befunden hat, ob diese bestimmten Worte zum Kern gehören,
so ist die Tatsache, daß Paul VI. sie verändert hat, "gleichbedeutend
mit seiner Verfügung, daß sie nicht zum Kern gehören.
Obschon das vorangehende Argument eine rückversichernde Lösung des
Problems zu bieten scheint, so ist sie doch nicht haltbar. Denn seit
wann hat die Kirche Christi wichtige theologische Fragen in dieser
Weise entschieden? Wer kann auch nur ein Beispiel beibringen, daß das
Lehramt doktrinäre Fragen in solch oberflächlicher Weise entschieden
hätte? Gerade diese Frage, die uns jetzt beschäftigt, wurde während
mehrerer Jahrhunderte von den größten Theologen und Lehrern der Kirche
studiert und durchgesprochen. Und während all dieser Jahrhunderte hielt
die Kirche es für angebracht, den status quo bestehen zu lassen, und
lehnte es ab, in der einen oder anderen Richtung zu entscheiden. Da
(scheinbar) nie jemand darauf verfallen war, diese Worte wirklich
verändern zu wollen, ergab sich für die Kirche die praktische Situation
gar nicht, ihre feierliche und autoritative Stimme zu erheben. Sie, die
- wie vorhin gezeigt wurde - immer den sichersten Kurs zu steuern
versucht hatte, hat immer alle Worte der Konsekrationsform so
behandelt, als gehörten sie dem unberührbaren Kern des Sakraments an.
Ist es andererseits nicht wahr, daß Fragen von geringerer Bedeutung
zuerst erschöpfend von fähigen Theologen, die vom Hl.Stuhl dafür
bestimmt waren, studiert wurden, oft mit öffentlichen Diskussionen, ehe
die endgültige Entscheidung getroffen wurde? Und ist es nicht
merkwürdig, daß diese allerhöchst bedeutende Frage, die von der Kirche
nicht berührt wurde, jetzt gänzlich sub rosa, ohne jede Diskussion, ja
sogar ohne spezielle Erwähnung entschieden werden sollte? Daß sie
entschieden werden sollte durch das einfache und schnelle Verfahren,
bei dem berüchtigt heterodox eingestellte "liturgische Experten" die
streitende Kirche mit den "feststehenden Tatsachen" konfrontieren,
denen der "Papst" die stillschweigende Annahme folgen ließ? Täuschen
wir uns also nicht! Gottes Heilige Kirche verfährt nicht auf diese
Weise"
DIE ANDERE ALTERNATIVE
Nehmen wir die erste Alternative wieder auf. Ist es also möglich, daß
Paul VI. im Widerspruch zum Lehramt der Kirche steht? Ich möchte gleich
hier klarstellen, daß dies keine Frage ist, die zu stellen unschicklich
wäre. Eine solche Frage stellen, bedeutet noch nicht den Papst
angreifen. Sie bedeutet auch nicht, daß wir versuchen, katholischer als
der Papst zu sein. Wenn es um die Sakramente geht, so liegt es
keineswegs außerhalb des Rahmens des Möglichen zu fragen, ob sich ein
bestimmter Papst Gewalt anmaßt, die ihm nicht zukommt. Wäre dies eine
absolut unerhörte Möglichkeit, warum - so frage ich - hat dann der
Hl.Geist zu wenigstens vier verschiedenen Anlässen Seine Kirche eben
gegen diese Möglichkeit geschützt? Verstünde es sich von selbst, daß
kein Papst oder Konzil jemals seine Macht mißbrauchen würde, warum sah
sich das Lehramt dann veranlaßt, dieses Prinzip festzulegen? Sprechen
nicht die Verlautbarungen für sich? Und heißt es "gut katholisch" sein,
wenn man die göttlichen Lehren genau in dem Moment, da die Situation
ihre Anwendung verlangt, ignoriert?
Ganz unabhängig davon, was Paul VI. persönlich denken mag, besteht die
Tatsache, daß es nicht entschieden ist, ob die Worte, die er
veränderte, zum Kern des Sakramentes gehören oder nicht; denn die
Kirche hat diesen Punkt noch nicht bestimmt. Das kann nicht oft genug
wiederholt werden. Doch nehmen wir an, daß er der Ansicht ist, daß
diese Worte nicht zum Kern des Sakraments gehören. Zu dieser Ansicht
ist er als ein privater Theologe sicher berechtigt, und nach seinem
eigenen Gewissen glaubt er zweifelsohne nicht daran, daß er mit dieser
Änderung den Kern des Sakraments berührt.
Dennoch, auch Paul VI. weiß nicht gewiß, ob diese Worte wesentlich zum
Kern des Sakraments gehören oder nicht; denn auch er selbst hat die
Frage nicht entschieden. In Ermangelung aber dieses klaren und
bestimmten Wissens hat er weder das Recht noch die Gewalt, diese Worte
anzutasten.
ZUM ABSCHLUSS
Eine solch tiefgreifende Veränderung ohne entsprechende Klärung oder
Erklärung durchzuführen, steht in sich gegen die Lehrgewalt der Kirche.
Wir brauchen nur das Vorgehen des authentischen Lehramtes an Hand eines
Beispiels zu schildern. Man wird sich erinnern, daß Papst Pius XII. im
Jahre 1947 das Sakrament der Ordination genauer bestimmen wollte. (Als
ein nur "in genere" bestimmtes Sakrament konnte es fraglos durch die
Kirche genauer bestimmt werden.) Aber erst nach ausgedehnten Studien
hat der Heilige Vater, angetrieben vom Hl.Geist, die offizielle Lehre
zu dieser Frage in der sorgfältig formulierten apostolischen
Konstitution "Sacramentum Ordinis", in der er das Thema vollständig
darlegt, festgesetzt.
Und die Veränderung der Worte Christi selbst, Worte, aufbewahrt in der
Hl. Schrift, Worte des Herzstückes der Messe? Die Verstümmelung, die
der Römische Katechismus ausdrücklich verwirft? Das alles wird
stillschweigend und unerklärt durchgeführt! Das alles müssen wir ohne
Fragen hinnehmen, weil des "Papstes" stillschweigende Zustimmung
dahintersteht?
Hier steht mehr auf dem Spiel als nur die Gültigkeit des Heiligen
Opfers. Sie könnten fragen, was mehr noch auf dem Spiel stehen könnte.
Ich antworte, daß die Lehrautorität der Kirche selbst gefährdet ist.
"Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß die Kirche kein wie auch immer
geartetes Recht hat, bezüglich des Kerns der Sakramente irgendetwas
neues einzuführen."
Wird das Lehramt ungestraft auch nur in einem Punkt angegriffen, so
wird damit die Autorität überhaupt der Hl.Mutter Kirche angegriffen.
Dies sei bemerkt! Ist ein Präzedenzfall bekannt, so wird gegen sie von
allen Seiten her verstoßen, wie wir es jetzt sehen können. Wie lange
wird es noch dauern, bis ihre Autorität gänzlich geschwunden sein wird?
Doch werden die Pforten der Hölle sie nicht überwinden und "nur in der
Sicht der Unverständigen schien sie zu sterben."
Anmerkungen:
*) "aus Gründen" heißt aus einsichtig denknotwendigen
Gründen, wie F.Bader sie in der Abhandlung des Themas "DAS BLUT DES
BUNDES" dargelegt hat. Vgl. EINSICHT, Nr.5, S.1-8. - Anmerkung des
Übersetzers.
**) Gemeint ist wohl: bei der Übersetzung. Es fällt jedoch auf, daß
außer der französischen Version die deutsche, italienische und
englische gleichermaßen die Fälschung der Konsekrationsworte aufweisen.
Allein die Übersetzung für Frankreich hat man - wohl ganz bewußt -
nicht mit der sonst gängigen Fälschung verdächtig gemacht. Die
französische Version lautet: "pour multitude", d.h. für viele.
(Anm.d.Übers.)
***) Anm.d.Übersetzers: Die historisch-theologische "Evidenz" der
scholastischen Argumentation, auf die P.H.Omlor sich stützt, kann diese
Evidenz im Sinne absoluter Erkenntnis nicht erbringen. Dagegen sind
diese unhinterfragbaren Gründe, die die besagte Evidenz bei sich
führen, in der Untersuchung "DAS BLUT DES BUNDES - für Euch und für
viele" von Franz Bader dargelegt worden. Vgl. EINSICHT Nr.5,S.1-8.
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