MESSESTIPENDIUM
von
Theologieprofessor Dr.P.Severin M. Grill, SOCist, Stift Heiligenkreuz bei Wien
Einen Stein des Anstoßes bildet für manche Progressisten auch der
Brauch der Kirche, für die Darbringung des Meßopfers ein Entgelt, das
sogenannte Stipendium entgegen zu nehmen. So schreibt sogar Louis
BOUYER in seinem Buch "Der Verfall des Katholizismus"*), in dem er
neben der Verurteilung von gewissen Neuerungen auf liturgischem und
künstlerischen Gebiet auch zugestandene Mißbräuche und Versäumnisse der
Katholiken reichlich tadelt, über die Meßstipendien:
"Was soll man etwa zu einem von den
Moraltheologen gebilligten Grundsatz sagen, demzufolge keine Simonie
beim Verkauf von geistlichen Gütern, allgemein jeder aus der Vergabe
solcher Güter gezogene weltliche Profit vorliege, wenn es sich um einen
durch das öffentliche Recht autorisierten Vorgang handle. So wären hier
gewisse Praktiken im Zusammenhang mit den Messestipendien zu erwähnen,
die umso skandalöser sind, als sie nicht nur mit Duldung der höchsten
Autorität, sondern oft auf ihre Anregung hin getätigt werden."
Ohne wirkliche Mißbräuche in Schutz nehmen zu wollen, sei hier mit
allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß es sich beim Messestipendium
weder um einen Beitrag zum Lebensunterhalt des Priesters noch um die
Begleichung der aufgewendeten Materien noch um irgend eine Stolgebühr
handelt, sondern um ein rein religiösesMotiv**), nämlich um die
Darbringung eines Opfers von seiten der Gläubigen, die eine Messe in
bestimmter Absicht lesen lassen.
Hinzuweisen ist hier auf einen Ritus, der aus dem Alten Testament
übernommen wurde. "Die Normen, die der jüdischen Kirche gegeben waren,
wurden zu einer Art Ritual und Kanon für die christliche Kirche, wenn
auch nicht als jüdische Norm, Form, Weise und Kraft sind verschieden,
die Substanz ist geblieben. Ohne nach Weisungen im Neuen Testament zu
suchen, sind wir... in der Lage, unmittelbar die Gründe für...
Einrichtungen und Gebräuche zu erkennen, indem wir den Blick aufs Alte
Testament richten." Die drei Rangstufen des alttestamentlichen
Zeltdienstes (Hoherpriester, Priester und Levit) wurden von der Kirche
übernommen. Die Priester waren aufgestellt um zu opfern, zu sühnen und
zu segnen (Lv 7, 35-36). Sie mußten Brand-, Sühn- und Friedopfer
darbringen. Bei den Sühn- oder Schuldopfern mußte ein Teil des
Fleisches verbrannt, ein Teil aber vom Priester im Heiligtum gegessen
werden. Dieser handelte dabei als Stellvertreter Gottes. Sein Essen war
gleichsam ein Versöhnungsmahl zwischen Gott und dem schuldigen
Menschen. Als die Priester einmal alles Fleisch auf dem Altar
verbrannten und nicht davon aßen, da war Moses zornig über die Söhne
Aarons und sprach: "Warum habt ihr das Sühnopfer nicht gegessen an
heiliger Stätte, denn ein Hochheiliges ist es und Er (Gott) hat es euch
gegeben, daß ihr die Missetat der Gemeinde tragen sollet und daß ihr
sie versöhne vor dem Herrn." (Lv 10, 16-18)
In dieser Bestimmung haben wir ein Vorbild für das Meßopfer, das die
Gläubigen durch den Priester darbringen lassen. Sie bringen selbst ein
Opfer, nämlich die gespendete Gabe und bestellen den Priester als
Versöhner zwischen Gott und den Menschen, für die das Meßopfer
dargebracht wird. Nicht bloß im Memento vivorum und mortuorum, sondern
auch bei seiner Kommunion muß der Priester an diejenigen denken, für
die er die Messe liest.
Anmerkungen:
*) Deutsch von Gisela Hesse, Kösel-München, 1970
**) Siehe Mörsdorf im Lex.f.Theol.u.Kirche 7,354. J.H.Newman, Predigten. 9.Band:
Das Prinzip des Zusammenhangs zwischen der jüdischen und christlichen Kirche, Stuttgart, 1958. S.237
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