EHRE DEM MENSCHEN
von
Theologieprofessor Dr.P.Severin M. Grill,
SOCist, Stift Heiligenkreuz bei Wien
Als am 7.Februar d.J. die drei Astronauten in ihrem Raumschiff den Mond
umflogen, stimmte Paul Vl. einen Hymnus zur Verherrlichung des Menschen
an: Ehre dem Menschen! Ehre dem Denken, der Wissenschaft und der
Technik. Ehre dem Menschen, dem König der Erde und nunmehr auch Fürsten
des Himmels! (EINSICHT Mai 1971, S.26 nach La Croix vom 2.2.1971).
Eine poetische Hyperbel über die Würde des Menschen, der gleichsam zum
Engel, ja zum Sohne Gottes erhöht wird. Gegen diese Lehre wäre nichts
zu sager, wenn sie im Rahmen der biblischen Aussage und der
Väterzeugnisse bliebe. Aber so, wie sie klingt, ist bei dieser
Verherrlichung von der Gewährung durch Gottes Gnade ganz abgesehen. Die
Würde wird dem Menschen aus sich selbst infolge seiner Entwicklung
zugeschrieben.
Wir haben hier ein typisches Beispiel, wie eine religiöse Wahrheit, die
wir nur der Offenbarung verdanken, falsch verstanden und sogar
mißbraucht wird. Denn daß der Mensch tatsächlich der König der
Schöpfung von Gottes Gnaden ist, ja daß er seiner letzten Bestimmung
nach vergöttlicht werden soll, das lehrt ganz klar die Bibel und wird
von den Kirchenvätern bestätigt.
1 Joh 3,1-2 heißt es:
"Seht, welche Liebe uns der Vater
erzeigt, daß wir Kinder Gottes heißen und es sind." Joh 15, 4-5: "Ich
bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in
ihm, der bringt viele Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun." Da
die Rebe derselben Natur ist wie der Weinstock, so fotgt daraus, daß
wir factis faciendis Söhne Gottes werden sollen, wie es Christus von
Natur aus ist.
Die Kirchenväter greifen diese Lehre auf und bekräftigen sie formell
und ausdrücklich. Tatian: "Jenes göttliche Wort vom Vater gezeugt hat
in Nachahmung des Vaters in der Form der Unsterblichkeit den Menschen
geschaffen, auf daß er, wie die Unsterblichkeit bei Gott ist, so der
Mensch als Anteilnehmer Gottes geschaffen, auch Unsterblichkeit besitze
(Gegen die Heiden. PG 6, 833).
Hippolyt: "Nicht neidisch ist Gott. Er hat auch dich zum Gott gemacht
zu seiner Verherrlichung". (Philosophumena 10-34. PG 16-3. 34 54).
Johannes Chrysostomus: "Sklaven wurden Freie, Menschen Engel, was sage
ich Engel? Gott ist Mensch geworden und der Mensch Gott" (In Ps 8. PG
55).
Gregor v. Naz. in einer Osterpredigt: "Werden wir wie Christus, da
Christus uns gleich geworden. Werden wir seineswillen Gott, da er
unsertwillen Mensch geworden ist (BK 59; S.3).
Cyrillus v. Al.: "Wie können wir Tempel Gottes genannt werden und sein,
wenn wir nur einen geschaffenen und fremden (=nicht göttlichen) Geist
in uns haben, nicht aber jenen, der aus Gott ist. Wie können wir nach
den Aussprüchen der Heiligen, die selbst dieses Göttlichen Geistes
teilheftig waren, Teilhaber der göttlichen Natur genannt werden, wenn
nicht etwas von der göttlichen Natur zu uns gelangt?"
(Johannesevangelium Kp.9-14 PG 74, 260).
Thomas v. Aquin. "Deus homo factus est' ut homo fieret Deus" (Symbolum
apostolicum Art. 3). Somit steht zu Recht: "Der Mensch kann sich factis
faciendis = durch Glaube und Leben nach dem Glauben, göttliche Würde
zuschreiben, aber nicht aus eigener Kraft mit Gefühlen des Stolzes,
sondern in demütiger Erkenntnis der Herablassung Gottes, der eine
Adoption vornimmt. Daraus kann man erkennen, welch großer Fehler es
ist, im neuen Ordo Missae das Johannesevangelium wegzulassen und es als
bloßen Wettersegen hinzustellen.
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