Aus den geistlichen Ansprachen
von
Simeon (XIII. Jahrhundert)
Unsere heiligen Väter haben das Wort des Herrn wohl verstanden: »Aus
dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl,
falsches Zeugnis, Gotteslästerung« und das andere Wort: »Das ist es,
was den Menschen unrein macht« (Matth. 15, 19-20). Darum ermahnen sie
uns, »das Innere des Bechers zu reinigen, damit das Äußere auch rein
werde» (Matth. 23,26). Sie lassen alle anderen praktischen Tugendwege
zurücktreten, um einzig den Kampf über die Wachsam-keit des Gemütes zu
führen, weil sie wohl überzeugt waren, daß mit ihr auch die anderen
Tugenden leicht geübt werden. Einige Väter nennen sie »Ruhe des
Gemütes» oder »Achtsamkeit«, »Bewa-chung des Gemütes«, »geistige
Nüchternheit«, »Kampfbereitschaft«, »Prüfung der Gedanken« oder
»Beobachtung des Geistes«. Alle aber haben sich in einmütiger
Übereinstimmung auf dem Schlachtfelde ihres Herzens abgemüht und
konnten so das Manna Gottes genießen. Es gilt, was der Prediger Salomon
entsprechend sagt: »Jüngling, freue dich in deiner Jugend... gehe den
Weg deines Herzens« (Eccl. II,9). Wir sagen aber ohne Tadel und nicht
verurteilt durch die Neigungen deines Herzens: »Wenn ein Gewaltiger
sich gegen dich erhebt, verlasse nicht deinen Platz« (Eccl. I0,4). Mit
dem Worte »Platz« meint er das Herz. Unser Herr sagt: »Seid nicht in
Unruhe« (Luc. I2,29). Wir sollen nicht wie ein fallender Meteor uns mit
unserem Geiste bald dahin, bald dorthin stürzen. Ein anderes Wort
lautet: »Glückselig die Armen im Geist« (Matth. 5,3), d.h.
glückselig diejenigen, die keinerlei Berührung mit dieser Welt
besitzen, die arm sind an irdischen Gedanken.
(aus "Kleine Philokalie - Belehrungen der Mönchsväter der Ostkirche über das Gebet" Einsiedeln 1956, S. 142)
|