Wir wissen sehr gut, daß das
Verständnis und die Erklärung dieser geheimnisvollen Lehre über unsere
Verbindung mit dem göttlichen Heiland und zumal über das Wohnen des
Heiligen Geistes in der Seele durch mannigfache Schleier gehindert wird
und infolge der Schwäche des forschenden Menschengeistes in ein
gewisses Dunkel gehüllt ist. Aber Wir wissen auch, daß aus dem rechten
und eifrigen Studium dieses Gegenstandes und aus dem Widerstreit und
der Erörterung der verschiedenen Meinungen und Ansichten, sofern
solches Forschen sich leiten läßt von der Liebe zur Wahrheit und von
dem schuldigen Gehorsam gegenüber der Kirche, reiche und kostbare
Erkenntnisse ersprießen, durch die auch in diesen heiligen
Wissensgebieten ein wirklicher Fortschritt erzielt wird. Deshalb machen
Wir denen keinen Vorwurf, die verschiedene Wege und Weisen aufsuchen,
um dem erhabenen Geheimnis unserer wundervollen Verbindung mit Christus
näherzukommen und es nach Kräften aufzuhellen. Um aber dabei nicht von
der wahren Lehre und dem rechten Lehramt der Kirche abzuirren, gelte
für alle als gemeinsamer, unumstößlicher Grundsatz, jede Art von
mystischer Verei-nigung abzulehnen, wodurch die Gläubigen irgendwie die
Grenzen des Geschöpfes überschreiten und so verwegen in den Bereich des
Göttlichen einzudringen suchen, daß sie sich auch nur eine einzige
Eigenschaft der ewigen Gottheit gleichsam selbst beilegen. Außerdem
sollen alle ohne Schwanken daran festhalten, daß in diesen Dingen
alles, was Gott als letzte Wirkursache betrifft, der ganzen Heiligsten
Dreifaltigkeit zugeschrieben werden muß.
Ferner soll man wohl bedenken, daß es sich hier um ein verborgenes
Geheimnis handelt, das wir während dieser irdischen Verbannung nie ganz
enthüllt durchschauen und in menschlicher Sprache ausdrücken können.
Man spricht von einer Einwohnung der göttlichen Personen, insofern sie
in den geschaffenen, vernunftbegabten Lebewesen auf unerforschliche
Weise zugegen sind und den Gegenstand ihrer Erkenntnis und Liebe bilden
(S. Thom., I, q. 43, a. 3); jedoch auf eine Weise, die alle
geschöpfliche Fähigkeit übersteigt und tief innerlich und einzigartig
ist. Wollen wir sie uns wenigstens in etwa nahebringen, so dürfen wir
die vom Vatikanischen Konzil (Sess. 3, Const. de fid. cath., cap. 4)
für solche Dinge dringend empfohlene Anweisung nicht außer acht lassen.
Sie besteht darin, daß wir beim Bemühen um eine wenn auch noch so
geringe Vermehrung unserer Erkenntnis göttlicher Geheimnisse, diese
untereinander und mit dem höchsten Ziel, auf das sie hingeordnet sind,
vergleichen sollen. Mit Recht wendet also Unser weiser, unvergeßlicher
Vorgänger Leo XIII., da er von unserer Verbindung mit Christus und über
den uns innewohnenden göttlichen Tröster spricht, die Augen zu jener
beseligenden Schau, in der einst im Himmel diese mystische Verbindung
ihren Abschluß und ihre Vollendung finden wird. "Diese wunderbare
Vereinigung, sagt er, die man Einwohnung nennt, ist nur quantitativ, d.
h. dem Grade nach von jener verschieden, in der Gott die
Himmelsbewohner beseligend umfängt" (Divinum illud: A.S.S. XXIX, p.
653). In jener Schau wird es uns auf ganz unsagbare Weise gestattet
sein, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist mit den durch das
Glorienlicht geschärften Augen des Geistes zu betrachten, die Ausgänge
der göttlichen Personen durch alle Ewigkeit hindurch aus nächster Nähe
mitzuerleben und ein Glück zu verkosten, jenem ähnlich, wodurch die
allerheiligste und ungeteilte Dreifaltigkeit selig ist.
Was Wir bisher über die enge Verbindung des mystischen Leibes Jesu
Christi mit seinem Haupte dargelegt haben, würde Uns indes unvollkommen
scheinen, wenn Wir hier nicht wenigstens einiges hinzufügten über die
hochheilige Eucharistie, wodurch jene Vereinigung in diesem sterblichen
Leben gleichsam zu ihrem Gipfelpunkt geführt wird.
Christus der Herr wollte nämlich, daß die wunderbare, nie genug
gepriesene Verbindung zwischen uns und unserem göttlichen Haupte durch
das eucharistische Opfer den Gläubigen in besonderer Weise offenbar
werde. Dabei vertreten nämlich die Priester nicht nur die Stelle
unseres Heilandes, sondern auch die des ganzen mystischen Leibes und
der einzelnen Gläubigen. Ebenso bringen aber auch die Gläubigen selbst
das unbefleckte Opfer, das einzig durch des Priesters Wort auf
demAltare zugegen ward, durch die Hände desselben Priesters in betender
Gemeinschaft mit ihm dem Ewigen Vater dar als ein wohlgefälliges Lob
und Sühneopfer für die Anliegen der ganzen Kirche. So wie der göttliche
Erlöser sterbend am Kreuze sich selbst als Haupt des ganzen
Menschengeschlechtes dem Ewigen Vater zum Opfer brachte, so opfert Er
in dieser "reinen Opfergabe" (Mal. 1, 11) nicht nur sich selbst als
Haupt der Kirche dem himmlischen Vater, sondern in sich selbst auch
seine mystischen Glieder, die Er ja alle, mögen sie auch schwach und
krank sein, liebevoll in sein Herz geschlossen hat.
Das Sakrament der heiligen Eucharistie aber, das ein lebendiges und
wunderbares Bild der Einheit der Kirche ist - da ja das zur Verwandlung
bestimmte Brot aus vielen Körnern eins wird (Didache 9, 4.) - schenkt
uns den Urheber der übernatürlichen Gnade selbst, damit wir aus Ihm
jenen Geist der Liebe schöpfen, der uns antreibt, nicht mehr unser
eigenes, sondern Christi Leben zu fuhren, und in allen Gliedern seines
gesellschaftlichen Leibes den Erlöser selbst zu lieben.
Gibt es bei den traurigen Zeitverhältnissen, unter denen wir
gegenwärtig leiden, viele, die Christus dem Herrn, verborgen unter den
Schleiern der heiligen Eucharistie, derart anhangen, daß weder Trübsal
noch Angst, weder Hunger noch Blöße, weder Gefahr noch Verfolgung und
Schwert sie zu trennen vermöchten von seiner Liebe (Rom. 8, 35.), so
kann ohne Zweifel das heilige Gastmahl, das nicht ohne göttliche Fügung
in unserer Zeit von Kindheit auf wieder häufiger empfangen wird, die
Quelle jener Seelenstärke werden, die nicht selten in der Christenheit
auch Helden zu erwecken und zu erhalten vermag.
III. Teil: Pastorelle Ermahnung
1. Irrtümer auf dem Gebiet des aszetischen Lebens
Das sind die Lehren, Ehrwürdige Brüder, die die Gläubigen recht
erkennen und fromm und treu festhalten sollen. Dann können sie sich
auch leicht vor jenen Irrtümern hüten, die von mancher Seite infolge
einer willkürlichen Erforschung dieses schwierigen Gegenstandes nicht
ohne große Gefahr für den katholischen Glauben und große Verwirrung der
Seelen erwachsen.
Manche bedenken zu wenig, daß der Apostel Paulus nur bildlich über
diesen Gegenstand gesprochen hat; unterlassen die so notwendige
Unterscheidung zwischen physischem, moralischem und mystischem Leib und
bringen so einen ganz verkehrten Begriff von Einheit auf. Sie lassen
nämlich den göttlichen Erlöser und die Glieder der Kirche zu einer
einzigen physischen Person zusammenwachsen; und während sie den
Menschen göttliche Attribute beilegen, unterwerfen sie Christus den
Herrn dem Irrtum und der menschlichen Neigung zum Bösen. Solch
irreführende Lehre steht in vollem Widerspruch zum katholischen
Glauben, zur Überlieferung der Väter und ebenso zur Ansicht und zum
Geist des Völkerapostels. Er weiß zwar um die wunderbar innige
Verbindung Christi mit seinem mystischen Leib, aber er stellt sie
dennoch wie Braut und Bräutigam einander gegenüber (Eph. 5, 22f.).
Nicht weniger entfernt sich von der Wahrheit der gefährliche Irrtum
derer, die aus unserer geheimnisvollen Verbindung mit Christus einen
ungesunden Quietismus herleiten wollen. Danach wird das ganze
geistliche Leben der Christen und ihr Fortschritt in der Tugend nur der
Wirksamkeit des Heiligen Geistes zugeschrieben unter völliger
Verkennung und Beiseitelassung der persönlichen Mitwirkung, die wir Ihm
schulden. Gewiß kann keiner leugnen, daß der Heilige Geist Jesu Christi
die einzige Quelle ist, aus der alles übernatürliche Leben in die
Kirche und ihre Glieder herabfließt. Denn die "Gnade und Glorie
verleiht der Herr" (Ps., 83,12), sagt der Psalmist. Daß aber die
Menschen beständig in den Werken der Heiligkeit verharren, daß sie
unverdrossen in der Gnade und Tugend voranschreiten, daß sie selbst
mannhaft zum Gipfel der christlichen Vollkommenheit emporstreben und
auch andere nach Kräften dazu anspornen, das alles will der Geist
Gottes nur dann wirken, wenn die Menschen selbst durch tägliches,
tatkräftiges Bemühen ihren Teil dazu beitragen. "Nicht den
Schlafenden", sagt der heilige Ambrosius, "sondern den Eifrigen werden
die göttlichen Wohltaten gespendet" (Expos. Evang. sec. Luc. 4, 49:
Migne, P.L. XV, 1626). Wenn nämlich schon in unserem sterblichen Leib
die Glieder nur bei ständiger Übung gesund und kräftig bleiben, so gilt
das noch in viel höherem Grad vom gesellschaftlichen Leib Jesu Christi,
in dem ja die einzelnen Glieder alle ihre persönliche Freiheit und
Verantwortlichkeit behalten. Deswegen konnte auch derselbe, der das
Wort aussprach: "Ich lebe, doch nicht mehr ich, sondern Christus lebt
in mir" (Gal. 2, 20), ohne Zögern behaupten: "Seine (d. h. Gottes)
Gnade ist in mir nicht unwirksam geblieben, sondern ich habe mich mehr
gemüht als sie alle; doch nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir"
(1. Cor. 15, 10). Es ist demnach klar, daß durch jene falschen Lehren
das Geheimnis, von dem Wir handeln, nicht dem geistlichen Fortschritt
der Gläubigen, sondern in beklagenswerter Weise ihrem Verderben
dienstbar gemacht wird.
Dasselbe geschieht auch durch die falschen Anschauungen jener, die
behaupten, man dürfe die häufige Beichte der läßlichen Sünden nicht so
hoch einschätzen; das allgemeine Sündenbekenntnis, das die Braut
Christi Tag für Tag zusammen mit den ihr im Herrn vereinten Kindern
durch die Priester am Fuß des Altares ablege, sei ihr vorzuziehen.
Gewiß können solche Sünden, wie euch bekannt ist, Ehrwürdige Brüder,
auf mannigfache, höchst lobenswerte Weise gesühnt werden. Aber zum
täglich eifrigeren Fortschritt auf dem Wege der Tugend möchten Wir
angelegentlichst den frommen Brauch der häufigen Beichte empfohlen
wissen, der nicht ohne den Antrieb des Heiligen Geistes in der Kirche
eingeführt wurde. Wird doch durch ihn die Selbsterkenntnis gefördert,
die christliche Demut vertieft, die sittliche Schwäche an der Wurzel
gefaßt, die geistliche Nachlässigkeit und Lauheit bekämpft, das
Gewissen gereinigt, der Wille gestärkt, eine heilsame Seelenleitung
ermöglicht und kraft des Sakramentes die Gnade vermehrt. Mögen also
die, welche in den Reihen des jüngeren Klerus die Hochschätzung der
häufigen Beichte zu verringern und herabzusetzen suchen, wohl bedenken,
daß sie eine Sache betreiben, die dem Geiste Christi fremd und für den
mystischen Leib unseres Heilandes ein Unsegen ist.
Manche sprechen auch unseren Gebeten alle wirkliche Kraft ab oder
suchen andern die Meinung beizubringen, die privaten Gebete hätten vor
Gott geringe Bedeutung; vielmehr komme den öffentlichen, im Namen der
Kirche verrichteten Gebeten der wahre Wert zu, weil sie vom mystischen
Leibe Jesu Christi ausgehen. Das ist durchaus nicht richtig. Der
göttliche Erlöser steht nicht nur in der engsten Lebensgemeinschaft mit
seiner Kirche als der vielgeliebten Braut, sondern in ihr ist Er, auch
aufs innigste vereint mit der Seele jedes einzelnen Gläubigen und sehnt
sich danach, vor allem nach der heiligen Kommunion, traute Zwiesprache
mit ihr zu führen. Obgleich das öffentliche Gebet, da es von der Mutter
Kirche selbst verrichtet wird, wegen der Würde der Braut Christi jedes
andere übertrifft, so entbehren doch auch alle ändern, selbst die ganz
privaten Gebete, nicht der Würde und Kraft. Sie tragen sogar viel bei
zum Nutzen des ganzen mystischen Leibes. Denn in ihm wird kein gutes
Werk, kein Tugendakt von einzelnen Gliedern vollbracht, der nicht
infolge der Gemeinschaft der Heiligen auch der Gesamtheit zugute käme.
Es ist den einzelnen Menschen auch nicht verwehrt, deswegen, weil sie
Glieder dieses Leibes sind, besondere, auch rein zeitliche Gaben, für
sich selbst zu erbitten, wenn dabei nur die demütige Unterwerfung unter
den Willen Gottes gewahrt wird: sie bleiben ja selbständige Personen
und ihren persönlichen Bedürfnissen unterworfen (S. Thom. II-II, q. 83,
a. 5 et 6). Welche Hochschätzung endlich alle der Betrachtung
himmlischer Wahrheiten entgegenbringen sollen, geht aus den amtlichen
Äußerungen der Kirche sowie aus der Übung und dem Vorbild aller
Heiligen hervor.
Schließlich kann man auch der Auffassung begegnen, wir dürften unsere
Gebete nicht unmittelbar an die Person Jesu Christi richten; sie müßten
sich vielmehr durch Christus an den ewigen Vater wenden, da unser
Heiland als Haupt seines mystischen Leibes nur als "der Mittler
zwischen Gott und den Menschen" (1. Tim. 2, 5.) angesehen werden dürfe.
Aber eine solche Behauptung widerspricht nicht nur dem Geist der Kirche
und der Gewohnheit der Gläubigen, sondern widerstreitet auch der
Wahrheit. Christus ist nämlich, um uns ganz klar zu fassen, mit beiden
Naturenzugleich das Haupt der ganzen Kirche (S. Thom., De Veritate, q.
29, a. 4, c.); und im übrigen hat Er auch selbst feierlich erklärt:
"Wenn ihr Mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, werde Ich es
tun" (Ioann. 14, 14.). Zwar werden, zumal beim heiligen Meßopfer, wo
Christus zugleich Opferpriester und Opferlamm ist und so in besonderer
Weise das Mittleramt ausübt, die Gebete meist durch seinen eingeborenen
Sohn an den ewigen Vater gerichtet. Doch auch hier, selbst bei der
heiligen Opferhandlung, wendet sich nicht selten das Gebet auch an den
göttlichen Erlöser. Es sollte doch allen Christen bekannt und
selbstverständlich sein, daß der Mensch Jesus Christus zugleich Gottes
Sohn und Gott selber ist. So antwortet gewissermaßen die streitende
Kirche, wenn sie das makellose Lamm und die konsekrierte Hostie anbetet
und anfleht, auf die Stimme der triumphierenden Kirche, die nicht
aufhört zu singen: "Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme sei
Preis und Ehre und Herrlichkeit und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!"
(Apoc. 5, 13).
2. Ermahnung zur Liebe gegen die Kirche
Wir haben bisher, Ehrwürdige Brüder, in Erklärung des Geheimnisses, das
unser aller verborgene Verbindung mit Christus in sich begreift, als
Lehrer der gesamten Kirche den Geist mit dem Lichte der Wahrheit
erleuchtet. Nunmehr halten Wir es noch für die Pflicht Unseres
Hirtenamtes, auch das Herz zu jener innigen Liebe zum mystischen Leibe
Christi anzuregen, die sich nicht nur im Denken und Reden, sondern auch
im Handeln äußert. Schon die Mitglieder des Alten Bundes haben ihre
irdische heilige Stadt mit dem Psalm besungen: "Sollte ich dein
vergessen, Jerusalem, dann soll man meine rechte Hand vergessen! Meine
Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich deiner nimmer gedenke; wenn
ich nimmer Jerusalem als meine vorzüglichste Freude betrachte!" (Ps.,
136, 5-6). Mit wie viel größerem Stolz und lebendigerer Freude müssen
wir darüber frohlocken, daß wir wohnen dürfen in der Stadt, gebaut auf
den heiligen Höhen, aus lebendigen und auserwählten Quadern, "auf dem
hehren Eckstein, der Christus Jesus selber ist!" (Eph. 2, 20; 1. Petr.
2, 4-5). Nichts Ehrenvolleres, nichts Erhabeneres, nichts Ruhmreicheres
kann je erdacht werden, als anzugehören der heiligen, katholischen,
apostolischen, römischen Kirche, durch die wir Glieder an dem gleichen
verehrungswürdigen Leib werden, von dem einen erhabenen Haupt geleitet,
von dem gleichen göttlichen Geist durchdrungen, von derselben Lehre und
demselben Brot der Engel in dieser Erdenverbannung gestärkt, bis wir
dereinst auch dasselbe ewige Glück im Himmel genießen dürfen.
Um jedoch nicht vom Engel der Finsternis, der sich in einen Engel des
Lichtes (2. Cor. 11, 14) kleidet, betrogen zu werden, sei oberstes
Gesetz unserer Liebe: Christi Braut so zu lieben, wie Christus sie
liebte und mit seinem Blute erkaufte. Teuer sollen uns daher die
Sakramente sein, womit die gute Mutter Kirche uns stärkt; die Feiern,
womit sie uns tröstet und erfreut, die heiligen Lieder und liturgischen
Bräuche, womit sie unser Herz himmelwärts lenkt; teuer aber auch die
Sakramentalien und jene verschiedenen Übungen der Frömmigkeit, womit
sie die Herzen der Gläubigen liebevoll mit dem Geist Christi
durchdringt und erhebt. Wie es unsere Kindespflicht ist, ihre
mütterliche Liebe zu uns anzuerkennen, so noch mehr, die ihr von
Christus verliehene Autorität zu verehren, die unseren Verstand für den
Gehorsam gegen Christus (2. Cor. 10,5) gefangennimmt. Kraft dessen sind
wir gehalten, ihren Gesetzen und ihren sittlichen Vorschriften zu
gehorchen, die bisweilen unsere gefallene Natur hart empfindet; sind
wir gemahnt, den Widerstand des Leibes, den wir tragen, durch
freiwillige Abtötung zu beugen, ja zuweilen uns selbst erlaubter
Freuden zu enthalten. Es genügt ferner nicht, diesen mystischen Leib
nur insoweit zu lieben, als er durch sein göttliches Haupt und seine
himmlischen Gaben sich auszeichnet. Wir müssen ihm auch in der
sterblichen Erscheinung unseres Fleisches unsere tatfreudige Liebe
zollen, in seinen menschlich schwachen Bestandteilen, auch wenn diese
bisweilen weniger der Stellung entsprechen, die sie in dem
verehrungswürdigen Leib einnehmen.
Damit solch zuverlässige und unverfälschte Liebe in unserem Herzen
Platz greife und täglich wachse, müssen wir uns angewöhnen, in der
Kirche Christus selbst zu erblicken. Denn Christus ist es, der in
seiner Kirche lebt, der durch sie Lehre, Leitung und Heiligung spendet.
Christus ist es auch, der sich auf verschiedene Weise in den
verschiedenen Gliedern seiner Gemeinschaft darstellt. Wo dies Streben
nach lebendigem Glaubensgeist wirklich das Handeln aller
Christgläubigen bestimmt, da werden sie gewiß nicht allein den
hervorragenderen Gliedern des mystischen Leibes Ehre und gebührenden
Gehorsam entgegenbringen, zumal denen, welche im Auftrag des göttlichen
Hauptes einmal Rechenschaft abzulegen haben über unsere Seelen (Hebr.
13, 17); sie werden auch um jene sich kümmern, denen die besondere
Liebe unseres Erlösers galt: den Schwachen, Verwundeten und Kranken, ob
sie natürlicher oder übernatürlicher Heilung bedürfen; den Kindern,
deren Unschuld heute so leicht gefährdet, deren kleine Seele wie Wachs
formbar ist; den Armen endlich, in denen unsere helfende Liebe mit
innigem Mitleid die Person Jesu Christi selber erkennen soll.
So mahnt ja der Apostel mit vollem Recht: "Viel notwendiger sind jene
Glieder des Leibes, die als die schwächeren erscheinen; und die, welche
wir für die weniger achtunggebietenden ansehen, umkleiden wir mit
reicherem Schmuck" (1. Cor. 12, 22-23). Im Bewußtsein der Uns
auferlegten hohen Amtspflicht glauben Wir diesen ernsten Satz heute
erneut betonen zu müssen. Mit großem Schmerz erleben Wir es, wie
körperlich Mißgestaltete, Geistesgestörte und Erbkranke als Last der
Gesellschaft zuweilen ihres Lebens beraubt werden; ja wie dies von
manchen als neue Erfindung menschlichen Fortschritts und überaus
gemeinnützige Tat gepriesen wird. Doch welcher rechtlich Denkende sieht
nicht, daß solche Auffassung nicht minder dem natürlichen und dem
göttlichen, allen Herzen eingeschriebenen Gesetz (Decret. S. Officii, 2
Dec. 1940: A.A.S., 1940, p. 553), als dem Empfinden jedweder höheren
Menschlichkeit Hohn spricht? Das Blut derer, die unserem Erlöser gerade
deswegen teurer sind, weil sie größeres Erbarmen verdienen, "schreit
von der Erde zum Himmel" (Gen. 4, 10).
Damit aber jene echte Liebe, womit wir in der Kirche und ihren Gliedern
unseren Erlöser erblicken müssen, nicht allmählich erlahme, ist es eine
große Hilfe, wenn wir auf Jesus selbst als höchstes Vorbild der Liebe
zur Kirche schauen.
In erster Linie wollen wir die Weite seiner Liebe nachahmen. Gewiß ist
die Braut Christi nur eine: die Kirche. Doch die Liebe des göttlichen
Bräutigams ist so weit, daß sie niemanden ausschließt und in der einen
Braut das ganze Menschengeschlecht umfaßt. Aus diesem Grund hat unser
Erlöser sein Blut vergossen, um alle Menschen, so verschieden sie durch
Abstammung und Volkszugehörigkeit sein mögen, in seinem Kreuz mit Gott
zu versöhnen und in einem Leibe zu einigen. Wahre Liebe zur Kirche
fordert darum nicht nur von uns, daß wir als Glieder desselben Leines
füreinander einstehen (Gen. 4, 10.), uns freuen sollen, wenn ein
anderes Glied Ehre erfährt, und mit seinen Schmerz (1. Cor. 12, 26.)
mitleiden sollen, sondern daß wir zugleich die Menschen, die noch nicht
im Leibe der Kirche mit uns vereint sind, als Christi Brüder dem
Fleische nach betrachten sollen, die gleich uns zu demselben ewigen
Heil berufen sind. Leider gibt es heute mehr denn je Menschen, die mit
Feindschaft, Haß und Mißgunst hochmütig prahlen, als sei dies eine
gewaltige Steigerung menschlicher Ehre und menschlicher Kraft. Wir
sehen mit Schmerz die unheilvollen Früchte solcher Grundsätze vor uns.
Laßt uns darum unserem Friedensfürsten folgen, der uns lehrte, nicht
nur die zu lieben, die aus anderem Volk und Blut stammen als wir (Luc.
10, 33-37), sondern selbst unsere Feinde (Luc.6, 27-35; Matth.
5,44-48). Wir wollen, von der tröstlichen Überzeugung des
Völkerapostels tief durchdrungen, mit ihm die Höhe und die Breite, die
Erhabenheit und Tiefe der Liebe Christi besingen (Eph. 3, 18.). Sie
kann keine Verschiedenheit des Stammes und der Sitten schmälern, kein
Ozean mit seinen gewaltigen Fluten hemmen, kein Krieg auflösen, sei er
aus gerechtem oder ungerechtem Grund begonnen.
In dieser schweren Stunde, Ehrwürdige Bruder, in der soviel Schmerz den
Körper, soviel Traurigkeit die Seele durchwühlt, müssen alle zu solch
übernatürlicher Liebe aufgerufen werden. Die Kräfte aller Gutgesinnten
- Wir denken besonders an jene, die in den verschiedensten
Vereinigungen der Linderung der Not sich widmen - sollen sich
verbinden, um in herrlichem Wetteifer von Güte und Erbarmen Abhilfe zu
schaffen in so gewaltiger leiblicher und seelischer Not. So soll
allüberall die wohltätige Weite und unerschöpfliche Segensfülle des
mystischen Leibes Christi aufstrahlen.
Der Weite der Liebe, womit Christus die Kirche umfing, entspricht deren
ausdauernde Tatkraft, womit denn auch wir alle eifrig und beharrlich
bemüht sein sollen, den mystischen Leib Christi zu umhegen. Es gab im
Leben unseres Erlösers keine Stunde von der Menschwerdung an, womit er
den Grund zu seiner Kirche legte bis zum Ende seines sterblichen
Lebens, worin er nicht um die Formung und Vollendung seiner Kirche bis
zur Ermattung, obgleich Gottes Sohn, bemüht war mit dem strahlenden
Vorbild seiner Heiligkeit, in Predigten, Zwiegesprächen, Berufungen,
Bestimmungen. Es ist darum Unser Wunsch, es möchten alle, die in der
Kirche ihre Mutter erkennen, eifrig erwägen, daß tatkräftige Mitarbeit
zum Auferbauen und zum Wachstum des mystischen Leibes Jesu Christi nach
dem Maß ihrer Stellung Pflicht aller Glieder ist, nicht bloß der Diener
des Heiligtums und jener, die sich Gott ganz im religiösen Leben
geweiht haben. Wir erwarten, daß dies ganz besonders jene beachten, wie
sie es ja schon lobenswerterweise tun, die in den Kampfscharen der
Katholischen Aktion den Bischöfen und Priestern im apostolischen Amt
ihre Mithilfe leihen, und jene, die zum gleichen Zweck in frommen
Vereinigungen mitwirken. Wie bedeutungsvoll und wichtig ihrer aller
tüchtige Mitarbeit in der gegenwärtigen Lage ist, sieht jeder.
Wir dürfen an dieser Stelle nicht schweigen von den Familienvätern und
-müttern, denen unser Erlöser die zartesten Glieder seines mystischen
Leibes anvertraut hat. Um ihrer Liebe zu Christus und zur Kirche willen
bitten Wir sie innig, mit größter Sorgfalt über die ihnen zu treuen
Händen übergebenen Kinder zu wachen und sie vor den mannigfachen
Tücken, denen sie heute so leicht zum Opfer fallen, zu bewahren.
In besonderer Weise aber hat unser Heiland seine glühende Liebe zur
Kirche durch die innigen Gebete geoffenbart, die Er an den himmlischen
Vater für sie richtete. Wie allen bekannt ist, Ehrwürdige Brüder, - um
nur einiges in Erinnerung zu rufen - betete Er kurz vor dem Kreuzestod
aus ganzem Herzen für Petrus (Luc. 22, 32), für die übrigen Apostel
(Ioann.17,9-19) und dann für alle, die durch die Predigt des göttlichen
Wortes an Ihn glauben würden (Ioann.17,20-23).
Laßt uns darum in Nachahmung des Beispiels Christi täglich zum Herrn
der Ernte flehen. Er wolle Arbeiter senden in seine Ernte (Matth. 9,
38; Luc. 10, 2). Täglich sollen unsere vereinten Bitten zum Himmel
emporsteigen, um Gott alle Glieder des mystischen Leibes Jesu Christi
zu empfehlen, vor allem die Bischöfe, denen die Seelsorge über ihre
Diözese anvertraut ist; sodann die Priester und Ordensleute, die, zum
"Anteil des Herrn" berufen, in der Heimat und im Heidenland das Reich
des göttlichen Erlösers schützen, mehren und fördern. Kein Glied des
verehrungswürdigen Leibes Christi wollen wir in unserem gemeinsamen
Beten vergessen. Auch jener laßt uns innig gedenken, die die Last der
irdischen Verbannung besonders schmerzlich empfinden, oder die, aus
diesem Leben geschieden, im läuternden Feuer gereinigt werden;
schließlich derer, die in die Lehre Christi erst eingeführt werden,
damit sie möglichst bald im Wasser der Taufe Erlösung finden.
Wir wünschen ferner sehnlichst, dieses gemeinsame Beten möge mit heißer
Liebe auf die sich ausdehnen, die entweder von der Wahrheit des
Evangeliums noch nicht erleuchtet und in die sichere Hürde der Kirche
noch nicht eingetreten sind, oder welche von Uns, die Wir ohne Unser
Verdienst die Stelle Jesu Christi hier auf Erden vertreten, durch
unglückselige Spaltung im Glauben und in der Einheit getrennt sind.
Laßt uns für sie das göttliche Gebet unseres Heilandes zum Vater im
Himmel wiederholen: "Auf daß alle eins sein mögen, wie Du, Vater, in
mir und ich in Dir, daß auch sie in Uns eins seien, damit die Welt
glaube, daß Du mich gesandt hast" (Ioann. 17, 21).
Wie euch sicher bekannt ist, Ehrwürdige Brüder, haben Wir von Anfang
Unseres Pontifikates an auch sie, die nicht zur sichtbaren Gemeinschaft
der katholischen Kirche gehören, Gottes Schutz und Leitung empfohlen
und feierlich versichert, daß Uns in Nachahmung des Beispiels des guten
Hirten nichts mehr am Herzen liegt, als daß auch sie das Leben haben
und es in Fülle besitzen (Pius XII. Summi Pontificatus: A.A.S., 1939,
p. 419.). Wir wünschen diese Unsere feierliche Versicherung durch diese
Enzyklika, die der Ehre "des großen und glorreichen Leibes Christi"
(Iren., Adv. Haer., IV, 33,7: Migne, P. G. VII, 1076) geweiht ist, zu
wiederholen, nachdem Wir soeben um die Gebete der ganzen Kirche
nachgesucht haben. Alle jene und jeden einzelnen von ihnen laden Wir
mit liebendem Herzen ein, den inneren Antrieben der göttlichen Gnade
freiwillig und freudig zu entsprechen und sich aus einer Lage zu
befreien, in der sie des eigenen ewigen Heiles nicht sicher sein können
(Pius IX, lam vos omnes, 13 Sept. 1868: Act. Conc. Vat., C. L. VII,
10). Denn mögen sie auch aus einem unbewußten Sehnen und Wünschen
heraus schon in einer Beziehung stehen zum mystischen Leib des
Erlösers, so entbehren sie doch so vieler wirksamen göttlichen Gaben
und Hilfen, deren man sich nur in der katholischen Kirche erfreuen
kann. Möchten sie also eintreten in den Kreis der katholischen Einheit
und alle, mit uns in der gleichen Gemeinschaft des Leibes Jesu Christi
geeint, an das eine Haupt sich wenden in ruhmreicher
Liebesverbundenheit (Gelas. I, Epist. XIV: Migne, P. L. LIX, 89). In
unablässigem Flehen zum Geiste der Liebe und der Wahrheit erwarten Wir
sie mit ausgebreiteten Armen, nicht als Fremde, sondern als solche, die
in ihr eigenes Vaterhaus heimkehren.
Doch wenn es auch Unser Wunsch ist, es möchte unaufhörlich dies
Gemeinschaftsgebet des ganzen mystischen Leibes um möglichst baldigen
Eintritt aller Irrenden in die eine Hürde Jesu Christi zu Gott
emporsteigen, so müssen Wir doch betonen, daß solch ein Schritt aus
freiem Willensentschluß geschehen muß, da niemand glauben kann, der es
nicht freiwillig tut (August., In Ioann. Ev. tract., XXVI, 2: Migne, P.
L. XXX, 1607). Sollten also Menschen, die nicht glauben, wirklich zum
Eintritt in den äußerlichen Bau der Kirche, zum Hintreten an den Altar
und zum Empfang der Sakramente genötigt werden, so können dies gewiß
keine wahren Christgläubigen sein (August., Ibidem). Denn der Glaube,
ohne den man Gott unmöglich gefallen kann (Hebr. 11, 6), muß eine
völlig freie "Hingabe des Verstandes und Willens" (Conc. Vat., Const.
de fide cath., cap. 3) sein. Sollte daher einmal der Fall eintreten,
daß jemand gegen die beständige Lehre dieses apostolischen Stuhles (Leo
XIII, Immortale Dei: A.S.S., XVIII, pp. 174-175; Cod. jur. Can., c.
1351) wider seinen Willen zum katholischen Glauben gezwungen würde, so
müssen Wir dies im Bewußtsein Unserer Amtspflicht unbedingt
zurückweisen. Weil aber die Menschen einen freien Willen haben und ihre
Freiheit infolge ihrer verkehrten Neigungen und Leidenschaften auch
mißbrauchen können, kann nur der Vater der Erleuchtung sie durch den
Geist seines geliebten Sohnes wirksam zur Wahrheit bewegen. Wenn also
bedauerlicherweise so viele Menschen noch außerhalb der Wahrheit des
katholischen Glaubens stehen und dem Walten der göttlichen Gnade ihre
Freiheit nicht unterwerfen, so hat dies seinen Grund nicht nur darin,
daß sie selbst (August., Ibidem.), sondern auch darin, daß die
Christgläubigen keine glühenderen Gebete um diese Gnade an Gott
richten. Stets aufs neue wiederholen Wir darum Unsere Mahnung, daß alle
in brennender Liebe zur Kirche und nach dem Beispiel des göttlichen
Heilandes solche Gebete beharrlich verrichten.
Aber auch dies ist, zumal in der heutigen Zeitlage angebracht, ja
notwendig, daß für Könige und Fürsten und für alle Regierenden, die
durch ihren Schutz von außen der Kirche beistehen können, innig gebetet
wird, damit nach Herstellung einer gerechten Ordnung "der Friede als
Werk der Gerechtigkeit" (Is. 32, 17.) von Gottes Liebe beseelt aus den
trüben Fluten der Unwetter der müden Menschheit sich zeige und die
liebevolle Mutter Kirche ein friedliches und ruhiges Leben führen könne
in aller Frömmigkeit und Reinheit (1. Tim. 2, 2.). Man muß vor Gott
darum anhalten, daß doch alle Lenker der Völker die Weisheit lieben
möchten (Sap. 6,23.), so daß sie nie das furchtbare Urteil des Heiligen
Geistes treffe: "Fragen wird der Allerhöchste nach euern Werken, und
eure Gedanken wird Er verhören, weil ihr als Walter seiner Gewalt
ungerecht geurteilt, die Satzung der Gerechtigkeit nicht beobachtet
habt, nach Gottes Willen nicht gewandelt seid. Schrecklich und
überraschend wird Er vor euch stehen; denn das härteste Gericht ergeht
über die Obrigkeiten. Dem kleinen Mann wird Erbarmen zuteil, die
Gewalthaber indes werden gewaltig geschlagen. Gott schont keinen ob
seines Ranges, Er fürchtet sich vor keiner Größe. Den Kleinen und den
Großen, Er hat sie beide gemacht und gleicherweise auf alle erstreckt
sich seine Sorge; doch den Stärkeren droht größere Strafe. Euch, ihr
Regenten, gilt dieses mein Wort, daß ihr Weisheit lernet und nie sie
mißachtet!" (Ibidem 6, 4-10)
Christus der Herr hat seine Liebe zu seiner unberührten Braut jedoch
nicht allein durch unermüd-liches Wirken und beharrliches Beten
geoffenbart, sondern auch durch die Leiden und Qualen, die Er aus
freiwilliger Liebe für sie auf sich nahm. "Da Er die Seinen liebte ...
liebte Er sie bis ans Ende" (Ioann. 13, l). Nur durch sein Blut hat Er
sich die Kirche erkauft (Apg. 20, 28). So laßt uns, wie es die
Sicherstellung unseres Heiles verlangt, frei den blutigen Spuren
unseres Königs folgen: "denn wenn wir zur Ähnlichkeit mit Seinem Tode
verwachsen sind, werden wir es zugleich mit seiner Auferstehung sein"
(Rom. 6, 5), und "wenn wir mitgestorben sind, werden wir auch mitleben"
(2. Tim. 2, 11). Dies heischt von uns zugleich eine echte und tätige
Liebe zur Kirche und zu den Seelen, die sie für Christus gebiert. Zwar
hat unser Heiland seiner Kirche durch das bittere Leiden und den
bitteren Tod einen geradezu unendlichen Schatz von Gnaden verdient.
Doch diese Gnaden werden uns nach Gottes weisem Rat nur zu Teilen
zugedacht; ihre gößere oder geringere Fülle hängt nicht wenig auch von
unseren guten Werken ab, durch die der von Gottes Huld gespendete
Gnadenregen auf die Seelen der Menschen herabgezogen wird. Er wird
sicherlich in reicher Fülle strömen, wenn wir nicht nur eifrig zu Gott
beten und besonders am heiligen Meßopfer womöglich täglich andächtig
teilnehmen, nicht nur in christlicher Liebespflicht die Not so vieler
Bedürftigen zu lindern versuchen, sondern vor allem, wenn wir den
vergänglichen Gütern dieser Welt die ewigen vorziehen; wenn wir diesen
sterblichen Leib durch freiwillige Buße in Zucht halten, ihm
Unerlaubtes versagen und auch Hartes und Rauhes ihm abfordern; wenn wir
endlich die Mühen und Leiden des gegenwärtigen Lebens wie aus Gottes
Hand ergeben annehmen. So werden wir gemäß dem Wort des Apostels "an
unserem Fleische ergänzen, was an dem Leiden Christi noch fehlt für
seinen Leib, die Kirche" (Col. l, 24.).
Während wir dies schreiben, steht vor Unseren Augen eine fast
unendliche Schar von Bedrängten, deren Schmerz Wir innig mitfühlen. Es
sind die Kranken, die Armen, die Krüppel, die Witwen und Waisen, und
viele, die am eigenen Leid oder an dem der Ihrigen oft bis zur
Erschöpfung tragen. Sie alle ermuntern Wir mit der Liebe eines Vaters,
was immer der Grund ihrer Leiden und Drangsale sein mag, sie mögen voll
Vertrauen emporblicken zum Himmel und ihre Not dem darbringen, der
ihnen einst reichen Lohn dafür spenden wird. Mögen alle sich erinnern,
daß ihr Dulden nicht eitel ist, sondern ihnen selbst und der Kirche
zugleich großen Segen bringt, wenn sie es in solcher Absicht gelassen
auf sich nehmen. Zur größeren Wirksamkeit dieser Absicht trägt
sicherlich ungemein viel die täglich erneuerte Selbsthingabe an Gott
bei, wie sie die Mitglieder jener frommen Vereinigung üben, die unter
dem Namen Gebetsapostolat bekannt ist. Wir legen Wert darauf, den Gott
so wohlgefälligen Bund in diesem Zusammenhang herzlich zu empfehlen.
Sollen wir schon zu jeder Zeit um des Heiles der Seelen willen unsere
Leiden mit denen des göttlichen Erlösers vereinen, so muß dies heute,
Ehrwürdige Brüder, allen ein Gebot sein, indes die furchtbare
Kriegsfackel fast den ganzen Erdkreis in Brand steckt und soviel Tod,
Elend und Not schafft. Ebenso muß es heute in besonderer Weise für alle
ein Gebot der Stunde sein, sich der Laster, der Verführungen der Welt
und der körperlichen Ausschweifungen zu enthalten; ja selbst von allem
irdischen Tand, dem keinerlei Bedeutung für die christliche Formung der
Seele und für unser himmlisches Endziel zukommt. Vielmehr müssen wir
das ernste Wort Unseres unsterblichen Vorgängers Leo des Großen
einprägen, daß wir durch die Taufe zum Fleisch des Gekreuzigten wurden
(Serm. LXIII, 6; LXVI, 3: Migne, P.L. LIV, 357 et 366), und das
herrliche Gebet des heiligen Ambrosius: "Trage mich (Christus) auf
Deinem Kreuz, das heilsam ist für die Verirrten, in dem allein Ruhe ist
für die Wegesmüden, in dem allein Leben sein wird für alle, die sterben
müssen" (In Ps. 118, XXII, 30: Migne, P. L. XV, 1521).
Bevor Wir nun schließen, fühlen Wir Uns gedrängt, wieder und wieder
alle zu ermahnen, daß sie die gütige Mutter Kirche lieben mit
herzlicher, tätiger Liebe. Für ihre Unversehrtheit und ihr reiches,
blühendes Wachstum laßt uns täglich dem Ewigen Vater unser Beten,
Schaffen und Leiden darbringen, sofern uns wirklich das Heil der
gesamten Menschheitsfamilie am Herzen liegt, die durch göttliches Blut
erlöst ist. Indes die jagenden Wolken den Himmel verdüstern; indes der
gesamten menschlichen Gesellschaft und der Kirche selbst gewaltige
Fährnisse drohen, laßt uns dem Vater der Erbarmungen uns und alles
Unsere mit dem Gebet vertrauen: "Sieh' hernieder, o Herr, wir bitten
Dich, auf diese Deine Familie, für die unser Herr Jesus Christus ohne
Bedenken den Händen der Henker sich hingab und Kreuzesqual auf sich
nahm" (Off. Maior. Hebd.).
Nachwort:
Von der Allerseligsten Jungfrau Maria
Möge die jungfräuliche Gottesmutter, Ehrwürdige Brüder, diesen Unseren
Wünschen, die gewiß auch die euern sind, zur Verwirklichung helfen und
allen eine unverfälschte Liebe zur Kirche erflehen! Ihre hochheilige
Seele war mehr als alle ändern von Gott geschaffenen Seelen vom
göttlichen Geiste Jesu Christi erfüllt. Sie hat ihre Zustimmung gegeben
"im Namen der ganzen menschlichen Natur", so daß "sich zwischen dem
Sohne Gottes und der Menschennatur eine Art geistlicher Ehe" vollzog
(S. Thom., III, q, 80, a. 1). Sie hat Christus den Herrn, der schon in
ihrem jungfräulichen Schöße mit der Hoheit des Hauptseins über die
Kirche umkrönt war, in Wundern geboren, den Quell alles himmlischen
Lebens. Sie hat den Neugeborenen denen, die Ihm aus Juden und
Heidenland die erste Anbetung zollten, als Prophet, König und Priester
dargereicht. Ihr Einziggeborener hat auf ihre Mutterbitte "zu Cana in
Galiläa" das Wunderzeichen gewirkt, auf das hin "seine Jünger an Ihn
glaubten" (Ioann. 2, 11). Sie hat, frei von jeder persönlichen oder
erblichen Verschuldung und immer mit ihrem Sohn aufs innigste
verbunden, Ihn auf Golgatha zusammen mit dem gänzlichen Opfer ihrer
Mutterrechte und ihrer Mutterliebe dem Ewigen Vater dargebracht als
neue Eva für alle Kinder Adams, die von dessen traurigem Fall entstellt
waren.
So ward sie, schon zuvor Mutter unseres Hauptes dem Leibe nach, nun
auch auf Grund eines neuen Titels des Leids und der Ehre im Geiste
Mutter aller seiner Glieder. Sie war es, die durch ihre mächtige
Fürbitte erlangte, daß der schon am Kreuz geschenkte Geist des
göttlichen Erlösers am Pfingsttag der neugeborenen Kirche in
wunderbaren Gaben gespendet wurde. Sie hat endlich dadurch, daß sie ihr
namenloses Leid tapfer und vertrauensvoll trug, mehr als alle
Christgläubigen zusammen, als wahre Königin der Märtyrer, "ergänzt, was
an den Leiden Christi noch fehlt... für seinen Leib, die Kirche" (Col.
l, 24). Sie hat den geheimnisvollen Leib Christi, der aus dem
durchbohrten Herzen des Heilandes geboren ward (Off. Ssmi Cordis in
hymno ad vesp.), mit derselben innigen Mutterliebe und Sorge begleitet,
womit sie das Jesuskind in der Krippe und an ihrer Brust umhegte und
nährte.
Ihrem unbefleckten Herzen haben Wir vertrauensvoll alle Menschen
geweiht. Möge sie, die hochheilige Mutter aller Glieder Christi (Pius
X, Ad diem illum: A.S.S., XXXVI, p. 453), strahlend jetzt mit Leib und
Seele in der Himmelsglorie und herrschend droben mit ihrem Sohn, von
Ihm inständig erflehn, daß reiche Ströme der Gnade unaufhörlich vom
erhabenen Haupt auf alle Glieder des geheimnisvollen Leibes
herabfließen. Möge sie mit ihrer wirksamen Fürsprache wie in
vergangenen Zeiten so heute die Kirche schützen und ihr sowie der
ganzen Menschheit endlich friedlichere Zeiten von Gott erlangen.
Von dieser übernatürlichen Hoffnung getragen, spenden Wir als
Unterpfand himmlischer Gnaden und als Zeugnis Unseres besonderen
Wohlwollens euch allen und jedem einzelnen, Ehrwürdige Brüder, sowie
der jedem von euch anvertrauten Herde aus ganzem Herzen den
apostolischen Segen.
Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 29. Juni, dem Fest Peter und Paul im Jahre 1943. im fünften Unseres Pontifikats
Pius XII., Papst
***
Anmerkungen:
1) Textgrundlage: W. Jussen (Hg.), Gerechtigkeit schafft Frieden. Reden
und Enzykliken des Heiligen Vaters Papst Pius XII., Hamburg 1946,
276-347, Wiedergabe der amtlichen vatikanischen Ãœbetragung in die
deutsche Sprache. Man vgl. dazu auch die Ãœbersetzung ins Deutsche von
Feckes, Carl: "Die Kirche als Herrenleib • Darlegungen und
Erläuterungen zur Enzyklika Papst Pius XII. 'Mystici Corporis Christi'
(29. Juni 1943)" Köln 1949, S. 175 ff.
2) Kommentar zur Enzyklika "Mystici corporis" von Dr. David Berger (Die
Tagespost, Nr. 76, 28.06.2003): "Innovation verlangt Treue zum
Wesentlichen - Die Kirche ist übernatürlich und sichtbar zugleich – Vor
sechzig Jahren erschien die Enzyklika 'Mystici corporis' von Papst Pius
XII."
3) a.a.O.
4) vgl. a.a.O.
5) a.a.O.
6) a.a.O.
7) Kommentar zur Enzyklika "Mystici corporis" von Dr. David Berger a.a.O.
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