Zeitgeschehen:
Unser 'guter' Freund George
- Anmerkungen zu einer Doktrin der Hybris -
von
Eberhard Heller
Der amerikanische Präsident George W. Bush hält seit Monaten mit seiner
Ankündigung, einen Krieg gegen den Irak führen zu wollen - notfalls
auch ohne UN-Mandat - die Welt in Atem. Wahrscheinlich hätte er dieses
Vorhaben schon durchgeführt, wenn der öffentliche Widerspruch aus
Deutschland, mit dem der ehemalige und wiedergewählte Bundeskanzler
Schröder das Wahlverhalten der Deutschen entscheidend beeinflußt hatte,
nicht Bushs Pläne durchkreuzte und die UNO auf den Plan rief. Diese
hängt nun Bush und seinen Kriegsspielen wie ein Klotz am Bein, deren
sämtliche Vertreter fast geschlossen die USA in der vorletzten Woche
diplomatisch "abgewatscht" haben. Daß es bei dem geplanten Krieg nicht
um die Abwehr der Bedrohung durch irakische ABC-Waffen, geht - was die
Bush-Propaganda ausstreut -, auch nicht um die gewaltsame Ablösung des
"Schurken" Saddam Hussein, der im Irak-Iran-Krieg großzügige
Waffenhilfe von Amerika erhalten hatte, sondern schlicht um die
Ölquellen im Süden des Iraks, hat Herr Prof. P. Scholl-Latour eindeutig
dokumentiert (Fernsehsendung vom Sommer 2002).
Die Wahrheit sei, so erklärte Ritter, ein ehemaliger amerikanischer
UNO-Waffeninspekteur, daß der Irak keine Bedrohung fiir seine Nachbarn
darstelle und nicht auf eine Art und Weise handele, die irgend jemand
außerhalb seiner Grenzen gefährde. Ritter hält das Gerede des
US-amerikanischen Verteidigungsministers Rumsfeld, der behauptet, die
notwendigen Beweise gegen Saddam Hussein in den Händen zu halten,
schlicht für "dummes Geschwätz". (KONKRET, 10/02)
Auch der Journalist Michael Klare erklärte gegenüber dem SAN FRANCISCO
CHRONICLE: "Würden die wahren Gründe genannt, dass hier Öl gesichert
und die OPEC entmachtet werden sollen, würde dies viel zu eigennützig
erscheinen." Diese Aussage kommentiert Alexander Kreye (in der
SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 19./20.10.2002) wie folgt: "Immer, wenn es
keine direkte Bedrohung des eigenen Territoriums gab, mussten die USA
ihre militärische Macht als Instrument der moralischen Vorherrschaft
verkaufen, nicht nur der Weltöffentlichkeit, sondern auch der eigenen
Bevölkerung." Michael Wiesberg äußert sich noch deutlicher: "Daß es
hier zuvörderst um den Zugriff auf die irakischen Erdölreserven geht,
dürfte inzwischen allgemein bekannt sein. Die Hege-moniestellung der
USA mit dem Zugriff auf die relevanten Erdölvorkommen dieser Welt wäre
gefestigt. Damit würden den Amerikanern ökonomisch weitreichende
strategische Instrumente zuwachsen." (JUNGE FREIHEIT vom 4.10.2002)
Man kann diese Haltung auch auf den einfachen Nenner bringen: indem man
jemand (grundlos) kriminalisiert, gibt man vor, das Recht zu haben,
dessen Eigentum zu rauben... mit einer durch und durch velogenen
Kampagne. (Eine ähnliche Strategie verfolgt der russische Präsident
Putin: Indem er ein ganzes Volk zu Terroristen - hier die Tscheschenen
- erklärt, 'rechtfertigt' er dessen Genozid - konkret: in den lezten
Jahren wurden über 90.000 Tscheschenen von den russischen Soldaten
'abgeschossen'... auch Kinder auf dem Schulweg.) Und für solche
Raubzüge erhält Präsident Bush noch die Zustimmung des Kongresses und
des Senates!! (Wem fällt da nicht das bekannte Ermächtigungsgesetz ein!)
Neben dem Medienspektakel um den geplanten Irak-Krieg und dem
Wahlkampfgetümmel in Deutschland blieb das von der Bush-Administration
Mitte September dieses Jahres herausgegebene Papier zur amerikanischen
Außenpolitik von den meisten unserer Landsleute weitgehend unbeachtet.
Die Bush-Doktrin mit dem Titel "The National Security Strategy of the
United States" ("Die nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten
Staaten - abgekürzt: NSS) schreibt die militärische Vorherrschaft der
USA für alle Zeiten fest. Das Vertrags-Prinzip als Grundlage
internationaler Zusammenarbeit und als friedliche Verständigung lehnt
die amerikanische Regierung damit ausdrücklich ab, die internationalen
Sicherheitssysteme werden konterkariert. Statt dessen gilt die
"Counterproliferation" (Initiative gegen die Weitergabe von
Atomwaffen), die dem US-Präsidenten notfalls erlaubt, auch gewaltsam
gegen Abweichler vorgehen zu dürfen, um die in Ungnade Gefallenen zu
entwaffen... gedacht ist hier vorrangig an die so zitierten
"Schurkenstaaten" Iran, Nord-Korea oder Irak, aber auch das renintente
Deutschland kann ins Visier geraten. Wie der Mitarbeiter am Institut
für Internationale Politik in Wien, Heinz Gräter, meint, diene "genau
deshalb[...] Deutschland nun praktisch dafür, zur Abschreckung anderer
europäischer Mächte als 'Punchingball' die Folgen zu demonstrieren, die
eine Renitenz gegen die USA nach sich ziehen würde." (JF vom 4.10.2002)
Wiesberg resumiert über die NSS und ihre Auswirkung auf die
internationalen Beziehungen: "Im Mittelpunkt der NSS steht der
unbedingte Wille, jede ausländische Kraft daran zu hindern, die
exklusive militärische Führungsrolle der Vereinigten Staaten, die nach
dem Fall der Sowjetunion entstanden ist, in Frage zu stellen. Jeder
mögliche Feind hat mit Präventivschlägen zu rechnen, falls er es wagen
sollte, die militärische Stärke der USA zu übertrumpfen oder auch nur
mit ihr gleichziehen zu wollen. Die Konsequenz: aufgrund dieser selbst
ausgestellten Generalermächtigung wird jede Nation allein dadurch zum
Feind der USA, wenn sie deren hegemoniales Machtkalkül durch verstärkte
militärische Anstrengungen provoziert. Unter dem Strich kann man
resümieren, daß die NSS den Rest der Welt auffordert, sich in
Wohlverhalten gegenüber den USA zu üben. Dies gilt auch für die
supranationalen Instanzen wie UNO, IWF und Weltbank, die sich dem Kampf
um die Werte und Ideen der USA unterzuordnen haben. Multilateralismus,
so lautet eine Schlußfolgerung der NSS, könne es nur dann geben, wenn
es Amerikas Interessen dienlich ist, die selbstherrlich mit den
Inte-ressen der freien Welt gleichgesetzt werden. Dem haben sich auch
die 'Alliierten' der USA zu fügen: Zwar sei man zu Allianzen bereit, um
den Krieg gegen den Terrorismus zu führen. Im Fall nationaler Notwehr
werde man aber nicht zögern, präventive Kriege auch alleine zu führen.
Die Souveräniat ausländischer Staaten wird also seitens der USA
schlicht ignoriert. (...) Konsequent zu Ende gedacht, kommt die NSS dem
Ende der Politik souveräner Staaten bzw. der supranationalen
Organisationen gleich. Hier liegt denn auch der eigentliche Keim der
Verstimmung zwischen Deutschland und denn USA. Im Prinzip will die
Außenpolitik der USA nur noch bedingunglose Vasallentreue oder die
internationale Ächtung bzw. Sanktionierung kennen. (...) Die derzeitige
US-Regierung hat mit ihrer neuen außenpolitischen Doktrin
unmißverständlich klargemacht, daß sie von dem Völkerrecht und
Bündnissen nur solange etwas hält, wie es ihren Interessen dienlich
ist." (Michael Wiesberg: "Krieg - die Mutter aller Antworten", JUNGE
FREIHEIT vom 4.10.2002) Scott Ritter teilt diese Sicht: Bush riskiere
die Zerstörung der Vereinten Nationen, die über ein halbes Jahrhundert
die internationale Zusammenarbeit garantiert hätten, unterstrich Ritter
in einem Interview für die aktuelle Ausgabe des Magazins KONKRET
(10/02): "Dies ist ein historisch einschneidender, ein sehr
gefährlicher Augenblick."
Mit dieser hegemonialen Zielsetzung, die er moralisch verkleistern
möchte, verläßt jedoch Bush gerade aus diesem Grund die rein politische
Ebene. Auch wenn einer der Ideologen der SÜD-DEUTSCHEEN ZEITUNG,
Heribert Prantl, der die Sprache der "Political correctnes" spricht,
von Bush annimmt, dieser "glaubt, er habe Gott auf seiner Seite" und er
sähe "die USA im Kampf gegen das Böse in einer heilsgeschichtlichen
Rolle" (SZ vom 5./6.10.2002), so kann auch diese
'eschatologische' Verbrämung nicht Bushs wahre Ab-sichten verbergen.
Dessen zur Doktrin erhobene nationale Anmaßung mit ihrer vorgetäuschten
moralisierenden Unterfütterung persifliert in fataler Weise das
Christus-Wort "Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich." Und aus dem
einfachen Räuber, der irakisches Öl unter seine Kontrolle bringen will,
wird unversehens ein Blasphemiker. Genau hier jedoch beginnt Bush einen
Konflikt, den er schon im voraus verloren hat; denn "Gott läßt seiner nicht spotten".
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