DIE ROLLE DES 'FORTSCHRITTS'
IM KATASTROPHALEN NIEDERGANG DES KATHOLIZISMUS
von
Dr. Hugo Maria Kellner
(geschrieben während der II. Sitzungsperiode des II. Vatikanums im Jahre 1964)
Vorbemerkung der Redaktion:
Gelegentlich ist ein Rückblick auf die Anfänge einer Entwicklung nötig,
die inzwischen bestimmend ist nicht nur für unsere eigene derzeitige
Situation, sondern auch weitgehend - zwar nicht spektakulär, aber
dennoch durchdringend - das geistige Klima unserer Gesellschaft
mitgeprägt hat, um zu einer Überprüfung des eigenen Standpunktes bzw.
zu einer Selbstkontrolle seiner eigenen Aktiviäten zu gelangen. Um
diese weitgehende Verflechtung aufzuzeigen, verweise ich nur auf den
florierenden, modernen Ökumenismus und den gerade von Johannes Paul II.
so gepflegten Synkretismus, denen im gesellschaftlichen, politischen
Raum der grassierende Multi-Kulturismus entspricht.
Wohl kaum ein anderer unserer Freunde hat das Ausmaß der
umstürzlerischen Energie, die bereits vor und während des
Konzilsverlaufes sichtbar wurde, so deutlich erkannt und erahnt,
welches Resultat sie hervorbringen würde, wie gerade Herr Dr. Hugo
Maria Kellner, ein im Jahre 1949 in die USA emegrierter deutscher
Wissenschaftler. Auch wenn hier die Person Pauls VI. als der
eigentliche Initiator der als Reformen ausgegebenen Revolution noch
nicht ins Visier von Kellners Kritik gerät, so sollte er ihn doch recht
bald als Hauptschuldigen entdecken. Seine nüchternen, unbestechlichen
Analysen der Vorgänge während des Konzils und der von diesem
verabschiedeten Dokumente waren - neben denen von H.H. Pater Saenz y
Arriaga aus Mexiko - richtungsweisend auch für unser kirchliches
Engagement. Seine Aufsätze, von denen viele auch in der EINSICHT
erschienen, er-reichten weltweit ein aufmerksames Publikum. Dr. Kellner
war der erste, der nach einem Besuch in Econe bereits 1972 das Programm
und die Aktivitäten von Mgr. Lefebvre grundsätzlich kritisierte: das
Programm sei illusionär, die Taktik moralisch defizient. Er war es
auch, der die Gültigkeit der Weihen des Chefs von Econe bestritt. Und
wiederum war es Kellner, der auf das Problem des "Una cum" im "Te
igitur" der Messe aufmerksam machte. Als Kellner am 8. Februar 1986
fast 85-jährig starb, war einer der Väter unseres Widerstandes von uns
gegangen.
E. Heller
***
Der Katholizismus umfaßt gegenwärtig etwa 17% der Weltbevölkerung, wenn
man alle Taufschein-Katholiken als Katholiken zählt. Wenn man aber die
Katholiken ausnimmt, die nicht einmal mehr die pflichtmäßige
Sonntagsmesse besuchen, so ist der Prozentsatz nur noch etwa 1,7% - 4%.
Der katastrophale Niedergang der inneren Substanz des Katholizismus
während der letzten Jahrzehnte wurde durch die Verheerungen des
Säkularismus verursacht und diese waren die Folge der Lockungen des
bequemen, luxuriösen Lebensstils, den die moderne Technik ermöglicht
hat und den die säkularistischen Massennachrichtenverbreitungsmittel,
Fernsehen und die illustrierten Zeitschriften, propagiert haben.
Der Grund dafür, daß unsere kirchlichen Führer keine zureichenden
Anstrengungen machten, sich dieser Flut entgegenzustellen, kann nur aus
einer weit verbreiteten und tief reichenden Schwächung des Glaubens an
die dogmatischen Wahrheiten des authentischen Glaubensgutes von Seiten
vieler unserer Kirchenführer selbst erklärt werden. Diese Erscheinung
ist die Folge eines Einbruchs der "Welt" in die Kirche, der sie bereits
früher im Laufe ihrer Geschichte erschüttert hat (Renaissance,
Aufklärung, Modernismus) und der in unserer Zeit trotz päpstlicher
Enzykliken und trotz Anti-Modernisten-Eides unter der Wucht des
Säkularismus ein noch nie dagewesenes Ausmaß unter dem Namen
"Fortschritt" angenommen hat.
Das Wesen und der Umfang des "Fortschritts" in der Kirche wurde
ausgezeichnet definiert und seine verheerenden Folgen, deren Triebkraft
mit dem zweiten Vatikanischen Konzil außerordentlich zu-nahm, wurden
klar vorausgesehen in einem italienisch geschriebenen Aufsatz mit dem
Titel "L' En-ciclica "Divino Afflante Spiritu" e Le "Opiniones Novae"
von Msgr. Antonino Romeo, den dieser in der
Laterans-Universitäts-Zeitschrift DIVINITAS im September 1960
veröffentlichte:
"Die ernste, ja fürchterliche Gefahr
unserer Tage besteht darin, daß inmitten der Kirche Theorien und
Tendenzen aufgetaucht sind, die das Fundament der katholischen Lehre
bedrohen, wie im Jahre 1950 Papst Pius XII. voll Kummer in der
Enzyklika "Humani Generis" schon in deren Titel sich ausdrückte. Die
unablässige Untergrundtätigkeit von Termiten, die im Verborgenen
wühlen, sowohl in Rom als auch in allen Teilen der Welt, zwingen zu der
Annahme, daß ein, bis in alle Einzelheiten ausgearbeiteter Plan
besteht, die den katholischen Glauben ausmachenden und nährenden Lehren
zu verfälschen und zu zerstören. Beständig wachsende Anzeichen von
verschiedenen Seiten zeugen für die allmähliche Entfaltung eines
ausgedehnten, an Umfang zunehmenden Unternehmens, das von
außerordentlich fähigen und anscheinend sehr frommen Führern gelenkt
wird und darauf ausgeht, das Christentum, wie es bisher durch 19
Jahrhunderte hindurch gelehrt und gelebt wurde, auszulöschen und es
durch das Christentum der "Neuen Zeit" zu ersetzen. Die Religion, wie
sie von Christus und den Aposteln gepredigt und von St. Augustinus, St.
Benedikt, St. Dominikus, St. Franziskus und St. Ignatius von Loyola
kraftvoll in die Tat umgesetzt wurde, wird fieberhaft bis zum
Verschwinden zersetzt, damit an ihrer Stelle eine, von den Gnostikern
aller Zeiten ersehnte, neue Religion sich durchsetzen könne, die
bereits hier und da "das, unserer Zeit angepasste Christentum" genannt
wird. Das Christentum der "Neuen Zeit" wird sich auf den Kosmos als
Gottheit und seine Menschenrechte gründen. Als seine Dogmen wird es den
Entwicklungs-Monismus eines grenzenlosen Fortschritts, schrankenlose
menschliche Freiheit und allgemeine Gleichheit ansehen, die je nach den
Umständen "wissenschaftliche", theosophische und okkultistische Züge
aufweisen. Seine verbindliche Moral wird die "Anpassung" sein, d.h.
eine Gleichschaltung, die alle vergeblichen persönlichen Anstrengungen
ausschaltet und es sich zur Pflicht macht, alle Instinkte und Triebe zu
befriedigen. Ewiges Leben als Endziel und Endzustand wird abgeschafft
und durch die "Wirklichkeiten dieser Erde" ersetzt werden, welche der
Obskurantismus von neunzehnhundert Jahren in die Quarantäne verwiesen
hat und die heutzutage wieder in ihre "Rechte" eingesetzt werden. In
diesem "Neuen Christentum" werden Christus, die Apostel, die
Definitionen und Anordnungen des Kirchlichen Lehramts von
neunzehnhundert Jahren nur noch Reminiszenzen von blossem "historischem
und apologetischem" Wert sein, Jahresringe einer unaufhaltbaren
Entwicklung, die erst dann ihr Ende finden wird, wenn der, zum
allvollkommenen Wesen gewordene Mensch sich in der Unendlichkeit des
Alls auflöst. Wir haben die Zeit im Futur gebraucht. Aber es besteht
kein Zweifel darüber, dass dieses "Neue" Christentum in den Herzen
einer Anzahl katholischer Kleriker und Laien der "Neuen Zeit" bereits
existiert. Man kann bereits die, von gewissen Ordensgeistlichen und
anderen, im Flüsterton geäusserte Voraussage hören, dass "innerhalb von
20 Jahren ..., innerhalb von 40 Jahren, im Jahre 2000, spätestens in
einem Jahrhundert ...". Inzwischen arbeiten sie mit fieberhafter
Betriebsamkeit für den Triumph der endgültigen und universalen Religion
... ."
Diese Welt hat, obwohl sie katholische Terminologie gebraucht und
dadurch sogar viele gutgläubige Katholiken irreführt, nichts mehr mit
dem traditionellen, von Christus gelehrten Katholizismus zu tun, der
seine Mitte in einem persönlichen Gott hat. Letztlich gründet diese
Welt in einer Auffassung vom Menschen, der als ein Individuum
Eigengesetzlichkeit für sich in Anspruch nimmt, der stolz, unbeschränkt
frei und von einem persönlichen Gott und seinen Geboten unabhängig und
darum im Grunde amoralisch und diabolisch ist und Vollkommenheit in der
beständigen Entwicklung der Rechte des Menschen und seiner "Werte"
sucht.
Diese Welt ist nicht mehr auf Vernunft und ihre Kategorien von wahr und
falsch und eine, auf Gott gegründete Moral und ihre Normen von gut und
böse aufgebaut. Das Denken ist in dieser Welt zum "Vernünfteln"
entartet. Ihre Geistigkeit beruht auf Gefühlen, Erregungen und
Leidenschaften, dem Bereich, in dem die niedrige Natur des Menschen
ihren stärksten Halt hat. "Angenehm" und "unangenehm" sind die, vom
Existentialismus bezogenen Kriterien ihrer Werte.
In ihrem Kampf, sich gegen die traditionelle, auf einen persönlichen
Gott gegründete Religion durchzusetzen, hat sie einen Wortschatz
hochtönender, aber nicht auf Vernunft aufgebauter, stimmungsbetonter,
täuschender und falscher Wertmaßstabpaare entwickelt wie: "Neu" gegen
"Alt"; eine "glorreiche Zukunft" gegen eine "düstere Vergangenheit";
"modern" gegen "überlebt"; "fortschrittlich" gegen "gleichbleibend" und
"rückschrittlich"; "liberal" gegen "konservativ"; "positiv" gegen
"negativ"; Gottes-'Liebe' gegen Gottesfurcht und Ehrfurcht vor Gott;
'über die Gebote hinaus'gegen die Gebote; moralische 'Reife' gegen
Prüderie; 'Dialog' gegen Absonderung; Aufgeschlossenheit, Duldsamkeit
und Nachgiebigkeit gegen starres Festhalten an Morallehre; 'Einheit'
gegen konfessionelle Splitterung; "aggiornamento", Mitgehen mit der
Zeit und Anpassung an die "Nöte unserer Zeit und die Forderungen der
modernen Gesellschaft" gegen sterile Grundsatztreue und Dogmatismus;
menschliche Freiheit, Menschenrechte und menschliche Werte gegen die
Ansprüche eines, die "Keule schwingenden" Gottes.
Wenn der Mensch dieser "neuen" Religion noch von Gott spricht, um sein
"religiöses Bedürfnis" zu befriedigen, so ist das nicht mehr ein Gott,
vor dem er sich in Ehrfurcht als Geschöpf vor dem Schöpfer und in
Gehorsam gegenüber seinen Geboten beugt, sondern ein Gott, an Dessen
Liebe er, wie er in seiner Hybris annimmt, auf der Basis der
Gleichberechtigung teilhaben kann und von Dessen Liebe zu ihm er
erwartet, dass Er seine Sünden duldet, ein Gott, dessen Verehrung
letztlich die Objektivierung "existentialistischer" Selbst-Anbetung ist.
Die 'Moralität' der neuen Religion besteht in Anpassung,
Gleichschaltung, Harmonie und Einheit, die den Frieden in der
Gesellschaft sicherstellen und dem Einzelnen Zusammenstöße mit der
Gesellschaft und die daraus entstehenden Enttäuschungen ersparen
sollen. Sie bedeutet praktisch die Unterdrückung von Individualität und
Persönlichkeit, die Herrschaft der Herdenhaftigkeit, Massen-, Gruppen-
und Organisationsmoral, die Herabsetzung aller religiösen und
moralischen Maßstäbe auf den niedrigsten Nenner und die Förderung
religiösen Indifferentismus und religiösen Nihilismus. Sie bedeutet
weiterhin die Uniformierung des Lebensstandards, der in herdenhafter
Nachahmung des nachbarlichen Beispiels zu immer neuen Höhen
hedonistischer Luxusentfaltung ansteigt. Sie be-deutet die
Monopolstellung der Massennachrichtenverbreitungsmittel in der
Propagierung des Evangeliums des Säkularismus» Sie bedeutet die
Tyrannei der Frauenmode mit ihren Sturzfluten unerlaubter
geschlechtlicher Reize und ihrer Untergrabung der Moral.
Diese Welt des 'Fortschritts' ist die Welt der Vorherrschaft des Säkularismus "Sous le Soleil de Satan",
die Welt, in der Satan daran ist, die Menschen in einem weltweiten
Rahmen erfolgreich zu überreden: "Ihr werdet sein wie Gott" (Gen. 3,5)
und in der der "allvollkommene" Mensch, der das Ziel des Glaubens an
den unbegrenzten Fortschritt ist, sich als der Antichrist herausstellen
könnte 1). Es ist die Welt, die von Christus und seinen Aposteln als
das Ergebnis des großen Glaubensabfalls vorausgesagt wurde -
vorausgesagt als der Vorläufer des Weltendes und der Wiederkunft
Christi; die Welt eines, von Satan inspirierten Fieberwahns von
Weltlichkeit angesichts von Atombomben, die bereits bereitstehen und in
einer Zahl bereitstehen, die hinreichend ist, die ganze Menschheit in
einer Weise, die mit den Einzelheiten der Voraussagungen der Hl.
Schrift in erstaunlicher Übereinstim-mung steht 2), zu vernichten,
hunderte Male zu vernichten und jederzeit zu vernichten.
Die Welt des Säkularismus bedeutet in Wirklichkeit nichts Neues. Ihre
Formung ist in vollem Gange, seit die moderne Technik ihre
Bestandsmöglichkeit geschaffen hat. Wahrscheinlich mehr als 200
Millionen Fernsehgeräte und wenigstens genau so viele Wochenausgaben
säkularistischer illustrierter Zeitschriften predigen unaufhörlich ihre
Dogmen. Sie predigen sie, ohne dass unsere Kirchenführer aktiv
eingreifen, sogar inmitten katholischer Haushaltungen, in Pfarrhäusern
und in katholischen Anstalten. Sie werden mehr oder weniger von
Hunderten von Millionen von Weltleuten in unserer Zeit gelebt. Was aber
kaum glaublich ist, ist die Tatsache, daß Priester des Herrn im Namen
des "Fortschritts" offen und auf weltweiter Ebene versuchen, von innen
heraus ihre eigene Kirche, ihre dogmatischen Wahrheiten und ihre
Hauptaufgabe, die Seligmachung des Menschen, zu zersetzen, indem sie
versuchen, ihre Kirche zu den Grundsätzen des diabolischen Säkularismus
zu bekehren. Gewisse Mitglieder eines Ordens, der im katholischen
höheren Erziehungswesen, auf dem Gebiete der Schriftforschung und in
der katholischen Presse und Literatur eine führende Stellung einnimmt,
spielen in dieser Bewegung eine besonders unheilvolle Rolle, was den
Gedanken an die Möglichkeit nahelegt, daß Satan nun für die großartige
Rolle, die dieser Orden in der Gegenreformation gespielt hat, Rache
nimmt.
Einer der fortgeschrittensten dieser katholischen Neuerer ist (oder
vielmehr war) P. Teilhard de Chardin, S.J., und auf dem Gebiet der
Schriftexegese P. Jean Levie, S.J. (La Bible, parole humaine et message
de Dieu, Löwen 1958). Sicherlich machen sich nicht alle Fortschrittler
die oben erwähnten opiniones novas in vollem Umfang zu eigen und viele
sind sich wahrscheinlich kaum bewußt, welche Ziele sie in Wirklichkeit
fördern; aber ganz gleichgültig, ob sie sich dessen bewußt sind oder
nicht, ihre Denkweise bewegt sich jedenfalls auf der Linie der "neuen"
Ideen und trägt zur vollen Verwirklichung des diabolischen
fortschrittlich-säkularistischen Meisterplanes bei. Die meisten
Katholiken machen sich keine Vorstellung davon, wieweit diese
Entwicklung bereits vorangeschritten ist; aber die Bestätigung findet
sich, wenn man den Ereignissen der jüngsten Kirchengeschichte auf den
Grund geht:
In den letzten Jahrzehnten hat sich der fortschrittlich-säkularistische
Geist innerhalb der Kirche insbesondere durch die fast vollständige
Unterlassung unserer Kirchenführer bemerkbar gemacht, einen
entschiedenen Kampf zu führen gegen die Invasion katholischer Familien
durch die Seelen-Massenmörder, Fernsehen und säkularistische
illustrierte Zeitschriften, gegen die unmoralischen
"dating"-Gewohnheiten von Halbwüchsigen und gegen die Schamlosigkeit in
Kleidung, die inzwischen soweit vorangeschritten ist, daß Frauen
buchstäblich fast nackt in der Öffentlichkeit erscheinen. Diese
Unterlassungen waren nur Symptome einer allgemeinen Richtung der
Seelsorge (oder besser Seel-Sorglosigkeit), sich im Widerspruch zu dem
ausdrücklichen Auftrag Christi an seine Kirche (Mt. 28,20)
Zurückhaltung aufzuerlegen in der furchtlosen und rücksichtlosen
Verkündigung der Gebote und der Folgen ihrer Befolgung und
Nichtbefolgung, da man fürchtete, daß moderne Ohren daran Anstoß nehmen
und dadurch erschreckt werden könnten und die Kirche in den Verdacht
kommen könnte, sie sei altmodisch und gegen Neuzeitlichkeit eingestellt.
Diese katastrophale Unterlassung, die die Schleusen öffnete, durch die
die säkularistische Flut die katholischen Bezirke überschwemmte, wurde
sogar in ein angeblich verdienstliches System durch die sogenannte
kerygmatisch-katechetische Methode (Johannes Hofinger, S.J.) gebracht.
Deren Ergebnisse waren noch katastrophaler: "Kerygma" betont einseitig
in Annäherung an die protestantische Sola-Fides-Lehre und in einer
grotesken und heimtückischen Verzerrung der Lehre Christi die
Erlösungstat Christi in der Seligmachung des Menschen, ohne genügenden
Nachdruck auf die entscheidende Rolle zu legen, die der Mensch selbst
in seiner Seligmachung dadurch zu spielen hat, daß er die Gebote Gottes
befolgt. In einem ungeordneten Appell an den Gefühlsbereich und den
Draperien eines religiösen l'art pour l'art-Manövers lehrt "Kerygma"
eine schimärische, dogmatisch zweifelhafte neu-quietistische 3) und
katechetisch wirkungslose, unehrerbietige Liebesbeziehung zwischen Gott
und Mensch, die sakrilegische Obertöne geschlechtlicher Liebe
("Liebesaffäre", "Umarmung", "Erregung") aufweist. Es macht "Furcht
Gottes" zu einem Schimpfwort, erwähnt kaum die Hölle und rüttelt
schuldbeladene Gewissen nicht zu geistiger Auferstehung auf, sondern
schläfert sie ein, indem es den Gedanken nahelegt, dass ein Gott, der
nur Liebe zeigt, kein Richter sein kann, der Sünder mit ewiger
Verdammnis bestraft 4). Auf diese Weise zersetzt "Kerygma" den
Katholizismus und sein zentrales Dogma von der Seligmachung des
Menschen von innen heraus und wirkt praktisch im Dienste des Satans.
Denn es ist nur folgerichtig anzunehmen, daß der Widersacher in seinem
Plan, das Lehren und die Befolgung der Gebote, die zur Seelenrettung
unerlässlich sind, zu hintertreiben, etwas in der Art von "Kerygma"
erfunden hat, eine Lehre, die unter Mißbrauch gewisser Schriftstellen
durch die übermäßige Betonung der Person Christi und Seiner
Erlösungstat und durch die überschwengliche Verkündigung einer
herzbewegenden Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch noch
christlicher und heiliger aussieht als die eigene Lehre Christi, sich
dadurch einschmeichelt, daß sie die unangenehmen Wesenselemente der
Seligmachung, nämlich Gottes Gebote und deren Befolgung, in den
Hintergrund rückt, die Hölle nicht in Erscheinung treten läßt und
dadurch in heimtückischer Weise an der Verderbung von Seelen arbeitet.
Die kerygmatische Methode hat zweifelsohne beträchtlich dazu
beigetragen, den Boden für die folgenden unheilvollen Entwicklungen
vorzubereiten.
In einer offeneren Form zeigte sich der "Fortschritt" innerhalb der
Kirche zuerst in der Haltung gewisser katholischer Schriftexegeten, die
mit wissenschaftlich keineswegs zwingender Beweisführung die
Geschichtlichkeit bestimmter Teile und Stellen der Hl. Schrift
leugneten. Einige, dem Jesuitenorden angehörige Exegeten des
päpstlichen Bibelinstituts wurden deswegen diszipliniert. Im Gefolge
der umstürzlerischen Tätigkeit von Bibelkritikern wie des obengenannten
P. Jean Levie, S.J., der (l.c., S.334) das Christentum als "eine
Bewegung des Denkens" betrachtete, "die einem Höhepunkt zustrebt, der
sich jedoch mit grösserer Genauigkeit erst morgen (!) herausbilden
muß", wurde es ein beliebter und heimtückischer Trick der
"fortschrittlichen", auf die Untergrabung des Glaubens an die bleibende
Wahrheit katholischen Dogmas abzielenden Propaganda zu behaupten, daß
Christus ganz anders handeln würde, wenn er heute leben würde.
Das volle Ausmaß des unheilvollen Einflusses des "Fortschritts" wurde
offenbar - vielleicht als ein Akt der Vorsehung der dazu bestimmt
ist, die Geister zu sondieren und die Lage zu klären - , als Papst
Johannes XXIII., kräftig unterstützt von August Kardinal Bea, S.J., das
Zweite Vatikanische Konzil mit dem ausdrücklichen Ziel einberief, die
Einheit der Christenheit zu fördern, und erfolgreich Führer
protestantischer Sekten einlud, dem Konzil als Gäste beizuwohnen. Der
Zweck des Konzils und Papst Johannes' irenische Haltung (es besteht
kein Grund zu der Annahme, daß die, von dieser Haltung hervorgerufene
Wirkung von Papst Johannes beabsichtigt war), die sich z.B. in seiner
unglücklichen Ansprache äußerte, mit der er die erste Sitzung des
Konzils eröffnete, wurde von den Fortschrittlern als die offene Türe zu
fundamentalen Änderungen in der Kirche in der Richtung ihrer Denkweise
angesehen. (Vgl. in diesem Zusammenhang den Aufsatz des Verfassers:
"Eine dogmatische Analyse der zur Eröffnung von Vatikan II gehaltenen
Ansprache Papst Johanns XXIII. als Mittel zur Erzielung dogmatischer
Einheit mit dem Protestantismus".)
Die Geisteshaltung der fortschrittlichen Konzilsväter zeigte sich z.B.
in einer Erklärung, die Weihbischof G. Emmet Carter von London in der
kanadischen Provinz Ontario in seinem Aufsatz abgab, den die
Jesuitenzeitschrift AMERICA am 13.Juli 1963 veröffentlichte: "Das
Konzil bekannte sich lebendig zu dem Grundsatz, daß Religion nicht nur
ein System von Wahrheiten, sondern von Werten sei. (...) Für Vatikanum
II bestand die wesentliche Aufgabe in der Wiederherstellung des
Kontaktes mit dem modernen Menschen, der mehr oder weniger zu der
Auffassung gekommen war, daß Religion nicht mehr zu seinem Wertesystem
gehöre. Sie bestand, wie Kardinal Suenens sich ausdrückte, in einer
Neuprüfung und Wiedereröffnung der Beziehungen, menschlicher
Beziehungen, zwischen der Kirche und den Menschen außerhalb ihres
Bereiches und den Kirchenmitgliedern untereinander. (...) Solche
Äußerungen eines katholischen Bischofs, die auch die anderen
Konzilsväter und besonders einen Kardinal hereinziehen, der eine
führende Rolle auf dem Konzil spielt, hält ein rechtgläubiger Katholik
kaum für möglich, da es kaum zweifelhaft sein kann, was mit den
befürworteten "menschlichen Werten des modernen Menschen" in unserer
säkularisierten Gesellschaft wirklich gemeint ist.
Nichts zeigt den Schwund der Kraft des Glaubens an die authentischen
Dogmen des Glaubensgutes und die geistige Aufnahmebereitschaft für das
fortschrittlich-säkularistische Kredo bei einem großen Teil unseres
Episkopates und dessen periti deutlicher als die Tatsache, daß die
Sache der "Einheit mit dem Protestantismus" von so vielen Konzilsvätern
begeistert aufgenommen wurde, obwohl sie doch von Anfang an wissen
mußten, daß das katholische Zentraldogma von der Seligmachung des
Menschen sich fundamental und unüberbrückbar von der entsprechenden
protestantischen Sola-Fides-Lehre unterscheide, daß keinerlei Aussicht
bestehe, daß die protestantischen Sekten in corpore diese und andere
Häresien und häretische Praktiken wie Ehescheidung und künstliche
Geburtenkontrolle, aufgeben würden, daß daher eine Konversion des
Protestantismus zum Katholizismus überhaupt nicht in Frage stehe und
daß unter diesen Umständen "Einheit" mit dem Protestantismus nur ein
gefährliches Spiel mit katholischen Dogmen und deren Afgabe bedeuten
könne. Vorschläge in dieser Richtung, nicht zuletzt unter jesuitischem
Einfluß, wurden tatsächlich gemacht. Die Berichte über die Beratungen
des Konzils über den Ökumenismus, die sich wie Berichte vom Turmbau von
Babel anhören und zeigen, wie es Leuten geht, die nicht mehr sicher auf
dem Felsen Petri verankert sind, beweisen, bis zu welchem Ausmaß der
Aufgabe katholischen Dogmas und der Nachsicht gegenüber der Häresie ein
guter Teil der Konzilsväter offensichtlich zu gehen bereit ist. Es möge
genügen zu erwähnen, daß Joseph Kardinal Ritter von St. Louis
(Missouri, U.S.A.) und Erzbischof Jäger von Paderborn in
Westdeutschland vorschlugen, daß "eine Grundlage [für kirchliche
Einheit] nur ein gemeinsamer Glaube an Christus sein könne" (HERDER
CORRESPONDENCE, März 1964, 8.79). Diese Definition setzt in der Tat die
dogmatische Norm auf die protestantische Sola-Fides-Lehre und auf das
dogmatische Minimum herab, das für die Mitgliedschaft im
protestantischen "Weltbund der Kirchen" gefordert wird, der etwa
200-250 Sekten umfasst. Kardinal Ritter schlug ausserdem vor, diese
Sekten als Kirchen anzuerkennen. Es erhebt sich die Frage: Glauben
katho-lische Bischöfe, die solche Vorschläge machen, noch wirklich in unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam in einem wörtlichen Sinne?
Berichte über das Konzil in der von den Fortschrittlern beherrschten
katholischen Presse, besonders in der jesuitischen Presse, waren in
schamloser Weise daraufhin zugeschnitten, wieweit die Verhandlungen dem
Interesse der befürworteten Einheit mit dem Protestantismus gedient
hatten. Die 'Einheits'-Manie wurde von den 'fortschrittlichen'
Geistlichen, besonders den jungen Kaplänen, die in den Seminarien
bereits eine fortschrittlich-kerygmatische Behandlung erfahren hatten,
an die Pfarrangehörigen weitervermittelt. Auf diese Weise wurde unter
den katholischen Laien der Glaube an traditionelles katholisches Dogma
untergraben und die Ansicht genährt, daß die Kirche drauf und dran
wäre, protestantische Praktiken, besonders künstliche
Geburtenkontrolle, zu übernehmen oder sie bereits übernommen habe. Der
der Kirche durch die Begünstigung religiösen Indifferentismus zugefügte
Schaden war und bleibt unermeßlich.
In den Monaten Juni und Juli des Jahres 1964 wurden die folgenden Entwicklungen auf dem Gebiete der "Einheit" gemeldet:
Die ökumenische Erzdiözesan-Kommission von Boston (U.S.A.) gab nach
einer Sitzung mit August Kardinal Bea, S.J., eine Erklärung heraus, in
der sogar gemeinsamer, öffentlicher Gottesdienst mit den Protestanten
befürwortet wurde. Und Joseph Kardinal Ritter von St. Louis (U.S.A.)
vereinbarte mit einem Bischof der protestantischen Episkopal-Kirche
eine Trauungszeremonie, die gemeinsam von einem katholischen und
protestantischen Geistlichen vollzogen wurde. Beide Fälle verstoßen
offen gegen die Paragraphen 1325 und 1258 des Kanonischen Rechtes, die
Enzyklika "Mortalium animos" von Papst Pius XI., die Anordnung des Hl.
Offiziums vom 20. Dezember 1949, die Communio in sacris verbietet, und
implicite die Erklärung Papst Pauls VI. in seiner Rede, mit der er die
zweite Sitzung des Vatikanums II eröffnete: "Es gibt nur eine Kirche
Christi und es kann nur eine solche geben ... und sie kann nur in dem
einen Glauben, in der Teilnahme an denselben Sakramenten ...
verwirklicht werden."
Am 28. Juni 1964 hat sich endlich ein katholischer Bischof, Bischof
James E. Kearney von Rochester, N.Y. (U.S.A.) öffentlich für die
Verteidigung des orthodoxen Standpunkts ausgesprochen, indem er
erklärte, dass die religiöse Einheit nicht durch Dialoge, Diskussionen,
Vorträge und Bücher, sondern nur durch Hören auf die Stimme des Papstes
gewonnen werden könne.
James F. Kardinal McIntyre von Los Angeles (U.S.A.) ist gegenwärtig das
Ziel eines unverschämten Angriffs von Fortschrittlern [COMMONWEAL (New
York), 10.Juli 1964], weil er sich in Treue zum katholischen Dogma und
kirchlichen Vorschriften weigert, die "Einheitsbewegung" im Sinne der
Fortschrittler zu fördern und die Kirche nach protestantischem Muster
zu einem politischen Sozialdienst herabwürdigen zu lassen, der mit der
Rettung von Seelen praktisch nichts zu tun hat.
Die Art und Weise, in der sich die "Einheits"-Bewegung auf dem Konzil
entwickelte, hatte etwas Unheimliches an sich. Sie erfaßte die
'fortschrittlichen' Konzilsväter und selbst die mehr konservativen
Elemente unter ihnen wie ein Zauber. Bischöfe, die es offensichtlich
versäumt hatten, zureichende Anstrengungen für die Seelenrettung der
70%-90% ihrer Diözesanen zu machen, die, wie die Statistiken beweisen,
Katholiken nur dem Namen nach sind, fühlten sich plötzlich berufen und
befähigt, die (unerbetene) Seelsorge für protestantische Sekten und
selbst für Nichtchristen zu übernehmen. In ihren "Einheits"-Bemühungen
gaben sie vor, das Gebet Christi "daß alle eins seien" zur Richtschnur
zu nehmen und sahen überall das Wirken des Heiligen Geistes. Aber nach
den kata-strophalen Ergebnissen der "Einheits"-Bewegung vom religiösen
Standpunkt aus zu urteilen, die in einem erschreckend um sich
greifenden religiösen Indifferentismus und in einem scharfen Rückgang
der Konversionen zum Katholizismus zum Ausdruck kommen, drängt sich der
starke Verdacht auf, daß der Geist, den die "fortschrittlichen"Förderer
der "Einheit" für sich in Anspruch nehmen, nicht der Heilige Geist ist,
sondern daß sie einem Köder Satans anheimgefallen sind, der den
Gebrauch (oder vielmehr den Mißbrauch) eines Wortes Christi für einen
äußerlich lobenswert erscheinenden Zweck einflüsterte, um Seelen zu
verderben und die Kirche Christi zu zerstören. Denn was die
fortschrittlichen "Einheits"-Verfechter mit ihren verräterischen
Bemühungen wirklich tun, ob sie sich dessen bewußt sind oder nicht,
besteht darin, an dem Niederreißen des letzten Bollwerks gegen die
absolute Herrschaft des Säkularismus, nämlich der Katholischen Kirche
und ihrer Morallehre, zu arbeiten. Die "Einheit" mit dem
Protestantismus oder, innerhalb der Kirche, Annäherungen an den
Protestantismus wie "Kerygma" sind letztendlich nur ein kleiner, in
heimtückischer Weise christliche Drapierungen aufrechterhaltender
Umweg in diesem Prozess. Denn in seiner Sola-Fides-Lehre hat der
Protestantismus schon lange den geistigen Widerstand gegenüber dem
Säkularismus aufgegeben. Deshalb wurden auch die Protestanten in weit
größerem Ausmass als die Katholiken die Opfer des Säkularismus, sobald
die moderne Technik dessen Grundlage geschaffen hatte.
Letztendlich bedeutet die "Einheits"-Bewegung den Versuch, eines der
Hauptelemente des vorstehend auseinandergetzten
fortschrittlich-säkularistischen Meisterplanes zu verwirklichen, indem
sie darauf ausgeht, die bereits stark geschwundene Zahl der Katholiken,
die noch an der Morallehre ihrer Kirche festhalten, in den Zustand der
Anpassung, Gleichschaltung und Herdenhaftigkeit der säkularisierten
Menschheit einzugliedern, in dem eine, auf Gott gegründete Moral
aufgehört hat zu existieren und nur das, aus seinen organischen
Bindungen herausgelöste, isolierte Individuum mit seinem Stolz und
seinen eingebildeten Werten, seiner Freiheit, seinen Menschenrechten
und seinen hedonistischen Instinkten übrigbleibt, übrigbleibt als eine
leichte Beute des Widersachers - in Übereinstimmung mit den Voraussagen
der KL. Schrift über das letzte Stadium der eschatologischen Geschichte.
Adversarius noster diabolus arbeitet eifrig daran, für die gottfreien
"Menschenrechte" des säkularisierten Individuums sogar die offizielle
Anerkennung der katholischen Kirche zu beschaffen: Eine "Erklärung über
Religionsfreiheit", die sich auf einen dogmatisch irrigen Begriff der
Freiheit des Gewissens gründet, ist dem Konzil vorgelegt worden. Einer
ihrer Hauptbefürworter ist John Courtney Murray, S.J.. Ihre Annahme
würde die positive Billigung der Kirche (im Gegensatz zu der bisher
geübten, durch die Umstände erzwungenen, stillschweigenden Duldung) des
Bekenntnisses und der Ausübung anderer, nichtkatholischer Religionen
einschließlich der positiven Billigung von, z.B. Ehescheidung,
künstliche Empfängnisverhütung, Abtreibung, Polygamie und in gewissen
Fällen sogar von, in solchen nichtkatholischen Religionen ausgeübter
Prostitution bedeuten. Man braucht wohl nicht besonders zu betonen, daß
die uneingeschränkte Annahme einer solchen Erklärung der Aufgabe
geradezu der Fundamente des Katholizismus gleichkommen würde (...), und
es ist bezeich-nend für den Niedergang der Wertschätzung katholischen
Dogmas, daß es als zulässig erachtet wurde, einen solchen Vorschlag
überhaupt auf das Programm des Konzils zu setzen.
Um den Kreis der diabolischen, fortschrittlich-säkularistischen
Meisterplanung zu schließen, haben sich unlängst "fortschrittliche"
katholische Moraltheologen und Laien auf allen Ebenen und in allen
Teilen der Welt eifrig ans Werk gemacht "Katholiken" den Genuß des
vollendeten Hedonismus, uneingeschränkte geschlechtliche Freuden ohne
entsprechende moralische Pflichten, zu verschaffen. Da anzunehmen ist,
daß der Katholizismus im Zusammenhang mit dieser Frage aus
naheliegenden Gründen die meisten seiner noch verbliebenen Anhänger
verlieren wird, verdient diese aufmerksamste Beachtung:
Die Fortschrittler gehen auf diesem Gebiet ihrem Geschäfte nach, indem
sie systematisch die katholischen Ehelehren zersetzen. Diese beruhen
auf dem Naturgesetz und lehren, erstens, daß der primäre Zweck des
ehelichen Aktes darin besteht, die Bedingungen für die Schaffung des
Lebens durch Gott zu setzen, und daß sein völlig legitimer, aber
eindeutig sekundärer Zweck in geschlechtlicher Freude besteht;
zweitens, daß jede wesentliche Verletzung der physischen Integrität des
Zeugungsaktes oder der Zeugungskräfte als solcher immer unmoralisch und
unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist.
Der Angriff der Fortschrittler auf diese Lehren wird häufig dadurch
eingeleitet, daß die Lehrautorität der Kirche mit der Behauptung in
Zweifel gezogen wird, daß die Stellung der Kirche in dieser Frage in
den neunzehnhundert Jahren ihrer Geschichte immer "negativ" gewesen sei
und daß sie, die Fortschrittler, nun eine "positive" Lösung des
Problems vorzuschlagen hätten. Der Angriff selbst findet unter dem
Banner des magisch verführerischen Wortes "Verantwortliche
Elternschaft" statt, das die katholischen Fortschrittler von den
amoralischen Anhängern der "Elternschaftsplanung" übernommen haben und
das fordert, daß Eltern nicht mehr Kinder haben sollten als sie
aufziehen können. Auf den ersten Blick scheint dies sehr vernünftig zu
sein, aber bei genauerer Prüfung offenbart sich dieses Prinzip
letztendlich als ein amoralischer und unmoralischer Plan im Dienste des
Hedonismus.
Die Fortschrittler impfen durch die Propagierung des Begriffs der
"verantwortlichen Elternschaft" den katholischen Eltern die, bei dem
Lebensstandard der westlichen Welt moralisch vollkommen falsche Ansicht
ein, daß der teuer, hedonistische Luxus modernen Lebens
(ausserordentlich luxuriöse Heime und außerordentlich luxuriöse
persönliche und gesellschaftliche Lebensgewohnheiten, Luxusautos,
Zweitwagen, Wochenendhäuser am Badestrand, Rennbote, Schwimmbäder,
verschwenderische Parties, teuere Ferienreisen, Universitätserziehung
für alle Kinder usw., usw.) Lebensnotwendigkeiten seien und daß Eltern
ihr "Verantwortungsbewusstsein dadurch unter Beweis zu stellen hätten,
daß sie bei ihrer Familienplanung für all diese "Notwendigkeiten" Sorge
zu tragen hätten. Auf diese Weise geben sie den Eltern im Widerspruch
mit dem primären Zweck der Ehe und in Übereinstimmung mit dem
säkularistischen Geist unserer Zeit zu verstehen, daß eine scharfe
Begrenzung der Kinderzahl eine unumstößliche Notwendigkeit sei, um die
eingebildete Notwendigkeit eines luxuriösen Lebensstandards
aufrechterhalten zu können.
Nach katholischer Lehre ist zeitweilige Enthaltsamkeit bei Zustimmung
beider Elternteile selbstverständlich nicht nur erlaubt, sondern kann
das geistige Leben der Eltern außerordentlich fördern. Aber zeitweilige
vollständige Selbstverleugnung auf geschlechtlichem Gebiet geht
geradezu gegen den Geist des 'Fortschritts'. Sie ist nach seinem
Begriff eine "negative" Haltung.
Die zweite Linie des Angriffs des "Fortschritts" auf die katholische
Ehemoral besteht in der Preisung der ehelichen Liebe und der damit
verbundenen geschlechtlichen Freuden bis zu dem Maße, daß sie im
Gegensatz zur katholischen Lehre als der primäre Zweck der Ehe
erscheinen und daß geschlechtliche Freuden und ihre Erlangung als ein
moralisch gültiges Ziel an sich ohne Rücksicht auf Zeugung erscheinen.
Nachdem die Fortschrittler in dieser Weise die dogmatische Grundlage
der katholischen Ehe zersetzt und durch ihr eigenes hedonistisches
Konzept ersetzt haben, das darin besteht, für ein Höchstmaß
geschlechtlicher Freuden bei einem möglichst geringen Risiko von
Kinderzeugung zu sorgen, und dessen Zugkraft gesichert ist, da es an
die niedrigere Natur des Menschen appelliert, gehen sie daran, ihr
Konzept in die Tat umzusetzen und zu versuchen, es zur Lebensnorm der
Eheleute des "neuen" Katholizismus zu machen.
Der gelegen kommende Ausgangspunkt bot sich ihnen in der
"Rhythmus-Methode", die die sterile Periode des weiblichen Zyklus für
den Geschlechtsverkehr benutzt. Da dabei die physische Integrität des
Zeugungsaktes und der Zeugungskräfte gewahrt bleibt, steht die Methode
insoweit nicht im Widerspruch zum katholischen Dogma. Da sie aber nicht
dem primären Zweck der Ehe entspricht, ist ihre Benutzung, wie
päpstliche Anweisungen ausdrücklich besagen, nur aus einem
schwerwiegenden, moralisch zu rechtfertigenden Grunde wie wirkliche Not
(die z.B. der durchschnittliche Nordamerikaner nie als Grund anführen
kann) und Krankheit der Frau erlaubt 5) und normalerweise nur für
kürzere Zeiträume.
Im Gegensatz zu dieser katholischen Lehre über den "Rhythmus"
propagieren die Fortschrittler sei-nen Gebrauch ("bis wir nicht mit
etwas Besserem herauskommen", wie einige von ihnen mit ver-dächtiger
Vorbedeutung anfügen) als die Standard-Praxis der katholischen Ehe mit
der offen erklärten Absicht, während der "sicheren" Periode des Zyklus
uneingeschränkte geschlechtliche Freuden ohne Empfängnisrisiko zu
verschaffen , wobei sie es dem Urteil der Eltern ("Freigebigkeit der
Eltern" ist der oft gebrauchte, frömmer klingende, in Wirklichkeit
sakrilegische Ausdruck des "fortschrittlichen" Wortschatzes)
überlassen, wieviele Kinder sie Gott erlauben wollen zu erschaf-fen, um
einen Lebensstandard aufrechterhalten zu können, der unter modernen
Umständen meist als hedonistisch bezeichnet werden muß. Auf diese Weise
wird die Rhythmus-Methode zu einer Praxis von Massen-Immoralität
gemacht. Der Erfolg ihrer Propagierung und die ihr entsprechende
Aushöhlung katholischer Moral zeigt sich in der Errichtung von
"Kliniken" für die Unterweisung in der Methode in einer Anzahl von
Diözesen, an deren Spitze "fortschrittliche" Bischöfe stehen oder
solche, die den "fortschrittlichen" Kräften einen ungehörigen Einfluß
in ihren Diözesen gestatten.
"Fortschrittliche" Gynäkologen in katholischem, klerikalem Gewande, von
deren Lippen der Wortschatz der intimsten Vorgänge wie ein Wasserfall
strömt, schlagen sogar vor, unverheiratete Mädchen in die Kunst des
"Rhythmus" in "Kliniken" oder durch mütterliche Unterweisung
einzuführen - "Nichts Heiliges ist mehr. Es weichen die Bande frommer
Scheu" (Schiller, Die Glocke) -, wodurch sie möglicherweise auch noch
Unzucht unterstützen!
Bei dem Versuch, den "Rhythmus" als die Standardpraxis katholischer
Eheleute einzuführen, angeblich als die "positive" Einstellung zur
katholischen Ehe, werden die Fortschrittler zweifelsohne den "Erfolg"
haben, das Niveau katholischer Moral auf einem der wichtigsten Gebiete
außerordentlich herunterzudrücken, aber ihr kunstvoller Plan, der
eheliche Liebe ihrer Blüte beraubt, nämlich ihre Spontaneität, wird
wegen seiner moralischen Widersprüche nicht funktionieren. Denn die
Regeln dieser Praxis verlangen während der "gefährlichen" Perioden ohne
irgendwelche zwingende, moralische Gründe (außer in den obenerwähnten
Ausnahmefällen) über lange Zeiträume hinweg und unter Umständen, die
für Enthaltsamkeit so ungünstig wie möglich sind, heroische Opfer der
Selbstverleugnung. Die Leute, die die Praxis in der selbstsüchtigen
Absicht benutzen, ein luxuriöses Leben und die intensive Ausnutzung der
"sicheren" Perioden möglich zu machen, sind geistig am wenigsten
vorbereitet diese Opfer auf sich zu nehmen. Wenn während einer
"gefährlichen" Periode unter dem Druck von häufig einseitiger
Begehrlichkeit, deren Stärke nicht weniger stark ist, weil die
'fortschrittlichen' Propagandisten des unerlaubten "Rhythmus" in ihrem
fromm-klingenden Wortschatz nur gegenseitige Liebe zu kennen vorgeben,
die Regeln der Praxis durch Vermeidung des normalen Verkehrs
eingehalten werden, so führt die Praxis zu sündhafter geschlechtlicher
Befriedigung außerhalb des ehelichen Aktes oder kann dazu führen, und
wenn die Regeln durchbrochen werden, so sind die unter solchen
Umständen geborenen Kinder "unerwünschte" Kinder im vollen Sinne des
Wortes, ein Spottbild katholischer Ehe. Das ist die, von den
Fortschrittlern in Aussicht gestellte "positive" Einstellung zur
katholischen Ehe.
Wie neuere Ereignisse zeigen, muss die, mit katholischer Lehre in
Widerspruch stehende und deshalb unerlaubte Propagierung des "Rhythmus"
als Standardpraxis des Ehelebens "moderner" Katholiken als bereits
veraltet betrachtet werden. Inzwischen haben nämlich noch
"fortschrittlichere" katholische Theologen mit beinahe bedeutungslosen
Einschränkungen den Gebrauch vollgültiger künstlicher
Empfängnisverhütungsmittel vorgeschlagen, die vollständig unbeschränkte
geschlechtliche Freuden ermöglichen. Kanonikus Louis Janssens der
Theologischen Fakultät der päpstlichen Universität Löwen (Belgien), dem
von Leo Kardinal Suenens "Forschungsfreiheit zur Klärung des Problems
gegeben wurde", drückte in einem Artikel in EPHEMERIDES THEOLOGICAE
LOVANIENSES, Okt. -Dez. 1963, die Meinung aus, daß keine Einwendung
gegen den Gebrauch empfängnisverhütender Pillen bestehe, solange ein
Ehepaar "freigebige Fruchtbarkeit" im Laufe seiner Lebenszeit plane.
Und Louis Dupre, Professor für Philosophie und Theologie an der
Jesuitenuniversität Georgetown (U.S.A.) äußerte am 5. Juni 1964 in der
amerikanischen Zeitschrift COMMONWEAL (New York) die Meinung, dass er
nicht einsehe, warum die gleiche Beweisführung, auf die sich die
Rhythmus-Methode gründet, nicht die lange gebannten mechanischen
Empfängnisverhütungsmittel erlaubt machen solle. Dies ist ein guter
Hinweis auf die Natur der "Werte des modernen Menschen", deren
Förderung nach Bischof Carter (i.e.) Cardinal Suenens, er selbst und
andere Konzilsväter im Auge haben.
Damit hat die fortschrittlich-säkularistische Meisterplanung der
Demoralisierung der katholischen Ehe ihren Kurs voll durchgeführt, und
ihre Botschaft wird zweifelsohne von den säkularisierten katholischen
Massen begierig aufgenommen und in die Praxis umgesetzt werden, auch
von vielen Katholiken, die bis jetzt noch als praktizierende Katholiken
betrachtet werden können. Dies wird sich als der schwerste Schlag gegen
katholische Moral und Orthodoxie in jüngerer Zeit herausstellen, dessen
Folgen für den Katholizismus als organisierte Religion verheerend sein
werden.
In Übereinstimmung mit dem offenen Ungehorsam gegen die rechtmäßige
Kirchenautorität, der auf dem Gebiete der Schriftforschung und der
Propagierung der "Einheit" mit dem Protestantismus zu Tage trat, nahm
die Verbreitung der oben erwähnten Vorschläge für unerlaubte
Geburtenkontrolle die Form einer echten Revolte innerhalb der Kirche
an. Obwohl die klerikalen Urheber dieser Vorschläge genau wissen
mußten, daß diese in klarem Widerspruch zum Naturgesetz und zu der
traditionellen Lehre der Kirche stehen, wurden sie nicht dem
rechtmäßigen Magisterium der Kirche zum Studium und zur Entscheidung
vorgelegt, sondern wurden der Presse zur weltweiten Verbreitung
zugänglich gemacht, offensichtlich mit der aktiven oder zumindesten
stillschweigenden Zustimmung der hochgestellten örtlichen Oberen,
darunter Leo Kardinal Suenens.) Im gleichen Sinne rief Bischof Willem
M. Bekkers von 's Hertogenbosch in den Niederlanden in einer
weitverbreiteten Radioansprache den falschen Eindruck hervor, daß die
Kirche nun künstliche Geburtenkontrolle dulden würde. Es gab gewisse
offizielle Diözesan-Wochenzeitschriften, in denen "fortschrittliche"
Redakteure sorgfältig und ohne begleitende Warnungen die verfügbaren
Pillen- und Geburtenkontroll-Vorschläge der Fortschrittler zur
"Unterweisung" der katholischen Laien einschließlich der Kinder
registrierten. Für diese Leute scheint Christi Wort nicht mehr zu
gelten: "Wer aber eines von diesen Kleinen, die an mich glauben,
ärgert, ... (Mt.l8,6).
***
Wenn im Gefolge des neuesten, mächtigsten und vielleicht letzten
Einbruchs der "Welt" in die Bezirke der Kirche die Anstrengungen der
Fortschrittler auf dem Gebiete von Kerygma und der Schriftforschung,
zur Relativierung katholischen Dogmas und der Phänomene der
Kirchengeschichte, für die Anerkennung der Freiheit des
"selbstherrlichen" Gewissens und für die "Einheit" mit dem
Protestantismus und ihre Zersetzungstätigkeit auf dem Gebiete der
katholischen Ehemoral zur vollen Reife kommen, wird der rechtgläubige
Katholizismus weithin aufgehört haben zu existieren. Das Ergebnis wird
nicht nur eine Ecclesia depopulata sein; auch ein formaler Abfall der
"fortschrittlichen" Elemente von der Kirche ist keineswegs
ausgeschlossen. Wenn er eintreten sollte, so wird die "neue" Kirche
eine weitere der 200-300 protestantischen Sekten sein, die
möglicherweise entsprechend ihrem Programm den Namen "Neukatholizismus"
annehmen wird (Altkatholiken fielen im Gefolge von Vatikanum I ab!)
und, gemeinsam mit dem Protestantismus, zu mehr oder weniger
vollständigem Säkularismus absinken. Die Möglichkeit einer solchen
Entwicklung darf nicht unterschätzt werden, da die Abstimmungen in der
zweiten Sitzung des Vatikanums II gezeigt haben, daß die Fortschrittler
eine große Gruppe, wenn nicht eine Majorität der Bischöfe bilden.
Trotz alledem werden selbstverständlich die Pforten der Hölle die unam,
sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam entsprechend dem
Versprechen ihres göttlichen Meisters an St. Peter nicht überwältigen,
und der gegenwärtige Inhaber des Stuhles Petri, Papst Paul VI., dessen
Zustimmung nötig ist, um Konzilsbeschlüsse rechtskräftig zu machen,
brachte in seiner Ansprache zur Eröffnung der zweiten Sitzung des
Konzils, die bezeichnenderweise von der von den Fortschrittlern
beherrschten katholischen Presse weitgehend unterdrückt wurde,
unzweideutig zum Ausdruck, daß er kein verräterisches Spiel mit dem
authentischen Glaubensgut dulden werde, indem er sagte:
"Was unlängst bei den von uns getrennten christlichen Gemeinschaften
vorgegangen ist, liefert doppelten Beweis dafür, dass es nur eine
einzige Kirche Christi gibt und geben kann; und dass diese mystische
und gleichzeitig sichtbare Einheit nur in dem einen Glauben, in der
Teilnahme an denselben Sakramenten und in einem geziemenden Anschluß an
eine einzige Führung der Kirche verwirklicht werden kann." (Zitiert in
der amerikanischen HERDER CORRESPONDENCE, Januar 1964, S.22.)
Wenn auch die Kirche fortleben wird, so könnte es sehr wohl sein, daß
sie letztendlich nur noch eine sehr kleine Herde darstellt, deren
Mitglieder, wie es nicht anders sein kann, in einem geistigen Ghetto
leben, umgeben vom Meere des Säkularismus, wie es in der Hl. Schrift
für das letzte Stadium dieser Welt vorhergesagt ist, und wartend auf
die Wiederkunft Christi, die näher sein mag, als die meisten von uns
anzunehmen scheinen.
***
Deutsche Übersetzung der Rückäußerung des Ordinariats des Erzbistums
von Los Angeles (Kalifornien, U.S.A.) zum vorstehenden Aufsatz:
20. Juli 1964
Sehr geehrter Herr Dr. Kellner !
Empfangen Sie bitte meinen aufrichtigen Dank für Ihr Schreiben vom 7.
Juli und den beigeschlossenen Aufsatz. Ich schätze es außerordentlich,
daß Sie die Freundlichkeit hatten, mir diesen zu senden. Es ist eine
Quelle wirklicher Zuversicht, einen Beweis dafür zu sehen, daß es so
glänzende katholische Laien gibt, die in der Lage sind, die Sache der
Kirche in so sachverständiger Weise vorzubringen. Möge Gott fortfahren,
Sie für Ihre Dienste zu lohnen, die Sie Seiner Kirche leisten, und
mögen Leute wie Sie an Zahl zunehmen.
Ergebenst
(Unterschrift) + John J. Ward,
Weihbischof von Los Angeles
***
Die deutsche Übersetzung des englisch geschriebenen Originals dieses
Aufsatzes wurde am 26. August 1964 ausgegeben. Nachdruck ist gestattet.
Anmerkungen:
1) Man denke z.B. an die Apotheose Stalins, um sich eine
Vorstellung zu machen, welche "Vollkommenheiten" sich ein späterer
Führer des diabolischen Kommunismus zuschreiben mag, wenn der
Kommunismus auf seinem bis jetzt nicht aufgehaltenen Vormarsch
unzweideutig die Weltvorherrschaft erlangt haben sollte.
2) Vgl. den Aufsatz des Verfassers: "Die Nuklearbedrohung der
Menschheit im Lichte der biblischen Voraussagen, ein Schrei nach einer
Änderung unserer Seelsorge."
3) In seinem, von Papst Innozenz XI. als häretisch verdammten Qietismus
lehrte Miguel de Molinos (1640-1696) eine ähnliche Liebesbeziehung
zwischen Gott und Mensch und bewies, dass sie mit Immoralität recht gut
verträglich ist.
4) Sollten wir nicht im Sinne der Kerygmatiker in der Behandlung von
Kriminellen weniger auf hartherzigen Straf-gesetzbüchern und
Gefängnissen bestehen und Strafprozesse durch Unterweisungen
Krimineller ersetzen, durch die diese durch Hinweis auf ihre
Liebesbeziehung zu Gott von der Begehung künftiger Verbrechen
abgehalten werden?
5) Ende Mai 1964 betonte Alfredo Kardinal Ottaviani, Sekretär des Hl.
Offiziums, in einem, in der italienischen Zeitschrift VITA abgedruckten
Interview erneut, daß der "Rhythmus" nur aus "schwerwiegenden Gründen"
praktiziert werden kann. Als solche Gründe führte er "Krankheit oder
wirtschaftliche Schwierigkeiten" an. Auf diesen Funkt kann nicht genug
Nachdruck gelegt werden, da auch die Verteidiger der künstlichen
Empfängnisverhütung ihre Argumente auf der, falschen Thesis aufbauen,
daß die Kirche den "Rhythmus unter allen Umständen erlaube".
6) Diese Meinung gründet sich selbstverständlich auf ein falsches
Prinzip: Die Lehre der Kirche verlangt von Eheleuten überhaupt keine
irgendwie festgelegte Zahl von Kindern und noch viel weniger deren
fadenscheiniges "Planen", sondern gründet sich auf das Naturrecht, das
jedes wesentliche Eingreifen in die Zeugungskräfte verbietet. Das aber
tut gerade die empfängnisverhütende "Pille". Verbotenes Eingreifen in
die Zeugungskräfte liegt offenbar auch bei dem Gebrauch von Drogen vor,
die dazu bestimmt sind, die "sichere" Periode des weiblichen Zyklus in
der Rhythmus-Praxis vorausbestimmbar zu machen; denn die
Unregelmässigkeit des Zyklus ist, mit Ausnahme außergewöhnlicher
ausgesprochen pathologischer Fälle, normal, natürlich und deshalb von
Gott gewollt. Unterdessen sind Frauen, die die
Empfängnisverhütungspille "Envoid" benutzten, von panischem Schrecken
ergriffen worden, seit im Spätfrühling 1964 Wissenschaftler der
Medizinischen Fakultät der Universität Oregon (U.S.A.) fanden, dass die
Droge die Entwicklung und das Wachstum von Krebs in
Laboratoriums-Versuchstieren beschleunigt. Dies beweist die kriminelle
Nachlässigkeit katholischer Theologen, Drogen auch nur in Betracht zu
ziehen, deren Zulässigkeit schon vom rein medizinischen Standpunkt
nicht erprobt ist und wegen der Kürze der in Frage kommenden Zeit nicht
erprobt sein kann und von vorneherein angezweifelt werden muss, da man
nicht erwarten kann, dass die Natur die Unterdrückung einer wichtigen
Lebensfunktion ungestraft zulässt. Im Mai 1964 gaben Erzbischof Joseph
T. McGucken von San Franzisko in Kalifornien, (U.S.A.) und der
englische Episkopat unter der Führung von Erzbischof John C. Heenan
scharfe, auf das Naturgesetz gegründete Verlautbarungen gegen den
Gebrauch künstlicher Empfängnisverhütungsmittel heraus. Die Erklärung
der englischen Bischöfe wurde nach einer Kontroverse mit P. Bernhard
Haring, C.SS.R., von Alfrede Kardinal Ottaviani bekräftigt (MANCHESTER
GUARDIAN WEEKLY, 25. Juni 1964). Und am 23. Juni 1964 erklärte Papst
Paul VI., daß die Angelegenheit von den höchsten Kirchenbehörden
studiert werde, "wir möchten aber sagen, daß wir offengestanden bis
jetzt keinen hinreichenden Grund zu der Annahme haben, daß die von
Papst Pius XII. aufgestellten Regeln überholt und nicht mehr gültig
sind".
Hinweis der Redaktion: Auf Wunsch kann der vorstehende Beitrag auch als Sonderdruck bei der Redaktion angefordert werden.
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