Diese Hüter wurden im Geheimen vom Minister für Land- und
Forstwirtschaft angeregt, einem Heiden, der die Katholiken haßte, es
aber nicht wagte, seinen Anti-Katholizismus zu sehr zu zeigen aus
Angst, vom Präsidenten, meinem Bruder, entlassen zu werden. Was mich
betrifft: Ich machte es wie der Affe, der seine Ohren zuhält und die
Augen schließt. Warum sollte man sich gegen die Steck-nadelstiche zur
Wehr setzen? Wenn nur das Werk des Herrn vorangeht!
Nun schiebt der Herr den Wagen mächtig an. Aus dem genutzten Wald habe
ich genug Geld zusam-mengebracht, um eine Universität nach
amerikanischer Art zu bauen und die großen Gebäude in Sai-gon zu kaufen
(wie ich es weiter oben erwähnt habe), die von den Franzosen zum
Verkauf angeboten wurden vor dem, was sie für kurz bevorstehend
hielten: einer Militärpromenade der kommunistischen Horden von
Hô-chi-Minh von Norden nach Süden, die wie Strohbesen die Republik
meines Bruders ausfegen würden. Also: Rette sich, wer kann!
Diese Gebäude, mit riesigem Parterre, von denen jeder Quadratmeter zu
astronomisch hohem Preis an die vor allem chinesischen Verkäufer
vermietet wurde und deren Stockwerke in Luxusappartements verwandelt
wurden, die in US-Dollar an die amerikanischen Offiziere vermietet
wurden, welche die US-Streitkräfte in Indochina befehligten, brachten
genug ein für die Unterhaltung der Universitätsgebäude, um die
Professoren und Angestellten zu bezahlen. So war die Universität von
Dalat vielleicht die einzige auf der Welt, die "self-sufficient" war
und die Katholiken mit Stipendien ausstattete, die zu arm waren, ihre
Kosten für Nahrung und Schule zu decken. Anstatt wie anderswo die
Universität durch ihre Almosen zu unterstützen, wurden die Katholiken
von der Universität gratis beköstigt und beherbergt.
Wo sollte man diese Universität hinbauen? Südvietnam hat ein tropisches
Klima, schwierig für körperliche und besonders geistige Arbeit in den 6
Monaten der heißen Jahreszeit, denn praktisch gibt es nur 2
Jahreszeiten: Regenzeit und heiße Jahreszeit. Regenzeit: von Oktober
bis März; Trockenzeit: von April bis September. In Kotschinchina wird
die Trockenzeit von einem heftigen, aber kurzen Nachmittagsgewitter
gemildert. Um bequem studieren zu können, müsste man alle Gebäude
klimatisieren, was die in Südvietnam arbeitenden Amerikaner getan
haben, aber die Vietna-mesen besitzen nicht die Dollars!
Zum Glück gibt es in Südvietnam in fast 1000 m Höhe ein Tafelland, das
ein Franzose, Dr. Yersin, entdeckt hatte, etwa 100 km von Saigon
entfernt, das man in weniger als einer Stunde mit dem Flug-zeug
erreichen kann oder in einem halben Tag mit dem Lastwagen über eine
Bergstraße. Dieses Tafelland heißt Dalat. Dort wachsen Kiefern, das
Klima ist ein immerwährender Frühling, die Blumen und Gemüsepflanzen
der gemäßigten Länder wachsen in Hülle und Fülle. Wasserfälle ergießen
klares und frisches Wasser und ein kleiner See bietet Trinkwasser und
Fische.
Dort zu studieren wäre ein Vergnügen und man könnte auch leicht Sport
treiben. Dieser Ort wurde also von Ihrem demütigen Diener als Sitz der
künftigen Universität ausgewählt. Damals kosteten Grund und Boden nicht
allzu viel, und ich beeilte mich, beträchtliche Anteile zu kaufen im
Hinblick auf spätere Erweiterungen. Nun befanden sich dort, wo ich
bauen wollte, massiv errichtete Gebäude, die für die Kinder der
französischen Truppe als Schule gedient hatten. Abmachungsgemäß hatte
Frankreich diese Gebäude der Regierung meines Bruders, des Präsidenten,
übergeben. Hin-sichtlich des Erwerbs dieser Gebäude legte dieser mir
nahe, mich an den Botschafter Frankreichs in Vietnam zu wenden. Als ich
bei diesem vorfühlte, äußerte er den Wunsch, daß diese Gebäude einer
Institution zuerkannt werden sollten, welche die französische Sprache
unterrichtete zur Erinnerung an Frankreich. Der Wunsch Frankreichs
stimmte mit dem des Hl. Stuhles überein, der uns gebeten hatte, eine
Hochschule zu eröffnen, deren Sprache die den Bewohnern von Vietnam,
Kambodscha und Laos gemeinsame französische Sprache sei.
Ich erhielt also diese schönen Gebäude zum Geschenk und auch noch
einige kleine Villen in der Umgebung, in denen die Lehrer der Kinder
der Truppe gewohnt hatten. Diese Gebäude mit ein paar Reparaturen
bildeten die Wiege der Universität. Ich kaufte die Ländereien um diesen
Kern herum, nämlich mehr als 10 Hektar für die Universität ohne weitere
Hunderte Hektar für künftige Erweiterungen zu zählen.
Mit einem weiten Gelände, mit dem Geld aus der Bewirtschaftung des
Waldes war es klar daß ich das amerikanische Konzept für den Bau meiner
Universität übernehmen würde: getrennte Gebäude mit höchstens einem
Stockwerk für jedes Lehrfach, ein geräumiges Heim, um die Studenten in
der Universität selbst wohnen zu lassen, eine schöne Kapelle mit einem
Glockenturm und einem Kreuz auf dessen Spitze, errichtet auf einer
Anhöhe und so von ganz Dalat aus sichtbar, in der Nähe der Kapelle ein
Grundstück für das Universitätsseminar und seine Professoren, die
Jesuitenpatres, die ihre Kleriker bis zum Lizentiatengrad in Theologie
führen sollten, ein Haus für die von den verschiedenen
Ordensgemeinschaften geschickten Schwestern, ein Heim für Studentinnen;
kilometerlange Straßen durch die Universitätsgelände, ein Fußballplatz,
weitere Plätze für Handball usw.., der Rest mit immergrünem Rasen
bedeckt, dem hier und da majestätische Bäume Schatten spendeten. Ruhe
überall!
Wer wird es übernehmen, diese kleine Stadt zu bauen? Ich hatte abermals
Glück, einen Erbauer zu finden, einen belgischen Priester deutscher
Herkunft, Diplom-Ingenieur der Universität Brüssel, wo sein Vater, ein
Atheist, gelehrt hatte. Denn mein zukünftiger Mitarbeiter hatte, bis er
20 Jahre alt war, den lieben Gott nicht gekannt. In diesem Alter gab
Gott ihm sowie seiner Schwester die Gnade der Konversion. Eine teuer
bezahlte Konversion, denn sein Vater, entrüstet, seinen einzigen Jungen
zum Katholizismus übertreten zu sehen, warf dessen Sachen zum Fenster
hinaus und jagte ihn für immer aus dem Vaterhaus. Der Junge wurde
Missionar in dem Orden, den der berühmte P. Lebbe gegründet hatte -
dieser befürwortete als Generalvikar von Peking die Übertragung des
Bischofs-amtes an Chinesen. Er wurde aus seinem Orden hinausgeworfen
und gründete eine kleine chinesi-sche Ordensgemeinschaft der Kleinen
Brüder und die Missionsgesellschaft, die zum Zweck hatte, sich in den
Dienst der einheimischen Bischöfe zu stellen.
Zum Priester geweiht, wurde mein zukünftiger Mitarbeiter nach Phat-Diêm
geschickt in den Dienst von Mgr. Lé-hun-Tuà (dem künftigen
kommandierenden General der katholischen Armee im Krieg gegen die
Kommunisten). Dort installierte der Priester und Ingenieur die
Elektrizität in der kleinen Stadt Phat-Diêm und unterrichtete die
Seminaristen in Mathematik. Nach der Flucht seines von den Roten
besiegten Bischofs bat dieser belgische Pater mich um Gastfreundschaft.
Ich ernannte ihn zum Professor am Kleinen Seminar, wo es ihm trotz
seiner Unkenntnis der vietnamesischen Sprache gelang, seinen Studenten
die Lehrsätze der Geometrie und Algebra zu erklären.
Pater Willich (so ist sein Name), als Erwachsener konvertiert und
Spätberufener, hatte einen sehr schwierigen Charakter; es war
schwierig, mit ihm umzugehen, aber er hatte eine Sympathie für den
Präsidenten, meinen Bruder Diêm, und für mich. Er ist uns immer treu
geblieben im Unglück und in seinem eigenen Unglück, der Folge seines
sehr eigensinnigen Charakters. Er baute also die verschiedenen Häuser
und die Kapelle der Universität und ließ die kleinen Villen um die
Universität herum reparieren. Er tat es mit Sparsamkeit. Er hatte ein
wenig Verdruß, als er erfuhr, daß er nicht zum Rektor der Universität
ernannt worden war. Ich konnte es nicht tun, es wäre gegen den Geist
des Hl. Stuhles gewesen und gegen den Geist seines Ordens, der vom hl.
Pater Lebbe gegründet wor-den war, um den (einheimischen) Klerus zu
unterstützen, und nicht, um ihn zu beherrschen.
Nach der Fertigstellung der Gebäude verabschiedete er sich von mir und
nahm eine Anstellung bei den nach Vietnam gekommenen Amerikanern an,
für die Installation der Elektrizität, Brunnenbohrungen und andere für
unser Land nützliche Projekte. Mein Bruder, der Präsident, verlieh ihm
einen bedeutenden Orden und bezahlte ihm eine Hin- und Rückreise nach
Belgien, um seine Schwester zu besuchen und sich zu erholen. Nach der
Ermordung meines Bruders kehrte er nach Europa zurück und ist zurzeit
Pfarrer eines kleinen Arbeiterzentrums in Frankreich.
Er hat immer noch Heimweh nach Vietnam, aber die Schritte, die er bei
den Bischöfen, die ihn kann-ten, etwa Mgr. Tham-ngoe-Chi, dem
Stellvertreter von Mgr. Lé-hûn-Tû unternahm, hatten keinen Erfolg. Ich
konnte nichts mehr für ihn tun, da die Amerikaner die Regierenden des
Südens zwangen, mir die Rückkehr in mein Heimatland zu versperren. Denn
ich galt als Pazifist, Gegner des brudermörderischen Krieges
zwischen dem Norden und dem Süden. Ich hatte doch noch die Freude, ihn
in Belgien zu treffen, wo er mich seiner Schwester vorstellte, der
Gattin eines Großindustriellen. Ich verbrachte ein paar Tage zu meiner
Erholung in der Sommerresidenz dieses Industriellen.
Wenn ich schon von der von P. Lebbe gegründeten Kongregation für die
Unterstützung des einhei-mischen Klerus rede, denke ich, daß ich über
P. Raymond de Jagher sprechen muß. Auch er war ein belgischer Priester,
hatte aber einen von dem des P. Willig völlig verschiedenen Charakter.
Er wurde von meinem Bruder, dem Präsidenten, sehr geschätzt. Er war im
Dienst der chinesischen Bischöfe gewesen, wurde von den Kommunisten des
Mao-Tse-Tung ins Gefängnis geworfen und schrieb ein schönes Buch über
seine Kerker. Freigelassen, stellte er sich dann in den Dienst von
Kardinal Yupin auf Formosa. In der Zwischenzeit kam er nach Saigon, wo
er mit Hilfe meines Bruders eine Schule für Chinesen eröffnete. P. de
Jagher spricht und schreibt chinesisch wie seine Muttersprache, er
spricht amerikanisch und jetzt verbringt er seine Zeit damit, Vorträge
zu halten zugunsten chinesischer Katholiken, die ihr Land verlassen
haben, und auch zur Unterstützung von nach Amerika und anderswohin
geflüchteten Vietnamesen. Er ist ein dem Ideal des P. Lebbe treuer
Missionar.
***
Nun mußte ich den Lehrbetrieb der Universität organisieren. Zu Beginn
wollten wir die geistes-wis-senschaftliche Fakultät eröffnen, dann die
naturwissenschaftliche, mit den Fächern, die nicht viele Geräte
erforderten, nämlich: Philosophie, Geschichte, vietnamesische,
französische, englische Sprache, Mathematik, neben der theologischen
und philosophischen Fakultät unter der Leitung der Jesuitenpatres.
Die Professoren wurden unter den europäischen Missionaren oder
Ordensleuten rekrutiert, die in Kotschinchina waren, und Professoren
der Universität von Saigon, meist keine Katholiken, hatten Lehrstühle
in unserer Universität. Mit dem Flugzeug konnten sie Dalat in weniger
als dreiviertel Stunden erreichen. Nach ihren Vorlesungen ruhten sie
sich im Kühlen aus im frühlingshaften Klima und der angenehmen Luft von
Dalat. Sie nahmen ihre Mahlzeiten mit den Patres der Universität ein
und kehrten nach einem erholsamen Wochenende nach Saigon zurück. Mein
Wald erlaubte mir, ihnen ein einträgliches Gehalt zu geben. Da ich mich
nicht ständig in Dalat aufhalten konnte, nahm ich den Titel eines
Kanzlers der Universität an, dem ein Rat von einigen Bischöfen zur
Seite stand, darunter der Bischof von Dalat, Mgr. Hiên, mein ehemaliger
Schüler im Großen Seminar von Hué, und Mgr. Piquet von dem
Auslandsmissionen von Paris, Bischof von Nhahang. Ich ernannte Pater
Thiên, den ich nach Frankreich geschickt hatte, um seine akademischen
Titel zu erwerben, zum Rektor der Universität.
Die Barmherzigkeit des Herrn hat es mir also gestattet, dieses Projekt
zu verwirklichen, das als utopisch angesehen wurde, als der Hl. Stuhl
es uns unterbreitet hatte. Mehr als 15 Jahre sind seit dieser Gründung
vergangen. Ich bin im Exil in Europa. Man hat diese 15 Jahre des
Bestehens mit großartigen Festen gefeiert, welche die Bischöfe von
Mittel- und Südvietnam vereint mit den Vertretern der Regierung aus
Saigon sahen (das noch nicht in die Krallen der Kommunisten gefallen
ist), der Hl. Stuhl hat eine Lobesbotschaft geschickt, mehrere Reden
wurden gehalten: Nur den Gründer der Universität hat man vergessen,
denn sein Name gefiel dem Vatikan von heute nicht: Ende gut, alles gut.
Ich habe die Universität geschaffen, um dem Vatikan von damals zu
gehorchen. Gott hat mir geholfen. Ihm sei alle Ehre und Herrlichkeit in
alle Ewigkeit. Amen.
***
Nach dem Weggang von Mgr. Drapier bekamen wir einen irischen
Apostolischen Delegaten: Mgr. Dosley, ehemaliger Prokurator der
irischen Missionare St. Kolumbans (und dann der australischen). Er
wurde gewählt und mußte französisch lernen, um sich mit unseren
Missionaren, unseren Prie-stern und unseren Behörden verständigen zu
können. Mgr. Dosley ist ein heiligmäßiger Mann (er lebt noch), aber er
hat Vietnam vorher nie gekannt, das damals unter französischer
Herrschaft war. Er machte sich keinen Begriff von der Bedrohung durch
die Kommunisten von Ho-chi-Minh.
Es gab Differenzen zwischen ihm und mir. Er bezeichnete mich als
Miesmacher, als ich ihm vorschlug, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um
die Schäden so gering wie möglich zu halten, falls die Kommunisten
einmal die Oberhand gewinnen sollten. Zum Beispiel: alle in unseren
Seminaren verwendeten Handbücher der Philosophie und der Theologie ins
Vietnamesische übersetzen zu lassen; Verstecke für den Meßwein
vorzusehen, denn die Reben, die in Vietnam wachsen, liefern keine für
Meßwein geeigneten Trauben; die Namen der Neupriester nicht bekannt zu
machen; beim Hl. Stuhl für jeden Bischof die Befugnis zu erwirken,
einen oder zwei Nachfolger zu ernennen, ohne beim Hl. Stuhl um
Erlaubnis nachzusuchen, für den Fall, daß die Verbindung mit dem
Vatikan abbrechen würde, usw... Mgr. Dosley, der auf das optimistische
Gerede der französischen Armee vertraute, warf mir Pessimismus vor. Er
wurde von der Woge der Kommunisten in Hanoi überrascht und wurde
monatelang ihr Gefangener zusammen mit seinem Sekretär, seinem
Landsmann, einem Priester der Missionare St. Kolumbans. Er wurde erst
freigelassen am Ende seiner physischen und geistigen Kräfte und auf
einer Bahre in ein Flugzeug gebracht, um nach Europa zurückzukehren.
Als er nach einer langen Rekonvaleszenz mich als Verbannten in Rom
traf, sagte er demütig zu mir: "Monseigneur, Sie hatten auf der ganzen
Linie Recht."
Ich war weder Prophet noch Wahrsager, aber vorbeugen tut nicht weh,
während es unverzeihlich ist, sich aus Nachlässigkeit fangen zu lassen.
Jetzt hat der Hl. Stuhl den Bischöfen Vietnams erlauben müssen, zu
ihren Lebzeiten einen oder zwei Hilfsbischöfe zu haben, von denen einer
Koadjutor ist.
Nach Mgr. Dosley hatten wir andere Apostolische Delegaten, wie Mgr.
Brini aufgezwungen, heute Sekretär der Hl. Kongregation für den Osten,
Mgr. Caprio, der an die Stelle von Mgr. Benelli trat, als dieser zum
Kardinal von Florenz kreiert wurde.
Mgr. Brini war Apostolischer Delegat, als der Hl. Stuhl in Vietnam die
Hierarchie eingerichtet hat, vorher waren die Bischöfe nämlich nur
Apostolische Vikare. Mgr. Brini war also damit beauftragt, die
Apostolischen Vikare, die nun Erzbischöfe (für Saigon, Hué und Hanoi)
oder Bischöfe (für die übrigen Diözesen) geworden waren, ins Amt
einzusetzen. Mgr. Brini ging nach Hué, um mich als Erzbischof
einzusetzen. Da er durch unser Klima zu erschöpft war, beauftragte er
mich dann damit, die Bischöfe einzusetzen, die zum Einflußgebiet des
Erzbistums Hué gehörten. Deshalb mußte ich nach Quinhn, Kontum und in
andere Orte gehen, um die Titelträger einzusetzen. Mgr. Caprio war mehr
ein Diplomat als Mgr. Brini, der nicht die Akademie der kirchlichen
Edlen besucht hatte, wo man die künftigen Diplomaten des Hl. Stuhles
ausbildete (dort wurde Paul VI. ausgebildet). Mgr. Brini, ein
Spätberufener, wurde Priester, nachdem er seinen Doktortitel in
bürgerlichem Recht erworben hatte. Er trat ins Russicum ein, das
Seminar für die katholischen Russen. Dort erlernte er diese Sprache,
was ihm als Sprungbrett diente, jetzt Sekretär der Hl. Kongregation für
den Osten zu werden und künftiger Kardinal, wenn Gott ihn am Leben läßt.
***
Da ich seit mehr als 40 Jahren mit einer großen Zahl Vertreter des Hl.
Stuhles als Apostolischer Delegat in Verbindung stehe, darunter einige,
die aus den Missionaren ausgewählt waren, und andere, Berufsdiplomaten,
die ihren Beruf an der kirchlichen Pontifikalakademie gelernt hatten,
die einst die Pontifikalakademie der Adligen im Kirchendienst war und
1701 gegründet wurde, glaube ich, diese Anmerkung machen zu dürfen:
Welche Rolle spielen diese Vertreter des Hl. Stuhles? Sie sollen Rom
über den religiösen Zustand in dem Gebiet der Delegation informieren.
Um diese Rolle auszufüllen, erscheinen mir die Berufsmissionare
erfahrener als junge Diplomaten, die nur mit den schon organisierten
Diözesen Europas in Verbindung gestanden haben.
Die Nationalität dieser aus der Pontifikalakademie hervorgegangen
Delegaten war vor weniger als 10 Jahren vor allem italienisch: Meist
waren es Italiener aus dem Süden, von dort, wo die Armut die normale
Lage des Klerus ist. Um ihr zu entfliehen, gibt es nur eine Tür:
diejenige der diplomatischen Karriere, wo man sehr schnell zum Prälaten
und dann zum Erzbischof befördert wird. Man hat das Privileg, die Welt
zu sehen, denn die Diplomaten wechseln alle zehn Jahre den Posten. Sie
setzen sich als Kardinäle zur Ruhe und werden oft Präfekten der Hl.
Kongregationen und manchmal oberste Hirten. Also führt die Diplomatie
zu allem. Aber hat Jesus so seine Apostel ausgebildet? Ich weiß nicht,
was ich darauf antworten soll. Meine geringe persönliche Erfahrung sagt
mir, daß man Besseres zum Wohle der Kirche tun könnte.
Ich bin nun an einem Wendepunkt meines kirchlichen Lebens angelangt.
Nach 22 Jahren im Bischofsamt werde ich als Erzbischof ins Erzbistum
Hué versetzt: bei der Umwandlung der Hierarchie Vietnams, die einst aus
Apostolischen Vikariaten bestand, in Bistümer und Erzbistümer, obwohl
sie noch immer von der Hl. Kongregation "de Propagande Fide" abhängig
sind, die derzeit auch Hl. Kongregation für "die Evangelisierung der
Völker" genannt wird.
Warum nach Hué, in meine Geburtsstadt? Nun, gewöhnlich vermeidet die
Kirche es, einen Bischof für die Leitung einer Diözese zu ernennen, aus
der seine Familie stammt. Der Grund ist offensicht-lich. In Vietnam
vermieden es die früheren Kaiser auch, diejenigen zu Gouverneuren einer
Provinz zu ernennen, die aus ihr stammten, da man sie hätte
verdächtigen können, ihre Familie zu begünsti-gen. Nun lebten in Hué
noch meine Mutter, meine Schwestern und meine Brüder. Mein ehemaliger
Lehrer, der Kardinal Agapganian, Präfekt der Hl. Kongregation zur
Verbreitung des Glaubens, hat mir den Grund für diese Ausnahme
offenbart. "Mein Sohn", hat er mir gesagt, "du hättest Erz-bischof von
Saigon sein sollen, aber in Saigon regiert dein Bruder, der Präsident
Diêm. Wenn du Erzbischof von Saigon geworden wärest, wären die
politische und die religiöse Macht in der Hand der Mitglieder ein und
derselben Familie gewesen. Deshalb hat man dich für Hué ernannt, weil
Hanoi in den Händen der Kommunisten ist."
Meine Bestimmung scheint es zu sein, die Ruinen wieder aufzurichten,
über diejenige hinaus, aus allen Stücken entweder ein Bistum - das von
Vinhlong - oder eine Universität zu schaffen: diejenige von Dalat. Eine
sehr harte Arbeit, besonders wenn man mit Null anfangen muß, aber es
hat einen Vorteil: Man kann tun, was man will. Dagegen schließt das
Aufbauen der Ruinen die Sorgfalt ein, das zu bewahren, was noch zu
gebrauchen sein könnte. Nun mußte in Hué, einem alten Bistum, wenn ich
ein ganz neues Kleines Seminar bauen mußte, da das alte Seminar von
Anninh in der kommunistischen Zone lag, das Große Seminar von Phu-xuÃn,
ein ehrwürdiges, fast 100 Jahre altes Gebäude, vergrößern, das einst
höchstens um die 30 Kleriker beherbergte, um in der Kapelle, in den
Unterrichtsräumen, im Schlafsaal mehr als 100 Große Seminaristen
aufzunehmen, die zu Hué und den Bistümern gehörten, die vom
Haupterzbistum abhängig waren. Zum Glück fehlte es nicht an Land.
Die Diözese von Hué, bekannt durch den guten Ruf ihres gelehrten und
frommen Klerus, war die ärmste von Vietnam. Der Grund? Die Verfolgung,
die mehr als 200 Jahre gedauert hat, war über all die Besitztümer der
Diözesen und Pfarreien Vietnams hergefallen. Als der religiöse Friede
durch die französische Eroberung hergestellt wurde, mußte die
vietnamesische Regierung den katholischen Missionen Entschädigungen
gewähren für die Zerstörung der Kirchen und der anderen katholischen
Einrichtungen. Die Missionen verwendeten dieses Geld entweder zum Kauf
von Reisfeldern oder zum Bau von Kirchen. Zu dieser Zeit hatte Hué
einen Bischof aus Kotschinchina, Mgr. Caspar, einen Elsässer der
Auslandsmission von Paris. Nun lebte in Kotschinchina die Mission von
den Reisfeldern. Dieser Prälat wollte also dieselbe Politik wie in
Saigon anwenden und erwarb Reisfelder mit den für die Diözese von Hué
bestimmten Entschädigungen. Nun war die Situation der Reisfelder in Hué
ganz anders als diejenige von Kotschinchina, wo es gute und billigere
Reisfelder gab. In Hué hingegen gibt es wenig Reisfelder und
insbesondere wenig gute Reisfelder. Die vom Bischof für den Kauf der
Reisfelder angestellten Vertreter waren nicht alle ehrlich. Das
Ergebnis war tragisch: Man erwarb zu horrenden Preisen Hektar von Sand
oder vernünftige Reisfelder, die gekauft wurden, während ihre
wirklichen Besitzer sie gar nicht verkauft hatten. Daher rührten
schreckliche Querelen, als die Leute des Bistums sich anschickten,
diese Felder zu bearbeiten! Das Unheil war irreparabel.
Ich stand vor einer unmöglichen Situation. Zum Glück half mir mein
Bruder, der Präsident Diêm, großzügig und diskret. Dank seiner Almosen
- deren Zahl nur Gott kennt - konnte ich ein modernes Kleines Seminar
bauen, zwei Schritte vom Bischofspalast entfernt, und mein Großes
Seminar vergrößern, die in Trümmer gefallene Kathedrale reparieren,
den Bischofspalast modernisieren, um dort Priester auf der Durchreise
zu empfangen, ein Haus für alte Priester zu bauen.
Ein Problem beschäftigte meine Gedanken: Wie sollte man die Diözese von
Hué aus ihrer Armut befreien? Wie sollte man, wie ich es in Vinhlong
geschafft hatte, jede Pfarrei mit den Mitteln ausstatten, ihren
normalen Bedürfnissen zu genügen? Nun erließ genau in dieser Zeit die
Regierung meines Bruders Diém ein Agrargesetz, das Darlehen festsetzte
für die Wiederaufforstung der unbebauten Ländereien, die Gemeinden oder
Dörfern gehörten.
Nun befinden sich in den Provinzen Thûa-Thiâs (Hué) und Quangtri, die
meine Erzdiözese bilden, sandige Ländereien, die für einen
spottbilligen Preis zum Verkauf stehen. Ich habe also ein Gesuch an den
Staat gerichtet, in dem ich um ein Darlehen von mehreren Millionen
Piastern bat, um diese Ländereien wieder aufzuforsten. Nach zehn Jahren
würden wir dem Staat das geliehene Geld mit Zinsen zurückzahlen. Ich
versammelte meine Priester und erläuterte ihnen das Projekt: Wenn eine
Pfarrei mit unbebauten Ländereien in der Nähe ein Darlehen wünscht, um
diese Ländereien zu bebauen, würde der Pfarrer mit Zustimmung seiner
Pfarrei ein Gesuch schicken, in dem die Oberfläche dieser Ländereien,
der Betrag des nötigen Darlehens und die Art der zu pflanzenden Bäume
angegeben wären. Nach Prüfung durch den Bistumsrat und reiflicher
Überlegung würde das Darlehen dem Pfarrer übergeben, und er würde mit
der Aufforstung beginnen. Und jedes Jahr, zur Zeit der jährlichen
geistlichen Ãœbung, wird er dem Bischofsrat von seiner Arbeit
berichten. Die Über-prüfung der Örtlichkeiten und der Ergebnisse würde
von den Dekanen des Distriktes des Betref-fenden vorgenommen.
Die Mehrheit der Pfarrer legte Gesuche nach diesem Schema vor. Auf
diesen sandigen Ländereien konnte nur ein einziger Baum leben und
gedeihen, eine Art Nadelbaum, der von den Franzosen "Filao" genannt
wurde. Er liefert ein passables Bauholz, aber es ist ein sehr gutes
Holz zum Heizen. Er wächst sehr schnell und hat viele nadelreiche
Zweige, die sich zum Kochen des Reises und der Nahrungsmittel eignen.
Und je mehr man die Äste abschneidet, desto schneller sprießen andere
Zweige hervor! Also hätte die Pfarrei nach dem Verkauf dieses
Feuerholzes in zehn Jahren nor-malerweise das Darlehen mit den Zinsen
bezahlt.
Notabene: Das Darlehen war nicht verpflichtend. Dem Pfarrer blieb es
überlassen, darum zu bitten oder nicht. In diesem Fall konnte ein neuer
Pfarrer, wenn er ein von seinem Vorgänger vernachlässigtes Stück Land
bebauen wollte, beim Bischofsrat ein Gesuch einreichen, um ein Darlehen
für die Wiederaufforstung zu erhalten. Jedoch um sicher zu gehen, habe
ich dem Dekanat eine kollektive Verantwortung für die Pflanzung, die
Bezahlung des Darlehens und die Nutzung der Pflanzung auferlegt.
Da von dem vom Staat gewährten Darlehen eine große Restsumme verblieb,
habe ich mit diesem Rest ein sumpfiges, also nicht teures, Gelände
gegenüber meinem Bischofspalast gekauft und ein großes Gebäude
errichten lassen, mit zu vermietenden Zimmern für die Staatsbeamten,
die in Hué im Dienst waren... und eine große Kokospalmen- und
Filao-Plantage in Longcô für den Bedarf des Bischofssitzes.
Gott sei Dank schien dieses Projekt sehr vielversprechend. Alle machten
sich ans Werk, und wäh-rend der paar in Hué verflossenen Jahre konnten
die meisten Pfarreien das Geld vom Verkauf der Filao-Zweige auf die
hohe Kante legen, die jedes Jahr geschnitten wurden, während das auf
dem Sumpf errichtete Gebäude gegenüber dem Bischofspalast, der gänzlich
vermietet war, dem Bistum beständige und ziemlich interessante
Einkünfte sicherte.
Leider ist es das Los von Hué, arm zu bleiben, da die Vietcongs
(Kommunisten) sich überall in meiner Diözese einschlichen, die ca. 50
Kilometer von der kommunistischen Grenze entfernt war, und die
kommunistischen Guerilleros unsere zwei Provinzen heimsuchten und
unseren Priestern verbo-ten, der Regierung von Saigon das Darlehen
zurückzuzahlen. Aus dieser Situation entstand eine unvorstellbare
Anklage von Erzbischof Dién, den der Hl. Stuhl zu meiner Ersatzperson
auf dem Sitz von Hué ernannt hatte, als ich nach Europa verbannt war.
Er hat mich damals angeklagt, die von Saigon geliehenen Millionen für
die Wiederaufforstung in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Die Hl.
Kongregation zur Verbreitung des Glaubens schrieb mir einen Brief, der
über diese infame Beschuldigung berichtete, in dem Augenblick, in dem
ich nach Rom zurückkehrte, nachdem ich meine Nichte begraben hatte. Sie
war die älteste Tochter meines Bruders Nhu, die bei Paris von zwei von
amerikanischen Fahrern gelenkten LKWs überfahren wurde.
Ich habe der Hl. Kongregation sofort geantwortet, sie solle meinen
Ankläger wissen lassen: primo: Daß Bischof Diên, der in dem mit meinem
eigenen Geld errichteten Bischofspalast wohnt, den Pater Prokurator der
Mission, der im Bischofspalast wohnt, bitten soll, ihm die Dokumente
auszuhän-digen, welche die den Pfarreien für die Wiederaufforstung
gewährten Darlehen betreffen. Secundo: Bischof Diên solle die große
Kokos- und Filao-Plantage bei Langeô besichtigen. Tertio: Hat Bischof
Diên nicht die Miete des von mir selbst errichteten Gebäudes
eingenommen, das gegenüber dem Hause liegt, in dem er wohnt?
Schließlich behielt ich mir das Recht vor, ihn wegen Verleumdung vor
das Gericht der Rota zu zitieren.
Außerdem: Da die Postverbindungen zwischen Europa und Südvietnam noch
bestanden, habe ich an meine Priester von Hué geschrieben und ihnen
vorgeworfen, meinen Hilfsbischof nicht über das
Wiederaufforstungsprojekt informiert zu haben. Diese Priester jedoch
antworteten mir, sie hätten während der jährlichen geistlichen Übung
Mgr. Diên die Wahrheit über das Regierungsdarlehen gesagt: daß Bischof
Thuc dieses in der Prokur aufbewahrte Geld nie gesehen hatte. Mgr. Diên
hatte mich also des Diebstahls beschuldigt, obwohl er wußte, daß das
eine Verleumdung war. Erschrocken über meine Drohung, diese Geschichte
vor das römische Gericht zu bringen, hat Mgr. Diên mich dann um
Verzeihung gebeten. Da haben wir die Aufrichtigkeit dieses
ausgezeichneten Freundes Pauls VI., des Papstes, der mich vor der
gesetzlichen Frist zum Rücktritt gezwungen hat, damit Mgr. Diên zum
Erzbischof von Hué ernannt wurde und seine Praxis der den Kommunisten
dargebotenen Hand in die Tat umsetzen konnte, um die Regierung von
Saigon zu untergraben. Und Mgr. Diên bediente sich der Millionen, deren
Eigentümer ich war, ohne mich um Erlaubnis zu bitten!
Das Gebäude, das als Prokur der Mission von Hué diente, wurde
modernisiert durch Installation von Duschen und Toiletten in jedem
Zimmer, und es wurden Zimmer gebaut, um kranke Priester oder solche im
Ruhestand aufzunehmen, damit sie sich am Besuch ihrer Mitbrüder freuen
konnten, die sich zum Prokurator oder zum Bischof begaben. Und man
errichtete ein Bürogebäude für die Action Catholique, mit einem Zimmer
für den mit dieser Aktion betrauten Priester.
Nach alledem gedachte ich damals, eine neue Kathedrale zu bauen, denn
die alte, die mehr als 25 Jahre zuvor vom ehemaligen Pfarrer gebaut
worden war, der danach Apostolischer Vikar von Hué wurde, wurde
baufällig. Das Dach und das Gebälk, von den weißen Mäusen (Termiten)
befallen, waren beim ersten Taifun einsturzgefährdet.
Die neue Kathedrale, deren Plan von einem nichtkatholischen Vietnamesen
gemacht wurde, einem Laureaten der Französischen Schule von Rom, war
von einem gemilderten Modernismus. Aus Stahlbeton, also resistent gegen
Taifune und Termiten, würde sie einen schicklichen Ort für die
religiösen Feierlichkeiten bieten und wäre groß genug für mehr als
5.000 Personen. Ich hatte einen Betrag, um die Materialien zu kaufen,
während die Arbeitskräfte von den Pfarrkindern von Phû-cam (der Pfarrei
der Kathedrale und meiner Geburtspfarrei) gestellt würden. Also
kostenlose Arbeitskräfte unter der Leitung von bezahlten Experten. Ich
konnte diesen Bau nicht bis zur Vollendung verfolgen und mein
Nachfolger, Mgr. Diên, hatte die Ehre, die neue Kathedrale einzuweihen,
in einer Konzelebration mit der Mehrheit der Priester der Erzdiözese.
Bei meinem Weggang war das Innere der Kathedrale fertig; es blieb nur
noch, die Fassade zu bauen. Wie ich weiter oben gesagt habe, mußte ich
das Große Seminar von Hué erweitern, das zum Regionalseminar für Hué
und die Suffragandiözesen dieser Hauptstadt wurde, die Kapelle
verlängern, damit sie mehr als 100 große Seminaristen faßte - die alte
hatte nur etwa 30 Plätze. Das Refektorium, die Unterrichtsräume, das
Haus der Professoren mussten für ihre neue Bestimmung eingerichtet
werden. Gott wollte es, daß ich bei der Fertigstellung dieses
Regionalseminars anwesend sein konnte.
Da das Kleine Seminar auf dem von den Kommunisten aus dem Norden
besetzten Gebiet lag, fand ich einen Platz mitten in der Stadt von Hué,
und ich konnte ein Kleines Seminar für 300 Schüler bauen, aus
Stahlbeton, mit einer schönen Kapelle, einer Küche mit Wohnung für die
Küchen-schwestern, einem Fußballfeld. All das, das Große und das Kleine
Seminar, mit dem Geld meines Bruders, des Präsidenten.
***
Ich erzähle dies alles ausführlich, damit diejenigen, die nach mir
kommen werden, sich an den großen Wohltäter der Erzdiözese Hué
erinnern. Denn es ist seiner Großzügigkeit zu verdanken, daß ich
während meines kurzen Aufenthaltes in Hué dieses ganze
Modernisierungsprogramm vollenden konnte. Mein Bruder hat nie ein
Sterbenswörtchen von seiner uneigennützigen Hilfe bei jemandem erwähnt,
wie er es bei den Bauwerken der vietnamesischen Pfarrei von Paris getan
hat. Leider ist seine Diskretion von Pater GrÃân ausgenutzt worden, der
urbi et orbi verkündet hat, daß die Ge-bäude dieser Pfarrei von seinem
eigenen Geld bezahlt worden seien. Wo sollte er es denn hergehabt
haben, er, der aus Angst vor den Kommunisten und ohne einen Pfennig in
der Tasche nach Paris geflohen war? Mein Bruder hat mir von dieser
Hilfe kein Sterbenswörtchen erzählt. Ich habe es nur dank Frau Nhu
erfahren, die Zeugin des Gesprächs zwischen dem Präsidenten und P.
GrÃân war.
Die Ansprüche P. GrÃâns bezüglich des Besitzes der Kapelle und der
Seelsorge in dieser vietname-sischen Pfarrei in Paris sind also im
Grunde ein Diebstahl genau wie all die Vorteile, die ihm daraus
entstanden sind, z.B. die Nutzung des Restaurants, das unterhalb der
Kapelle eingerichtet ist und von vielen vietnamesischen und
ausländischen Kunden besucht wird. Das ist die Quelle des Reich-werdens
dieses Priesters, der mehrfacher Millionär wurde, der Villen und
weitere Restaurants besitzt. Leider konnte dieser Priester, der zum
katholischen Glauben konvertierte und einst so fromm war, den
Verlockungen des Goldes nicht widerstehen. Zum Schieber geworden, hat
er es geschafft, seine Geschwister von Vietnam nach Paris kommen zu
lassen, und die ganze Familie fährt derzeit in einer Karosse! Möge der
liebe Gott ihm Reue und die Rückkehr zur Frömmigkeit seiner Jugend
gewähren.
Während der paar Jahre als Erzbischof von Hué war mein Leben gut
ausgefüllt. Ich ging gegen 9 Uhr abends zu Bett und stand früh auf zur
Meditation und zur Messe; danach kam die Korrespon-denz. Alles war bis
7 Uhr beendet. Ich ging dann nach Phû-cam meiner Mutter die Kommunion
bringen, die mit Arthrose gelähmt im Bett lag, danach begab ich mich
auf die Baustellen, um die Bauarbeiten zu überwachen.
Gegen 9 Uhr war ich im Bischofspalast, um Priester und Diözesanen zu
empfangen, die mich zu sehen wünschten. Was die Priester betraf: Sie
stellten sich mit einem Papier vor, auf dem ihre Bitten oder Fragen
standen. So konnte ich ihnen mit wenigen Worten antworten und ihnen
dann schreiben, wenn die Frage langer Überlegung bedurfte. So mußten
sich die Mitbrüder nicht ewig in Hué auf-halten, sondern konnten in
ihre Pfarreien spätestens am Tage nach ihrer Ankunft im Bischofspalast
zurückkehren.
Jeden Monat berief ich den Bischofsrat ein, der aus den Provikaren und
Distriktoberen bestand, damit diese mir alle Informationen über ihre
Distrikte lieferten.
Eine Sache lag mir am Herzen: Meine Erzdiözese sollte self-sufficient
sein - also wirtschaftlich eigenständig. Dasselbe Problem und dieselbe
Sorge wie in Vinhlong. Rom, d.h. die Hl. Kongre-gation für die
Verbreitung des Glaubens, muß für die Bedürfnisse der Missionen
aufkommen. Das Geld kommt von den Gläubigen: Mitgliedern des Werkes zur
Verbreitung des Glaubens, des Werkes der Hl. Kindheit, des Werkes des
hl. Apostels Petrus. Die beiden ersteren Werke waren gestiftet von
einer französischen Christin aus Lyon. Nun hatte also Vietnam, obwohl
es noch von der Hl. Kon-gregation für die Glaubensverbreitung abhängig
war, seine Hierarchie, die nicht mehr aus Apostoli-schen Vikaren
sondern aus Erzbischöfen und Bischöfen bestand. Also mußte das
katholische Viet-nam grundsätzlich auf eigenen Füßen stehen und die
Almosen der päpstlichen Missionswerke den eigentlichen Missionen
überlassen. Aber wie sollte man diesen Begriff unseren Christen
verständlich machen? Wie sollte man ihnen das beibringen?
Zunächst, indem man unsere Pfarreien autonom machte durch das
Kirchgeld. Und dazu mußte man unsere Gläubigen an der Aufstellung des
Budgets der Pfarrei beteiligen. Der Pfarrer möge seine Pfarrkinder
versammeln und ihnen den Geldbedarf der Pfarrei bekannt machen: Schule,
Schul-schwestern, Gottesdienst usw... und die Beteiligung jeder
erwachsenen Person daran, jeder nach seinen Möglichkeiten. Der vom
Pfarrer vorgelegte Kostenvoranschlag muß von den Pfarrangehö-rigen
gebilligt werden. Der gesammelte Betrag soll durch Aushang öffentlich
bekannt gemacht werden. So kommt die geringste Spende, der geringste
Geldbeitrag zur Kenntnis aller, ebenso kennt die ganze Pfarrei die
Ausgaben. Normalerweise dürfte es für unsere Pfarrangehörigen genügen,
jede Woche auf ein Päckchen Zigaretten zu verzichten, um ihre Pfarrei
in Gang zu bringen!
Gewöhnlich mögen die Pfarrer diese Art des Vorgehens nicht, sie bekämen
lieber das Geld, ohne die Ausgaben ausführlich offen zu legen, während
die Christen gern wissen wollen, was man mit ihren Beiträgen gemacht
hat. Die Pfarrei muß eine einzige Seele haben. Nach und nach gewöhnt
man sich daran und jeder ist stolz, auf eigenen Füßen stehen zu können.
Ich weiß nicht, ob mein Nachfolger unsere Gläubigen weiterhin dazu
ermutigt, ihre Pflicht zu tun, und unsere Priester dazu, ihre Sorgen
mit ihren Schafen zu teilen, denn es ist bequemer, keine Rechenschaft
zu geben über die Verwal-tung und nicht darüber zu diskutieren, um die
Zustimmung der Pfarrangehörigen zu bekommen, sondern nach ihrem
Belieben über deren Kirchgeld zu verfügen... Ein Dialog ist mühsamer
als alles per Ukas zu entscheiden.
In Vinhlong mußte ich immer meine Priester zum Dialog mit ihren
Gläubigen antreiben. Nun ist es aber keine Willfährigkeit sondern
schlicht und einfach Gerechtigkeit, wenn man über das Geld anderer
Leute nur mit deren Einverständnis verfügt. Man gewöhnt sich auch
schnell daran, denn der Mensch ist - natürlich ein sehr blasses -
dennoch das Spiegelbild! Gottes, seines Schöpfers, der ganz
Gerechtigkeit ist.
***
Meine Priester von Hué (meiner lieben Heimat) sind entweder älter als
ich und haben mich als ihren Schüler im Seminar gekannt oder meine
Studienkameraden oder meine Schüler im Großen Seminar oder -
schließlich - meine jüngeren Mitbrüder im Priestertum. Sie kennen meine
Schwächen, sind aber auch alle dankbar für meine Achtung und Zuneigung
ihnen gegenüber. Sie wissen, daß ich - wie jeder Mensch - etwas falsch
machen kann, aber sie sind auch davon überzeugt, daß ich versucht habe,
die Erzdiözese Hué den beiden anderen Erzdiözesen (Saigon und Hanoi)
zumindest ebenbürtig zu machen.
Geistig und hinsichtlich des apostolischen Eifers sind sie den anderen
Diözesen gleichwertig oder ihnen vielmehr noch voraus. Wirtschaftlich
sind sie arm, sie haben nur die Messstipendien zum Leben, aber sie
kommen gut zurecht bei der Bekehrung der Heiden.
Sie wissen, daß die Bürde, die ich ihnen auferlege, für ihr Wohl und
das ihrer Diözese unbedingt notwendig ist. Deshalb sind trotz meiner
Amtsenthebung von meiner Erzdiözese ohne triftigen Grund, die nie
vorher eine solche Blüte erlebt hat wie in den paar Jahren meiner
Verwaltung, meine Priester mir treu geblieben, abgesehen von einigen
wenigen, welche die Umgebung meines Nach-folgers Mgr. Dién bildeten.
Letzterer hat diesen Zustand rasch bemerkt und sich beim Hl. Stuhl über
diesen Mangel an Zuneigung beschwert und er glaubte, ich schürte eine
latente Opposition. Ich mußte mich verteidigen und verlangte von der
Hl. Kongregation zur Glaubensverbreitung Beweise für meine geheimen
Umtriebe. Nun, ich habe nie etwas anderes an meine wenigen Briefpartner
aus meinem ehemaligen Bischofssitz geschrieben als: Sie sollten ihrem
Bischof gehorchen, und der Ge-horsam ist mehr wert als alle Opfer.
Dabei blieb die Sache. Ich brauche mein Verhalten gegen Mgr. Dién nicht
zu bereuen, denn die Mitglieder meines Klerus, die nach Amerika oder
nach Europa ge-flüchtet sind, bezeigen mir nach meiner langen
Abwesenheit von Vietnam weiterhin ihre Zuneigung.
***
Vielleicht fragt man sich, warum ich Wert darauf legte, in Hué ein
Kleines Seminar zu haben, ein Seminar, das imstande war, 300 Studenten
aufzunehmen? Das war deswegen, weil unsere Christen in Hué arm sind und
weil es in Hué nur ein Kolleg der Sekundarstufe gibt, dessen Leiter ich
war, und dort mußte Schulgeld bezahlt werden, weshalb es für die große
Mehrheit der Katholiken nicht zugänglich war. Die Seminaristen, die bis
zum Priestertum weitermachen, sind nicht sehr zahlreich, aber die,
welche das Seminar verlassen, verdienen ihren Lebensunterhalt gut als
Angestellte des Staates. Dort leisten sie uns viele Dienste; sie
betätigen sich auch als Führer der Action Catholique, was noch besser
ist.
Aber ich habe nicht die Frage der späten Berufungen vergessen: Unseren
Priestern im Seminar habe ich folgende Weisung gegeben: diese jungen
Leute liebevoll aufnehmen, ihnen raten, sie sollten ihre Studien dort
zu Ende führen, wo sie sie nach dem Erwerb der Reifeprüfung begonnen
hatten. Nach diesen weiterführenden Studien nahm man sie ins Seminar
auf, um sie zwei Jahre lang nur Latein lernen zu lassen. Danach traten
sie ins Große Seminar ein. In der Zwischenzeit jedoch, damit sie ihre
Hinwendung zum Priestertum bewahrten: sie an den freien Tagen im
Kleinen Seminar versammeln, um sie das Leben der Seminaristen teilen zu
lassen und mit ihnen über die Berufung zu sprechen. Dieser regelmäßig
wiederkehrende und häufige Kontakt ist unerläßlich, denn die Welt lockt
sie an, und der geistliche Stand ist besonders in Hué vom
wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus wenig glän-zend. Kann man sagen, daß
die Spätberufungen beständiger sind und bessere Priester hervorbrin-gen
als die, welche auf dem normalen Weg der Seminare zum Priestertum
kommen? Nichts beweist das. Ich habe Spätberufene gesehen, die versagt
haben, andere, die durchgehalten haben, wie es auch bei denen ist, die
in unseren Seminaren erzogen werden.
Eines der Ziele meiner Verwaltung in Hué war, aus unseren Schwestern
vom Kreuz richtige Ordens-schwestern mit den drei Ordensgelübden zu
machen. Nun besaß Hué 5 Klöster, in Dilsan, einer großen
Christengemeinde in der Provinz Quâng-tri, in Cov˙n, dem Hauptort von
Quâng-tri, in D˙oDg-Son, Provinz Hué, Phû-cam, auch in Hué, und Kêbang
in der Provinz Quâng-Binh. Jedes Kloster hat seine Güter, sein
Noviziat, seinen Wirkungsbereich apostolischer Arbeit, seine Schule.
Was ihnen gemeinsam war, war das Fehlen der Ordensgelübde, und das seit
ihrer Gründung zu Beginn der Evangelisierung Vietnams.
Der erste Apostolische Vikar von Vietnam fand einige
Frauenvereinigungen mit gemeinsamem Leben vor, aber ohne jedes
geistliche Band. Er gab ihnen eine Regel für das gemeinsame Leben ohne
Ordensgelübde. Gewiß war das bequem für ihre Dienstherren, d.h. den
Bischof und die Priester: Man konnte sie für alles gebrauchen: die
Katechumenen unterrichten, für die Seminare kochen, für die
Krankenhäuser, die Ernten auf den Reisfeldern der Mission einbringen,
usw.! Sie stehen den Pfarrern zur Verfügung, Arbeiterinnen mit ganz
geringem Lohn, Arbeiterinnen, die Tag und Nacht arbeiten, wenn man sie
braucht. Ein Minimum an Frömmigkeitsübungen, ein Monat Urlaub im Jahr
und das so lange, bis sie nicht mehr können; dann nimmt das Mutterhaus
sie wieder auf und begräbt sie. Kein Recht also, keine Verteidigung,
ein Minimum an religiöser Bildung.
Nun ist die vietnamesische Frau bewundernswert in der Hingebung,
Gewandtheit und auch in der Heldenhaftigkeit. Vielleicht ist sie dem
vietnamesischen Mann überlegen. Die ersten Aufrührer gegen die in
Vietnam Eingedrungenen - die Chinesen - waren die zwei Schwestern
Trung-trûc und Trung-Nhi. Sie erhoben die Standarte der Revolte,
schlugen die Chinesen in mehreren Schlachten, und dann, als sie von den
überlegenen Kräften eingekreist waren, brachten sie sich um, indem sie
sich in einem Fluß ertränkten. Aber unsere Landsleute folgten ihrem
Beispiel und schafften es, die Chine-sen nach tausendjähriger Besatzung
aus Vietnam zu vertreiben!
Als ich Bischof in Vinhlong war, hatten unsere zwei Orden der
Schwestern vom Kreuz, derjenige von Cai-mon und von CáÃnhum, seit
kurzem ihre Ordensgelübde abgelegt, aber ihre Verwendung durch den
Klerus in den Pfarreien war mißbräuchlich. Die Ordensschwestern wurden
zu zweit losgeschickt, eine alte und eine junge, also eine schwierige
Gemeinschaft. Theoretisch mußten sie immer zu zweit sein. Praktisch
waren sie oft allein: z.B. wenn der Pfarrer die eine ins Pfarrhaus
etwas holen schickte oder in die Kirche, um ihm irgendeine Sache zu
bringen. Also konnte ein durchtriebener Pfarrer "solus cum sola" mit
einer jungen Ordensfrau sein, der er den Hof machen oder die er
mißbrauchen konnte. Das ist vorgekommen, zwar nicht oft, aber so
manches Mal. Bei wem sollte man sich beschweren? Die Sendung der
Schwester dauert 10 Monate, sie kehrt nur für die zwei Monate Juni und
Juli in den Orden zurück, um sich zu erholen.
Bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil über meine Perplexität, wenn die
Ordensfrau mich in der Beichte davon unterrichtete, daß sie jeden Monat
die Messe und Kommunion nur selten bekommen hat, da sie bei ihren
Katechumenen in ihrer kleinen Pfarrei bleiben mußte. Jedoch hält der
Priester sonn- und feiertags nur eine einzige Messe in seiner
Hauptpfarrei, wo sein Wohnsitz ist. Also: viel Arbeit, eine nicht sehr
reichhaltige Nahrung, da sie von der jungen Ordensfrau auf die Schnelle
zubereitet und auf die Schnelle gegessen wird. Besuch der Katechumenen,
nicht nur Frauen und Kinder, son-dern auch reife und junge, starke
Männer; sehr karge geistliche Nahrung. Wenn diese Schwestern der
Versuchung widerstehen konnten, so war dies Heldentum. Ich mußte also
meinen Pfarrern vorschreiben, die Reise der Schwestern zu bezahlen,
damit sie jede Woche zur Messe, zur Beichte und zur Kommunion gehen
konnten, wenigstens einmal. Ansonsten nahm ich ihnen die Schwestern
weg. Zum Unterricht schickte ich sie (die jungen) nach Saigon zu den
französischen Schwestern von St. Paul von Chartres, damit sie das
"diplôme élémentaire" und die Begabteren das "brevet élémen-taire"
erwarben und während des Postulats und Noviziats Schulschwestern
wurden. Mit diesen armseligen Diplomen standen sie bei unseren
Priestern wie Akademikerinnen da, die außer dem Lateinischen kein
Staatsdiplom hatten. Folglich wurden sie allmählich respektiert. Und
als ich die katholische Universität in Dalat gründete, gingen einige
dorthin und konnten ein Lizentiat erwerben, denn die vietnamesische
Frau ist sehr intelligent.
In Hué habe ich also in jedem Orden zwei Schwestern ausgewählt und sie
nach Dalat zu den Kanoni-kerinnen vom hl. Augustinus geschickt, die
dort ein Sekundarkolleg haben. Dort absolvierten diese Schwestern vom
Kreuz ein Noviziat wie richtige Ordensschwestern, dann kehrten sie nach
Hué zurück. Und seitdem mußten alle Ordensschwestern, alte wie junge,
ihr Noviziat absolvieren und echte Ordensschwestern werden, denn das
Noviziat und die Sekundarschule sind in Hué zusammen im alten Palais
des Apostolischen Delegaten.
Dieses Palais der Delegation von Hué war mir zur Verfügung gestellt
worden, weil der Delegat, seit die politische Hauptstadt in Saigon war,
einen Sitz in dieser Stadt erworben hatte, um nahe bei der bürgerlichen
Regierung zu sein. Jetzt gibt es eine gemeinsame Generaloberin für alle
Orden. Sie residiert in dem Haus und verfügt über das Gut meiner
Familie, wo ich geboren bin, mit ihrem Rat, in dem eine meiner eigenen
Nichten sitzt, die eine in Rom erworbene Lizenz besitzt. Die Orden
bewahren ihre Besitzungen, bezahlen aber für die Unterhaltung des
gemeinsamen Noviziats und der Sekundarschule. Dies ist also ein Erfolg,
der für mich ein wahrer Trost ist.
Es weht ein scharfer Wind der Verfolgung in Vietnam, aber die
Ordensschwestern sind gut darauf vorbereitet standzuhalten, wie es ihre
Vorgängerinnen in den 200 Jahren der Verfolgungen getan haben. Keine
Schwester vom Kreuz hat Jesus durch Treten des Kreuzes mit den Füßen
verleugnet, während ein Priester und ein Seminarist es getan haben.
Letzterer hat im Gegensatz zum Priester seine Feigheit bereut und ist
von den Füßen eines von den Verfolgern geführten Elefanten zer-trampelt
worden. Der Priester trug den Namen Duyêt und der Seminarist: der
selige Bot. Das rechtfertigt meine Meinung über den Wert der
vietnamesischen Frau, einzigartig auf der Welt.
All dies wurde in der relativ kurzen Zeitspanne verwirklicht, zwischen
1960 und 1968 = 8 Jahre, von denen ich die Hälfte in Rom verbrachte,
zuerst um an der Vorbereitung des Konzils teilzuneh-men, und danach mit
der Teilnahme am II. Vatikanischen Konzil. Das war der letzte Glanz
meiner priesterlichen und bischöflichen Aktivität. Der Rest meines
Lebens ist eine Serie von Mißerfolgen, über deren Ablauf ich berichten
werde, nachdem ich meine bescheidene Rolle beim Pastoralkonzil
beschrieben habe.
***
Das II. Vatikanische Konzil ist auf die Initiative Johannes' XXIII. mit
dem Beinamen "der Gute" zurückzuführen, aber nach meiner unmaßgeblichen
Meinung war dieser sehr fromme, sehr heilig-mäßige Papst ein
Schwächling. Er hat diesen Charakterfehler zugegeben. Auf ihn könnte
man das Wort anwenden: "Video meliora, deteriora sequor." "Ich wollte
das Beste und habe dann doch das Schlechtere getan."
Johannes XXIII. wollte eine Renaissance der Kirche und hatte ein
schönes Programm dafür. Aber ach, er konnte dem Drängen der Männer der
Kirche nicht widerstehen, welche die Kirche Christi mit Hilfe der
modernen Welt modernisieren wollten, die "in malo positus", die sich
zum Bösen gewandt hat. Denn wir sind die Generation, die dem "Ende der
Welt" vorausgeht, wo sich die letzte Schlacht Satans gegen Gott
abspielen wird: die Entscheidungsschlacht, die nach einigen
Schicksalswen-dungen mit der Niederlage Luzifers und dem Endtriumph
Christi, mit dem Jüngsten Gericht endet.
Satan hatte den atheistischen Kommunismus als Armee. Der Kommunismus
des Juden Marx ist äußerlich verlockend: Er will das Wohl des Volkes,
er will eine größere, verteilende Gerechtigkeit, er will den
Kapitalismus ohne Gott zerstören, in dem das einzige Ziel der Gewinn
des Einzelnen ist durch die Ausbeutung der Arbeiter, der Werktätigen.
Das ist lobenswert. Aber sein Ziel geht nicht darüber hinaus: das
Glück, das Paradies in dieser Welt. Für ihn existiert der Himmel nicht.
Für ihn ist die Religion nur Opium für das Volk, um es abzustumpfen,
das Volk, das die Kapitalisten arbeiten lassen, um ihre Geldschränke zu
füllen nach dem Vorbild der Jagdhunde, die man hält, um Wild zu
beschaffen. Er ist also der direkte Nachfahre der Philosophen der
Aufklärung mit Voltaire an der Spitze. Die Losung war also: Ecrasons
(sic!) lÃinfâme: die katholische Kirche, Jesus Christus.
Gewiß, die Kirche Christi, in der Person einiger ihrer Oberen, einiger
Päpste, stützte sich auf die Mächtigen, auf die Reichen im Glauben,
dort Hilfe zu finden für den Triumph der Kirche.
Diese Päpste haben die Strategie Jesu Christi nicht verstanden: Selig
die Armen im Geiste. Selig, die Verfolgung leiden. Die Kirche macht
Fortschritte durch das Kreuz und nicht durch den Dollar.
Das II. Vatikanum hätte damit beginnen müssen, an diesen Grundsatz zu
erinnern: Zum Triumph durch das Kreuz, zum Triumph durch das Martyrium.
Also, los auf den Kommunismus ohne Gott oder vielmehr, gegen Gott! Das
Paradies des Kommunismus ist dasselbe wie das des Kapitalismus: ein
irdisches Paradies.
Die Arbeit, die der Schöpfergott dem Menschen auferlegt hat, ist zur
Entwicklung, für die Vervoll-kommnung seiner intellektuellen,
übernatürlichen und körperlichen Fähigkeiten und nicht für das einzige
Ziel, sich den Bauch vollzuschlagen. Vatikanum II scheint dasselbe zum
Ziel zu haben wie der Kommunismus: das zeitliche Glück des Menschen.
Deshalb kam es zu folgendem Skandal: Verbot des geringsten Angriffs
gegen den Kommunismus. Von daher das Dogma von "der natür-lichen Güte
jeglicher Art von Glauben". Von daher der Triumph des protestantischen
Axioms: Freiheit des Denkens und Gleichwertigkeit aller religiösen
Meinungen. Von daher die Bemühung, die katholische Religion leichter zu
machen, indem man das Nicht-Schuldig für jene verordnete, die das
Brevier nicht mehr beteten und keine Meditation mehr machten; die
Abfassung einer Patent-Messe für Katholiken und Protestanten, erstere
Anhänger der Lehre von der Transsubstantiation, die zweiten glauben
nicht daran, sondern behaupten, die Messe sei nur das Andenken an das
Letzte Abendmahl, also kein "Mysterium fidei".
Vatikanum II wagte es nicht, die Messe in Lateinisch zu verbieten, der
gemeinsamen Sprache der Christenheit, besonders im zentralen Teil der
Messe, dem Kanon, erlaubte aber nde Gebrauch der Volkssprache für die
anderen Teile; angeblich, damit die Gläubigen die Messe besser hören
und verstehen könnten. Dabei vergaßen sie, daß die Gläubigen mit einem
zweisprachigen Messbuch der vom Zelebranten auf Lateinisch gelesenen
Messe sehr gut folgen konnten. In der "Neuen Bugnini-Messe" hat man im
Einvernehmen mit den Protestanten, vor allem mit den protestantischen
Mönchen von Taizé, welche die Kirchenväter der modernen Kirche sind,
beim Abschaffen die offizielle Spra-che der lateinisch-katholischen
Kirche abgeschafft, die auch die Diplomatensprache Europas ist (Anm. d.
Übersetzers: bis zum Westfälischen Frieden 1648 einschließlich war; von
da an war Fran-zösisch die Diplomatensprache Europas).
Man glaubte, dieses Entgegenkommen des Vatikanums II gegenüber unseren
getrennten Brüdern würde die Protestanten zu uns führen. Nun erfolgt
aber keine Rückkehr zum Katholizismus, viel-mehr haben diese Verkürzung
der Gebete, der Meditation, diese Bevorzugung der Aktion vielfach das
Aufgeben des Priestertums hervorgerufen; wie viele Ehen von Priestern
und Ordensleuten werden geschlossen, wie viele Nonnen verlassen das
Kloster! Keine Berufungen mehr! Weder für das Seminar noch für die
Orden. Nachwuchs gibt es nur bei den Orden, die streng und ihren alten
Regeln treu geblieben sind.
Die Kirchen leeren sich. Die neue Messe, bei welcher der Priester nur
noch der Vorsitzende der Versammlung ist - und nicht mehr der einzige,
welcher opfert, hat immer weniger Besucher. Jedes Land hat seine eigene
Messe, die der Mentalität seines Volkes angepasst ist: Die Japaner
sitzen auf den Fersen um eine Matte als Altar. Statt des monumentalen
Kruzifixes, das unsere alten Kirchen beherrscht, liegt ein Kreuzlein
auf einem kleinen Tisch, der als Altar dient - ohne Altarstein. Die
Messe wird hingepfuscht in zwanzig Minuten. Die seltenen
Kommunionempfänger kommunizieren stehend und nicht mehr kniend, sie
empfangen die Hostie in die Hand und kauen darauf herum wie auf einem
Bonbon, anstatt sie auf die Zunge zu empfangen. Die Ohrenbeichte ist
nicht mehr Mode, man begnügt sich mit dem Confiteor der Messe trotz der
Mahnung der Hl. Kongregation für die Verteidigung des Glaubens. Der
Priester liest die Messe mit dem Rücken zum Tabernakel!
Man begreift jetzt den Aufstand von Mgr. Lefebvre, den Erfolg seines
Ecôner Seminars und das Anwachsen seiner Priorate in Frankreich und
anderswo; und das Unbehagen in allen christlichen Ländern Europas und
Amerikas. Die Zukunft der Kirche ist durch das Fehlen der Berufungen
bedroht. Der Marxismus triumphiert überall. Afrika wird von den
Kubanern Castros angegriffen. Südamerika, wo früher die katholische
Religion unbestritten herrschte, ist entzweit durch den Kampf zwischen
Traditionalisten und Anhängern des Vatikanums II. Sowjetrussland ist
überall tätig, seine Flotte ist die stärkste der Welt, sein
Militärbudget übersteigt das der Vereinigten Staaten. Es mischt sich in
Afrika ein, in Südamerika, überall - sogar im Vatikan, wo Paul VI.
trotz so vieler Enttäu-schungen bei seiner Politik der dem Kommunismus
dargebotenen Hand beharrt.
Das Vorausgehende läßt meine Rolle auf dem Konzil verstehen: Meine
wenigen Interventionen hatten zum Ziel, die Kirche Christi zu
verteidigen gegen die modernistischen Angriffe, gegen die
Herabwürdigung der Kirche durch die gut organisierte modernistische
Partei unter der Führung Suenens und anderer Prälaten wie Marty, dem
heutigen Kardinal-Erzbischof von Paris. Ich muß auch hinzufügen, daß
die Mehrheit der Konzilsväter, besonders die aus Nordamerika, nicht gut
Latein verstand, die offizielle und verbindliche Sprache des Konzils.
Sie verbrachten einen Großteil der Konzilsdebatten in den beiden in St.
Peter eingerichteten Cafés, wo sie Kaffee oder Coca Cola tranken, und
kehrten erst zur Stunde der Abstimmung in die Konzilsaula zurück, ohne
recht zu wissen, worüber sie abstimmen sollten. Sie stimmten aufs
Geratewohl mal mit JA, mal mit NEIN (zur Abwechslung, wie sie sagten),
und diese Stimmen galten offiziell als "vom Hl. Geist inspiriert" und
wurden zur "Mehrheit" zusammengezählt. Ich habe andere Väter - sehr
wenige - gesehen, die nicht den Hl. Geist in die Cafés anrufen gingen,
sondern auf ihren Sitzen den Rosenkranz herbeten und dann für ihre
Stimmabgabe ihre Nachbarn um Rat fragten!
Auf dem Konzil hätte man die Innovation von Simultanübersetzungen, vor
allem ins englische oder ins Französische, einführen müssen, damit
jeder wußte, worum es ging, um nach seinem Gewissen abzustimmen und mit
voller Kenntnis die Rolle eines Konzilsvaters zu erfüllen. Jeder sah,
wie ein amerikanischer Kardinal nach ein paar Sitzungen das Konzil
verließ und nach Amerika zurückkehrte. Er sagte, seine Anwesenheit auf
dem Konzil sei weniger nützlich als wenn er in die Heimat der Dol-lars
zurückkehre, um dort Geld zu sammeln, weil das Konzil den Hl. Stuhl
sehr viel koste wegen der gemieteten Einrichtungen in der
St.-Peters-Basilika während der ganzen Dauer des Konzils. Und die
Schenken erforderten riesige Ausgaben!
Auf dem Konzil sah man auch viele Meinungsänderungen; Prälaten, die
anfangs eingefleischte Traditionalisten waren, wurden nach einigen
Sitzungen zu Modernisten, als sie merkten, daß Paul VI. (er war auf dem
Konzil nicht anwesend, angeblich um zu zeigen, daß er die Meinungen der
Väter nicht beeinflussen wolle; aber er verfolgte die Debatten am
Radio) für die Modernisten war. Sie wechselten also die Partei, um sich
später nicht die hohen Kirchenämter zu vermasseln und vor allem nicht
das Purpurkäppchen der Kardinalswürde. So machte es z.B. der Sekretär
der Hl. Kongregation des Index, heute Kongregation für die Verteidigung
des Glaubens, der seinen Vor-gesetzten, den verehrten Kardinal
Ottaviani, verriet, um Suenens zu folgen.
Die Durchsicht der Abstimmungen und Interventionen der Konzilsväter,
die in den Archiven des Vatikans aufbewahrt werden, würde meine
Behauptungen bestätigen. Wir dürfen uns über diese Lage der Dinge nicht
wundern. Die voraufgehenden Konzilien zeigten dieselben Phänomene. Ein
Athanasius kämpfte fast allein für den rechten Glauben und er mußte
eine ungeheure Energie und Geduld aufbieten, um eine Mehrheit zu
bekommen. Nun waren es zu seiner Zeit einige hundert Konzilsväter,
während Vatikanum II mehr als 2.000 Teilnehmer zählte. Nun werden die
Bischöfe weniger wegen ihrer theologischen Kenntnisse ausgewählt als
wegen ihrer Gewandtheit und ihrer guten Beziehungen zu den Nuntien und
Apostolischen Delegaten, die den römischen Dikasterien die Nachfolger
für die vakanten Bischofssitze angeben.
Meine Anwesenheit auf dem Konzil fern von Vietnam hat mir das Leben
gerettet. Sonst wäre ich ermordet worden wie meine drei Brüder, der
Präsident Diêm, Nhu und Cân. Denn während meine Kollegen aus Südvietnam
nach Abschluß des Konzils nach Vietnam zurückkehrten, zwangen die
Amerikaner die Regierung von Südvietnam dazu, mir das Visum für die
Rückkehr zu verweigern. Ohne es offen zu sagen, denn es gab keinen
Grund, mir diese Rückkehr zu verweigern: die viet-namesische Botschaft
bat mich, ich möge mich gedulden, während sie sich mit der Regierung in
Saigon in Verbindung setze. Ich wartete einige Monate und wandte mich
um Hilfe an den Hl. Vater, damit man mir diese Erlaubnis zur Rückkehr
gebe.
Ich weiß nicht, was der Hl. Vater Paul VI. tat, aber er nutzte die
Situation, daß ich nicht zu meinem Erzbischofssitz in Hué
zurückzukehren konnte, aus, um mich zur Abdankung zu zwingen und an
meine Stelle seinen Favoriten, Mgr. Dién, zu ernennen.
Um nicht im Müßiggang zu versauern, bat ich darum, in Italien als Vikar
in einer Pfarrei Dienst zu tun, was mir nicht schwer fiel, denn ich
spreche fließend italienisch und liebe die Italiener. Zunächst begab
ich mich in die Abtei Casamari. Der hochwürdigste Herr Abt hatte mich
kennengelernt, als ich Mgr. Lê-hûû-Tu dorthin begleitete, einen
Zisterzienser, der zum selben Orden gehörte wie der von Casamari, einer
sehr alten, vom hl. Bernhard von Clairvaux gegründeten Abtei. Er machte
mir den Vorschlag, dort meine Wohnung zu nehmen. Ich habe dort Monate
verbracht und war froh, daß ich der Beichtvater der Mönche des Klosters
und der Gläubigen der von der Abtei abhängigen Pfarrei sein konnte.
Aber nach mehr als einem Jahr mußte ich sie ohne eigenes Verschulden
verlassen. Das war der Beginn des letzten Abschnitts meines Lebens, der
nur noch Mißerfolge zählen sollte. Providentielle Mißerfolge.
***
Da die nationalistische Regierung in Saigon auf Anstiftung der
Amerikaner mir das Einreisevisum nach Vietnam verweigerte, mußte ich
irgendeine nicht zu teure Wohnung in Rom suchen. Ich machte die Runde
bei allen Unterkünften für Geistliche. Überall erfuhr ich eine höfliche
aber definitive Abweisung. Ich glaube, der Grund war mein
Bischofstitel. Man war davon überzeugt, daß ich mir Freiheiten
herausnehmen und den Studenten ein schlechtes Beispiel geben würde. "Et
sui eum non receperunt", was heißt: "Aber die Seinen nahmen ihn nicht
auf."
Glücklicherweise zeigte mir ein ehemaliger Apostolischer Delegat in
Vietnam, Mgr. Caprio, der mir bei der Regierung von Saigon, damals
unter dem Vorsitz meines Bruders Diêm, verpflichtet gewesen war und der
bei den Franziskanerschwestern während seiner Aufenthalte in Rom zu
Gast gewesen war, diese Unterkunft. Ich packte die Gelegenheit beim
Schopf. Die Oberin, eine Luxemburgerin, nahm mich auf und gewährte mir
sogar einen Nachlaß auf die Miete: Mit 50.000 Lire monatlich hatte ich
Recht auf ein kleines Zimmer, auf drei Mahlzeiten am Tag. Ich fand auch
apostolische Arbeit beim Pfarrer der angrenzenden Pfarrei: um 11:00 Uhr
die hl. Messe lesen, den Gläubigen die Beichte abnehmen, jeden Monat
etwa 100 Kranke besuchen, die sich nicht zur Kirche begeben konnten, da
sie marschunfähig waren. Zweimal im Monat, gegen 15:00 Uhr, machte ich
meine Runde und brachte ihnen die hl. Kommunion, nachdem ich ihre
Beichte gehört hatte, und dies, wenn sie mich darum baten.
Für diesen Dienst gab mir der Pfarrer fürstliche 30.000 Lire pro Monat.
Also mußte ich für den Dienst in dieser ziemlich reichen Pfarrei die
20.000 Lire finden, die nötig waren, um die monatliche Pension bei den
Schwestern zu vervollständigen. Der Pfarrer erklärte mir, er habe
dieses Gehalt seinem ehemaligen Vikar gegeben, der ihn verlassen habe.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß dieser Vikar über dieses Gehalt
hinaus gratis ein Zimmer bewohnte und die Mahlzeiten des Pfarrers
brüderlich