1. Cur Deus Homo 2. Das Sakrament der Ehe: Im Anfang … 3. Einige Gedanken zum Problem der Hypostatischen Union 4. Die gemordeten Kathedralen - ein Auszug 5. Open Doors Deutschland 6. Entstehende Einsamkeit 7. Die Revolution ist anders! 8. Die Globalisten machen die letzten Schritte 9. Ein Mensch wie ein Lichtstrahl 10. Die verworfene Ikone 11. Alte Sehnsüchte – Neue Konzepte 12. Bischof Viganò: 13. Buchbesprechung 14. Tiqua - 2024 15. Leserbrief 16. Schlimmer als ein „Weiter so“: 17. Nachrichten, Nachrichten, Nachrichten... 18. Mitteilungen der Redaktion
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Ein Mensch wie ein Lichtstrahl |
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„Ein Mensch wie ein Lichtstrahl“
von Magdalena S. Gmehling
Sie nannten ihn „Angelo bianco“, die Römer aus dem Viertel San Lorenzo, als Pius XII. nach der Bombardierung Roms vom 19. Juli 1943 zwischen dem Schutt, den Trümmern, den Toten und Verletzten, erschien. „Das arme Volk umringte seinen Hirten … wie Trauben hingen die Leute am Trittbrett seines Wagens … Das Volk betete und weinte mit ihm. Dann verteilte Pius XII. alles was er mitgebracht hatte. Es war bereits Abend, als er … zum Vatikan zurückfuhr. Mit blutbefleckten, schmutzigen Kleidern kam er an.“ (Sr. Pascalina Lehnert).
Dieses herausragende Leben sei kurz umrissen. Eugenio Pacelli wurde am 2. März 1876, sechs Jahre nach der Auflösung des Kirchenstaates, als Spross einer alten, aristokratischen, römischen Familie, die dem Vatikan ehrenvoll gedient hatte, geboren. Er war der zweite Sohn des Dekans der Konsistorialadvokaten, Filippo Pacelli, und seiner Frau Virginia Gratiosa. Schon früh fällt der Knabe durch Ernst und Nachdenklichkeit auf. Nach der Absolvierung der Studien an der Gregoriana, wird er 1899 zum Priester geweiht und erlangt die Würde eines Doktors der Theologie und Jurisprudenz. 1903 erfolgt die Berufung als Professor für kanonisches Recht, später für kirchliche Diplomatie. 1911 wird er Untersekretär bei Kardinal-Staatssekretär Merry del Val, 1912 Sekretär der Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten. 1917 ernennt Papst Benedikt XV. Pacelli zum Titularbischof von Sardes und zum Nuntius in Bayern. Ab 1. Mai 1920 ist er erster Nuntius im Deutschen Reich.
Pacelli hat die schwierige Aufgabe, Deutschlands Friedensbereitschaft im Sinne der päpstlichen Vermittlungsversuche zu fördern. Auch soll eine Neuregelung der äußeren Rechtsverhältnisse erfolgen, da die Reichsverfassung nur allgemeine Richtlinien enthält. Bereits 1924 kommt es zur Unterzeichnung des Konkordates mit Bayern, am 14. Juni 1929 mit Preußen, am 12. Oktober 1932 mit Baden. Nach der Machtübernahme Hitlers soll schließlich durch das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 (welches auf einem Entwurf von 1921 basierte) der Versuch einer Rettung der Länderkonkordate unternommen werden. An der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ die der Ratti-Papst, Pius XI., gegen das Neuheidentum, den Rassenwahn und die grundsätzliche Feindschaft gegen das Christentum und die Kirche, richtet, ist Pacelli maßgebend beteiligt. Am 2. März 1939, seinem 63. Geburtstag, wird er als Pius XII. zum Papst gewählt. Damals kommentiert die Berliner Morgenpost: „die Wahl von Kardinal Pacelli wird von Deutschland in keiner Weise begrüßt, weil er sich als Bischof und Kardinal stets gegen den Nationalsozialismus gewandt hat“.
Fast ausschließlich wird das Wirken dieser wahrhaft priesterlichen Gestalt im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gesehen und der Weigerung, die Katholiken aller Welt „ex cathedra“ gegen nazistische Verbrechen aufzurufen (wie Präsident Roosevelt dies wollte). Pius XII. wahrte strengste Neutralität. Er lehnte es grundsätzlich ab, Partei zu ergreifen, ob es sich im die Forderung der Alliierten nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands oder die Organisation des Atlantikpaktes (1946 angeregt durch General Marshall) handelte. Er war die Stimme des Weltgewissens in einem dämonischen Zeitalter. Er betrieb Seelsorge und eine weltumspannende Friedensarbeit, nicht Politik. 1946 kreiert Papst Pius XII. sechsunddreißig Kardinäle. Am 1. November des heiligen Jahres 1950 verkündet er das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. 1958 am 9. Oktober verstirbt er nach schwerer Krankheit in Castel Gandolfo.
Nachfolgend soll vor allem auf die Lehrschreiben des „Pastor Angelicus“, des engelgleichen Hirten –wie ihn ein altes Vatizinium nennt- hingewiesen werden. Schon wenige Wochen nach Kriegsausbruch am 20. 10. 1939 erschien die Enzyklika SUMMI PONTIFICATUS, worin der Papst unmissverständlich die Lehre vom totalen Staat (Sowjetunion/Nazideutschland) und die Rassenlehre verurteilte. Auch die Enzyklika MYSTICI CORPORIS (über den mystischen Leib Christi vom 29. Juni 1943) geißelt mit scharfen Worten den Mord an Geisteskranken. „Mit großem Schmerz erleben wir es, wie körperlich Missgestaltete, Geistesgestörte und Erbkranke als Last der Gesellschaft zuweilen ihres Lebens beraubt werden, ja wie dies sogar von manchen als neue Erfindung menschlichen Fortschritts und überaus gemeinnützige Tat angepriesen wird.“ Zu nennen sind ferner die Enzyklika FULGENS RADIATUR (über Benedikt von Nursia vom 21. MÄRZ 1947), MEDIATOR DEI (über die heilige Liturgie vom 20. November 1947). Vor allem aber auch die Apostolische Konstitution MUNIFICENTISSIMUS DEUS (über die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel). Nachdem Pius XII. an alle Bischöfe des Erdkreises die offizielle Anfrage gerichtet hatte, ob die leibliche Aufnahme der Jungfrau Maria als Glaubenssatz definiert werden könne und fast alle Bischöfe zustimmend geantwortet hatten, wurde das Dogma der Assumptio Mariae am 1. November 1950 feierlich verkündet. Es wird berichtet, dass sich an diesem Tag ein makellos blauer Himmel über Rom wölbte und neben der Sonne auch noch die Mondsichel zu sehen war. Da unter den Theologen die sog. „Entschlafung“ (Koimesis) der Muttergottes kontrovers diskutiert wird, ist diese Frage in der Apostolischen Konstitution offen gelassen. Die entscheidende Stelle lautet: „Es ist von Gott geoffenbarte Glaubenslehre, dass die unbefleckte Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau Maria nach Vollendung des irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“ Weitere Lehrschreiben sind zu nennen: MUSICAE SACRAE DISCIPLINA (über die Kirchenmusik vom 25. Dezember 1955), SACRA VIRGINITATIS (über die Jungfräulichkeit vom 25. März 1954). HUMANI GENERIS (12. 8. 1950) und SEMPITERNUS REX (1951) über falsche Ansichten, welche die katholische Lehre zu untergraben drohen und über christologische Probleme, sowie die Instruktion ECCLESIA CATHOLICA (gegen den falschen Ökumenismus). Ferner existiert ein Hirtenbrief gegen den Kommunismus. Das Schreiben FULGENS CORONA (100 Jahre Dogma Unbefleckte Empfängnis Mariens), die Enzyklika FIDEI DONUM (Afrikamission 1957) und 4 Wegweiser zur neuen sozialen Ordnung (anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums von Rerum novarum) runden die päpstlichen Verlautbarungen ab. Als überaus zukunftsbedeutsam und Weichen stellend, werden immer wieder vor allem drei Texte hervorgehoben: Die Rundschreiben HUMANI GENERIS, SEMPITERNUS REX und MYSTCI CORPORIS. Auf diese soll hier kurz eingegangen werden.
Pius XII. ist weder als unversöhnlicher Antimodernist und wissenschaftsfeindlicher Doktrinär, noch als Wegbereiter des II. Vatikanums zu verstehen. David Berger sieht in den Verlautbarungen des Pacelli-Papstes das Römische Prinzip, also die ausgewogene Bewahrung des Alten und die mit Scharfsinn durchleuchtete moderate Einbeziehung neuer Erkenntnisse, exemplarisch verwirklicht. Er schreibt: „Dieses System, das nicht der Größe entbehrt, findet in sich selbst ausreichende Ressourcen, um sich langsam, ohne plötzliche Rückschläge, auf seine Weise und nach seinem Rhythmus weiterzuentwickeln“ (Theologisches. Juli/August 2008 S. 229). So ist es das Grundanliegen von MYSTICI CORPORIS, den sakramentalen und übernatürlichen Charakter der Kirche zu betonen. Gegen das Eindringen eines protestantischen Kirchenbegriffes und den Tendenzen hin zu einem falsch verstandenen Ökumenismus verweist der Papst auf die Sichtbarkeit der Kirche. „Aus allem … geht klar hervor, dass sich jene in einem schweren Irrtum befinden, die sich nach eigener Willkür eine verborgene, ganz unsichtbare Kirche vorstellen.“ Ganz klar legt Pius dar, dass nur Getaufte, die den wahren Glauben bekennen und sich nicht selbst „vom Gefüge des Leibes“ getrennt haben, zur Kirche zählen. Er spricht aber auch von dem votum implicitae ecclesiae, also einem unbewussten Sehnen und Verlangen jener, die noch nicht zu dieser Gemeinschaft gehören und aufgerufen werden in die katholische Einheit einzutreten. Ökumenismus wird klar als eine Rückkehr der Getrennten und nicht als pluralistische Koexistenz verstanden. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges und in der Folgezeit erstarken Kräfte, die mit der französischen nouvelle théologie eine eigene, von der scholastischen Systematik befreite Verkündigung, anstreben. Der Mensch als Hörer des Wortes steht im Mittelpunkt (anthropozentrische Wende). Thomistische Unterscheidungen, vor allem jene zwischen Natur und Gnade (Lubac) werden in frage gestellt. Der Evolutionismus als „getaufter Darwinismus“ mit der Lehre von der Kulmination der Schöpfung im Punkt Omega (Teilhard de Chardin) und dem allmählichen Auflösen der Rangfolgen und Gegensätze, beabsichtigt schließlich ein Verschmelzen von Gott und Mensch.
In HUMANI GENERIS geht Pius XII. differenziert und allgemeinverständlich auf die neuen Strömungen ein. Er ahnt gewissermaßen die Verwirrung, welche die Zukunft bringen wird und wendet sich mutig gegen die bedenklichen Phänomene: „Einige behaupten, die ohne Klugheit und Unterscheidung zugelassene so genannte Evolutionslehre … erstrecke sich auf den Ursprung aller Dinge, und huldigen vermessen einer monistischen und pantheistischen Auffassung eines beständiger Evolution unterworfenen Weltalls. Dieser Auffassung nun bedienen sich die dem Kommunismus Gewogenen gerne, um ihren „dialektischen Materialismus“ wirksamer zu verfechten und emporzuführen, nachdem jeder Gottesbegriff aus den Herzen gerissen ist.“ Der Papst verurteilt eine „Ausdünnung des Dogmas“ und eine Missachtung der Tradition. Er betont den Stellenwert der scholastischen Philosophie und verteidigt schließlich die Realpräesenz Christi im Altarsakrament, indem er einer symbolischen Auffassung eine Absage erteilt: „Es fehlt auch nicht an Leuten, welche die Ansicht verfechten, da ja die Lehre, von der Transsubstantiation sich auf einen überholten philosophischen Substanzbegriff stütze, müsse sie dahin verbessert werden, dass die wirkliche Gegenwart Christi im allerheiligsten Altarsakrament auf eine Art von Symbolismus eingeschränkt werde, in dem Sinne, dass die konsekrierten Gestalten lediglich wirksames Zeichen für die geistige Gegenwart Christi wären.“ SEMPITERNUS REX bezieht Stellung gegen die sog. „Christologie von unten“. Bereits das Konzil von Calzedon (451) erklärte, dass sich beide Naturen Christi (die göttliche und die menschliche) zu einer Person und einer Hypostase vereinigen. Seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Exegese und der damit verbundenen Modernismen, kommt es zu polemischen Neuentwürfen (Galtier, deBasly). Die menschliche Person Jesu ist infolge psychologisierender Ansätze ungebührlich in den Vordergrund gerückt. Eine Entwertung der Formel von Calzedon findet man auch bei Karl Rahner, Schóonenberg, Schillebeeckx, Küng. Jesus wird–vereinfacht gesprochen-zum menschlichsten aller Menschen. Dagegen lehrte Pius XII. in prophetischer Voraussicht der kommenden Verwirrungen und Pluralismen: „Obwohl nichts hindert, die Menschheit Christi- auch mit psychologischer Methode noch tiefer zu erforschen, so gibt es bei diesen schwierigen Forschungen doch manche, die mehr als billig das Alte verlassen … .Diese rücken den Zustand und die Verfasstheit der menschlichen Natur Christi so sehr in den Vordergrund, dass sie (-wenigstens psychologisch-) als ein Subjekt eigenen Rechtes angesehen zu werden scheint, so als ob sie nicht in der Person des Wortes selbst existiere.“ sDie Lehrschriften Pius XII. sind für gegenwärtige und künftige Theologengenerationen eine Herausforderung. Der Engelpapst, der makellose Hohepriester, wurde von vielen, die in den Stürmen der Zeit unterzugehen drohten, so empfunden, wie Reinhold Schneider es ausdrückte: Er war „ein Mensch wie ein Lichtstrahl, der gute Hirte im Sinne des Evangeliums“. |
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