Die Einsamkeit (La Soledad)
von
Gloria Riestra De Wolff übersetzt: Alberto Ciria
Maria mit der dunklen Kopfbedeckung: es ist die Maria des Kopftuchs, das gestern noch weiß war; Maria, die des diesigen Samstagnachmittags, des Samstagnachmittags in Jerusalem, so grau und so schweigsam; derselbe Nachmittag, an dem man in Nazareth von so lichtem Morgen wusste...
Wenn ihre alten Freunde sie sähen, würden sie ihr sagen: Aber bist du es, Maria? ... Welche Schmerzensmeere haben deine Seele durchtränkt, haben deine Taubenaugen ermattet und das selige Gesicht des Mädchens verzerrt, das am Brunnen mit seinem kleinen Kinde im Rocke wiegend sang? ...
Nun erscheinen still alle Bekannten und je mehrere kommen, desto größere Stille überkommt das Haus. Niemand wagt es auszusprechen, niemand findet Worte... Welche Worte gäbe es auch für eine Mutter eines am nächsten Hügel gestern zum Tode Verurteilten!
Maria mit der dunklen Kopfbedeckung, empfängt dankerfüllt die Huldigung der Tränen, weil niemand ohne zu weinen eintritt, obwohl sie selbst, Ihre gesamte Seele bereits geschwollen, nicht weint...
Im trüben Lichte des Nachmittags, auf einem zu Tisch liegenden Leinen in einer Ecke des Raumes, erstrahlt die Dornenkrone der Rubine. Die Freunde berühren und küssen sie auf solch eine Art, als ob sie diese im Moment erweichen wollen würden...
Maria mit der dunklen Kopfbedeckung; sie wenden immer wieder ihre Blicken auf sie. Ihre Augen blicken jenseits der Dornen, welche sie an die Spitzen des Strohs erinnern, an den Geruch des Stalls, an die Mondesdecke anderer Berge, an die Nacht, in der Er ihre Einsamkeit mit seinem süßen, seinem schrillen Schreien füllte. |