54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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1. Misericordias Domini in aeternum cantabo - Autobiographie von Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc, Erzbischof von Hué, übersetzt von Elisabeth Meurer
1. Fortsetzung
1. Fortsetzung II
1. Fortsetzung III
2. Lebenslauf S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-din-Thuc - Anhang I
3. Dokumente S.E. Ngr. Pierre Martin Ngô-din-Thuc, Erzbischof von Bulla Reggia, vormals Erzbischof von Hué, Südvietnam,
4. DECLARATIO
5. Öffentliche Verkündigung der DECLARATIO
6. Bischofsweihen
7. SPENDENAUFRUF
Fortsetzung
 
Meine Anfänge in Vinhlong waren sehr einfach: einen Koch finden. Meine Familie schickte mir aus Hué den Koch Vinh, einen sehr guten Küchenbullen, der aber ein sehr großer Freund des Reisalkohols war, des Chum-chum der französischen Truppensoldaten. Dann opferte meine Mutter den kleinen Koch, einen ehemaligen Ziegenhirten, den sie selbst ausgebildet hatte. Er hieß An, sein Vater war auch der Koch von Pater Stoeffer, einem Elsässer und Nachfolger von Mgr. Allys in der Pfarrei Phûcam. An war ein guter Koch, intelligent, aber von mürrischem Wesen. Ich mußte ihm von Zeit zu Zeit einige Sous zustecken, um auf seinen Lippen ein kleines Lächeln erscheinen zu lassen. Ich hatte auch einen jungen Boy, er hieß Tri und war der Neffe meiner Mutter. Tri war mit einer auordentlichen Faulheit ausgestattet. Mein Onkel, der sein Vater war, war der geduldigste Mensch der Welt. In seiner kleinen Familie wurde er von seiner Frau schikaniert und von seinen Kindern gering geachtet, und er hatte ihrer einen ganzen Haufen. Er war am Ende seiner Kräfte durch die Faulheit von Tri, seinem Ältesten, und so war es die einzige Lösung, ihn mir anzuvertrauen, um ihn loszuwerden. Tri jedoch kehrte einmal wöchentlich den Bischofssitz; die Ausnahme von dieser Regel waren die Besuche des Präsidenten der Republik, meines Bruders Diêm. Also kehrte praktisch ich selbst, damit im Bischofssitz Sauberkeit herrschte, jeden Tag das Haus. Tri schloß sich also in sein kleines Zimmer ein, wo ein unbeschreibliches Durcheinander herrschte.

Nach dem Kirchengesetz und dem Brauch in den Missionen gibt der Missionsbischof, wenn der Hl. Stuhl, d.h. die Hl. Kongregation zur Verbreitung des Glaubens, die Bildung eines neuen apostolischen Vikariats beschließt, dessen Verwaltung einem einheimischen Priester anvertraut wird, diesen schon gut organisierten Teil des ehemaligen Vikariats ab, der also Seminar, Kathedrale und natürlich Bischofspalais besitzt. Das liquide Geld in der Kasse wurde auch geteilt.

Beim Vikariat Vinhlong, losgelöst von demjenigen von Saigon, das einst den Auslandsmissionaren von Paris anvertraut wurde und vom heiligmäßigen Mgr. Dumortier geleitet wurde, ist das Gegenteil eingetreten. Mgr. Dumortier behielt den organisierten Teil und ließ mir den brachliegenden Teil: Ich hatte weder Kathedrale, noch Bischofssitz, noch Seminar. Und da der Hl. Stuhl demselben Bischof die Aufgabe übertragen hatte, die zwei Vikariate zu organisieren, setzte Mgr. Dumortier in seine Diözese Saigon die besten Priester und nach Vinhlong die minderwertigen und sogar einige von zweifelhafter Tugend.

Was das Geld anbelangt: Saigon, das Hevea-Plantagen und Reisfelder besaß, hatte viel davon. Mgr. Dumortier jedoch brauchte - getreu dem Sprichwort "Jeder ist sich selbst der Nächste" - nur ein Jahr, um die finanziellen Mittel der Diözese für Werke in den Pfarreien auszugeben, die zu seinem künftigen Bistum gehörten. Das Ergebnis: Es blieben im Geldschrank der Mission in Saigon nur noch 30000 Piaster, ein Rest der Millionen, welche die Muttermission vor der Trennung in zwei Missionen besaß. Und Mgr. Dumortier trieb dieses Teilungsprinzip voran:

Das Geld muß nach der Oberfläche jeder Mission aufgeteilt werden. Obwohl ich wenig von der genauen Ausdehnung der zwei Missionen wußte, war ich sicher, daß die Mission von Saigon eine Oberfläche hatte, die wenigstens drei Mal so groß war wie die von Vinhlong. Sicher, daß dem so war, sagte ich zu Mgr. Dumortier, daß ich nach seinem Kriterium nicht nur keinen Heller von diesen 30000 Piastern bekäme, sondern ihm noch Geld zurückgeben müßte. Ich hatte jedoch keinen Heller in der Tasche, weil die Mission von Vinhlong ohne einen roten Heller begann. Meiner Meinung nach wäre es gerechter, die finanziellen Mittel nach der Zahl der Christen zu teilen. Man trug den Rechtsstreit nach Rom, und Rom entschied, daß mein Kriterium richtig war. Ich bekam also 10000 Piaster. Mit dieser armseligen Rücklage begann die Mission. Mgr. Dumortier mußte mir noch eine Wohnung kaufen, ein einstöckiges Haus in einem kleinen Garten als Bischofssitz. An mir war es nun, die Mittel zu finden, ein Kleines Seminar und später ein Großes Seminar zu bauen.

Für den Augenblick gestattete man mir, unsere großen Seminaristen nach Saigon zu schicken.

Als Fortbewegungsmittel, um eine Fahrt durch meine Mission zu machen und Kontakt mit meinen Priestern aufzunehmen, hatte ich nur mein Fahrrad, eine solide aber schwere Maschine aus der Manufacture des Armes et Cycles von St.-Etienne. Aber die Mission von Vinhlong umfaßt zwei Provinzen und ein Drittel von einer anderen. Man kann sie nicht bequem mit dem Fahrrad besuchen. Und mit meinem Fahrrad hatte ich schon vor meiner provisorischen Kathedrale eine Flugstunde gemacht, als ich auf meinem Drahtesel einen Flug veranstaltete und vor dem Portal der Kirche hinfiel, wo der Pfarrer mit seinen Chorknaben stand, mit dem Weihwedel in der Hand, um mich zu empfangen. Aber dieser Zwischenfall war von der Vorsehung geschickt, denn dieser bischöfliche Flug wurde in Saigon bekannt, und die ehemaligen Schüler der Brüder, die ein schönes Kolleg in Saigon haben, legten zusammen, um mir einen alten Karren anzubieten, einen Citroën, mir, einem ehemaligen Schüler des Collége Pellerin von Hué.

Woher einen Chauffeur nehmen? Und womit sollte man ihn bezahlen? Wo sollte man ihn unterbringen? Auf diese drei Fragen fand ich eine einzige Lösung: Wenn ich zur Visite fahre, geben mir die Pfarrer zu essen und einen Schlafplatz. Also hat mein Koch nichts mehr zu tun. Warum sollte man ihn nicht zu meinem Chauffeur machen? Der Pater Provikar von Vinhlong, der gute Pater Dang, ein französischer Staatsbürger, ein sehr frommer Mann, der sich zu helfen wußte, lieh mir seinen Chauffeur aus, um meinen Koch An in die Geheimnisse des Autos einzuweihen. An bekam seinen Führerschein ohne Prüfung, da die Prüfer ihn auf die Versicherung des Bischofs hin davon befreiten, der dafür alle zukünftige Verantwortung übernahm.

An fuhr sehr gut und war stolzer, Chauffeur und zugleich Küchenmeister zu sein. Besonders, als der Bischof von Vinhlong seinen Mercedes, seinen Versailles und seinen Jeep bekam: Die beiden letzteren Autos waren Geschenke von Wohltätern, der Mercedes selbst erworben, da ich die harten Devisen gespart hatte, die mir unsere Regierung für meine Auslandsreisen bewilligt hatte, besonders damit ich der Einladung des Hl. Stuhles während des II. Vatikanischen Konzils Folge leisten konnte.

Nun hatte ich also eine Wohnung, klein aber groß genug für mich, meinen Sekretär und meine zwei Hausdiener, mit ein paar Zellen für Gäste, die vorbeischauten. Ich brauchte trotzdem einen Pfarrer für die Pfarrei von Vinhlong. Ich mußte an Mgr. Dumortier schreiben und ihn um einen Priester bitten. Er hatte die Güte - oder vielleicht das Glück - einen zweifelhaften Priester loszuwerden, indem er mir Pater H. schickte, der äußerlich dem hl. Aloysius von Gonzaga ähnelte, aber in Wirk-lichkeit ein sexuell Gestörter und ein Dieb in großem Stil war. Ich habe es erst zu spät erfahren. Er ist verstorben, Friede seiner Seele!

Ich war gezwungen, Mgr. Dumortier einen jungen Vikar zurückzuschicken - jung, was das Alter angeht, aber seit Jahren lasterhaft. Mgr. Dumortier konnte das nur akzeptieren. Im Übrigen warf dieser arme Junge kurz danach die Soutane hin. Es war besser so. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Schulmeister dank des Unterrichts, den er im Kleinen Seminar erhalten hatte.

Mgr. Dumortier erwartete weitere zurückgeschickte Kandidaten meinerseits, aber da diese Fälle, die sicher unglücklich waren, nicht öffentlich bekannt wurden, beschränkte ich mich darauf, die Schuldigen im Geheimen zu ermahnen oder sie zu einer geistlichen Übung zu schicken. Da ich aus Zentralvietnam stamme, wo derartige Fälle äußerst selten waren, war ich verdutzt, als ich so viele Schwächen entdeckte. Ich sprach darüber mit Mgr. Dumortier. Hier seine Antwort: "Das kommt daher, daß es in Kotschinchina zu heiß ist." Vielleicht hatte er Recht. Die dauernde feuchte Hitze verbraucht alle Energie. Ohne Zuflucht zu beständigem und demütigem Gebet, ohne echte Hingabe an unsere reinste Mutter ist es unmöglich, nicht zu fallen. Aber meine Gläubigen, die ihre Priester sehr liebten, drückten oft die Augen zu.

Als Gegenmittel gegen diesen Stand der Dinge begann ich sogleich, jeden Monat meine Priester beim Dekan des Distrikts zu einer ernsten geistlichen Übung von 7 Uhr morgens bis mittags zusammenzurufen; ich war der Prediger. Die Übung endete mit dem Mittagessen, und danach prüfte ich die zu lösenden Fälle, gab die nötigen Empfehlungen, beantwortete die von den Konfratres vorgebrachten Fragen oder Schwierigkeiten. Ich wandte dieses Programm auf jedes der vier Dekanate an. Diese regelmäßigen Visiten förderten die gegenseitige Nächstenliebe, das Vertrauen zum Bischof, und man erfuhr direkt die Neuigkeiten aus unserer Mission (Mission bedeutet apostolisches Vikariat). So konnte ich sofort intervenieren, wenn es nötig war. Meine Priester begannen auch, ihren Bischof zu kennen, der, obwohl er aus Zentralvietnam kam, sich sehr schnell der Mentalität des Südens anpaßte. Ich hatte niemals Streit mit meinen Priestern, sie vertrauten mir, besonders meiner Diskretion. Der Bischof darf niemals gegen irgendeinen seiner Konfratres Voreingenommenheit zeigen.

Vorhaltungen müssen im Geheimen gemacht werden. Das Gesicht des Bischofs muß immer heiter sein, froh mit allen - gaudete cum gaudentibus - flete cum flentibus. Ich habe all meine Priester aufrichtig geliebt und ich glaube, umgekehrt war es genauso.

Die große gute Eigenschaft der Priester aus Kotschinchina (also derer aus meinem Vikariat) war es, und ist es, wie ich hoffe, immer noch, sich nicht mit den anderen zu befassen. Wenn Sie einen von ihnen fragen, was er vom Mitbruder Soundso denkt, wird er Ihnen antworten: "Monsignore, ich weiß darüber nichts." Er ist hierbei aufrichtig; er versucht nicht, die Fehler seiner Mitbrüder zu sehen. Offenbar gibt es Fälle öffentlichen Ärgernisses. Dann muß der Bischof sie nicht fragen, sondern mit Liebe seine Untergebenen überwachen.

Manchmal erhielt ich anonyme Briefe. Man darf ihnen nicht sofort glauben; die Geduld, die Langmut bringen Früchte. Aber wenn die Anklage begründet ist, lasse ich den beschuldigten Mitbruder kommen und entdecke ihm unter vier Augen die gegen ihn vorgebrachten Anklagen und bitte ihn, sich zu verteidigen, denn der Priester in einer Pfarrei wird sehr beneidet. Nach Anhörung seiner Leugnun-gen zeige ich ihm die Beweise, die mir von seinem Ankläger oder seiner Anklägerin geschickt wur-den, z.B. einen von seiner Hand geschriebenen Brief. Er kann die Tatsache also nicht mehr leugnen. Also gebe ich ihm eine Ermahnung und führe die geistlichen Gründe an: Beleidigung Gottes, Sakrileg wegen im Stande der Todsünde gelesener Messen, Skandal, Unfruchtbarsein des Kirchen-dienstes, und das, ohne Wut zu zeigen; ich zeige vielmehr ein großes Mitleid. Schließlich: ihn bitten, die geistliche Strafe anzugeben, die er sich zuzieht: z.B. eine Woche oder einen Monat geistliche Übungen in einem Kloster oder eine Versetzung. Ich konnte mich dieser Vorgehensweise nur rühmen.

Der Priester ist so gefährdet, er ist so allein. Wenn die Liebe zu Gott nicht sein Herz beherrscht, muß er sich auf Abstürze gefaßt machen, da die Gelegenheiten so vielfältig sind. Die Leute haben so viel Vertrauen in ihren Pfarrer und mögen ihn sehr. Schließlich gibt es die erdrückende Hitze, die allen auf die Nerven geht, und den Teufel, der sein Spiel sehr gut macht. Fast immer wird der Priester mit dem sechsten und neunten Gebot versucht. Selten ist es das siebte, aber das kommt vor, am häufigsten, um die Mittel zu haben, um lasterhafte Neigungen zu befriedigen.

Im Norden gibt es ein Laster, das den Priester versucht, das ist der Reisalkohol (Chum-chum). Man weicht darin Zimt oder andere Wurzeln ein, um ihn stärker zu machen, und das ist das scheußliche Laster des Saufens. Dieses Laster greift auch die Missionare an, viel öfter als die Unzucht. Das sei zum Lob unserer Väter im Glauben gesagt.

Die religiöse Politik des Vatikans entsprach der Entstehung neuer Nationen in Afrika und Asien. Diese Nationen, die über ihre kaum erworbene Unabhängigkeit eifersüchtig wachten - und oft um den Preis ihres Blutes - sahen mit ziemlich übelwollendem Auge ihre Ausländern unterstellten Landsleute, die oft zu den Nationen ihrer früheren Herren gehörten. Nationen wie Birma verschlossen den neuen weißen Missionaren ihre Grenzen. Die Einrichtung des einheimischen Episkopats war unerläßlich, aber damit jemand ein fähiger weißer, gelber oder schwarzer Bischof wird, greift der Hl. Geist nicht mehr ein wie zur Zeit der Apostel, die, obwohl sie nur Aramäisch konnten, sich nach Pfingsten den in Jerusalem anwesenden Fremden verständlich machen konnten. Petrus, ein ungebildeter Fischer, redete wie ein Rabbi und zitierte die Hl. Schriften wie der beredteste Schriftgelehrte. Es war die heroische Zeit. Um aufzurütteln und eine Bresche in die Mauer des Judaismus und des Heidentums zu schlagen, brauchte man aufrüttelnde Argumente, man brauchte Wunder, Wunder, wie Jesus es vorausgesagt hatte, die noch erstaunlicher waren als die vom Meister vollbrachten.

Unsere Epoche ist nicht mehr so. Die Kirche bildet ihre zukünftigen Bischöfe in den katholischen Universitäten in Rom, Frankreich, den Vereinigten Staaten und anderswo aus, wie im berühmten Salamanca in Spanien. Nach einem Jahr als Bischof schickte ich zwei junge Priester aus unserem Vikariat, die Patres Quang und Thiên, nach Europa, damit sie ihre Sekundar- und Universitätsstudien absolvieren konnten.

Ich selbst - als ehemaliger Student der römischen und französischen Universitäten - bin auf diesen Grundsatz gekommen: keine jungen Seminaristen nach Europa schicken, sondern junge Priester mit Intelligenz, Urteilsvermögen und seriösem Benehmen, die einige Jahre lang ins Apostolat selbst eingeführt wurden. Ein ganz junger Seminarist ist überfordert, der in diese europäische oder amerikanische Welt katapultiert wird, die materiell so anders ist als die Dritte Welt, zu der das Vietnam meiner Zeit gehörte, besonders was die materielle Kultur betraf. Der Luxus, der Wohlstand, der Komfort, in die der Asiat oder Afrikaner eintauchen wird, werden ihn aus dem Gleichgewicht bringen, wenn er zurückkehrt (oder nicht mehr zurückkehren wollen wird, wie es ganz schön viele Asiaten und Afrikaner gemacht haben, die sich ans Ausland klammerten, damit ihnen nicht dieser westliche Komfort fehlte und sie sich nicht mehr wieder an die frugale Nahrung, das tropische Klima, an das Fahrrad und die Strohhütte gewöhnen mußten).

Dieser arme Priester, der sich weigert, ins Land zurückzukehren, macht die Bemühungen des Hl. Stuhles und die Hoffnungen seiner Landsleute zunichte. Gewiß darf man auf dieses Abfallen keine Steine werfen, aber man muß Maßnahmen ergreifen, um die Verluste gering zu halten. Ich glaube, daß die Hl. Kongregation zur Verbreitung des Glaubens in Rom schlußendlich die Schließung eines Seminars für Seminaristen aus den Missionsländern und die Eröffnung eines Kollegs für die jungen Priester aus den Missionen vereinbaren mußte, die sich auf ihre Promotion vorbereiteten durch den Besuch der diversen römischen Fakultäten. Dieser Grundsatz hat sich konkretisiert in der Eröffnung des Kollegs St. Peter an der kleinen Pforte, das den Missionsländern schon eine große Anzahl Bischöfe geschenkt hat. Mein Neffe, der Koadjutorerzbischof von Saigon, Mgr. F. X. Nguyên-vân-Thuân, der aus diesem Kolleg hervorgegangen ist, ist zurzeit Zeuge Christi in den kommunistischen Kerkern.
Die zwei Priester, die von mir selbst nach Europa geschickt wurden, sind zurzeit Bischöfe in Mytho (Mgr. Joseph Thiên) und in Cantho (Mgr. Quang). Denn ich hatte ein Kleines Seminar bauen müssen, da dasjenige von der Muttermission in Saigon nicht mehr all meine kleinen Seminaristen auf-nehmen konnte. Aber wie sollte man in diesem Augenblick bauen? Wir steckten im Zweiten Weltkrieg. Es gab keine Möglichkeit mehr, aus Frankreich oder woandersher Waren zu bekommen, da die japanische Flotte die warmen Meere blockierte. Frankreich, unser Schutzland, hatte jedoch die Industrie in Indochina nicht eingeführt. Wir waren nur Hersteller von Rohstoffen. Z.B. schickte der französische Exporteur den Kautschuk der Hevea-Plantagen in Kotschinchina in sein Mutterland Frankreich. Dieser Gummi, der in Frankreich z.B. bei Michelin verarbeitet wurde, kam zu uns zurück als Reifen für die (in Frankreich hergestellten) Autos oder für die Fahrräder wie dasjenige, was ich bei der Manufaktur von St.-Etienne erworben hatte.

Wir hatten nicht einmal eine Nagelfabrik. Unser Kalkstein diente dazu, unsere Straßen zu bauen, aber keine Fabrik machte daraus Zement. Wir hatten massenweise Holz, aber keine Sägewerke. All dieses Holz mußte von Zimmerleuten mit ihren langen Sägen und der Kraft ihrer Arme zugeschnitten werden.

Aber auf jeden Fall brauchten meine Seminaristen ein Dach überm Kopf: Fast 200 waren einge-schrieben. Ich hatte noch nie etwas gebaut... Aber ich hatte das Glück, einen Vietnamesen zu haben, Vater dreier Priester und einer Ordensschwester, der seinem Pfarrer - dem von Vinhlong - bei verschiedenen Bauvorhaben geholfen hatte. Sein Pfarrer, Pater Hang von Bêxtre, der mir seinen Fahrer als Fahrlehrer meines Kochs ausgeliehen hatte, nannte ihn mir.

Ich packte die Gelegenheit beim Schopf und ließ ihn kommen. Nachdem wir seinen Lohn vereinbart hatten, begab ich mich auf die Suche nach einem Grundstück. Das Glück ließ mich ein großes Grundstück finden, nahe bei meinem Bischofssitz, ein wenig sumpfig aber leicht mit dem Abfall der Stadt Vinhlong aufzufüllen. Da sich unter diesem Abfall die Samen verschiedener Obstbäume oder Kürbisgewächse befanden, bekam mein Seminar einen schönen Garten, wo das Gemüse nur so wuchs. Ich gab den Fuhrleuten, welche die Stadt beschäftigte, um die Hausabfälle abzufahren, ein Trinkgeld. Die Fuhrleute entledigten sich ihrer, anstatt aus der Stadt herausfahren zu müssen, um sie auszustreuen, in der Einfriedung des Seminars. Denn das erste, was zu tun war, war der Bau einer Einfriedung aus Ziegelsteinen (es gab eine Fabrik in Vinhlong) mit Mörtel aus einheimischem Kalk, der aus Meeresmuscheln gewonnen wird, die es in Kotschinchina massenweise gibt, und aus dem guten Sand, um das Stibitzen zu vermeiden. Strohschuppen waren die Behausung der Arbeiter, meines Vorarbeiters und dienten als Lager des Holzes für die Zimmerleute. Denn alle Möbel mußten aus Holz hergestellt werden: Pulte, Schreibtische, Betten, Holzböden für das Stockwerk, alles Ge-bälk usw. Jeden Morgen war ich auf der Baustelle. Ich kam abends von dort zurück. Das zerstreute mich von meinen geistigen Arbeiten und den brennenden Sorgen eines Bischofs, der noch in der Lehre war und der vor scheinbar unlösbaren Problemen stand, z.B.: Nägel herstellen. Vor dem Krieg kam das alles aus Frankreich, den Vietnamesen von den "Onkeln" verkauft. Dieser Name wurde von den Vietnamesen den Chinesen gegeben, die sich überall dort befinden, wo ein Markt ist, und die eine vietnamesische Konkubine haben - da der Chinese, im Allgemeinen ein Kantonese, seine erste Frau in China ließ. Indem er eine Vietnamesin heiratet (oder vielmehr eine solche als Gattin kauft, als Mutter eines Haufens Mischlinge), findet der sehr praktische Chinese eine Gefährtin fürs Bett, eine gute Köchin, eine Verkaufshilfe und eine Dolmetscherin, wenn er das Vietnamesische nur radebrechen kann. Nun waren alle Metall- oder Eisenwarenvorräte erschöpft. Jemand brachte die Idee vor, an das Meeresgestade zu gehen und dort die Eisendrähte aufzusammeln, welche die Fischer benutzen, um ihre Netze zu befestigen und die sie nach langem Gebrauch wegwerfen. Meine Gläubigen schickten mir also diese Drahtstücke, und man schnitt und bearbeitete sie sorgfältig, um Stifte daraus zu machen.

***
Nachdem der Bau des Seminars fertig war, ließ ich die Schwestern vom Kreuz von Caimon kommen [Caimon ist der Name der Christengemeinde (Pfarrei), in der sich der Konvent dieser Schwestern befindet]. Sie mussten die Küche des Seminars verwalten.

Bei uns ist es kein Problem, das Kleine Seminar zu füllen, denn die vietnamesischen Christen hegen eine tiefe Verehrung für das Priestertum, sie opfern gerne einen oder zwei, sogar drei Jungen fürs Seminar. Sie bezahlen, was sie können, für den Unterhalt ihrer Kinder. Wir nehmen sie auf, denn auch wenn sie das höchste Ziel, das Priestertum, nicht erreichen, so haben sie doch eine gute Sekundarausbildung erhalten - Lateinisch, Französisch - und können in ihrer Pfarrei ihrem Pfarrer eine wertvolle Hilfe sein als Chef der Action catholique oder in die bürgerliche Verwaltung eintreten und auch dort könnte ein gelehrter Katholik der Apostel deines Umfelds sein, dem Klerus helfen, wenn er mit der Regierung zu tun hat. Also hat die Kirche nichts zu verlieren, wenn sie die Pforten des Seminars weit öffnet.

Die Kommunisten sind davon überzeugt. Deshalb setzen sie einen Numerus Clausus für den Eintritt ins Seminar fest: nicht mehr als zwei Personen pro Jahr, von denen sie sicher sind, daß sie zumindest noch nicht gegen ihre marxistischen Dogmen sind. Mit diesem System glauben sie, nach und nach den katholischen Glauben ersticken zu können, aber unsere Vorfahren waren mehr als 200 Jahre lang ohne Priester, und der vietnamesische katholische Glaube konnte überleben und sich ausbreiten.

In Tonkin, wo sie seit mehr als 10 Jahren diese Methode gegen die Ausbildung der Priesterkandidaten angewandt haben, hat die Religion überlebt. Diese Schikanen steigern nur die Feindseligkeit aller gegen das marxistische System: bei den Heiden wegen aller Arten von Nahrungs- und Kleidungsmangel, wegen der propagandistischen Bearbeitung jeden Abend nach einem miserabel bezahlten, erschöpfenden Arbeitstag, für den man gerade soviel bekommt, um nicht zu verhungern. Die einzige Klasse, die gut lebt, ist diejenige der kleinen und großen Führer.

In Ermangelung von Priestern machen sich unsere Katholiken dort, wo es keinen Pfarrer mehr gibt, samstags abends auf den Weg und legen Kilometer zu Fuß (oder mit dem Fahrrad diejenigen, die eines besitzen) zu einer Pfarrei zurück, in der eine Sonntagsmesse stattfindet. Dieser Exodus ist eine Art, den Heiden unterwegs die Religion zu predigen.

Aus meinem Kleinen Seminar von Vinhlong ist ein junger Bischof hervorgegangen, Hilfsbischof des Bischofs von Vinhlong, meines zweiten Nachfolgers, der aus einer Pfarrei stammt, die vor mehr als 100 Jahren von Söhnen des hl. Franz von Assisi missioniert wurde, nämlich aus Cáinhum, der ältesten Pfarrei meiner Diözese und vielleicht eine der ältesten Christengemeinden Kotschinchinas. In seiner Kirche steht eine hl. Jungfrau, die auf spanische Art gekleidet ist, d.h. daß die Statue je nach den Festen die Kleidung wechselt. Cáínhum hat einen Orden der Schwestern vom Kreuz, den zweiten der Diözese mit dem von Caimon, der schon erwähnt wurde. Der derzeitige Hilfsbischof des Bischofs von Vinhlong hat zwei Tanten, Schwestern seines Vaters, die Schwestern in diesem Orden sind.

Hier schweife ich ab und berichte über meinen Aufenthalt in Cáínhum. Es war nach der Invasion der japanischen Truppen in Indochina, nach dem Zweiten Weltkrieg und dem darauffolgenden kommunistischen Aufstand, der stattfand, als die Truppen aus Japan sich zu den Chinesen von Tchang-kai-Chek begeben mussten (der später nach Formosa floh).

Ich hatte meinen Sitz in Vinhlong verlassen und nach Cáínhum fliehen müssen, denn wenn ich im von den französischen Truppen besetzten Vinhlong geblieben wäre, wäre es mir unmöglich gewsen, die anderen Pfarreien meiner Diözese zu besuchen. Die Franzosen besetzten nur die Städte am Ufer des Mekong: Vinhlong, Bente, während das Hinterland von den Kommunisten kontrolliert war.

Zu dem Zeitpunkt hat das Große Seminar von Saigon sich auch nach Cáínhum zurückgezogen und belegte den Konvent der Ordenskatechisten. Ich nahm Wohnung im Pfarrhaus von Cáínhum, das leer stand, da der Pfarrer woandershin geflohen war und sein Vikar auch woandershin geflüchtet war. Die zwei Professoren des Großen Seminars wagten es nicht, aus ihrer Wohnung zu gehen. Im Pfarrhaus gab ich den Kindern Katechismusunterricht, den Religionsunterricht fürs Nonnenkloster, besuchte die Kranken und brachte ihnen die Kommunion. Die Messe wurde vor sechs Uhr morgens gelesen, wenn noch Dunkelheit herrschte. Die Kirche war nur halb voll von Gläubigen, und ich wunderte mich, daß sie nicht besser besucht war, denn als in Vietnam Friede herrschte, war dort die Messe an den Wochentagen genauso gut besucht wie die Sonntagsmesse.

Hier die Antwort: der Mangel an Stoff (Baumwolle). Jede Familie besaß nicht genug Hosen und Kleider für alle. Folglich ging jeder der Reihe nach in die Messe, mit der gemeinsamen Hose.

Mir ist wegen dieses Hosenmangels eine lustige Geschichte passiert. Eine alte Christin ließ mich von ihrem Enkel holen, weil sie krank war. Als ich zu ihr ging, drückte ich ihr mein Erstaunen aus, daß es das erste Mal seit einem Monat war, in dem ich für sie als Pfarrer fungierte. Sie war jedoch erst seit ungefähr zehn Tagen im Bett. Hier ihre Antwort: "Ich hatte keine Hose für mich. Die einzige Hose wurde von meinen Söhnen und Enkeln gebraucht." Ich sagte mir: Du bist Martin, denn dein Namenspatron ist St. Martin, der die Hälfte seines Mantels einem vor Kälte zitternden Bettler gege-ben hat. Bring doch ein Opfer, gib der Großmutter deine zweite Hose, weil du zwei davon hast.

Die Alte wurde schnell gesund, und ich sah sie in der Morgenmesse, stolz darauf, die Ex-Bischofshose zu tragen. Aber nach ein paar Tagen verschwand die Großmutti von der Bildfläche. Im Kate-chismusunterricht befrage ich die Knirpse wegen der Abwesenheit der Großmutter. Sollte sie aufs neue krank und im Bett sein? Ihr Enkel in seiner Treuherzigkeit: "Meine Großmutter hat ihre Hose im Spiel verloren..." Denn zugegebenermaßen sind die Vietnamesen große Spieler, denn um ihre Freizeit auszufüllen, hatten sie damals nicht viele Zerstreuungen. Was soll ich jetzt machen? Ich habe nur noch eine Hose! Da gab mir der Hl. Geist (ich glaube, Er ist es gewesen) eine famose Idee ein: In der Kirche, in der Sakristei liegt Stoff genug, um den Christen von Cáínhum kurze und den Christinnen etwas längere Hosen zu geben!

Ich bat die Ordensschwestern, das Futter aus den Messgewändern und Chorröcken herauszutrennen (wir werden das wieder flicken, wenn Frankreich uns Stoffe schickt). Wir werden alle französischen Flaggen opfern (versteckt wegen der Kommunisten) für dieses Werk der Nächstenliebe. Hat Jesus nicht gesagt: "Ich war nackt, und ihr habt mich bekleidet?" - "Aber Monseigneur, diese Flaggen, diese Futterstoffe sind verschiedenfarbig. Nun sind bei uns Vietnamesen die Hosen: schwarz für die Frauen und weiß für die Männer." - Ich antwortete ihnen: "Nicht so schlimm, Krieg ist Krieg! Ihr Schwestern, wolltet ihr euren schwarzen Schleier opfern, um daraus Hosen für die Frauen zu schneidern, und den weißen Schleier eurer Novizinnen für die Männerhosen?"

Dieses eines Salomon würdige Urteil fand die Zustimmung der ganzen Pfarrgemeinde. Die französische Flagge mit ihrem roten Teil beglückte die kleinen Jungen mit ihren feschen roten Hosen. Der blaue Teil wurde für die kleinen Mädchen verwendet, der weiße für die Männer und der schwarze Futterstoff für die Frauen. Wenn davon etwas fehlte, färbte man die übrig bleibenden Teile mit einer schwarzen Farbe, und jeder war zufrieden, und die Morgenmesse wurde von allen besucht.

***

Während meines Aufenthalts in Cáínhum habe ich eine Weihe vorgenommen, denn ich hatte einen Diakon namens Quyên, dessen Priesterweihe man auf den St.-Nimmerleins-Tag verschoben hatte, da man den Verdacht hatte, er sei leprakrank. Aus Saigon stammend, kam er zu mir als dem "Refugium peccatorum". Es war ein guter Kerl, ein bißchen nervös, aber von gutem Benehmen, und da ich einen Priester brauchte, habe ich ihn von vietnamesischen Ärzten untersuchen lassen, welche die Medizin der Vorfahren praktizierten: Absud aus verschiedenen Pflanzen. Sie haben mir versichert, daß der Diakon Quyên keine Anzeichen von Lepra zeigte. Ich ließ ihn eine Woche geistlicher Übungen beginnen, und am darauffolgenden Sonntag erlebte Cáínhum in der feierlichen Messe eine Priesterweihe mit einem Bischof, der als Bischofsstab ein mit Silberpapier überzogenes Schilfrohr und auf dem Kopf eine papierene Mitra hatte. Dieser unter dem kommunistischen Regime geweihte Priester lebt noch, und es geht ihm gut.

Ich übertrug ihm ein paar Tage nach der Priesterweihe einen etwas außergewöhnlichen Dienst, nälich einem Typen in der letzten Stunde beizustehen, der dazu verurteilt war, von einer französischen Truppe erschossen zu werden, die in Cáínhum eine Razzia machte und ihn verhaftete, da er dafür bekannt war, franzosenfreundliche Vietnamesen denunziert zu haben, die aus diesem Grunde von den Kommunisten getötet wurden. Der arme Neupriester konnte diesen Dienst nicht ablehnen. Er nahm dem Verurteilten die Beichte ab (einem Ex-Ordensmann!), gab ihm die Wegzehrung, schloß aber die Augen, als er den Anführer des Haufens schreien hörte: "Achtung, Feuer!" Es war auch für ihn ein Dienstbeginn.

Von Cáínhum schwärmte ich in alle Winkel meiner Diözese aus, nicht über Berg und Tal, sondern überallhin per Kahn, wo man ißt, wo man schläft, wo die Christen Tag und Nacht mannschafts-weise über dieses Netz der Flüsse rudern, der Töchter des großen Mekong, die meine ganze Diözese durchfließen. Meine Priester empfingen mich an der Anlegestelle. Aber diese Abwesenheit von Vinhlong hinterließ bei den französischen Schwestern einen schlechten Eindruck, die mich als Kommunisten ansahen!

Als es Frankreich gelang, Kotschinchina zu befrieden, indem es die Kommunisten zwang, in ihre Schlupfwinkel zurückzukehren - sie hatten nur spitze Säbel und spitze Bambusrohre als Lanzen und sehr wenige Gewehre - ging ich nach Vinhlong zurück. Die armen Schwestern wollten nicht an den Bischofssitz gehen, um mich zu begrüßen. Aber nach und nach legte sich das, als sie sahen, daß ich keinen Groll gegen sie hegte, und besonders, als sie feststellten, daß meine Art zu handeln ihren Mitschwestern, die auf dem Land arbeiteten, das Leben gerettet hatte, während sie selbst (eine Minderheit) ruhig in Vinhlong und Bentre lebten. Denn die Kommunisten respektierten ihre Mitschwestern, die zu meiner Diözese von Saigon gehörten, die aber von einem französischen Bischof geleitet wurde. Sie wurden von den Kommunisten in die Wälder verbannt und starben dort tausend Tode, weil sie weder Lebensmitteln, noch Wohnungen hatten, sie waren ohne Priester und jeglichen Trost!

Beiläufig habe ich von den Schwestern vom Kreuz gesprochen, vom Kloster von Caimon mit mehr als 200 Schwestern; in dem von Cáínhum sind etwa hundert. Woher kamen diese Schwestern? Nach den ersten Bekehrungen zum Christentum durch die jesuitischen Missionare weihte sich eine große Anzahl Frauen, nicht nur aus gewöhnlichem Stand, sondern auch einige Damen vom Kaiserhof, dem Herrn. Diese Weihe wurde schon von den weiblichen Bonzen praktiziert. Als die ersten aposto-lischen Vikare in Vietnam auftraten, darunter Mgr. De Lamothe-Lambert vom Seminar der Auslands-missionen von Paris, sammelte dieser diese Jungfrauen in einer Gemeinschaft und gab ihnen eine Lebensregel. Aber vielleicht unterschätzte er den Wert dieser Neubekehrten und erlaubte ihnen deshalb nicht, die drei Ordensgelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams abzulegen, obwohl diese Seelen praktisch die materielle Armut strenger praktizierten als die Ordensschwestern der alten Christengemeinden, die Keuschheit und den Gehorsam gegen ihre Oberen, und sie hatten sogar eine Noviziatszeit.

Diese Lebensweise dauerte drei Jahrhunderte und hörte erst kurz vor dem II. Vatikanum auf. Ich hatte das Privileg, diese Gelübde bei den Schwestern vom Kreuz meiner Erzdiözese von Hué einzuführen, nach einem ernsten Noviziat unter der Leitung der Augustinerinnen von Dalat. Gewiss, wenn sie ohne Gelübde blieben, konnte der Bischof ihnen alle Arten von Aufgaben anvertrauen, aber sie waren - streng genommen - keine Bräute Christi.

***

Das für das Kleine Seminar erworbene Grundstück war groß genug, um ein einstöckiges Krankenhaus und ein Haus für den Arzt zu bauen. Der Arzt hieß Doktor Lesage. Er hatte bei den französischen Truppen gedient, die gesandt worden waren, um die von den Japanern gekippte französische Vorherrschaft wieder herzustellen. Lesage war kein praktizierender Katholik, aber sehr mildtätig. Anstatt nach Frankreich zurückzukehren, blieb er lieber in Vietnam, ein Arzt, der eine Gabe der Vorsehung für die Bewohner war. In Vinhlong hatten wir nur eine Krankenstation. Lesage hat mit mir Kontakt aufgenommen, ich war sehr zufrieden, ihn zu bekommen. Daher wurden das Krankenhaus und das Häuschen des Arztes gebaut. Lesage ließ nur diejenigen bezahlen, die es konnten; die Be-dürftigen versorgte er gratis. Ihm gefiel es in Vietnam so gut, daß er die vietnamesische Staats-bürgerschaft erwarb. Armer Doktor, er hatte weder den Triumph des Kommunismus vorausgesehen noch seine Verhaftung und seine Verschickung in die Umerziehungslager... Da er Vietnamese war, konnte Frankreich ihn nicht als Landeskind anerkennen und ihn aus den marxistischen Klauen befreien!

Als das Seminar St.-Sulpice von Hanoi Tonkin evakuiert werden mußte, das unter das kommunistische Joch gefallen war, um sich mit mehr als 50 großen Seminaristen nach Kotschinchina zu begeben, bot ich ihnen angesichts ihrer Wohnungsnot und ihrer Schwierigkeit, den Unterricht fortzusetzen, dieses Krankenhaus als provisorisches Seminar an. Denn ich erinnerte mich, daß ich in St.-Sulpice in Paris zu Gast gewesen war, als ich mein Lizenziat am Institut Catholique vorbereitete und im Priesterhaus, rue Cassette, wohnte. Die Patres von St.-Sulpice waren sehr vorsichtig. Als sie mit ihren Seminaristen nach Saigon gehen konnten, wo sie sich niederlassen konnten, wurden un-sere Verbindungen unterbrochen. Denn sie dachten, daß Verbindungen mit dem Bruder des Präsidenten der Republik von den Autoritäten unter Paul VI. nicht gern gesehen seien, der vom Freimaurer Cabot-Lodge betrogen, davon überzeugt war, daß unsere Familie die buddhistischen Bonzen verfolge. Ein seltsamer Irrtum, da die vietnamesischen Buddhisten öffentlich erklärt haben, daß nie eine Regierung ihre Werke so subventioniert habe wie die Regierung Ngô-dinh-Diêm. Derselbe Freimaurer hatte mit der Ermordung meiner drei Brüder Diêm, Nhu und Cân zu tun.

Da die Schüler des Kleinen Seminars ihre acht Jahre Sekundarausbildung beendeten: Latein, Französisch und Vietnamesisch, mußte ich ein Großes Seminar für Vinhlong bauen. Die Vorsehung half mir. Ich fand ein Grundstück, das damals ein Reisfeld von mehr als 3 Hektar war, an den Toren von Vinhlong, an der Hauptstraße, die zur Fähre von Mw-Thuân führt. Diese Fähre führt zum anderen Ufer, wo die große Straße nach Mytho und Saigon entlang läuft.


Das erste, was zu tun war, war das Grundstück auf einer ausreichenden Fläche aufzufüllen, damit es feste Gebäude des Großen Seminars tragen konnte. Hierfür mußte man den Umfang der Bauwerke abgrenzen, dann auf einem anderen Teil des gekauften Grundstücks Teiche graben. Die Erde von diesen Ausgrabungen diente als Füllmaterial, und die so geschaffenen Teiche dienten als Lebensraum für die Fischzucht. Die Fische wurden mit den Resten vom Tisch der Seminaristen ernährt und besonders (ich schäme mich etwas, es zu sagen!) von den menschlichen Abfällen, die sie sehr gern fressen. Über diesen Teichen wurden also die WCs des Seminars gebaut!

Diese Zucht ist in Kotschinchina allgemein üblich. Aus Kambodscha kommen Dschunken, die in ihren Flanken Fischbrut mit sich führen, die so klein ist, daß man Netze wie Moskitonetze braucht, mit kleinsten Zwischenräumen, um diese kleinen Fische zu fangen. Man kauft den Inhalt einiger Dschunken, schüttet diese Fischbrut, die sehr schnell wächst, in die Teiche. Nach zwei Jahren wiegen die Fische mehrere Kilo, besonders wenn sie mit den menschlichen Abfällen gefüttert werden. Vor dem Verkauf lässt man sie einen Monat lang hungern, und ihr Fleisch ist vorzüglich. In den Schulen der Pfarreien gibt es immer einen Fischteich, und der Verkauf dieser Fische hilft dabei, die Lehrer zu bezahlen. Im übrigen, warum soll man daran Anstoß nehmen? Unsere Pflanzen, unsere Salate leben von tierischen Abfällen, d.h. vom Mist. Nun hatte man bei uns kein Geld, um synthetische und chemische Dünger zu erwerben - die oft Gemüse und Obst ohne Geschmack hervorbringen. Die Hl. Schrift sagt uns am Aschermittwoch: "Gedenke, o Mensch, daß du Staub bist, und zum Staub wirst du zurückkehren."

Dieses Seminar wird ein ziemlich schmeichelhaftes Schicksal haben, da es vom Großen Seminar von Vinhlong zum regionalen Seminar für Zentral-Kotschinchina und schließlich von den Kommunisten beschlagnahmt werden wird.

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Als ich von meiner "Sezession" in Cáínhum erzählte, habe ich gesagt, daß das Große Seminar von Saigon sich dorthin zurückzog, um dem Druck der Kommunisten zu entrinnen, welche die Hauptstadt des Südens heimsuchten. Die Gebäude, in denen damals dieses Seminar untergebracht war, gehören der Gemeinschaft der Katechisten, Ordensleuten, welche die drei Gelübde abgelegt haben. Der Gründer dieses Ordens, dessen Mitglieder in den Diözesen Saigon und Vinhlong dienten, war ein heiligmäßiger Mann, Pater Boismery von den Auslandsmissionen von Paris. Als ich ihn traf, war er vom Rheuma gelähmt und sah fast nichts mehr. Er sollte bald sterben. Nach ihm wurde ein alter vietnamesischer Pater Superior des Ordens, ohne weitere Fähigkeit, ihnen bestimmte Anweisungen geben zu können - außer die Messe jeden Tag für die Novizen lesen zu können -, denn sobald sie einmal die Profeß abgelegt haben, gehen diese Ordensleute überallhin, wo man sie hinruft, um die Neubekehrten den Katechismus zu lehren. Jedoch kannte dieser Pater Superior nicht die Merkmale des Mönchslebens. So brauchen zum Beispiel beim Armutsgelübde die Ordensleute oft dort, wo sie arbeiten, eine Erlaubnis, gewisse Dinge zu erwerben, daher Dispensen von der Armut. Sie mußten also an den Pater Superior schreiben, die Gründe darlegen, weshalb sie um eine Dispens baten. Nun gab es den Postdienst, den es in den Städten gibt, in den ländlichen Gebieten nicht, und man mußte auf Gelegenheiten zurückgreifen: auf Reisende, die nach Cáínhum, einem sehr kleinen Ort, unterwegs waren. Der Pater Superior erdachte also diese Lösung: Die Ordensleute, die in den Monaten der Sommerferien ins Mutterhaus zurückkehrten, sollten - bevor sie in die Mission zurückkehrten - vom Pater Superior ein Los erhalten, z.B. etwa 20 Dispensen von der Armut. So sollte, wenn im Laufe des Jahres dieses Los erschöpft war, der Ordensmann ein weiteres Los erbitten.

Aber Ordensleute auszubilden, ohne ihr Leben zu leben, ohne die Merkmale des Ordenslebens zu kennen, war heller Wahnsinn. Man mußte dem abhelfen. Diese Ordensleute mußten ihre Novizen führen können, einer oder zwei dieser Ordensleute mussten zum Priester geweiht werden können, um die Messe sicherzustellen und ihren Mitbrüdern die Beichte abzunehmen. Ich machte mich ans Werk. Ich wählte drei davon aus, welche die Gemeinschaft in geheimer Abstimmung für am besten geeignet hielt, die Rolle des Superiors auszufüllen. Ich selbst machte mich zu ihrem Professor der Theologie, und so konnte ich den ersten Priester aus der Gemeinschaft der Brüder von Cáínhum weihen. Später wurden junge Ordensleute nach Frankreich gesandt, um Literatur, Naturwissenschaften, Philosophie und Theologie zu studieren, um das Überleben dieser so notwendigen und verdienstvollen Kongregation zu sichern. Der Hl. Stuhl hat meine Vorgehensweise gebilligt.

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Nachdem ich den Mißständen abgeholfen hatte, unter denen die neue Diözese von Vinhlong zu leiden schien, lenkte ich mein Augenmerk auf die materielle Seite. Ja, wir besaßen Reisfelder, besonders auf der Insel Cô-chien und im Delta der Provinz Bentre. Gewisse Pfarreien waren mit guten Reisfeldern versehen, aber die meisten hatten nichts. Jedoch schien es mir, ich müsse dieses Problem lösen: Jede Pfarrei sollte für ihre normalen Bedürfnisse "self-sufficient" sein. Der Pfarrer sollte nicht den Bischof um Unterstützung bitten oder bei den Christen betteln gehen müssen, um die Mittel zu haben, die Schwestern in den Schulen zu bezahlen. Der Bischof oder die öffentliche Mildtätigkeit müssen nur in Ausnahmefällen einspringen, z.B.: Begründung einer neuen Christengemeinde, Bau einer von einem Taifun oder einem Brand zerstörten Schule. Hierbei zwingt man den Priester nicht, zum Bettler zu werden.

In unseren Gebieten gibt es kaum andere regelmäßige Einnahmequellen als die Ernte der Reisfelder. Also muß man die armen Pfarreien mit Reisfeldern versehen. Woher soll man das Geld nehmen, um welche zu kaufen? Im kotschinchinesischen Westen gibt es die Einnahmequelle, die ungenutzten Flächen zu besiedeln, aber in unseren alten Provinzen von Vinhlong, Bentre, Sadec gibt es kein "Niemandsland" mehr.

Nach langem Überlegen bemerkte ich, daß wir eine Einnahmequelle hatten: die jährliche Dotierung, welche die Hl. Gemeinschaft für die Glaubensverbreitung den Missionsgebieten zuweist. So erhielt mein Bistum jährlich 3 Millionen Piaster. Was machen die Bischöfe gewöhnlich mit dieser Summe? Sie verteilen sie an die Priester, die sie brauchen, ohne die Bedürfnisse des Bistums selbst mitzuzählen, wie die Seminare oder den Bau einer Kathedrale.

Bei Vinhlong beschloß ich, einen guten Teil der jährlichen Beihilfe des Hl. Stuhles den armen Pfarreien zu überlassen, damit sie sich Reisfelder kaufen konnten. Die Pfarrer würden beim Bistum eine Summe leihen und sie ihm nach und nach zurückgeben, bis zur Tilgung der Schuld. So waren, als ich Vinhlong verließ, alle Pfarreien "self-sufficient".

Dies setzt einen ziemlich langen Aufenthalt eines Bischofs in einer Diözese voraus. Ich konnte etwas für Vinhlong tun, weil ich hier mehr als 25 Jahre blieb. Es ist natürlich, daß ein Bischof Ideen hat, und die Ideen seines Vorgängers konnten nicht seine sein. Der liebe Gott hat mich begünstigt, indem er mich in Vinhlong vergaß - von 1938 bis 1960. Meine zwei Nachfolger haben eine Diözese vorgefunden, die mit allen für ihr Leben notwendigen Elementen versehen war und sogar mit den Mitteln, welche die anderen Missionen nicht besitzen: Jede Pfarrei hatte die unentbehrlichen Ressourcen.

Der Bischof selbst hatte die Mittel, um Neugründungen vorzunehmen, weil ich in Saigon selbst ein gutes Stück Land hatte bekommen können, das an der meistgenutzten Schlagader der Hauptstadt lag, an der Straße, die früher Chasseloup-Laubat hieß. Wo ich ein Haus für die Durchreise unserer Priester bauen konnte, die eine Zeit lang in Saigon bleiben mußten, und eine St.-Pierre genannte Klinik, welche die Ressourcen für unsere Mission liefert. In dieser zweistöckigen Klinik sind zwei Zimmer für den Bischof reserviert: sein Schlafzimmer mit einem Schreibtisch zum Arbeiten und eine kleine, im anderen Zimmer eingerichtete Kapelle.

Auf dem Teil des Grundstückes, der auf die Straße stieß, lagen von Privatleuten nach einem vom Bischof genehmigten Plan gebaute Wohnungen, deren Eigentum nach 13 Jahren Nutzung durch diejenigen, die sie auf ihre Kosten gebaut haben, wieder auf die Mission von Vinhlong übergehen würde. Wie hatte ich dieses großartige Grundstück mitten in Saigon erwerben können, mit fast einem Hektar Oberfläche? Es ist eine etwas lange und ein wenig tragische Geschichte.

Zu Lebzeiten Mgr. Dumortiers wohnte ich in seinem bischöflichen Palast, wenn ich geschäftlich nach Saigon unterwegs war. Nach einiger Zeit habe ich gesehen, daß das nicht sehr praktisch war, weil der bischöfliche Palast von Saigon nur ein Zimmerchen für die Gäste auf der Durchreise hatte. Manchmal wußte ich nicht, wo ich wohnen sollte (weil die Priester ja nicht in Hotels wohnen). Es war also nötig, für mich und meine Priester eine Unterkunft zu haben. Zu der Zeit war der Bischof von Saigon, der Nachfolger von Mgr. Dumortier, der junge Mgr. Cassaigne. Ich stellte mich ihm vor und bat ihn, mir eine Parzelle des Grundstücks zu verkaufen, das der Mission von Saigon in dieser Hauptstadt gehörte. Monseigneur antwortete mir, das sei schwierig, da diese Länderei von christlichen Mietern belegt sei. Man würde sie hinauswerfen müssen, was vom Volke nicht gern gesehen würde.

Nachdem ich mich vom Bischof verabschiedet hatte, begab ich mich zu einem Pater, den ich kannte, zum Pfarrer der bedeutenden Pfarrei Choí-quan und legte ihm meine Schwierigkeiten dar. Der Pfarrer sagte mir: "Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, ein Grundstück in der Stadt zu finden, in guter Lage, aber es ist ein alter Friedhof und dort sind noch ein Dutzend Gräber. Dieser Friedhof, der mehr als hundert Jahre alt ist, liegt jetzt unterhalb der Oberfläche der Stadt, und während der sechs Monate Regenzeit wird er zu einem kleinen See voller Stechmücken. Von einer festen, nicht sehr hohen Mauer umgeben, dient er als Latrine für die Passanten, die ein dringendes Bedürfnis haben, denn es gibt keine öffentlichen Latrinen in Saigon. Aber wenn man es schafft, dieses Gebiet aufzufüllen, die Gräber auf den neuen Friedhof zu verlegen, werden Sie ein großartiges Grundstück im Stadtzentrum haben, an Straßen wie der rue Chasseloup-Laubat, die sehr frequentiert ist."

Ich ging zum Bischofspalast und bat den Bischof, mir diesen Friedhof zu überlassen. Mgr. Cassaigne fing an zu lachen und sagte mir: "Übernehmen Sie die Umbettung der Toten; das wird ein großes Problem sein. Füllen Sie diesen See auf, und ich gebe Ihnen das Stück gratis." Ich dankte ihm herzlich und bat ihn, mir eine Urkunde über die Gratis-Überlassung auszustellen, nachdem ich die Örtlichkeit untersucht hatte. Monseigneur erwiderte: "Es ist nicht nötig, dorthin zu gehen. Da gibt es nur Kadaver." - "Schreiben Sie mir eine Urkunde, Sie, der Sie Doktor des Kanonischen Rechts sind, und ich unterschreibe Sie Ihnen sofort."

Eine halbe Stunde danach, bewaffnet mit der Überlassungsurkunde, die das Siegel von Mgr. Cassaigne trug, bin ich zum Gouverneur von Kotschinchina gegangen, den ich sehr gut kannte, und habe ihm im Scherz gesagt: "Herr Gouverneur, seit heute morgen bin ich im doppelten Sinne Ihr Untertan. Denn ich habe gerade ein Grundstück in Saigon selbst erworben, wo Sie Ihre offizielle Residenz haben. Es ist der Friedhof von Choí-quan an der rue Chasseloup-Laubat." Der Gouverneur sagte mir: "Das ist mir gerade recht, weil dieser Friedhof zum ungesündesten Ort unserer Hauptstadt geworden ist - zur öffentlichen Toilette. Wenn Sie einverstanden sind, lasse ich die Toten beiseite schaffen. Sie kümmern sich darum, das Grundstück bis zur Höhe der Stadt aufzufüllen." Ich sagte zu ihm: "Was die Beseitigung der Gräber angeht: Ich werde mich darum kümmern, aber der Befehl, sie beiseite zu schaffen, wird von Ihnen kommen. Denn die Vietnamesen sind sehr empfindlich, wenn man ihre Vorfahren anrührt." Der Gouverneur ließ die Beseitigungsanordnung anschlagen. Der Bischof von Vinhlong ließ die Überreste der nicht eingeforderten Toten sammeln und sie in eine kleine Kapelle auf dem neuen Friedhof bringen.

Sie werden also sagen: Das ist erledigt. Der Bischof von Vinhlong ist Besitzer eines völlig entrümpelten Grundstückes geworden, das Millionen von Piastern wert ist, umsäumt von festen Gebäuden mitten in der Hauptstadt des Südens. Aber ach, es war noch nicht zu Ende. Das Grundstück wurde zum Streitobjekt zwischen Mgr. Cassaigne und Mgr. Drapier, unserem apostolischen Delegaten, und mir selbst. Der Grund, was den Monseigneur von Saigon betrifft: "Sie sind", schrieb er mir, "Doktor des Kanonischen Rechts. Sie wissen also wohl, daß eine Immobilie in Millionenwert nicht ohne Genehmigung des Hl. Stuhles den Besitzer wechseln kann. Nun ist der alte Friedhof von Choí-quan Millionen wert. Also ist meine Schenkung an Sie ungültig. Ich nehme das Grundstück zurück."

Für den apostolischen Delegaten, der von Mgr. Cassaigne gebeten wurde, den Rechtsstreit zwischen den zwei Bischöfen zu beurteilen, war der Grund seiner Unzufriedenheit gegen mich Folgender: Auf seinen ausdrücklichen Befehl, ihm meine Akte über die Friedhofsaffäre und meine Argumente gegen die Rückgabe an Mgr. Cassaigne zu senden, mußte ich trotz meines Respekts und meiner Dankbarkeit gegenüber dem, der mich zum Bischof geweiht hatte, antworten: "Non possumus", denn der Delegat hat keine Jurisdiktion über die Bischöfe und den Klerus sowie über die Gläubigen im Land, das von seiner Delegation abhängt. Er hat nur die Pflicht, dem Hl. Stuhl über den Zustand seiner Delegation zu berichten. Darüber hinaus hatten weder er noch ich selbst Zeit für diesen Gedankenaustausch und noch weniger, um ihm die Argumente zu meinen Gunsten auseinander zu legen.

Die zwei Prälaten mußten also an die Hl. Kongregation für die Verbreitung des Glaubens appellieren.

Sie waren sicher, ihre Sache zu gewinnen. Mgr. Cassaigne informierte während der jährlichen geistlichen Übung für den Klerus von Saigon und Vinhlong, der im Seminar von Saigon versammelt war, die hier anwesenden Priester darüber und versicherte ihnen, der Bischof von Vinhlong werde vernichtend geschlagen. Leider endete die geistliche Übung vor Weihnachten, und in den ersten Tagen des neuen Jahres erhielten die zwei Prälaten als Neujahrsgeschenk von Rom einen Brief, der ihnen mitteilte, daß der Bischof von Vinhlong Recht hatte: "Denn, wenn der Friedhof derzeitig einen Wert hat, ist dieser Wert auf den Scharfsinn von Vinhlong, die Räumung der Gräber, zurückzuführen. Im alten Zustand hatte er gar keinen Geldwert."

Dies nur um festzustellen, wie nützlich, ja unentbehrlich die Kenntnis des kanonischen Rechts für einen Bischof ist. Sonst kann er diese Gesetze zum Nachteil seiner Untergebenen verletzen, es sei denn, er hat einen Priester in seiner Nähe, der ernsthafte kanonische Studien absolviert hat und der ihn berät. Mgr. Cassaigne nahm die Sache nicht tragisch: Er hatte die Interessen Saigons verteidigen wollen, er hatte sich geirrt. Wir blieben Freunde wie vorher. Für Mgr. Drapier wird diese Niederlage im Register seiner Mißstimmungen gegen mich abgelegt werden.

Mgr. Drapier war ein Dominikaner, fromm, gebildet; er war als Missionar von Seiten Mossuls nach Kleinasien geschickt worden. Es war also ein fähiger Missionar. Dort war er geistlicher Vater der Dominikanerinnen gewesen, die sich um die Waisen dieser Länder des Orients kümmerten, wo von Zeit zu Zeit weltliche Haßgefühle - politische oder religiöse - sich in Massakern entluden. Daher wurden diese Kinder zu Waisen. Pater Drapier lebte als Missionspfarrer nicht in einem Kloster wie seine geistlichen Brüder in Europa. Er hatte also Koch und Hausdiener. Sein Koch war ein libanesisches Waisenkind. Pater Drapier verheiratete ihn mit einem Waisenmädchen von den Schwestern und nahm das Paar mit, als er Apostolischer Delegat in Vietnam wurde.

Die apostolische Delegation befand sich damals in Hué, das noch Hauptstadt von Annam (Zentralvietnam) war. Er behandelte dieses Paar, das er als Kinder gekannt hatte, wie seine eigenen Kinder. So nahm er, wenn er keine Tischgenossen hatte, seine Mahlzeiten mit seinen zwei Adoptivkindern ein. Sie wohnten über der Küche. Der Mann erledigte die Einkäufe für Monseigneur, der ihm ein Auto gegeben hatte. Seine Frau machte den Haushalt der Delegation und hielt das Gebäude sehr sauber. Als diese Haushälterin schwanger wurde, erlaubte ihr Monseigneur, nahe zu ihm zu ziehen, ins Palais der Delegation, damit sie es bequemer hätte. Dies war nicht in Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht, welches das Zusammenleben der Priester mit Personen des anderen Geschlechtes verbietet, außer im Falle der Verwandten (Mutter, Schwestern des Priesters).

In Vietnam und vielleicht in Frankreich und anderswo erfährt man alles. In Hué gab es damals ziemlich viele Franzosen in der Kolonialverwaltung. Sie ließen es sich nicht entgehen, über dieses Zu-sammenleben zu scherzen. Diese Gerüchte kamen den apostolischen Bischöfen in Tonkin zu Ohren. Auf Grund ihrer in langen Jahren in Vietnam gemachten Erfahrung glaubten diese Prälaten, darüber mit ihrem Mitbruder in der Religion reden zu müssen. Ich weiß nicht, wie ihre Intervention von Mgr. Drapier aufgenommen wurde. Sie wandten sich an mich und beschworen mich zu interve-nieren. Nach langem Nachdenken glaubte ich, darüber im Geheimen mit Monseigneur sprechen zu müssen, der mein Weihbischof gewesen war, und ihm von den Reden seiner Landsleute in Hué berichten zu müssen. Im Gegenzug schrieb mir Monseigneur einen erschreckenden Brief, in dem er erklärte, daß er, wenn er sich schlecht benehmen wollte, dies während seines Wehrdienstes hätte tun können... Nach diesem Eklat hatte Monseigneur keine Freundschaft mehr mit mir. Dann kam noch die Friedhofsaffäre und schließlich die Affäre Bâo-Dai.

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Die Affäre Bâo-dai

Der Kaiser Bâo-dai wurde immer unbeliebter. Ich weiß nicht warum. Mgr. Drapier erinnerte sich an mich, rief mich zu sich und bat mich, die Sache dieses Wüstlings Bâo-dai zu übernehmen. Hier die Gründe der Intervention des apostolischen Delegaten: Der hl. Thomas von Aquin, der Ruhm des Dominikanerordens, habe gelehrt, die Monarchie sei die ideale Regierungsform für die Welt und er als Dominikaner glaubte, Bâo-dai helfen zu müssen. Er könne es nicht öffentlich tun, da er religiöser und nicht politischer Vertreter sei. Er hatte also sein Auge auf mich geworfen, der ich einigen Ein-fluß im vietnamesischen Umfeld hatte, besonders bei den Katholiken.

Ich antwortete ihm frei heraus: "Monseigneur, meine Aufgabe als Bürger ist es, Steuern zu zahlen und die Gesetze des Kaiserreiches zu erfüllen. Was das Herausragen der Monarchie über jede andere Form der Regierung angeht, muß man unterscheiden, welche Art der Monarchie gemeint ist: die absolute? Die konstitutionelle? Die von einem fremden Lande protegierte Monarchie? Von welcher Kategorie der Monarchie sprach St. Thomas von Aquin? Als Bischof kann ich keine Politik betrei-ben, egal, was meine Vorlieben sind. Die Päpste verpflichten uns nach dem Beispiel der Apostel dazu, uns nicht mit der Politik zu befassen."

Dieses Mal war Mgr. Drapier wiederum mit mir unzufrieden, konnte aber meine Argumentation nicht zerstören. Ich war zu "einem seltsamen Kerl" für ihn geworden. Er zeigte es deutlich, als Mgr. Dra-pier, von den Bischöfen Mgr. Lê-hûn-Tu und Pham-ngoc-Chi gefragt, ob sie Truppen ausheben sollten, um gegen die Kommunisten zu kämpfen, ihnen antwortete: "Tun Sie alles, was sie wollen, nur: Hören Sie bloß nie auf Mgr. Ngô-dinh-Thuc!"

Dies wurde mir von Mgr. Lê-hûn-Tu zugetragen, der unter seinen Pfarrkindern von Phât-diên mit Hilfe von Mgr. Pham-ngoc-Chi, Bischof von Bui-dun, Truppen aushob. Sie wurden vernichtend geschlagen und mußten nach Südvietnam flüchten. Die Aktivitäten des apostolischen Delegaten Mgr. Drapier mißfielen dem Vatikan, der ihn direkt nach Rom bestellte. Mgr. Drapier wurde dadurch von einer großen Unzufriedenheit ergriffen und kehrte nach Frankreich zurück, direkt, ohne in Rom Halt zu machen, um von seinen diplomatischen und religiösen Aktivitäten Rechenschaft zu geben, begleitet von seinen zwei Adoptivkindern (den Waisen aus dem Mittleren Osten). Diese standen an seinem Bett, als er starb. Was Bâo-dai angeht: Er lebt noch in Frankreich auf Kosten einer seiner zahlreichen Konkubinen.

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Als ich für die geistlichen und materiellen Bedürfnisse meines apostolischen Vikariats vorgesorgt hatte, glaubte ich, mich etwas ausruhen zu können. Ich wurde von der Hl. Kongregation zur Ver-breitung des Glaubens informiert, zusammen mit den anderen Bischöfen von Südvietnam, der Sum-mus Pontifex wünsche, in Vietnam solle eine katholische Universität entstehen, mit Französisch als einer der Amtssprachen, um außer den Vietnamesen die Kambodschaner und Laoten auszubilden, die einmal unter französischem Protektorat waren.

Auf den Ruf des Hl. Stuhles hin versammelte sich die Gesamtheit der Bischöfe Südvietnams (die im Norden konnten ja nicht teilnehmen, da sie unter kommunistischem Regime standen), bestehend aus einer vietnamesischen Mehrheit mit drei französischen Bischöfen: dem Bischof von Quinhin, von Konhin und einem aus dem Norden geflohenen Dominikanerbischof, in Saigon. Alle waren ver-blüfft: Eine Universität gründen? Zunächst: Womit sollte man die Universität bauen? Soll man die Gläubigen um Spenden bitten? Nun lebt die Mehrzahl der Christen aus dem Süden in bescheidenen Umständen. Die aus dem Norden geflohenen Christen (fast eine Million) hatten von dort nur ihr Kruzifix, ein Bild der hl. Jungfrau und einen Ballen Kleider mitgebracht. Die Regierung Ngô-dinh-Diêm half ihnen, nicht Hungers zu sterben, und gewährte ihnen monatliche Beihilfen, bis sie auf eigenen Füßen stehen konnten. Sollte man also von diesen hungrigen Armen Millionen erbitten, um eine Universität zu bauen?

Angenommen, wir finden etwas, um eine Universität zu bauen, woher das Lehrpersonal nehmen? Menschlich gesprochen mußte man dem Hl. Stuhl antworten: "Non possumus." Dieser wird uns bestenfalls einige tausend amerikanische Dollar geben: einen Wassertropfen, um eine Wüste zu bewässern und zum Blühen zu bringen. Da ich der Dekan war, wandten sich alle an mich. An mich, den Bischof eines Vikariats, das soeben entstanden war und erst anfing, normal zu bestehen! Eine Universität bauen? Ich wußte, was eine Universität war, sei es in Rom, sei es in Paris. Es hieß den lieben Gott versuchen, ein Wunder von ihm fordern: Es wäre eine wahre Schöpfung, wie man es auf Lateinisch sagt: "Es nihilo sui et subiecti." Das heißt: aus dem Nichts ein neues Lebewesen hervor-bringen. Aber der Hl. Stuhl will es. Der Hl. Vater, der Gott repräsentiert, will es. Die Vietnamesen sind Leute, die an die Macht Gottes glauben und immer seine gehorsamen Kinder gewesen sind.

Der arme Dekan antwortete der Versammlung: "Der Hl. Stuhl will sie, diese Universität, also will Gott sie. Wer von uns wird sie erbauen lassen und organisieren und sie leben und wachsen lassen müssen? Niemand antwortete auf meine Frage. Es war also an mir zu antworten: "Meine lieben Kol-legen, ich springe ins kalte Wasser. Bitten Sie den lieben Gott, daß ich nicht ertrinke. Beten Sie für mich. Ich brauche ein Wunder erster Klasse!"

Man trennt sich: Meine Kollegen sind froh, daß sie keine Federn lassen mußten, nicht die kleinste Flaumfeder, während der arme Dekan allein und nachdenklich zurückbleibt. Zuerst muß man das Geld auftreiben! Auf das Beten und Beten lassen, überall Rat einholen hin brachte jemand folgende Idee vor: "Monseigneur, wenn es Ihnen gelänge, die Erlaubnis zu erhalten, einen Wald zu nutzen, der etwa dreißig Kilometer von Saigon entfernt ist, einen Wald mit hundertjährigen Bäumen, so fänden Sie leicht Käufer: z.B. Tausende von Chinesen, die in Cholon wohnen, zwei Schritte von Saigon entfernt. Sie würden mit Kußhand all die Lose Holz nehmen, die Sie hätten schlagen lassen, um sie auf den Weltmarkt von Hongkong zu schaffen, da die ganze Welt Holz braucht."

Aber da kamen die Schwierigkeiten! Von der Regierung das Nutzungsrecht zu erhalten, natürlich unter Abgaben und Überwachung des Forstamtes. Secundo: eine ca. 30 Kilometer lange Straße zu bauen, vom Wald nach Saigon. Tertio: einen guten Vorarbeiter zu finden, der sich damit befaßt, Holzfäller zu finden, die mutig genug sind, den Wildtieren und besonders den Kommunisten ent-gegenzutreten, die schlimmer sind als die wilden Tiere. Im Seminar von Anninh hatte ich diesen Satz gelernt: "Tentare, quid nocet? Versuchen schadet nicht." Also machte ich mich daran, von der Regie-rung meines Bruders die Fällungserlaubnis zu erbitten. Mein Bruder sagte mir: "Wende dich an meine Minister. Ich kann dir nicht geben, was du verlangst, obwohl ich auch für die Gründung einer neuen Universität bin, denn wir haben nur eine: die von Saigon, die gerade entstanden ist." (Einst gab es nur eine Universität in Französisch-Indochina, die von Hanoi, und zwei Gymnasien, in Hanoi und Saigon, ohne das Sekundarkolleg der Vorsehung, dessen Provisor ich in Hué war).

Ich unterbreitete meine Anfrage dem Ministerrat. Der Vizepräsident verpflichtete seine Kollegen, mir die Fällungserlaubnis zu gewähren angesichts der Nützlichkeit einer zweiten Universität in Südviet-nam. Natürlich mußte ich der Regierung diese Erlaubnis bezahlen und mich den Überprüfungen der Förster unterziehen.

Für die Leitung der Nutzung schickte die Vorsehung einen sehr pfiffigen Mann. Als ehemaliger Stu-dent in Frankreich hatte er Jura studiert und arbeitete als Schreiber eines Gerichtes. Er stellte sich mir vor und versicherte mir, daß er als Katholik an der Eröffnung einer katholischen Universität mitzu-wirken wünsche und keine Vergütung verlange, da er persönliches Vermögen habe. Dieser Mann lebt noch; er ist nach Frankreich geflohen. Ich will seinen Namen nicht nennen, da er mir einerseits sehr gut gedient hat. Er verstand es, Holzfäller zu finden, mit dem Forstamt zu verhandeln, den wilden Tieren entgegenzutreten, von denen es in diesem mehr als tausend Hektar großen Wald nur so wimmelte, und - vielleicht - mit den kommunistischen Guerilleros zurechtzukommen. Er verstand es gewiß auch, sich zu bedienen. Nach Frankreich geflüchtet, prellte er mich schließlich um 3 Mil-lionen Francs unter dem Vorwand eines guten Geschäfts: in den Fernen Osten gehen, Frauenhaar kaufen, um es wieder an eine amerikanische Gesellschaft zu verkaufen, denn die europäischen und amerikanischen Frauen brauchten Perücken... Er zeigte mir Briefe von eventuellen Käufern, Franzo-sen und Amerikanern. Ich legte sie französischen Experten vor: Alle waren sich einig, daß das Projekt interessant sei, daß man ohne Furcht daran gehen könne. Jedoch es war ein hinterhältiger Streich. Dieser Mann nahm die 3 Millionen Franc von damals und tauchte in das Babylon ab, was Paris ist, und ich habe später erfahren, daß er dieses Geld verwendet hat, um ein vietnamesisches Restaurant aufzumachen. Ich wünsche ihm viel Glück.

Seine Hilfe hatte es mir ermöglicht, die Universität zu bauen, ihm jährliche Renten zu sichern durch Kauf der besten Gebäude Saigons, die mit Verlust von den Franzosen verkauft wurden, die aus Südvietnam flohen, das (nach Meinung der Ausländer) in kommunistische Hände fallen würde. Ich hatte die Absicht, diesem Menschen die Bücherei Portai
 
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