"Der Tod des Westens"
Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Patrick Buchanan über den Zerfall des Abendlandes und den Kampf der Kulturen
Auszüge aus einem Interview mit der Redaktion der "Jungen Freiheit"
Herr Buchanan, worin unterscheidet
sich Ihr jüngstes Buch "The Death of the West" von dem zwischen 1918
und 1922 veröffentlichten Werk Oswald Spenglers "Der Untergang des
Abendlandes"?
Buchanan: Mein Titel
erinnert offensichtlich an "Der Untergang des Abendlandes" von
Spengler. Aber ebenso erinnert er an das Buch "Der Selbstmord des
Westens", von James Burnham, geschrieben 1964. Und ehrlich gesagt ist
es Burnham, neben T.S. Elliot, der mein Buch entscheidend beeinflußt
hat. (...)
Ihr Buch beschreibt also den Niedergang der "weißen Völker"?
Buchanan: Es sind nicht
nur die weißen Völker, die sterben. Japan zum Beispiel ist das älteste
Volk der Erde. Auch Japan stirbt aus. Während meiner Recherche bin ich
auf folgendes gestoßen: Nicht die Rasse oder Hautfarbe ist für den Tod
des Westens verantwortlich. Es ist der Tod des Glaubens und des
Christentums, der unsere Kultur, unsere Nationen und unsere
Zivilisation zerstört. Noch 1960 erlebte jede westliche Nation einen
Bevölkerungszuwachs. Osteuropa und Rußland mit eingeschlossen, hatte
der Westen einen Anteil von 25 % an der Weltbevölkerung. Heute sind es
nur noch 16 %. Jede westliche Nation stirbt vor sich hin. Die Ursache
für diesen Tod muß man also irgendwo in den dazwischenliegenden vierzig
Jahren suchen. Ich vermute die Ursache in der Mitte der 60er Jahre, als
die antiwestliche Gegenkultur entstand. Diese Gegenkultur hat sich
mittlerweile in den Köpfen Dutzender oder gar Hunderter von Millionen
jungen Menschen im Westen festgesetzt. (...)
Sie argumentieren, daß der Westen
sein wirtschaftliches und soziales Überleben in den kommenden
Jahrzehnten nicht sicherstellen kann. Gibt es angesichts dieser
Prognose wirklich die Antwort der Masseneinwanderung?
Buchanan: Je mehr die
europäischen Nationen vom Aussterben bedroht sind, um so verzweifelter
werden sie neue Arbeitnehmer und Steuerzahler suchen, die die
medizinische und die Rentenversorgung ihrer alternden Volksteile
sicherstellen. Also werden sie die Einwanderungswellen nicht stoppen
können. Dieser Umstand wird die Politiker dazu zwingen, immer mehr
Ausländer ins Land zu holen. Um Ihren Ruhestand genießen zu können,
werden sie die Zivilisation und die Kultur ihres Landes opfern, die
dann zunehmend islamisch werden. (...)
In Bezug auf Deutschland kritisieren
Sie, daß das deutsche Volk wegen seines Schuldkomplexes nicht mehr in
der Lage sei, die eigene Zukunft zu gestalten.
Buchanan: Meine Mutter
war eine Deutsch-Amerikanerin. Sie war eines von acht Kindern, von
denen vier im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland gekämpft haben. Ich
meine aber, daß das deutsche Volk ein großartiges Volk ist, es sollte
aufhören, sich wegen vergangener Sünden in der eigenen Schuld zu
suhlen, für die es heute nicht mehr verantwortlich ist. Ich bin
überzeugt, daß das Überleben der deutschen Nation, des deutschen
Volkes, der deutschen Wirtschaft und seiner politischen Unabhängigkeit
von entscheidender Bedeutung für das Überleben der westlichen
Zivilisation als ganzer ist. Deutschlands enormer Anteil daran wird
aber wegen der Ereignisse vor sechzig Jahren übersehen und ignoriert.
(...)
In diesem Zusammenhang sprechen Sie davon, daß der Humanismus das Christentum im öffentlichen Leben zunehmend ersetze.
Buchanan: Dieser
"Humanismus" ist die neue, etablierte Religion in Amerika. Ihre Gebote
lauten, es gibt keinen Gott, kein Leben nach dem Tod, keine
unsterbliche Seele. Alles beginnt und endet hier. Es gibt keinen
objektiven Moralkodex. Jedes Volk und jedes Individuum schafft sich
seinen eigenen Moralkodex für eine bestimmte Zeit. Jede Form der
Sexualität ist angeblich gut. Wir entscheiden selbst, wann wir leben
und wann wir sterben. Abtreibung beispielsweise ist jedermanns Recht.
Es ist eine Philosophie von Individualismus, von Materialismus, von
Konsumismus, von Hedonismus und von Agnostizismus oder Atheismus.
Václav Havel hat dazu gesagt, wir versuchen die erste atheistische
Gesellschaft zu gestalten. Aber Völker, die diese neue Religion oder
Philosophie verinnerlichen, können nicht als solche überleben. Es ist
wie Heroin, es verschafft ein phantastisches Gefühl, aber es zersetzt
einen innerlich. (Ronald Gläser/Moritz Schwarz, JUNGE FREIHEIT Nr.
13/02, 22.3.20002) |