Einige Gedanken zu einer möglichen Papstwahl
von Eberhard Heller
Von einer Person, die aus dem latein-amerikanischen Raum kommt, habe ich erfahren, daß es in Argentinien Personen geben soll, die das Problem einer Papstwahl diskutieren würden mit der Absicht, entsprechende Aktivitäten zu entfalten. Denn unter der fehlenden Einheit und der verlorenen Autorität leiden alle Anstrengungen unseres Kirchenkampfes. Damit dieser Versuch aber nicht wieder scheitert wie die früheren Versuche von Bawden (Einsicht Nr. 4 vom Okt. 1980) und von Frau Gerstner (Einsicht Nr. 3 vom Sept. 1984) und ausgeht wie das „Hornbacher Schießen“ mit dem Ergebnis, daß eine solche Aktion großmündig angekündigt wird, aber dann ergebnislos endet, mit dem einzigen Resultat, sich der Lächerlichkeit preis gegeben zu haben. Darum möchte ich einige Gedanken zu diesem Thema vortragen, in der Hoffnung, daß diese Frage in einer ernsthaften Debatte geklärt werden kann.
Auch im Rahmen unseres erneuten Aufrufes, sich dem Wiederaufbau der Kirche als Einheit zu widmen, der mit einer Re-Unierung der Kleriker und Gläubigen beginnen und sich schließlich mit dem Problem einer Papstwahl beschäftigen müßte, geht es darum, das Prinzip dieser Einheit zu etablieren. Wenn also jemand sagt, er sei zwar für die Einheit (der Kirche), aber dabei das einheitsstiftende Moment, die Wahl eines Papstes, ausklammert, der will in Wahrheit auch nicht die Einheit der Kirche. Denn die hierarchische - und damit verbunden auch die juridische - Struktur der Kirche ist nur durch die Wahl eines Papstes zurückzugewinnen.
Bei der Wahl eines Papstes handelt es sich nicht um die Installation eines kirchlichen Präsidenten oder eines Vorsitzenden eines katholischen Weltverbandes oder eines Parteiführers, sondern um die Wahl des Bischofs von Rom. Ein Papst ist nur deswegen legitimer Papst, weil er Bischof von Rom ist. Als solcher ist er aber nicht nur Bischof von Rom, sondern zugleich höchste Autorität der gesamten Kirche. Er ist damit auch die Einheit der Kirche stiftende Person, der Christus den Auftrag gegeben hat: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“ (Joh. 21, 15) und „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt 16,19)
Daß ein Papst von einem „pars minor et sanior“, d.h. von einem kleineren und gesünderen (rechtgläubig gebliebenen) Teil des Kardinalskollegiums legitim gewählt werden könnte – wie es in der Übergangszeit der Kirche in eine abgefallene, d.h. in der nachpianischen Zeit vielleicht hätte möglich sein können - scheidet aus, da die aktuellen „Kardinäle“ alle der modernistischen Kirche angehören.
Ebenso scheidet die Möglichkeit einer unmittelbaren Ernennung durch den Vorgänger-Papst aus, wie z.B. durch den hl. Apostel Petrus, der seine Nachfolger Clemens, Linus und Cletus zu Bischöfen von Rom konsekrierte. Diese Praxis wurde von Papst Symmachus im Jahr 499 wieder eingeführt. Die Ernennung wurde bei der Wahl von Felix IV. (526-530), Bonifatius II. (530-532) und Vigilius (537-555) praktiziert.
Die Form der Papstwahl hat aber im Laufe der Geschichte verschiedene Veränderungen erfahren. Der Papst wurde vom Klerus und vom Volk gewählt: In seinem Brief an Antonianus schreibt der heilige Cyprian über Papst Cornelius: „Er wurde durch das Zeugnis der meisten Mitglieder des Klerus, durch die Abstimmung des Volkes und mit der Zustimmung der alten Priester und der guten Männer zum Papst gewählt.“ Die gesamte christliche Gemeinde war also an der Wahl beteiligt. Dies war die vorherrschende Praxis in den ersten drei Jahrhunderten.
Der Papst wird von den Kardinälen gewählt: Nikolaus II. erließ 1059 das Dekret über die Papstwahl. Die Kardinalbischöfe sollten sich zunächst untereinander beraten und einen geeigneten Kandidaten auswählen. Dann mussten sie den Klerus zur Entscheidung auffordern und schließlich die Zustimmung des einfachen römischen Volkes einholen. Es waren also nicht nur die Kardinäle, die abstimmten, sondern sie benötigten auch die Zustimmung des Klerus und des Volkes.
Der Papst wurde vom Volk ausgerufen: Auf diese Weise wurde Gregor VII. (1073-1085) gewählt. Bei der Beerdigung des vorherigen Papstes hatte die Menge gerufen: „Hildebrand, unser Papst!“ Der Druck des Volkes war so stark, dass dieser Mönch entgegen den kirchlichen Gesetzen und Gebräuchen Papst wurde. (Vgl. BKP: Aus der Geschichte der Papstwahlen)
Es dürfte klar sein, daß eine solche Wahl, wie sie in der Neuzeit durch die vom Papst ernannten Kardinäle stattgefunden hat, in der Zeit der Sedisvakanz nicht durchgeführt werden kann. Eigentlich wurden die Kardinäle vom Papst ernannt und feierlich in einem Konsistorium „kreiert“ (Kardinalserhebung). Sie waren seine unmittelbaren Gehilfen in der Leitung der Gesamtkirche. Die Möglichkeit wahlberechtigter Kardinäle, die im Falle einer Vakanz des Apostolischen Stuhles im Konklave den neuen Papst wählen, entfällt.
Seit dem 4. Jahrhundert wurde der Bischof von Rom vom Klerus der Titelkirchen der Stadt Rom, d. h. der ersten Pfarreien, in seinen liturgischen Aufgaben unterstützt. Zunehmend wurden sie auch zu Beratern des Papstes. Ab dem achten Jahrhundert ist für diese Priester und Diakone die Bezeichnung cardinalis belegt. Normalerweise ist jedem Kardinal eine Titelkirche in Rom zugeordnet. Somit gehören Kardinäle auch zum Klerus der Stadt Rom. Seit dem Papstwahldekret aus dem Jahr 1059 wählten ausschließlich die Kardinäle den Papst. (vgl. auch de.wikipedia.org)
Das ist unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Dennoch bleibt die Forderung der Wahl bestehen, denn ohne Einheit in der Person des Papstes verfallen die heute bestehenden Gemeinden in sektiererische Clubs. Außerordentliche Bedingungen erfordern aber ein außerordentliches Wahlverfahren, um die Wahl eines legitimen Papstes zu ermöglichen. Wenn man die Wahlmodi betrachtet, ist eines allen Verfahren gemeinsam: die Beteiligung des römischen Klerus und der Gläubigen von Rom, denn es geht um die Besetzung des römischen (Bischofs)Stuhles. Wenn es heute in Rom keine intakte katholische Gemeinde und keine rechtgläubigen Kleriker geben sollte, die eine solche Wahl einleiten könnten, müßte man eine solche Gemeinde erst aufbauen, die sich dann auch auf ein Wahlverfahren einigen sollten. Es geht aber nicht an, daß sich kath. Bischöfe, die sich bisher geweigert haben, sich für die Einheit der Kirche einzusetzen oder mit der Gründung einer römischen Gemeinde nichts im Sinn haben, als mögliche Wahlmänner bzw. als papabile aufstellen zu lassen.
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