Aidling – ein Bild von Gottes Fürsorge
von Eberhard Heller
Mit meiner Familie unternehme ich häufiger eine Wanderung, die in dem Dorf Aidling nördlich des Riegsees beginnt und dort auch wieder endet. Von Aidling geht es zunächst in östlicher Richtung durch Wiesengründe aufwärts bis in den Wald unterhalb der Hohen Lüß, eines Höhenzuges, der Aidling nach Norden hin vor Unwetter abschirmt und abschließt. Auf dem höchsten Punkt des Bergzuges wendet sich der Weg wieder nach Westen und zieht sich über einen stark verwurzelten Grad durch einen lichten Buchen-wald, der im Frühjahr sein hellgrünes Blätterdach aufspannt und wie ein Sonnenschirm dem Wanderer das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit spüren läßt. Und man atmet diese Frische des Grüns in vollen Zügen ein.
Der Wald endet auf einem freien Höhenzug, der sog. Aidlinger Höhe, die gekrönt wird von einem großen Kruzifix, das dort oben wie ein Wachtturm verankert ist. Von dort schweift der Blick hinunter über das Dorf und die Pfarrkirche, die in die Bauernhöfe eingebunden ist. Doch deren Turm überragt die Häuser und betont seine religiöse Dominanz in dieser Gegend wie ein besorgter Hausvater. Und weiter schweift der Blick über den Riegsee und die hügelige Moränenlandschaft, die erst durch die Bergketten des Estergebirges und des Wettersteins aufgehalten wird. Das Gebirge rahmt die Landschaft gleichsam ein wie in einer schützenden Umarmung. Dieser gewaltige Blick lädt unwill-kürlich zum Verweilen ein.
Und der Blick geht wieder zurück zum gekreuzigten Heiland, der auf dieses Szenarium herunterblickt und, obwohl ans Kreuz genagelt, sein Land umarmt und fest in seinen Händen hält. Er ist allweil noch der Herrgott, der regiert – wie das unser alter Pfarrer Aßmayr unwiderruflich festhielt... auch wenn der Modernismus dieses wunderschöne Land nicht verschont hat und wir den allmächtigen Gott nicht in seiner Kirche finden, dafür aber unmittelbar in unserem Herzen verspüren. Er ist es, der bleibt und der unser Leben überwacht. Es wäre schade, wenn die schwarzen Schatten dieses Bild zerstören würden.
Unwillkürlich entsteht das Bild des Friedens, der Geborgenheit. Hier ist unsere Heimat. Wenn nicht hier, dann gibt es sie nirgendwo, denn sie hat ihren Ursprung im Wissen um Gottes Allmacht und strahlt ihren Glanz immer noch in unseren Herzen aus. Das alles, d.h. all diese Pracht haben wir zum Lehen bekommen, damit wir es bebauen. Und es soll „Frucht bringen in Geduld.“ (Lk.8,15) Auch wenn der Herrgott von seinen treulosen Dienern aus seiner Kirche verbannt wurde, so bleibt doch das Bild von Gottes Herr-lichkeit, das sich hier auf der Aidlinger Höhe fast ungewollt eingestellt hat, bestehen. Und es sollte als Bild in uns lebendig bleiben in einer Zeit der Trostlosigkeit und der Ver-lassenheit, ein Bild, das zur Bewahrung des wahren Bildes in uns verankert bleiben sollte, bis zu seiner wahren Wiederkehr. Aber dann als lebendiges Pfand von Gottes Treue als ein Bild des Friedens.
Heimat ist primär ein geistiger Ort. Überall, wo das Christentum die Gesellschaften, das Leben geprägt hat, kann man sie finden oder sich zumindest mit einer christlich gepräg-ten Umwelt anfreunden. Man merkt erst, wie fremd uns andere Kulturen eigentlich sind, wenn man die eigene verloren hat. |