Heideggers Daseinsanalyse und Göttlicher Gott - Im Lichte der Gnosis
von Dr. Ante Križić
Im Jahre 1946, in einem kleinen Ort Nag Hammadi, am Roten Meer in Ägypten, hat man in einem Tonkrug, versteckt in einem Grab, original gnostische Schriften gefunden, geschrieben in koptischer Sprache. Bis zu diesem Zeitpunkt hat man ihre Lehren nur aus den Schriften der christlichen Schriftsteller und Kirchenväter gekannt, die die Gnostiker leidenschaftlich bekämpft haben. Erwähnt seien Iräneus von Lyon (Adversus Haereses), Hypolit, Justin, Tertullian, Clemens von Alexandrien, Origenes, Epiphanius von Salamis, Augustinus u. a. Da sie sehr polemisch waren, hat man angenommen, dass sie gnostische Texte falsch zitiert und verfälscht interpretiert hätten. Die Nag-Hammadi-Rollen haben bewiesen, dass dies nicht der Fall war.
Der deutsch-jüdische Philosoph Hans Jonas, Heideggers Schüler und einer der besten Kenner der abendländischen Gnosis, ist zu dem Schluss gekommen, dass der Existentialismus von Heidegger und Sartre nichts anderes ist als die Fortsetzung der Gnosis und dass sie den Sieg über Europa davongetragen hat und nicht das Christentum. Michael Pauen behauptet in seinem Buch „Dithyrambiker des Untergangs“, dass bei den modernen Philosophen, sowohl im rechtspolitischen Spektrum, so z.B. bei Ludwig Klages und Martin Heidegger, als auch im linken, z.B. bei Adorno und der Frankfurter Schule, nicht anderes zu finden ist als die Kerngedanken der gnostischen Lehren, eingebettet in die eigene Ideologie.
Die heidnische Gnosis ist noch in vorchristlicher Zeit entstanden und sie hat sich unvermittelt mit dem jüdisch-christlichen Gedankengut vermischt mit eigenartiger christlicher Akzentsetzung. Ihren Höhepunkt hat sie im 2. und 3. Jahrhundert erreicht. Die einflussreich-ste Gnostikersekte waren die Valentinianer. Sie agierten innerhalb der Kirche wie ein „geducktes Raubtier“ (Iräneus), weil sie sich auf dieselben heiligen Schriften beriefen wie die Kirche. interpretierten sie aber im gegenteiligen Sinne. Die zweitstärkste Gruppierung machten die Sethianer aus, eine Hauptströmung der nichtchristlichen Gnosis. Einflussreich waren auch Basilidianer, Hermetiker, Naassener, Peraten, Doketen, Markioniten, Barbelognostiker, Katharer, Bogumilen u.a. Sie haben zum Teil sehr verschiedene Ansichten, aber bei allen überwiegt die gleiche Weltanschauung und die Grammatik des Denkens:
Die Gnosis ist Revolte gegen die bestehende Seinsordnung und die Negation des bestehenden Kosmos überhaupt. Die geschaffene Welt ist etwas Böses, weil die sichtbare und unsichtbare Materie an sich böse ist. Es gibt verschiedene Interpretationen, wie das Böse mit ihr und durch sie entstanden ist, hier ein Beispiel aus NHC (=Nag Hammadi Codex) „Es war Finsternis und die Finsternis merkte, dass es etwas stärkeres gab als sie, nämlich das Licht. Die Finsternis wurde neidisch, sie wurde schwanger mit sich selbst und sie gebar den Neid. Von da an war der Neid offenbar in allen Äonen und Welten. Aber dieser Neid erwies sich als eine Fehlgeburt, in der es keinen Geist gab. (...) So wie bei der Frau die Plazenta herauskommt, so kam auch die Materie heraus, die der Finsternis entsprang und die Materie war geworfen in das Chaos, in dem sie für immer blieb.“ (NHC, II).
Dieses Chaos ist also der ganze sichtbare und der unsichtbare Kosmos, den nicht der wahre Gott des Lichtes und Geistes, „deus absconditus“, geschaffen hat, sondern ihn haben sieben abgefallene Engel, sprich Archonten geschaffen und ihr Führer ist der jüdische Gott Jahwe, den die Gnostiker Jaldabaoth, Saklas oder Samael nannten, was bedeutet der Gott der Blinden. Hier einige Beispiele, die den Neid und Hochmut dieses Gottes beschreiben: „...Ich bin der Gott und es gibt keinen Gott außer mir.“ Aber eine Stimme aus höheren Sphären meldete sich und sprach: „Du täuscht dich Samael“, und Samael, der Gott der Blinden erwiderte: „Wenn es noch jemanden außer mir gibt, der soll sich bloß zeigen...“ (NHC, II, 4p 94,21-28). Beinahe alle Texte verdrehen und verspotten die biblischen Geschichten, außerdem predigen sie den offenen Hass gegen das Judentum. So in der Schrift „Der zweite Logos des großen Seth“: Nachdem Adam, David, Moses und die Propheten ausgelacht wurden, wird der Gott der Juden dem Spott und Hohn ausgesetzt: „… zum Lachen ist dieser Archont, da er sagte, ich bin Gott und es gibt keinen anderen außer mir. Nur ich bin der Vater und der Herr und niemand anders… Aber wir Gnostiker haben seine Lehre überwunden, weil er so hochmütig und aufgeblasen ist, ganz im Gegensatz zu unserem Vater. Wahrlich dieser Archont ist zum Lachen da...“ Gegen solche und ähnliche Texte haben die Kirchenväter polemisch reagiert, was ihnen Jahrhunderte später als Intoleranz attestiert wurde.
Die Gnostiker behaupten, dass der ursprüngliche Mensch ein geistiges, pneumatisches Wesen war, ohne die Materie und Zweipoligkeit, d.h. ohne Geschlechtsunterschiede. Aber, nachdem ihn Jaldabaoth in die materielle Welt geworfen und mit dem Schleier des Vergessens überzogen hatte, hat der Mensch die Einsicht in seinen wahren Ursprung verloren. Trotzdem ist im Menschen ein Fünklein des wahren Lichtgottes geblieben und das ist Pneuma, der Menschengeist, der in der Lage ist, sich selbst aus diesem irdischen Schlamassel zu erlösen. Die Auserwählten bekommen zuerst einen „Ruf“ aus dem Himmel und der kann auf folgende Weise geschehen: Ein rein geistiger Mensch erscheint einem Irdischen und klärt ihn über seinen wahren Zustand auf: Der irdische Mensch soll bloß durch die wahre Erkenntnis (=Gnosis) sich aus dem Schlamm der Materie emporheben, um zum Licht aufzusteigen. Die „Offenbarung“ endet meistens so, dass der Geistmensch zu dem Erdenmenschen sagt: „vergiss nicht, du bist ich.“ Das bedeutet durch die Gnosis erlangt man Selbsterlösung.
Die Manichäer, deren Anhänger vor seiner Bekehrung auch Augustinus war, nannten sich „Zeugen des Lichtes“. Der Syrer Mani (3. Jahrhundert), ihr Begründer, wendet sich mit einem Gebet an das Fünklein Gottes in sich mit folgenden Worten:„Ich bin ein duftendes Samenkorn des Lichtes / geworfen in einen dichten Wald unter den Dornen. / O, sammele mich und pflücke mich! / Bring mich heim auf die Tenne des heiligen Gesetzes, / In den Getreidekeller des Lichtes.“ Die Fähigkeit, die Gnosis zu erreichen ist nicht jedem Menschen beschieden. Deswegen bezeichneten sich die Gnostiker als „Auserwählte“, „Erleuchtete“, „Söhne des Lichtes“, die der Himmel geküsst hat. Andere Menschen sind Gefangene des Demiurgen Jaldabaoth, sie bleiben in der Finsternis der sichtbaren und der unsichtbaren kosmischen Materie.
Es muss betont werden, dass dieser Pneuma, das Fünklein Gottes, nicht etwas ist, was nach analogia entis eine Gottähnlichkeit hätte, sondern es ist Gott selbst. Die Gnostiker verkünden also die Identitätsmystik: Der pneumatische Mensch und Gott sind identisch. Die Hauptrolle bei den christlichen Gnostikern spielt Jesus Christus. Er ist Gottes Sohn, d.h. der Sohn des echten Lichtgottes. Seine Aufgabe besteht darin, den jüdisch-christlichen Gott zu vernichten und den Menschen den Weg zur Selbsterlösung zu weisen. In vielen gnostischen Evangelien werden Dialoge geführt zwischen Jesus und den Aposteln und einigen Frauen dabei, die alle in der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit weilen. Der auferstandene Jesus tröstet und ermutigt sie, in der heiligen Gnosis auszuharren, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, wie die Seele in die Finsternis geraten und in die Fesseln der Materie geworfen ist, er wird ihnen helfen bei der Überwältigung der Archonten, damit sie sich selbst aus deren Region, d.h. aus dem Kosmos befreien, um die Erlösung zu erlangen. Zum Schluss verspricht ihnen Jesus, einmal die ganze Materie zu vernichten. Die Vernichtung findet auch dadurch statt, dass dem irdischen Menschen die Zeugung des neuen Lebens verboten oder zumindest ausgeredet wird. Im gnostischen Thomas-Evangelium verflucht Jesus solche Frauen, welche die Kinder gebären, weil der irdische Mensch dadurch nur die Macht des Schöpfergottes Jaldabaoth festigt. Im „Testimonium veritatis“ (NHC IX, 3) lehrt sie Jesus, dass der echte „Gott der Wahrheit“ nicht derjenige ist an den die Juden und Christen glauben. Jeder Gnostiker muss das wissen, er muss auch wissen, dass die Schlange im Paradies identisch ist mit Christus.
Der jüdisch-christliche Gott ist „neidisch“ und die Schlange hat im Auftrag von Christus den Menschen den Weg zur Selbsterlösung geoffenbart, und wer der Schlange folgt kommt zur Gnosis. Im NHC I, 3 steht darüber hinaus, dass Jesus ans Kreuz geschlagen wurde, um die zu erlösen, die vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, denn sie sind die „Auserwählten“, die „Prädestinierten“. In dem Bema-Psalm der Manichäer ist folgender Lobgesang zu lesen : „Lob dir, du Baum der Erkenntnis, / unter allen Bäumen, / von dem wir gegessen haben, als wir noch blind waren, / womit wir sehend wurden. / Lob dir, die Seele der Wahrheit / Du vernichtest alle Sekten, / die von anderen Bäumen essen, / wobei sie nackt und blind bleiben.“ (Ps. 119). Die gnostische Bewegung, die in ihren Kulten die Schlangenverehrung zelebrierte , nannte sich Naassener, weil naass Schlange bedeutet. Diese Idee, dass die Schlange im Paradies den Menschen die Erleuchtung gebracht hat, und dass der Luzifer der Lichtbringer ist, hat die ganzen Generationen der deutschen und europäischen Dichter (Schiller, Goethe u.a.) und Aufklärer inspiriert. Rudolf Steiner hat Anfang des 20. Jahrhunderts eine Zeitschrift unter dem Namen „Luzifer-Gnosis“ herausgebracht, die sich bei diversen Künstlern der größten Beliebtheit erfreute. Kandinsky selbst hat einmal gesagt, dass diese Zeitschrift für ihn die Quelle aller Inspirationen gewesen sei.
In den genannten gnostischen Schriften lehrte sie Jesus auch, dass der böse jüdisch-christliche Gott die Menschen, nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, aus dem Paradies „aus Neid“ hinausgeworfen hat. Im „Attis-Lied“ heißt es, dass etwas von diesem Paradies doch im Menschen geblieben ist: „… Eden, das ist das Gehirn, … aber das Paradies, das ist der Mensch mit dem, was in seinem Kopfe ist.“ Diese Idee, ständig wiederholt, kam zu ihrer Reifung im Zeitalter des Rationalismus… Die Selbstermächtigung des Subjektes hat eben auch eine spezielle Lebensgestaltung impliziert, mit deren Hilfe man die Naturgegebenheiten bekämpfen und zunichte machen sollte. So haben sich zwei Methoden, zwei verschiedene Lebensweisen entwickelt. Die erste Richtung, um die Natur zu überwinden, war die radikale Askese, die zweite der radikale Libertinismus. Die Askese haben die meisten praktiziert und diese nannten sich „Gottes Volk“. Das waren vor allem Manichäer, Enkratiten, Katharer, Bogumilen u.a. Sie mussten auf jede Art von irdischen Genüssen verzichten. So steht z.B. im „Testimonium veritatis“ (NHC IX, 3), eine Schrift aus dem 3. Jahrhundert, dass nur die Unbefleckten dem Licht gehören. Befleckt sind diejenigen, die die Ehe und Geschlechtsverkehr praktizieren und damit Kinder in die Welt setzen. Sie gehören dieser Welt an, und sie werden nie an dem Archonten der Finsternis vorübergehen. Da die Ehe und Kinderkriegen in der Kirche eine Selbstverständlichkeit ist, werden diese, heißt es im Text, nie den „Gott der Wahrheit sehen“. Denn die Kirche verehrt den Schöpfer-Gott, nicht aber den Gott des Lichtes und der Wahrheit. Kinderkriegen bedeutet nur Verlängerung und Festigung des Machtanspruches des jüdischen Gottes, an den auch die Kirchenchristen glauben.
Die zweite Richtung, den radikalen Libertinismus haben Karpokratianer, Phibioniten und einige Gruppierungen von den Valentinianern vertreten. Der Libertinismus bestand in unbeschränkter Freiheit in Bezug auf alle Arten von sexuellen Aktivitäten. Sie behaupteten, dass man dem Körper alles gestatten muss, was er verlangt und ebenso dem Geiste. Sie lehrten, dass der Geist eine Perle ist, die in den „Kot“ geworfen wurde, aber diese Perle im Kot bleibt immer eine Perle, so dass es gleichgültig ist, was der Körper macht. Nach dem Prinzip „jede Frau ist jedermanns Frau“ haben sie, wie Clemens von Alexandrien in seinem Werk „Stromateis“ berichtet, bei ihren Versammlungen das praktiziert, was man heutzutage Gruppensex nennt. Epiphanius von Salamis (4. Jahrhundert) hat ausführlich in seinem Werk „Panarion“ (XXV2, 1 – XXVI 13, 7) darüber berichtet, wie sie Abtreibungen durchführen und Rituale mit Spermien veranstalten. Man muss auch betonen, dass solche Gruppierungen eine Minderheit unter den Gnostikern darstellten. Sie wurden sogar von anderen Gnostikern auf das Schärfste verurteilt, so z.B. in Phistis Sophia und im 2. Buch Jeu aus dem 3. und 4. Jahrhundert.
Auf jeden Fall haben beide Richtungen das gleiche Ziel verfolgt, nämlich die Materie und die Naturgesetze aufzuheben, um damit die Prinzipien und Ordnungen des selbst ermächtigten Subjektes zu etablieren. In allen gnostischen Evangelien und Ansprachen ist die Absicht ausgesprochen, die sichtbare und unsichtbare Materie zu vernichten. Die Vernichtung ist aber ein langer Prozess. Man musste Wege und Methoden finden, wie der menschliche Geist die Natur unterjochen und besiegen könnte. Man fing mit der Alchemie an, die später in naturwissenschaftliche Forschungen überging. Um jedes Missverständnis auszuräumen geht es mir nicht darum, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und Errungenschaften herabzuwürdigen, - zumal ich selber eine derartige Ausbildung durchlaufen habe, - die das Leben der Menschen erleichtern und die zum Allgemeingut gehören. Bei den naturwissenschaftlich orientierten Gnostikern geht es darum, wie es der bekannte französische Gnostiker Papus (Gerard Analect Vincent Encausse 1865-1916) ausgedrückt hat: „Wir entdecken die Naturgesetze, um die Natur mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.“ Da alle gnostischen Schriften auf einem sehr hohen literarischen Niveau verfasst sind, nannte sie Michael Pauen „Dithyrambiker des Unterganges.“
Eric Voegelin sah in der Moderne eine Wiederkehr der Gnosis, insbesondere in Form der politischen Religion. Er hob einige ihrer Merkmale hervor: Die moderne Gnosis glaubt, dass die Welt schlecht beschaffen ist, aber sie geht davon aus, dass der Mensch in der Lage ist, diesen Zustand aufzuheben und sich selbst daraus zu befreien. Des weiteren, sie glaubt, dass die Seinsordnung in ihrem historischen Prozess zur Änderung und Vollkommenheit geführt werden kann, und zwar durch die Tat des Menschen. Die moderne Gnosis glaubt sich im Besitze des Wissens um die Methode dieser Änderung. Sie erstellt von diesem Standpunkt aus Anweisungen zur Selbst- und Welterlösung und verkündet prophetisch der Menschheit ihr Erlösungswissen. Man denke bloß an das Welterlösungsprogramm des Marxismus-Leninismus.
Die Frage, die uns im weiteren beschäftigen wird, bezieht sich auf die Philosophie von Martin Heidegger, vor allem wie sie im Lichte der klassischen und der modernen Gnosis zu lesen ist. Nun, er geht von der Seinsfrage aus und stellt in seinem Hauptwerk „Sein und Zeit“ folgendes fest: „Alle Ontologie, mag sie über so ein reiches und festgeklammertes Kategoriensystem verfügen, bleibt im Grunde blind und eine Verkehrung über eigene Absicht, wenn sie nicht zuvor den Sinn vom Sein zureichend geklärt hat und diese Klärung als ihre Fundamentalontologie begriffen hat.“ Er kommt zum Schluss, dass die gesamte europäische Philosophie von Heraklit bis auf unsere Tage durch „Vergessenheit des Seins“ charakterisiert werden muss. Das trifft sicherlich zu auf die griechische Philosophie, die ihren Höhepunkt bei der Wesensfrage erreicht hat, was man üblicherweise als „Essentialismus“ bezeichnet. Das trifft auch zu auf Avicenna und etliche scholastische Philosophen, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann, aber das trifft bestimmt nicht auf Thomas von Aquin zu. Man muss auch hervorheben, dass Heidegger die scholastische Philosophie mit einem ausdrücklich antichristlichen Affekt behandelt, er bezeichnet sie allgemein als Irrweg, auf dem das rechte Fragen nach dem Sinn des Seins verloren ging.
Wolfgang Hübener, der bei ihm studiert und promoviert hat, hat in seinen Berliner Seminaren plausibel nachgewiesen, dass Heidegger die scholastischen Texte oberflächlich bis falsch zitiert hat mit eigenwilligen und verfälschten Interpretationen. Der Auffassung des hl. Thomas von Aquin liegt die Überzeugung zugrunde, dass das geschaffene Sein ein Ebenbild Gottes, ein in der Exemplar-Ursächlichkeit des Schöpfers begründetes Abbild Gottes ist. Gott ist nämlich das subsistierende Sein selbst, das „esse subsistens“. Er hat durch den freien Akt des Schaffens das endliche, begrenzte Sein, das Abbild des unendlichen, unbegrenzten Seins als „prima rerum creatarum“ (das erste der geschaffenen Dinge) hervorgerufen. Dieses Sein ist demnach „similitudo divinae bonitatis“ (Gleichnis der Gottes Liebe). Es ist „perfectio omnium perfectionum“ (Vollkommenheit aller Vollkommenheiten) und „actualitas omnium actuum“ (Wirklichkeit aller Wirklichkeiten). Von diesem fundamentalen Gesichtspunkt aus betrachtet Thomas die große, grundlegende Einheit der gesamten Seinswelt. Seine ganze Metaphysik gründet in der Teilnahme dieses Seins. Wie aber das göttliche Sein ohne Begrenzung ist, - in ihm fallen Sein und Wesen zusammen, - liegt in eben diesem Sein, „esse subsistens“, die innere metaphysische Begründung dafür, dass in den geschaffenen Seienden Wesen und Sein sich real voneinander unterscheiden. So ergibt sich gewissermaßen mit Notwenigkeit die Tatsache, dass Thomas im Bereich der geschaffenen Seienden Sein und Wesen nicht identifizieren kann und damit zur Realdistinktion gelangt. Das ist hier aber nicht das Thema, so dass wir das auch nicht weiter vertiefen können. Heidegger will von all dem nichts wissen, er lehnt das völlig ab, für ihn gibt es nur das endliche Sein, das aus der Zeit hervorgegangen ist und im Horizont der Zeitlichkeit diskutiert und verstanden werden kann.
Um auf die Frage nach dem Sinn des Seins eine Antwort zu bekommen, so nach Heidegger, müsse man das Seiende befragen, und zwar nicht ein beliebiges, sondern das Seiende, zu dessen Sein das Fragen nach dem Sinn des Seins und ein gewisses, vorläufiges, „vorontologisches“ Seinsverständnis gehört. Dieses Seiende „das wir selbst sind“ wird „Dasein“ genannt, „weil die Wesensbestimmung dieses Seienden nicht durch die Angabe eines sachhaltigen Was vollzogen werden kann, sein Wesen vielmehr darin liegt, dass es sein Sein als seiniges zu sein hat.“ So wird im ersten Teil von „Sein und Zeit“ der Daseinsanalyse gewidmet und als Sinn des Seienden soll die Zeitlichkeit aufgewiesen werden. Darüber hinaus soll nicht nur das Dasein als zeitlich verstanden werden, sondern auch das Sein als solches nur „aus der Zeit begriffen werden.“
Wie bereits gesagt weist Heidegger jeden Gedanken an ewiges und unendliches Sein von sich ab. Das Dasein ist bei ihm kein Vorhandenes, kein „Was“, sondern ein „Wer“. Es hat keine Möglichkeiten als „Eigenschaften“, sondern „ist seine Möglichkeiten“. Sein eigentliches Sein ist sein „Sich-zu-eigen-sein“. Die Ausdrücke „Ich“, „Subjekt“, „Seele“, „Person“, ebenso „Leben“ werden vom ihm nicht benutzt, weil er sie als Fehler der antiken Ontologie und der christlichen Philosophie ansieht, die dadurch das Dasein unter die Kategorien des Vorhandenseins bringen würden. Das, worin dieses Dasein seinen Alltag verbringt nennt er „In-der-Weilt-sein“. Es ist in diese Welt „geworfen“, ohne sein Zutun. Das „In-sein“ hat nichts mit Räumlichkeit zu tun, es ist ein Existential, etwas zur Seinsweise des Daseins als solchem Gehöriges, unabhängig von der Körperlichkeit des Leibes. Das „In-der-Welt-sein“ ist gekennzeichnet durch „Besorgen“, worunter „erledigen“, „ausführen“, „sich verschaffen“, „befürchten“, auch das „Erkennen“ gehören.
Das „Wer“ des Daseins ist keine vorhandene Substanz, sondern eine Existenzform „...die Substanz des Menschen ist nicht der Geist als Synthese von Leib und Seele, sondern die Existenz.“ Zum Dasein gehört auch ein Mitsein von anderen Seienden, die auch die Form des Daseins haben. So ist Dasein von vornherein „Mit-Dasein-in-der-Welt“. Das Subjekt des alltäglichen Daseins ist aber nicht das eigene Selbst, sondern ein Man. Das „eigentliche“ Selbst wird durch das Man verdeckt, deswegen ist das Man „uneigentlich“. Dasein heißt „da“ sein, und das bedeutet „Erschlossenheit“ für eine räumliche Welt, es bedeutet auch „für es selbst da sein“. Diese Erschlossenheit nennt Heidegger „lumen naturale“ als eine existentiell-ontologische Struktur des Menschen. Es ist erleuchtet, d.h. es ist an ihm selbst „als In-der-Welt-sein gelichtet, nicht durch ein anderes Seiendes, sondern so, dass es selbst die Lichtung ist“. Als gleich ursprünglich sind im Dasein aufweisbar „Befindlichkeit und Verstehen“. Befindlichkeit bezeichnet eine innere Gestimmtheit. Diese Stimmung ist eine Weise des „In-der-Welt-seins“, und sie offenbart ihm seine „Geworfenheit“. Die Geworfenheit zeigt „Das pure, dass es ist“, das „Woher und Wohin bleibt im Dunkel“.
Die Erschlossenheit ist der Sinn des Verstehens, „Sich verstehen auf...“ ist eine Möglichkeit, ein Können. „Dasein ist nicht ein Vorhandensein, das als Zugabe noch besitzt, etwas zu können, sondern es ist primär sein Möglichsein“. „Dasein entwirft ständig sein Sein auf Möglichkeiten“ und in diesem Entwerfen ist es immer schon das, was es noch nicht ist, und zwar aufgrund seines verstehenden Seins. Im alltäglichen Dasein des Man ist die Rede verfallen zum Gerede. Es wird nicht mehr das Seiende verstanden, sondern das Gerede als solches. Gerede und Neugier hängen eng zusammen. Das Gerede bestimmt, was man lesen und worüber man diskutieren muss. Zu diesen zwei Arten des Verfalls kommt noch eine dritte: die Zweideutigkeit, dass man nicht mehr weiß, was ursprünglich und was nur uneigentlich zu verstehen ist. Verfall ist eine Seinsweise, bei der das Dasein weder es selbst, noch bei der Sache, noch bei dem Anderen ist, sondern das alles nur so „vermeint“. Das verfallene Sein ist Nicht-Sein. „Dieses Nicht-Sein muss als die nächste Seinsart begriffen werden, in der es sich zumeist hält. Die Verfallenheit des Daseins darf daher auch nicht als `Fall` aus einem reineren und höheren Urstand aufgefasst werden.“ Heidegger will dadurch jede Möglichkeit eines Sündenfalls ausschließen.
Zu der Eigentümlichkeit des Daseins gehört es auch, dass es zu seinem Sein ein Sich-Verhalten zu sich selbst gibt, dass es „vor sich selbst gebracht und in ihm in seiner Geworfenheit erschlossen wird“. „Das Selbst aber ist zunächst und zumeist uneigentlich das Man selbst…. die durchschnittliche Alltäglichkeit des Daseins kann demnach bestimmt werden als das verfallend-erschlossene, geworfen-entwerfende In-der-Welt-Sein, dem es in seinem Sein bei der Welt und im Mitsein mit Anderen um das eigenste Seinkönnen selbst geht“. Die Grundbefindlichkeit des so verfallenen Daseins ist die Angst. Sie ist keine Furcht vor etwas, sondern Angst vor „Allein-in-der-Welt-sein“, als „solus ipse“, d.h. Angst vor einem eigentlichen Sein, aus dem das Dasein in seinem Verfall in die Welt und in das Man flüchtet. Aus diesen kurzen Zitaten geht hervor, dass es zwei Arten von Sein gibt: das verfallene und das eigentliche, und die Frage ist dann, worin denn das eigentliche Sein besteht und woher nun die geforderte Kenntnis eines eigentlichen Seins stammt.
Dieser „solus ipse“ ist, nach Heidegger, das vor allem anderen ausgezeichnete Sein und die Stimme des Gewissens gibt einem jeden Kunde davon. Sie ruft das Dasein aus seiner Verlorenheit in das verfallene Man zu seinem eigentlichen Sein zurück. Der Rufende soll nach Heideggers Deutung wiederum das Dasein selbst sein. Aber wenn der Ruf so anmutet, als käme er von woanders und nicht von mir, so erklärt er das damit, dass das eigentliche Sein, das im „Man“ verloren ist, etwas Fremdes ist. Aber dieser Fremde ist selbst das Dasein. Heidegger bleibt uns die Erklärung schuldig, wie der Angerufene selbst der Rufende ist.
Die Weise des Daseins, mit der es dem Gewissensruf entspricht, ist die „Entschlossenheit“ als eine ausgezeichnete „Erschlossenheit“ oder als „Sein in der Wahrheit“, wobei der Mensch sein eigentliches Sein auf sich nimmt, das ein „verstehendes Sein zum Ende“, ein „Vorlaufen in den Tod“ ist. Darum wird die Angst als seine Grundbefindlichkeit aufgefasst. Was ist der Tod? Heidegger antwortet: Es ist das Ende des Daseins. Die Analyse des Todes soll aber nur diesseitig bleiben. Was nach dem Tode sei, könne mit Sinn und Recht erst gefragt werden, wenn das volle ontologische Wesen des Todes begriffen sei. Er behauptet also, der letzte Sinn des Daseins sei „Sein zum Tode“. Wenn es aber so ist, dann müsste ja durch den Sinn des Todes auch der Sinn des Daseins erhellt werden! (Edith Stein). Aber Heidegger beschäftigt sich damit nicht weiter, sondern nur mit der Frage, wie der Tod erfahrbar ist. Die „Angst“, die dem Menschen sein „Sein zum Tode“ enthüllt, und die „Entschlossenheit“, die es auf sich nimmt, sind Schlüsselbegriffe für die Heideggersche Daseinsanalyse. Das, wovor man sich ängstigt ist das „Nicht-sein-Können“, das eben durch die Angst bezeugt wird. Das, worum man sich ängstigt, d.h. worum es Menschen in seinem Sein geht, das ist das Sein als Fülle, die man bewahren und nicht lassen möchte. Aber Heidegger geht nicht über die Verfallenheit des Seins hinaus. Wenn er das tun würde. dann müsste er dem eigentlichen Sein, und das wäre das ewige Sein, Freude und Glück ohne Ende, grenzenlose Liebe, vollendete Ruhe und Gelöstheit von allen Sorgen bescheinigen. Das wäre das eigentliche Sein – die ewige Seligkeit.
Schon Nietzsche stellte in seinem Zarathustra fest: „Weh spricht: vergehe! Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit.“ Mit der Lust hat Nietzsche hier sicherlich die ewige Freude und das ewige Glück gemeint. Bemerkenswert ist auch, dass Heidegger permanent von „Angst“ und „Sorge“ spricht. Freude, Glück, Liebe, diese Ausdrücke, findet man in seinen Schriften nicht. Als Arzt fragt man sich, was er für eine Kindheit gehabt hat, ist er kleiner Junge schlecht behandelt worden? Diese Welt ist also im gnostischen Sinne eine schlechte Welt, christlich gesprochen: Das Sein ist und bleibt unerlöst. Heidegger bleibt also in der Verfallenheit des „In-der-Welt-Seins“ befangen, lehnt die christliche Lehre von der Ewigkeit grundsätzlich ab. Er will die Zeitlichkeit zugunsten der Ewigkeit um keinen Preis relativieren. Im Gegenteil, er verkehrt die Idee des Ewigen am radikalsten mit der Bemerkung: „Wenn die Ewigkeit Gottes sich philosophisch konstruieren ließe, dann dürfte sie nur als ursprünglichere und unendliche Zeitlichkeit verstanden werden“.
In seinem Buch „Kant und das Problem der Metaphysik“ soll erwiesen werden, dass „Sein und Zeit“ eine „Wiederholung der Kritik der reinen Vernunft ist“. Das menschliche Sein soll als das letztbegründende sein und es wird nach dem Sinn dieses Seins gefragt. In „Sein und Zeit“ stellt er die Frage: „Führt ein Weg von der ursprünglichen Zeit zum Sinn des Seins? Offenbart sich die Zeit selbst als Horizont des Seins“. Das ist das eigentliche Thema dieses Kant-Buches und er hat sich zur Aufgabe gemacht, eine bejahende Antwort auf diese Frage zu geben. Es gibt also nur endliches Sein, das aus der Zeit hervorgeht. So ist das, was als Horizont des Seienden gebildet wird, die Zeit. Wenn dem so ist, so muss man festhalten, dass die Endlichkeit sich nur fassen lässt im Gegensatz zur Unendlichkeit, d.h. zur ewigen Fülle des Seins. Daraus folgt, dass das Seinsverständnis eines endlichen Geistes als solches immer schon Durchbruch vom Endlichen zum Ewigen ist. Lässt man das nicht gelten, dann bleibt als Gegensatz zum Endlichen nur – das Nichts.
In seiner Freiburger Antrittsvorlesung „Was ist Metaphysik“ stellt Heidegger in den Mittelpunkt der Erörterung das Nichts. Schon im Kant-Buch ist das „Nichts“ als „Horizont“, der dem „Dasein“ das Seiende zugänglich macht, in Anspruch genommen worden. „Wie steht es um dieses Nichts?“, fragt er weiter. Der Verstand kann darüber nichts entscheiden. Das Nichts lässt sich nicht als Verneinung des Alls des Seienden fassen, weil „das Nichts ursprünglicher ist als das Nicht und die Verneinung.“ Das Gestimmtsein, in dem der Mensch vor das Nichts gebracht wird, ist die Angst. Indem das Seiende entgleitet und wir selbst uns entgleiten, offenbart die Angst das Nichts. Das Nichts enthüllt sich in der Angst nicht als Seiendes und auch nicht neben dem Seienden. Es „begegnet…. in eins mit dem Seienden im Ganzen.“ Das Seiende wird weder vernichtet noch verneint, sondern es wird „hinfällig“. Das Nichts „zielt nicht auf sich, sondern ist wesenhaft abweisend. Die Abweisung von sich ist aber als solche das entgleitenlassende Verweisen auf das versinkende Seiende im Ganzen. Diese im Ganzen abweisende Verweisung auf das entgleitende Seiende im Ganzen, als welche das Nichts in der Angst des Daseins umdrängt, ist das Wesen des Nichts: die Nichtung. Sie ist weder eine Vernichtung des Seienden noch entspringt sie einer Verneinung. Das Nichts selbst nichtet...“ Das Nichts offenbart das Seiende „in seiner vollen, bislang verborgenen Befremdlichkeit als das schlechthin Andere gegenüber dem Nichts.“
„In der hellen Nacht des Nichts der Angst ersteht erst die Offenbarkeit des Seienden als eines solchen; dass es Seiendes ist und nicht Nichts… Das Wesen des ursprünglichen nichtenden Nichts liegt in dem: es bringt das Dasein allererst vor das Seiende als ein solches.“ „Das Nichts ist die Ermöglichung der Offenbarkeit des Seienden als eines solchen für das menschliche Dasein. Das Nichts gibt nicht erst den Gegenbegriff zum Seienden her, sondern gehört ursprünglich zum Wesen des Seins selbst. Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts.“ „Das Nicht entsteht nicht durch die Verneinung, sondern die Verneinung gründet sich auf das Nicht, das dem Nichten des Nichts entspringt.“ Die Verneinung äußert sich auch als Protest, Verabscheuen, Versagen, Verbieten, Entbehren etc. „Die Durchdrungenheit des Daseins vom nichtenden Verhalten bezeugt die ständige und freilich verdunkelte Offenbarkeit des Nichts.“
„Das Hineingehaltensein des Daseins in das Nichts… macht den Menschen zum Platzhalter des Nichts. So endlich sind wir, dass wir gerade nicht durch eigenen Beschluss und Willen uns ursprünglich vor das Nichts zu bringen vermögen… Die Hineingehaltenheit des Daseins in das Nichts auf dem Grunde der verborgenen Angst ist das Übersteigen des Seienden im Ganzen: die Transzendenz…. Metaphysik ist das Hinausfragen über das Seiende, um es als solches und im Ganzen für das Begreifen zurückzuerhalten.“ „Sein und Nichts gehören zusammen…, weil das Sein selbst im Wesen endlich ist und sich nur in der Transzendenz des in das Nichts hinausgehaltenen Seins offenbart.“ Diese Zitate von Heidegger drücken nicht nur weltanschauungsmäßig den Standpunkt des modernen Atheismus aus, sondern sind, genau gelesen, auch die Ansichten der klassischen Gnosis, präsentiert in einer von Heidegger selbst-geprägten philosophischen Sprache. Als Gnostiker ist er aber kein gewöhnlicher Atheist. Heidegger postuliert einen Göttlichen Gott, der die Überwindung des jüdisch-christlichen Gottes bedeutet. Deswegen forderte er eine „a-theistische Daseinsanalyse“, die wir kurz beschrieben haben, und infolgedessen die „Enttheologisierung“ der Ontologie. Zwischen Theologie und Philosophie besteht für Heidegger in Übereinstimmung mit Martin Luther sogar Todfeindschaft. Philosophie muss in ihrer radikalen Fraglichkeit prinzipiell a-theistisch sein. „Der Glaube hat das Denken des Seins nicht nötig… das hat Luther verstanden“, meint Heidegger. In seiner Vorlesung „Ontologie und Hermeneutik der Faktizität“ äußert er im Rückblick auf den eigenen Weg: „Begleiter im Suchen war der junge Luther“, und so erklärt er 1919 „den Austritt aus dem System des Katholizismus.“
„Der Mensch ist nicht das Ebenbild Gottes als des absoluten Spießbürgers, sondern dieser Gott ist das unechte Gemächte des Menschen“, so ist es in der Gesamtausgabe seiner Werke, Bd.31 zu lesen (zitiert nach Alma von Stockhausen). „Spießbürger“ nennt Heidegger Gott, insofern er das höchste Gut („summum bonum“) und das sich selbst besitzende Sein („esse subsistens“) ist. Dieser Gott ist dialektisch betrachtet der einseitige, der das Nichtsein im Sein nicht berücksichtigt, der Gott, der sich vor der „Verwüstung rein bewahrt und den Tod scheut.“ Gott kann also nicht sein ohne den Menschen, so dass der Mensch als „Mitwirker Gottes“ gedacht werden muss. Heidegger ist hier von Luther inspiriert, der vorgibt, dass der schwache Gott den Menschen zu seiner Selbstherstellung braucht, aber nicht nur zu seiner hilfreichen Ergänzung, sondern auch als zu überwindenden Gegensatz in seinem Selbstermächtigungskampf. Warum ist Gott schwach und worin besteht seine Selbst-herstellung, erklärt Luther damit, dass in Gott Gut und Böse gleich ursprünglich nebeneinander vereinigt sind. Deswegen, meint Luther, muss sich Gott selbst in einem dialektischen Prozess selbst aufheben: „deus sibi contradicit… kann nicht Gott sein, er muss zuvor ein Teufel werden.“ Zum besseren Verständnis dieses komplexen Thema hier noch einige Gedanken Luthers dazu, die in der Weimarer Ausgabe seiner Werke zu lesen sind und die ausführlich Theobald Beer in seinem Buch „Der fröhliche Wechsel und Streit“ kommentiert hat. „Der Gott, der einmal als grausamer Feind als Schöpfer des Guten und Bösen“, uns dann als „Gott allen Trostes“ in Christus erscheint, kann, so argumentiert Luther, „als Gott wie er in sich selber ist, als Wahrheit an sich“ nur verstanden werden, wenn wir auf „die prädicatio identica des ranzigen Philosophen Aristoteles“ verzichten, und das Christentum als eine Logik des Werdens auslegen. Mit dieser neuen Entwicklungslogik, die „zwei entgegengesetzte Wesenheiten: Gut und Böse zu einer neuen Einheit fortreißen soll, hat der Reformator die Bahn für eine neue Logik des Werdens freigemacht“ (de Negri). Luthers Entwicklungslogik stellt „den Gigantenkampf Gottes mit sich selbst“ dar. „Tyrannisch handelt Gott, kein Vater ist er, sondern Gegner! Das ist er auch wirklich“, erklärt Luther. Auch „Christus als Knecht der Sünde“ streitet mit Gott.
„Der Kampf des Todes im Ölgarten ist mit dem Kampf am Kreuze nicht zu vergleichen, denn da streite Gott mit Gott... Hic ist Gott wider ihn gewest.“ „Christus empört sich gegen Gott.“ Durch den Tod Christi, der alle Sünden auf sich genommen hat, ja „die Sünde selbst ist“ versöhnt sich der streitende Gott mit sich selbst. Es gilt. „Gott mit Gott überwunden.“ Zur Überwindung der Schuld Gottes lässt der ewige Vater seinen Sohn „vor unser aller Augen am Kreuze sterben. Vorher ist vor Gottes Augen das Sterben Christi auch gewesen, aber heimlich, ehe der Weltgrund gelegt ist.“ So nach Luther (nachzulesen in der Weimarer Ausgabe, zitiert nach Alma von Stockhausen). Das ist die klassische Gnosis in ihrem Kern. Heidegger übernimmt diese Denkfiguren. „Das Vollkommene ist das Unvollkommene, das Gute ist das Böse“, heißt es bei ihm. Von diesen „Brüdern im Sein“ erhält der Mensch seine geschichtlichen „Zuweisungen, die für ihn Gesetz und Regel werden müssen.“ Heidegger versteht Gut und Böse als jene Brüder, die durch die Mächtigkeit des „nichtenden Nichts das Sein anwesen lassen.“ Luther sagt: „Christus ist der Totschläger“, der einen allseitigen Kampf „gegen den ungerechten Vater, gegen Satan und die Perseität (das durch sich selbst sein) des Bösen im Menschen“ zu führen hat. Heidegger sagt: „Gott kommt, indem er zerstört.“ So fordert er einen letzten Gott: „Der letzte Gott, den ganz Anderen – gegen die Gewesenen, zumal gegen den Christlichen…. Wir stehen in diesem Kampf um den letzten Gott.“ Dabei geht es nicht um die Erlösung des Menschen, die ist für Heidegger „Niederwerfung des Menschen“, sondern im Gegenteil „um die Anerkennung der Zugehörigkeit in das Seyn durch Gott, das sich in seiner Größe nichts vergebende Eingeständnis des Gottes, des Seyns zu bedürfen.“
Der Streit zwischen Gott und dem Menschen besteht darin: „Der Gott übermächtigt den Menschen und der Mensch übertrifft den Gott.“ Dieser Streit wird nach Heidegger „im abgründigen Raum des Seyns selbst geführt“, weil alle bisherigen Kulte und Kirchen nicht die wesentliche Bereitung des Zusammenstoßes des Gottes und des Menschen in der Mitte des Seyns vermochten. An Stelle von Kulten und Kirchen soll also in der Mitte des Seyns der Zusammenstoß von Gott und Mensch erfolgen, weil „das Seyn als die innigste Mitte des Nichts ist… Gott braucht das Seyn und der Mensch gründet das Seyn.“ So ergänzen sich „in der Mitte des Seyns das göttliche Bedürfen und die menschliche Zugehörigkeit.“ Dieses Ereignis nennt Heidegger „Die Wahrheit des Seyns selbst.“ Was ist aber dieses Seyn (mit y geschrieben) selbst? Das ist „die Natur, über die Götter, zeithafter denn die Zeiten...“, denn sie ist die „wunderbare Allgegenwärtige, (die) zuvor allem Wirklichen die Lichtung verschenkt… die Allerschaffende und Alllebendige (Natur) durchwaltet und umfängt alles ,was ist.“ Sie ist „das Einstige, allem zuvor das Erste, und allem Nachher das Letzte, ist das allen Vorausgehende und alles in sich Einbehaltende: Das Anfängliche als dieses das Bleibende. Sein Bleiben ist die Ewigkeit des Ewigen.“ Dieses „Heilige ist in seinem Festbleiben zu sagen nicht die leere Dauer, sondern das Kommen des Anfangs.“ So entdeckt Heidegger wieder das Ewige, aber in der Gestalt der sich überholenden Kreisbewegung, in der Anfang und Ende, durch die Wiederkehr des Gleichen, in einer Einheit verschlungen sind. Das folgt logisch aus der vom ihm behaupteten unaufhebbaren Widerspruchseinheit von Sein und nichtendem Nichts im Sein selbst als Vermittlung des Göttlichen Gottes. Die Natur ist also nach Heidegger, anstelle der Mittlerschaft Christi, die „vermittelnde Vermittlerin“ zum göttlichen Sein. Christus ist für ihn nur „ein hölzernes Eisen… ein besonderes Seiendes“, ein Mensch „der Gebote vermittelt.“ Vergleicht man einige Aussagen über Jesus Christus von Nietzsche, wie z.B. Jesus ist „der vollkommenste Weise“, „der edelste Mensch“, und im Nachlass. „Christus am Kreuze ist das erhabenste Symbol – immer noch“, so könnte man Nietzsche, im Vergleich zu Heidegger, sogar zu den edlen Atheisten zählen. Die Ankunft des „göttlichen Gottes“ steht, nach Heidegger, noch immer aus. Erst wenn der gegenseitige Kampf von Göttern und Menschen im Sein selbst geführt wird, „dessen innigste Mitte das Nichts ist“, kann die „Ankunft des letzten Gottes“ erwartet werden, behauptet er.
Der jüdisch-französische Philosoph Emanuel Levinas kommentiert die Heideggersche Philosophie in einem Satz so: „Das Diabolische gibt zu denken.“ Die Frage nach dem Sein, die Frage, warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts, ist der Grund, warum viele christliche Theologen und Philosophen sich in den Bann der Heideggerschen Philosophie haben einfangen lassen, sogar mit dem Versuch, ihn christlich zu interpretieren. Das ist auch die Tragödie von Gustav Siewerth, allerdings hat er seinen Fehler vor seinem Tode erkannt und widerrufen. Die beste Antwort von der christlichen Seite auf Heidegger hat Edith Stein gegeben. Sie war eine außergewöhnliche Frau, tief denkende und gut gebildete Philosophin, ein wahres Geschenk Gottes für die Welt und besonders für Deutschland. Der antichristliche Zug ist bei Heidegger durch alle seine Schriften deutlich erkennbar. Er hat sich auch lustig gemacht über die katholische Frömmigkeit (nachzulesen in dem Buch: „Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, Fr/M, 2000)., dafür aber war er ein regelmäßiger Besucher bei den altgermanischen Ritualen, wie Sonnenwendfeier etc., die die Nazis veranstaltet haben. Kurz vor seinem Tode bat Heidegger, ein ehemaliger Jesuitenschüler, um ein katholisches Begräbnis, das ihm auch gewährt wurde.
Benutzte Literatur: Beer, Theobald: Der fröhliche Wechsel und Streit. Einsiedeln, 1980 Förster, Werner: Die Gnosis: Zeugnisse der Kirchenväter, Patmos, 2007 Heidegger, Martin: Sein und Zeit, Halle a.d.S., 1929 Heidegger, Martin: Gesamtausgabe, Fr/M, 1968 Jonas, Hans: Die Botschaft des fremden Gottes, Fr/M, 2008 Jonas, Hans: Gnosis und spätantiker Geist, Göttingen, 1954 Nag Hammadi Deutsch: Studienausgabe, 2010 Negri, Enrico de: Offenbarung und Dialektik – Luthers Realtheologie, Darmstadt, 1973 Stein, Edith: Endliches und ewiges Sein, Herder-Verlag, 2013 Stockhausen, Alma von: Die Inkarnation des Logos - der Angelpunkt der Denkgeschichte, 2007 Voegelin, Eric: Zur Genese und Gestalt der modernen politischen Gn |