Buchbesprechung:
„Feindberührungen – Wider den linken Totalitarismus“
von Werner Olles
Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach, 2020, 19,80 €. Bestellen kann man direkt beim Verlag info@lindenbaum-verlag.de) und über den Buchdienst der Jungen Freiheit oder des Antaios Verlag Die politischen Essays von Werner Olles, auch diejenigen, die vor mehr als 20 Jahren geschrieben wurden, haben an ihrer Aktualität nichts eingebüßt. In plastischer und zugänglicher Sprache veranschaulichen sie uns präzis alle ontologischen und dialogischen Differenzen, die sich in Politik, Gesellschaft und auch im individuellen Leben abspielen. Das ist heutzutage äußerst selten: meistens wird nur der beliebige Wechsel von Zuständen und scheinbarem Wandel in kraftlos formalisierten Differenzen und inhaltsleerem Unterscheiden dargeboten. Man geht üblicherweise davon aus, dass es besser ist, sich auf die Ebene einer Verständlichkeit zu begeben, in der Übereinkunft mit vielen anderen möglich ist. Die „Humanität“ wird so durch das Verständige legitimiert und auf die Allgemeinheit eines globalen Wissens, in dem sich alle liebhaben, reduziert.
Bei Olles ist es anders. Ihm geht es darum, die Tiefendimension allen Geschehens offen zulegen. Alle möglichen ontologischen Differenzen, die im schöpferischen Sinne unsere Grenzen offenbaren, sind hier zugegen: Die Grenze zwischen Geist und Leib, Reflexion und Einbildungskraft, bewusst und unbewusst, Wirklichkeit und Möglichkeit, Reichtum und Armut im Geiste, Leben und Tod, Diesseits und Jenseits. Im globalen Wissen dagegen werden diese Grenzen aufgehoben, alles ist einerlei legitimiert, auf eine Ebene nivelliert und gleichwertig gemacht, einschließlich der Religionen selbst. Nur der ökonomische Fortschritt zählt. Schon Aristoteles warnte davor: „Diejenigen, die ein unbegrenztes Fortschreiten annehmen, beseitigen, ohne es zu merken, die Natur des Guten... Kein Mensch würde wohl etwas zu tun unternehmen, hätte er nicht vor, an eine Grenze zu gelangen“ (Metaphysik, II Buch (alpha), 994b 10-15). In Wahrheit geht es also um das Gute. Die Nichtbeachtung der Grenzen, die Aufhebung der ontologischen und dialogischen Differenzen führt also zu nichts Gutem. Werner Olles ist nicht nur ein gründlicher Analytiker der linken Ideologie und des damit verbundenen Kapitalismus, er hat all dies nicht nur tief durchdacht, sondern selbst durchlebt. Als junger Mann ist er in die Fänge des linken SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) geraten, später wurde er sogar Mitglied der linksextremen Gruppe „Rother Panther“, wo er alle Wagnisse, Nöte, Abstürze, Aufschwünge, und dann das Scheitern, das Wachstum, die Reifungen, persönlich durchlebt und das alles gnadenlos in seinen Essays aufgedeckt hat.
Ausgereifte und nüchterne Reflexionen über den Kommunismus und Kapitalismus findet man vor allem in seinem Gespräch mit Alain de Benoist und in dem Interview mit der französischen Zeitschrift „Catholica“. Unter den Artikeln sind auch vier Erstveröffentlichungen. In der ersten geht er mit viel Sachkenntnis und Einfühlungsvermögen auf die Ermordung des rechtmäßig gewählten Ministerpräsidenten vom Kongo, Patrice Lumumba, der im Grunde genommen nur die Neutralität und nationale Unabhängigkeit für sein Land, jenseits der Systeme von Kapitalismus und Kommunismus, suchte. Diese „Operation Barracuda“, unter dem Vorwand, Lumumba sei der verlängerte Arm des sozial-imperialistischen Sowjetkommunismus, wurde von der Kolonialmacht Belgien mit der Hilfe des CIA durchgeführt. Ihnen ging es nur um ökonomische und geopolitische Interessen. Belgien hat das einundvierzig Jahre später gestanden und sich 2002 bei der kongolesischen Regierung offiziell entschuldigt. Olles entlarvt die Absichten der Globalisierung und des Neoliberalismus „in einer Welt ohne Halt, ohne Ligaturen, Bindungen und Grenzen, in der Recht und Ordnung durch die Diktatur des Finanzkapitals hinweggefegt werden, in der die Nationalstaaten zerfallen… und in der verblendete Ökonomen der Weltbank, des Währungsfonds und des Welternährungsfonds im trauten Verein mit dem Spekulationskapital und ihren neoliberalen Wirtschaftsreformen die Schwellenländer zugrunde richten und die Dritte Welt vernichten.“ Zu all dem gesellt sich noch im Westen das Elend der Postmoderne mit ihrer Dekadenz und dem Relativismus („sich auf nichts festlegen, am allerwenigsten auf sich selbst“). In vielen Essays wird schonungslos die Irrationalität des linken Lagers bloßgestellt. Aus dem sich auflösenden SDS entstanden dann verschiedene marxistisch-leninistischen (ML) Bewegungen, die andere „orthodoxe“ Kommunisten bekämpften. Die maoistisch orientierte KPD verurteilte die KPdSU, SED, DKB, weil sie den Sozialimperialismus fördern würden, der „der Hauptfeind für ganz Deutschland (ist).“ Die KPD/ML und der 1973 entstandene KBW (Kommunistischer Bund Deutschlands) unterstützten aktiv und materiell den bestialischen Völkermord seitens des Pol-Pot Regimes an der eigenen Bevölkerung. Nachdem KBW 1985 aufgelöst wurde, hinterließ er „jede Menge gescheiterte Existenzen und gebrochene Biographien, seine Führung kassierte jedoch noch schnell 30 Millionen Mark in Form des Bockenheimer Öko-Hauses für den Verkauf einer verrotteten Immobilie an die Commerz-Bank, die sie acht Jahre zuvor für ein Zehntel des Preises erworben hatten.“
Aus diesen linken Gruppierungen stiegen später etliche deutsche Politiker „in höchste Ämter des so ehemals fanatisch bekämpften Staates“ auf. Sie werden hier auch namentlich genannt. Andere setzten sich durch als Medienmacher, oder gründeten verschiedene Organisationen wie die parteieigene „Heinrich-Böll-Stiftung“, oder sie wurden auf unerklärliche Weise reich („den Kapitalismus mit dem Geldsack schlagen“). Die surrealistische Grenzvernichtung, - „Wenn der Weltgeist zweimal klingelt“, - stellt der Fall des Horst Mahlers dar, der vom RAF-Verteidiger und Befürworter zum Hitler-Verehrer wurde. Dass die „nationalsozialistische Diktatur innerhalb der Modernisierungsgeschichte anzusiedeln (ist)“ und dass sie „eine apokalyptische Blutopferideologie mit ungeheurerer Katastrophenpotenz (war)“, begriffen weder Mahler noch seine Gegner. Als bizarre Erscheinung der Linken ist die sog. Antifa, „Antideutsche Antifaschisten“, die die militärisch völlig sinnlose Bombardierung der deutschen Städte mit mehreren hunderttausend Toten, mit den abwegigen Parolen rechtfertigen, wie „Opa, Oma, Klaus-Peter, keine Opfer, sondern Täter.“ Interessant in diesem Zusammenhang sind die Beschreibungen und Charakterzüge der damaligen und jetzigen Protagonisten wie Hans-Jürgen Krahl, Rudi Dutschke, Daniel Cohn-Bendit, Robert Habeck und insbesondere von Ernesto „Che“ Guevara („ich bin wohlauf und dürste nach Blut“), und die Schizophrenie der Mythenbildung und Heldenverehrung seiner „revolutionären“ Verbrechen seitens des neoliberalen Bürgertums: Er sei „Jesus Christus mit der Knarre“ (Wolf Biermann), oder er sei „der vollkommenste Mensch seiner Zeit“ (Jean Paul Sartre). Die Achtundsechziger haben die sexuelle Revolution in ihrem Kampf gegen die kleinbürgerliche Familie, gegen die Sexualmoral der katholischen Kirche, im Sinne von Wilhelm Reichs Leitspruch: „Sexualität bejahen heißt, die Sexualschranke überschreiten“, ins Leben gerufen. An sich ist die Sexualität der Ort, wo sich das Personsein des Menschen am deutlichsten manifestiert. Die Hauptmerkmale der Person sind Selbststand und Hingabe. Selbststand ohne Hingabe führt zur Selbstvergöttlichung, Hingabe ohne Selbststand zur leibseelischen Spaltung und Depersonalisierung des Menschen. Durch die forcierte Sexualisierung hoben die Achtundsechziger alle Grenzen auf. Die Studentenbewegung hatte „ausgehend von Wilhelm Reichs Lehre der Sexualökonomie und Herbert Marcuses Konzept der repressiven Entsublimierung ...eine sexuelle Utopie entworfen, welche in der Herrschaft des Eros gipfeln sollte, von der man sich Heilung, Hochgefühl und Überwindung der eigenen psychischen Verelendung versprach.“ Was aber daraus entstand, sind frühkindliche Schädigung und Traumatisierung durch gezielten Kindermissbrauch, auch im Detail beschrieben in den damaligen Berliner „Kommunen“. Darüber hinaus haben diese sexualutopischen Obsessionen gerade das Gegenteil von dem bewirkt, was sie vernichten wollten: „Die Sexindustrie…., die allgemeine Pornographiesierung und rückhaltlose Sexualisierung vor allem des weiblichen Körpers.“ Damit einhergehend entwickelte sich langsam in der ganzen Gesellschaft der allgemeine Verlust der Achtung vor dem Wunder des Lebens, was sich besonders in den massenweisen Abtreibungen manifestiert („Abtreibung als Kannibalenhumanität“). In den früheren Epochen kultivierten alle Geistesströmungen eine unverhohlene Bewunderung und Achtung vor dem Geheimnis des Lebens, eindeutig belegbar auch bei solchen Philosophen, die die Nichtigkeit der irdischen Existenz lehrten, wie z.B. Schopenhauer, der das Geheimnis des Lebens in einem Satz zusammenfasste: „Jeder Dummkopf kann einen Käfer zertreten, aber kein Professor kann ihn hervorbringen.“
Werner Olles verfolgt auch die Spur der Orientierungslosigkeit und Verworrenheit der Rechten. Aus dem Text kann man herauslesen, dass es daran liegt, weil sowohl Linke, Liberale als auch Rechte eine Anthropologie der Aufklärung im Sinne von Rousseau zur Voraussetzung haben, der lehrte, dass die Menschen von Natur aus gut sind. Deswegen glauben die Linken an die Emanzipierbarkeit des Menschen, an den ewigen Frieden etc., und sie wollen von daher ohne Rücksicht auf Verluste das Paradies auf dieser Erde herbeizwingen. Als kontradiktorischer Gegensatz zu diesem anthropologischen Rahmen, wäre eine Anthropologie, die von der Erbsünde ausgeht und lehrt, dass jeder Mensch naturgemäß eine essentielle Neigung zum Bösen hat. Die Rechten können aber diese Anthropologie nicht ganz verinnerlichen und bleiben „peinliche Links-Rousseauisten“, die zwar nicht behaupten, dass der Mensch von Natur aus gut ist, aber sie sagen „Das Volk ist gut, nur der Staat und seine Administration ist schlecht.“ Der Same einer solchen Halbseitenlähmungsanthropologie kann nicht im fruchtbaren Boden aufgehen.
Werner Olles erklärt auch, wie er den Weg zur röm.-kath. Kirche zurückgefunden hat, kritisiert aber sehr scharf das Zweite Vatikanum, vor allem wegen der Entsakralisierung der Liturgie und der kriecherischen Anbiederung an den Islam. Er zitiert auch den damaligen Kardinal Ratzinger, der später Benedikt XVI wurde: „Ich bin überzeugt, dass die kirchliche Krise… zum größten Teil vom Zusammenbruch der Liturgie herrührt.“ („Mein Leben, Erinnerungen 1927-1997“). Alle diese Schreibtischhäresien verwandeln sich im Laufe der Zeit in die alltägliche Praxis. Dann folgt ein Zitat von Theodor Haecker, einem Philosophen, der gleichermaßen von den Nationalsozialisten und den großbürgerlichen Marxisten der „Frankfurter Schule“, gehasst wurde: „Eine jede häretische Kirche ist notwendig dem Untergang geweiht, noch vor dem Untergang der Welt, ja noch vor dem Untergang des Abendlandes!… Wenn die Anthropologie zur Theologie wird und umgekehrt, dann wird alles peinlich…“ Dann werden, so Olles, „multiple religiöse Konzepte... auf dem offenen Markt der herrschenden Vulgarität angeboten wie Sauerbier..“ „Gegen derlei modische Tendenzen helfen nur eine feste innere Glaubensüberzeugung und das ehrliche Bemühen um fundierte Kenntnisse in der katholischen Glaubenslehre.“ Ein sehr erhellendes Essay analysiert die „Frankfurter Schule“ und die „Kritische Theorie“, die aus einer „Gemengelage aus neomarxistischer Klassentheorie, antibürgerlichen Motiven und entmythologisierender Modernität“ ihren Kern bildet. Der Autor vertritt die Auffassung, dass auch die Konservativen „vom Niveau und der Schärfe der Kritischen Theorie“ profitieren könnten, würden sie bloß „ihre Scheuklappen ablegen.“ Ich verzichte auf einschlägige Begründungen und die Diskussion über pro et contra und überlasse den Lesern das endgültige Urteil. Es ist ein lesenswertes Buch von 242 Seiten, es gehört zur aufschlussreichen Pflichtlektüre.
Ante Križić |