Buchbesprechung:
Lepanto-Almanach Jahrbuch für christliche Literatur und Geistesgeschichte.
Band 1. Hg.: Michael Rieger, Till Kinzel und Christoph Fackelmann. Lepanto Verlag. Rückersdorf über Nürnberg 2020. 261 S., 14.80 €
Lange Zeit galt das Christentum als konservative Macht. Inzwischen gelten konservative Theoretiker, die dem Geist des Christentums verpflichtet waren wie Joseph de Maistre, Franz von Baader, Juan Donoso Cortés, Wladimir Solowjew, Othmar Spann und Leopold Ziegler als antiquierte und rückwärtsgewandte Gestalten. Und während der greise Ernst Bloch in Christus einen „Revolutionär“ sah, obwohl er in Wahrheit der erste wirkliche Märtyrer war, erkannte Oswald Spengler, eine bekennender Agnostiker, bereits 1932, daß es „in Deutschland einen katholischen Bolschewismus (gibt), der gefährlicher ist als der antichristliche, weil er sich inter der Maske einer Religion versteckt“. Die Vereinigung von Sozialdemokratie und Jesuitismus erkannte auch Charles Maurass, Führer der radikal-konservativen „Action Francaise“, einzig ein vom Geist der Antike geformtes römisches Christentum, das auf Kultur, Tradition, Hierarchie und Institutionen basiert, schien ihm verteidigenswert. Georges Sorel, der kein Christ war, war dennoch von der Notwendigkeit des Christentums vollkommen überzeugt. Seinem Freund Charles Peguy, einem tiefgläubigen Katholiken sagte er: „Was ist das für ein Katholik, der nicht zur Messe geht?“ Gefahr droht nach Sorel der Kirche nur, wenn sie faule Kompromisse mit dem Liberalismus und der atheistischen Plutokratie schließt und wenn die Theologie zur „kritischen Wissenschaft“ entartet. Der polnische Philosoph Leszek Kolakowski diagnostizierte Liberalismus und Emanzipation als „verkleidete Gottlosigkeit“ und „Todfeinde des institutionalisierten Christentums, die die Substanz des Glaubens durch Entmythologisierung bedrohen.
Der kleine katholische Lepanto Verlag hat mit der Herausgabe des ersten Bandes des „Lepanto-Almanachs“, eines „Jahrbuchs für christliche Literatur und Geistesgeschichte“ nun einen Akzent gesetzt, um „den Reichtum katholischen Geisteslebens aufzunehmen und unter den völlig veränderten Bedingungen des 21.Jahrhunderts, das jedenfalls in Deutschland nicht mehr christlich geprägt ist, gleichwohl sichtbar zu machen“, wie der Verleger Hans-Ulrich Kopp in seinem Geleitwort schreibt: „Die christliche Herausforderung als Skandalon ist nicht verlorengegangen – wie zu zeigen sein wird!“ So ist der Schwerpunkt dem Werk Reinhold Schneiders gewidmet, der mit „Las casas vor Karl V.“ wie auch mit vielen anderen Gedichten und Essays literarischen Widerstand gegen den neuheidnischen National-Sozialismus leistete. Erst mit der Kulturrevolution von 1967/68 nahm das Interesse an Schneiders Werk spürbar ab.
Die Germanistin Angeles Osiander Fuentes beschreibt in ihrem Beitrag „Auf dem Weg zurück in die „Heimat“ Schneiders Potsdamer Jahre zwischen 1932 und 1937, die ihn sowohl zum konsequenten Christentum als auch zum christlichen Widerstand führten. Über seine Kontakte zu Widerstandskreisen erfährt er Näheres über die Realität im KZ Dachau und die Verfolgung der Juden. Viele seiner aus monarchistisch-aristokratischen Kreisen stammenden freunde und Bekannte engagierten sich im literarischen „Inneren Widerstand“, später im Kreisauer Kreis. Einer gewissen Annäherung Reinhold Schneiders an den National-Sozialismus folgt schnell ein Ernüchterungsprozeß. Er bleibt seiner monarchistischen Gesinnung treu: „Wenigstens drei Verbrechen hätten sich mit der Monarchie nicht vereinen lassen: die Verfolgung der Juden, der zynische Bruch des Rechts, die Verfolgung der Christen beider Bekenntnisse“. Schneider arbeitet für die christlich-monarchistischen Zeitschriften „Hochland“, „Monarchie“ und „Weiße Blätter“. Den mörderischen Charakter des Regimes hat er längst erkannt. 1936 erscheint sein Buch „Das Inselreich. Gesetz und Größe der britischen Macht“, in dem er mit der Entscheidung Heinrichs VIII. die Religion für seine Macht zu opfern, der Ausrottung katholischer Werte und der Verfolgung der Katholiken abrechnet. Seine Bewunderung gilt dagegen den irischen Katholiken und ihrer Missionierung des Landes, aber auch der standhaften Haltung von Thomas Morus, den Heinrich schließlich hinrichten läßt.
Der Historiker und Anglist Till Kinzel befaßt sich in seinem Beitrag „Fichte, Schopenhauer und die klassische deutsche Philosophie bei Reinhold Schneider, mit den beiden deutschen Philosophen, die Schneider am nächsten standen. Sein Werk „Fichte. Der Weg zur Nation“ (1932) läßt durchaus Interesse an Fragen der Konservativen Revolution erkennen, besonders in der Anerkennung des Wechselverhältnisses von Tat und Freiheit. Doch bleibe Fichte in einem Dilemma stecken, da seine Lehre vor Jesus Christus nicht bestehen könne, zudem sei da sein Mangel an Demut. Dennoch fasziniert Schneider an Fichte dessen „Scheitern an Gott“, während er Schopenhauers „buddhistische Heiligtümer“ eher kritisch sieht.
Weitere wichtige Beiträge beschäftigen sich mit „Alfred Delp und dem Zeitalter der Gottunfähigkeit“ (Michael Rieger), einer „Umschau enzyklopädischer Schätze“ (Michael Rieger), Gudrun Trausmuths „Kleiner Bibliothek des Abendlandes“, der „biblischen Urgeschichte als Deutungsschlüssel zeitgenössischer Krisen“ (Christine Wiesmüller), Joseph Ratzingers „Das Gewissen in der Zeit“, dem Brief Franz von Baaders zur Druckgeschichte der Fermenta Cognitionis „Mit den Waffen des Lichts“ und Christoph Fackelmanns „Babylonischer Revolte“. Den Abschluß des geistesgeschichtlich wertvollen und lesenswerten Jahrbuchs bildet der Lepanto-Kalender 2020.
Werner Olles
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