Clerici vagantes oder Priester der kath. Kirche?
von Eberhard Heller
Um was geht es? Um die Klärung, ob ein sich „katholisch“ präsentierender Priester tatsächlich der katholischen Kirche – hier die Kirche, die sich zu Recht auf den Auftrag Christi berufen kann - angehört oder ob er unerlaubt agiert, also Etikettenschwindel betreibt, wenn er sich als Priester der kath. Kirche vorstellt. Dabei gehe ich in unserem Fall davon aus, daß er sogar über eine gültige Weihe verfügt. Dieser Nachweis über die Gültigkeit ist allerdings nur Voraussetzung, daß er als Kleriker zum priesterlichen Handeln befähigt ist, aber nicht dafür, daß er auch seine Vollmachten ausüben darf.
Es gibt in unseren Reihen ein Übel, das auszurotten übermenschliche Anstrengungen benötigen würde. Um was geht es? Um das kirchliche Chaos, das durch unkontrollierte Weihen von Leuten erzeugt wird, die selten oder nie Theologie studiert haben und die in Unkenntnis oder willentlich die Probleme, die mit ihrem Agieren als Kleriker verbunden sind, schlicht ignorieren oder sogar leugnen. Woran erkennen die Gläubigen, die die pastoralen Angebote dieser Personen in Anspruch nehmen, ob sie bloße Sektierer oder tatsächlich Priester der kath. Kirche sind, für die sie sich ausgeben. Gelegentlich tauchen immer wieder Namen von Klerikern (oder „Klerikern“) auf, die da oder dort in Zentren von sog. wahren Gläubigen tätig werden. Neben den Altfällen von Kaplan X und Kaplan Y tauchte unlängst neben Ramolla, einem Gärtner mit „Mütze“ - sprich Mitra -, der zwischen Deutschland und den USA pendelt, um Geld zu sammeln, auch ein Herr H. auf, der im ehemaligen Zentrum des verstorbenen Bischofs Storck als Zelebrant agierte, zunächst ohne „Kopfschmuck“, um kurz darauf mit solchem wieder zu erscheinen, also um jemand, der es durch die „Hilfe der USA“ inzwischen auch zum Tragen einer Mitra gebracht haben soll. So wenigstens wurde mir berichtet.
Was ist das Ärgerliche an diesen Leuten? Nicht nur, daß sie meist keine theologische Ausbildung absolviert haben oder kein theologisches Studium vorweisen können, sondern auch ihren Status als Kleriker nicht ausweisen können oder wollen. Dieses Nicht-Können hängt meistens mit dem Mangel an Wissen über die Kirche als Heilsinstitution zusammen. Sie agieren auf eigene Faust, ohne den Kontakt mit den übrigen, vorgeblich katholischen Priestern zu suchen, also die nicht „katholisch“, d.h. umfassend denken - ein Zeichen latenten Sektierertums. So ist jeder sein eigener „Papst“, der nicht einmal versucht, das fehlende Mandat zur Berechtigung seines priesterlichen Handelns abzuklären.
Noch einmal: Um was geht es? Die Kirche wird normalerweise von ihrem Oberhaupt, dem Papst geführt. Er hat die dreifache Gewalt, die Vollgewalt bzw. Amtsgewalt des Papstes umfaßt die Exekutive, Legislative und Judikative. Diese Gewalt hat Christus dem Petrus zugesichert: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. (Mt 16,18) und Christus bestimmt weiter: „Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt. 16,19) So ist der Papst oberster Gesetzgeber der Kirche und nur an das göttliche, unveränderliche Recht (ius divinum), gebunden. Der Papst ist oberster Richter der Kirche und selbst keinem kirchlichen Gericht unterworfen (prima sedes a nemine iudicatur). Der Papst kann natürlich auch Rechte und Vollmachten an Personen seines Vertrauens, die mit ihm die Kirche führen sollen, delegieren, so z.B. an die Mitarbeiter in der Kurie. Diese Position des Papstes in der Kirche ist durch die Häresie von Paul VI. und seinen Nachfolgern erloschen. So haben schon mittelalterliche Kirchenrechtler wie Huguccio (gest. 1210; studierte in Bologna unter Gandolphus und lehrte Kirchenrecht; er soll 1190 Bischof von Ferrara gewesen sein), ebenso wie Bellarmin die Überzeugung geäußert haben, daß ein Papst automatisch (ipso facto) des Amtes verlustig würde, wenn er offenkundig in Häresie gefallen ist: „Papa haereticus depositus est.“ („Ein häretischer Papst ist abgesetzt.“) Kajetan hat die Folgen weiter durchgeklärt und die Erfordernisse in der Form präzisiert, daß er sagte: „Papa haereticus deponendus est“ - ein häretischer Papst ist abzusetzen, weil dieser Sachverhalt der Häresie und die sich daraus ergebenden Konsequenzen vor der Kirche öffentlich geklärt werden müssen, denn die Kirche ist eine sichtbare Gemeinschaft. (Vgl. dazu auch: Harald Zimmermann: „Papstabsetzungen des Mittelalters“ Graz, Wien, Köln 1968)
Bei einer Bischofsweihe, die das Gesamtwohl der Kirche betrifft, ist normalerweise die Einholung des päpstlichen Mandates nötig. Widrigenfalls erzeugen diejenigen, die das Mandat mißachten, ein Schisma. Als darum S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc die Priester Des Lauriers, Carmona und Zamora zu Bischöfen weihte, ging diesen Konsekrationen eine Debatte voraus, wie diese Weihen - ohne Mandatum, denn es herrschte ja Sedisvakanz! - nicht nur gültig, sondern auch legitim seien. Die Begründung umfaßte einen doppelten Notstand: die Sedisvakanz und die Gefährdung der apostolischen Sukzession, denn die neuen Bischofsweihen waren/sind ungültig, auch nach dem damaligen Verständnis von Mgr. Lefèbvre, dessen Nachfolger diese Position wegen der Ankuppelung an Rom schon längst nicht mehr teilen. Also, die Konsekrationen waren zwar nicht legal - formal gesehen -, aber sie waren legitim. Diese Rechtfertigung war zugleich aber auch an die Forderung gebunden, alles zu tun, um die Kirche als Heilsinstitution wieder aufzubauen, worin auch die Wahl eines Papstes enthalten war. Die Sedisvakanz mußte auch deshalb beendet werden, damit eine legitime Autorität das Handeln von Erzbischof Thuc rechtfertigen und salvieren müßte. Man hatte das juridische Provisorium bewußt in Kauf genommen, weil es für das Problem der Erhaltung der apostolischen Sukzession im röm.-kath. Raum keine andere praktikable Lösung für die Sedisvakanz gab.
Es gab auch noch den Hinweis, wir hätten gegen die Vorsehung Gottes gehandelt. Dieser Vorwurf kam von Personen, die nur die Rechtsposition, d.h. eine Position, in dem der formale Aspekt verabsolutiert wurde, als legitim akzeptiert hätten, will heißen, wir hätten auf einen Papst warten müssen, der dem Erzbischof ein Mandat hätte geben müssen. Doch diese Position hätte in einer Aporie geendet oder in der Absurdität.
Wir haben dann unsere Position in der Anschluß-Erklärung an die Declaratio von S.E. Erzbischof Thuc so formuliert:
„Durch den Abfall der Hierarchie nach Vatikanum II., der von Mgr. Thuc in seiner „Declaratio" dokumentiert ist, wurde die Kirche als sichtbare Heilsinstitution weitgehend zerschlagen; eine sichtbare "Gemeinschaft aller Gläubigen" existiert nicht mehr, auch wenn überall auf der Welt noch Gemeinden und Gruppen den wahren Glauben bekennen. Christus hat die Kirche aber als Heilsinstitution - und nicht nur als bloße Glaubens-gemeinschaft - gegründet, um die unverfälschte Weitergabe seiner Lehre und Gnadenmittel zuverlässig zu gewährleisten. Der Wiederaufbau der Kirche als Heilsinstitution ist darum vom Willen ihres göttlichen Gründers gefordert. Zur Restitution der Kirche als sichtbarer Heilsinstitution gehören: - Sicherung der Gnadenmittel - Bewahrung und Weitergabe der Lehre der Kirche - Sicherung der apostolischen Sukzession - Wiedererrichtung der Gemeinschaft der Gläubigen auf regionaler, überregionaler und gesamtkirchlicher Ebene - Restitution der Hierarchie - Wiedererrichtung des päpstlichen Stuhles (als Prinzip der Einheit) Hier ergibt sich jedoch ein Dilemma. Einerseits fehlt derzeit die zur Erfüllung dieser Aufgaben nötige kirchliche Jurisdiktion, da die Hierarchie abgefallen ist, andererseits ist die Erfüllung dieser Aufgaben die notwendige Voraussetzung der Wiederherstellung eben dieser kirchlichen Autorität. Die Wiederherstellung der kirchlichen Autorität ist aber vom Heilswillen Christi her gefordert. Das Dilemma kann m.E. nur gelöst werden, indem sämtliche bisherigen Aktivitäten nur unter Vorbehalt einer späteren, endgültigen Legitimierung durch die wiederhergestellte Hierarchie stehen. Somit lassen sich z.B. die Meßzelebration und die Spendung der Sakramente einstweilen nur dadurch rechtfertigen, daß sie unter dem Aspekt der Gesamtrestitution der Kirche als Heilsinstitution stehen und sich der späteren Beurteilung durch die wiederhergestellte, legitime Autorität unterwerfen muß. Spendung und Empfang der Sakramente (einschl. Zelebration und Besuch der hl. Messe) wären somit unerlaubt, wenn sie ohne Bezug auf diese einzig mögliche Rechtfertigung vollzogen würden, unbeschadet ihrer sakramentalen Gültigkeit. Aus diesen Überlegungen läßt sich unter den gegebenen Verhältnissen zugleich die Zugehörigkeit zur wahren Kirche als dem mystischen Leib Christi bestimmen: die von Pius XII. in der Enzyklika "Mystici corporis" vorgelegten vier Kriterien: (1) Empfang der Taufe, (2) Bekenntnis des wahren Glaubens, (3) Unterordnung unter die rechtmäßige kirchliche Autorität und (4) Freiheit von schwersten Kirchenstrafen (DS 3802) müssen im Punkt (3) dahingehend modifiziert werden, daß wegen des Fehlens der rechtmäßigen kirchlichen Autorität vorläufig (d.h. bis zu ihrer vollständigen Wiederherstellung) die Anstrengung zur Restitution der kirchlichen Autorität als Ersatz-Kriterium zu gelten hat.“ (Vgl. Einsicht Nr. 3 vom Aug. 2000.)
D.h. nun: Jeder Kleriker, der als Priester oder Bischof (bei einer gültigen Weihe!) in der katholischen Kirche fungieren will, muß dies dadurch beweisen, daß er diese Intention der Restitution der Kirche als vorrangig ansieht und sie vor alle anderen Aktivitäten stellt und dieses Ziel mit großer Intensität verfolgt… und nicht bei den pastoralen Verpflichtungen stehen bleibt. Diese sog. pastoralen Verpflichtungen müssen häufig dazu herhalten, daß sie die umfassenderen Ziele vernachlässigen, was die Union Trento in Mexiko - obwohl sie mit dem Inhalt der Erklärung einverstanden war - und Bischof Pivarunas in den USA tun. Sie stellen für die wenigen, denen das Schicksal der Kirche ein wahres Anliegen ist, ein dauerhaftes Ärgernis dar.
Der Priester - will er als Priester der kath. Kirche wahrgenommen werden - muß diese Intention der Wiederherstellung der Kirche öffentlich bekennen - möglichst auch schriftlich - und sie auch gegenüber den Gläubigen darstellen. Es ist dies die einzige Möglichkeit, sich zu qualifizieren, und um dem Geruch des Sektierertums zu entgehen. Das Berufen auf den Notstand gilt nicht mehr, weil die Lösung angepeilt werden kann. Wir haben uns auch auf den Notstand berufen, aber zugleich angegeben, wie er überwunden wird. Ich habe allerdings bisher von all den sog. traditionalistischen Bischöfen und Priestern nicht eine einzige Erklärung erhalten, in der sie dieses Problem des fehlenden Mandates überhaupt in den Blickwinkel nehmen und dieser aufgezeigten Einstellung – Berufung auf die Intention der Wiederherstellung der Kirche als Heilsinstitution - zustimmen und sie verfolgen - außer Fr. Krier, Las Vegas/USA, dem Mitverfasser der Anschluß-Erklärung. Und weil das so ist, ist die Kirche als sichtbare Institution, die von den „Pforten der Hölle“ nicht überwunden werden kann, im Nebel sektiererischen Egoismusses und klerikalen Hochmuts verschwunden.
In seinem Brief Nr. 70 vom 15.1.1976 schrieb Dr. Hugo Maria Kellner, einer der Väter des kath. Widerstandes: „Die Traditionalisten [sind] die unfreiwilligen Werkzeuge Satans in der Verhinderung der Organisierung der übriggebliebenen, wahren Katholiken. Während zu Beginn des II. Vaticanums die Tätigkeit der Traditionalisten den Eindruck einer legitimen, gottgefälligen Verteidigung katholischer Rechtgläubigkeit gegen die modernistischen, protestantisierenden Reformer in der Kirche machten, wurde es im Laufe der Zeit mehr und mehr klar, daß diese Tätigkeit nicht nur keinerlei hindernden Einfluß auf den, in der katholischen Kirche vor sich gehenden Protestantisierungsprozeß ausübte, sondern daß sie sogar die Wirkung hatte, erfolgreich die Organisierung der übriggebliebenen, wahren Katholiken zu verhindern, die für deren Seelsorge notwendig ist. Der Grund für diese Fehlschläge der Traditionalisten ist ihre erstaunliche Unkenntnis der dogmatischen Erfordernisse für die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche und ihr Mangel an Einsicht in die Nichtumkehrbarkeit der Apostasie der katholischen Kirchenorganisation - der gleiche Mangel, der früher von der katholischen Hierarchie gegenüber dem Protestantismus gezeigt worden war.“ (Vgl. EINSICHT Nr. 5, Dez. 1980)
Während sich Kellners Kritik für die Unfähigkeit der Traditionalisten auf die Tatsache stützte, daß diese nicht bereit waren, den Stuhl Petri für vakant zu erklären, sind diese traditionalistischen Kleriker nicht bereit, die wahre Situation der Kirche zu begreifen und daraus die entsprechenden Konsequenzen für eine Restitution der Kirche als Heilsinstitution zu ziehen. Eine Metanoia, eine Änderung der Gesinnungsart ist nicht in Sicht. Anstatt zusammenzuführen, zerstreuen sie und verhindern dadurch die Bildung von kath. Gemeinschaften und lassen die Kirche im Sektierertum verkommen. |