Unbesetzter Apostolischer Stuhl
von
+ H.H. Dr. Otto Katzer
(Nachdruck aus EINSICHT VIII/5 vom Dezember 1978, S. 168 ff.)
Der Apostolische Stuhl kann unbesetzt sein:
1. durch den körperlichen Tod des Papstes,
2. infolge des moralischen Todes des Papstes, 3. bei sicherem und dauerndem Irrsinn des Papstes, 4. durch Resignation des Papstes (1).
Moralisch tot ist der Papst, wenn er sich offensichtlich gegen die
Glaubens- oder Sittenlehre versündigt hat. Dadurch ist aber der
Apostolische Stuhl nicht verwaist, wie Papst Pius VI. in seiner
berühmten, für unsere Zeiten so wichtigen Apostolischen Konstitution
"Auctorem fidei", betont, bezugnehmend auf den hl. Petrus Chrysologus 2): "Petrus, auf seinem Throne lebend als auch den Vorsitz inne habend,
bietet den Nachfragenden die Wahrheit des Glaubens". Dies geschieht
durch die unfehlbaren und unumstößlichen Urteile des Apostolischen
Stuhles. Auf diese muß auch Bezug genommen werden bei den Erklärungen
der Beschlüsse des sogenannten II. Vatikanischen Konzils, wie
ausdrücklich vom Generalsekretär des Konzils bemerkt wird, dem Kardinal
Pericles Felici am 16. November 1964 (Constitutio dogmatica de
Ecclesia). Solche Beschlüsse gibt es laut des ersten Vatikanischen
Konzils "schon tausende und abertausende" 3), sie sind also nicht
äußerst seltene Erscheinungen im Leben der Kirche, wie heute oft
behauptet wird. Bei der noch nicht voll entfalteten Lehre wurden,
besonders in den ersten Jahren des Lebens der Kirche, strittige Fragen
dem Apostolischen Stuhle zur Entscheidung vorgelegt. Wenn solcher nur
10 pro Jahr gewesen wären, dann hätten wir während der 2 Jahrtausende
des kirchlichen Lebens ihrer 20000. Daß es nicht leicht ist, von ihnen
allen Kenntnis zu haben, ist wohl begreiflich, weshalb es auch
vorkommen kann, daß gar manche Angegelegenheiten erneut dem kirchlichen
Lehramte vorgelegt werden, als wären sie noch nie dagewesen. So
vermerkt der berühmte Vorsitzende des Konzils von Trient, der polnische
Kardinal Hosius - man verzeihe mir, wenn ich seine Aussage
modernisiere: "Es gibt einen abgedroschenen Schlager, der immer und
immer wieder vorgeleiert wird, bei jeder sich dazu bietenden
Gelegenheit, seien es nun partikulare oder universale Konzilien: 'Den
Priestern Weiber, den Laien den Kelch, und die Volkssprache für die
Liturgie'. Von diesen heute also angeblich modernen Forderungen können
wir nur sagen, daß sie modernd sind. Natürlich ist es notwendig, die
unter Umständen etwas mühsame Arbeit auf sich zu nehmen und in den
päpstlichen Bullen und Konzilienbeschlüssen nachzuforschen. Dann werden
wir auch den berühmten Theologen der Reformationszeit Gabriel Biel
verstehen, wenn er sagt: "Es ist einleuchtend, daß die Kirche aufgrund
des Todes des Papstes nicht ohne Haupt ist noch ihres lebenden
Bräutigams bar. Christus verläßt nicht seine Kirche, der Er doch seine
immerwährende Gegenwart zugeschworen hat." 4)
Es sollte allen klar sein, was das heißt "Christlich glauben".
"Christlich glauben" heißt alles für wahr halten, was Gott geoffenbart
hat und durch die katholische Kirche zu glauben vorstellt. Das gilt
nicht nur für das letzte Kerzenweib, sondern auch für den Papst. Mit
göttlichem und katholischem Glauben müssen wir all das glauben, was das
geschriebene Wort Gottes oder die Tradition beinhalten, und von der
Kirche auf eine außerordentliche und feierliche Weise oder durch das
ständige und ordentliche Lehramt verkündet wird. In diesem Falle haben
wir vor uns unumstößliche und unabänderliche Wahrheiten. "Wer außerhalb
der Wahrheit etwas sucht", bemerkt im 9. Jhdt. der hl. Paschasius
Radvertus, "findet nur Falsches, und wenn er das, was von Christus
gesagt wurde, nicht annimmt, stellt er sich außerhalb der Wahrheit!" 5)
Das gilt natürlich auch für den Papst. "Wehe mir", schreibt der hl.
Papst Agatho, "wenn ich mit Schweigen die Wahrheit verdecke (...) es
ist unsere Aufgabe, den Wortlaut des katholischen und apostolischen
Glaubens, welchen der Apostolische Stuhl bis jetzt mit uns besitzt und
verkündet, im vollen Bewußtsein aufzubewahren." 6) "So kann sich ein
Papst trennen vom Haupte, d.i. von Christus durch Ungehorsam in
kultischen Dingen, welche zu behüten seine Pflicht ist. Einem solchen
Papste, der die Kirche zerstören will, müssen sich alle Christen
widersetzen." 7) "Ein Papst, der Irrlehren vertritt", bemerkt mit allen
alten Theologen der berühmte Jesuitische Theologe Suarez, "ist nicht
mehr Papst, und wenn er irrt, dann irrt er nicht mehr als Papst, wie
auch die Kirche (hiermit) nicht irrt; sie kann einen anderen wählen." 8) "Ein Papst steht allein dadurch, daß er sich der Häresie schuldig
macht, außerhalb der Kirche, und ist von Gott selbst, seines Amtes
enthoben." 9)
In den Bereich des ordentlichen und außerordentlichen Lehramtes gehören
auch die Konsekrationsworte. (...) Darüber kann sich und soll sich auch
ein jeder Priester im Missale Romanum, natürlich dem wahren,
überzeugen, und zwar in seinen Belehrungen über die Mängel, welche bei
der hl. Messe eintreten könnten. Die Konsekrationsworte werden dort mit
roten Buchstaben angegeben und von ihnen vermerkt: "Würde jemand an
ihnen etwas schmälern oder umändern, so daß bei dieser Umänderung die
einzelnen Wörter nicht dasselbe bedeuten würden, kommt das Sakrament
nicht zustande (d.i. Brot bleibt Brot und Wein bleibt Wein; O.K.) Würde
jemand aber etwas hinzufügen, was den Sinn nicht ändern würde, würde er
zwar konsekrieren, doch auf das schwerste sündigen". In der
apostolischen Konstitution von Paul VI. "Missale Romanum" und im
sogenannten Missale selbst werden nun die Herrenworte (von
Konsekrationsworten wird nicht gesprochen), was die Interpunktion, d.i.
die Zeichensetzung betrifft, völlig falsch angegeben, so daß der ganze
Satz bloß ein Aussagesatz ist, der über ein in der Vergangenheit
verlaufenes Geschehen berichtet, womit der ganze Akt bloß als eine
Gedächtnisfeier sich kundgibt. In der offiziellen deutschen Übersetzung
wird nun "pro multis" linguistisch völlig falsch mit "für alle"
übersetzt. Das bloße Hersagen bleibt außerdem selbst bei einer
richtigen Übersetzung, in dieser reinen Erzählungsform, ohne Wirkung.
Selbst dann aber, wenn die Konsekration durch eine getreue Intention
des Priesters richtig gestellt werden sollte, bleibt diese Art unter
einer schweren Sünde untersagt. Dazu bemerkt Suarez: "Die
Sakramentenspender sind aufgrund göttlichen Rechtes verpflichtet, sich
jener Materien und Formen zu bedienen, welche von Christus eingesetzt
wurden. Das ist Glaubensgut und erfolgt innerlich aus der Einsetzung,
denn sie sind verpflichtet echte Sakramente darzubringen, nicht
Scheinsakramente oder falsche: sie erwirken aber keine echten
Sakramente, wenn sie nicht die von Christus verordnete Materie und Form
gebrauchen. (...) Es ist eine große Ungerechtigkeit, wenn ein neuer
Ritus gegen die Einsetzung Christi eingeführt wird und die Gläubigen so
um die wahren Sakramente und Heilsmittel gebracht werden. (...) Besitzt
der Spender nicht die entsprechende und notwendige Intention
(geschweige denn eine der wahren entgegengesetzte; O.K.) bei der
Darbringung des Sakramentes, dann begeht er eine Todsünde, und zwar
eine besonders schwere. (...) Das besondere, die Materie und die Form
der Sakramente betreffende Gesetz, wie sehr es auch vielen unbekannt
sein möchte, kann den Sakramentspendern nicht schuldlos unbekannt sein,
denn entweder sollen sie sich diesem Amte nicht zudrängen, oder wenn
sie es schon auf sich nehmen wollen, dann sind sie verpflichtet, zuerst
eine solche Unkenntnis zu beseitigen. (...) Aus dem Gesagten folgt, daß
der Sakramentenspender verpflichtet ist, eine sichere Materie und eine
sichere Form zu gebrauchen, und daß er schwer sündigt, wenn er von
einer zweifelhaften oder unsicheren Form Gebrauch macht, und eine
sichere übergeht; (...) so z.B., wenn er bei der Konsekration des
Kelches das "qui pro vobis et pro multis - der für euch und für viele"
auslassen würde. Bei einer solchen Änderung setzt der Sakramentspender
sich der Gefahr aus, nichts zu bewirken, da er das Sichere verläßt und
von dem Unsicheren Gebrauch macht. (...) Da besteht eine offensichtlich
und moralische Gefahr: Es ist also ein Sakrileg, sich einer solchen
Gefahr ohne Grund auszusetzen." 10) Außerdem wurde vom Papst Innozenz
XI. der Satz verworfen, wonach man bei einer sicheren Form eine
wahrscheinliche benützen darf. 11)
An und für sich ist es zwecklos zu streiten, ob der Novus Ordo ungültig
ist oder nicht, auf alle Fälle ist er unter einer schweren Sünde
verboten, und der, der eine solche Sache angeordnet hat, sei es auch
der Papst selbst, denn schließlich ist niemand anderer berechtigt, in
liturgische Angelegenheiten endgültig zu entscheiden - sündigt auf das
Schwerste, da er das Sakrament der Ungültigkeit aussetzt. Hiermit wird
ein schwer sündhafter Akt als nicht sündhafter bezeichnet, ja sogar
noch als besserer gegenüber dem vorausgehenden. Der, der das angeordnet
hat, versündigt sich hiermit gegen die Sittenlehre, und sagt sich so
von der Kirche los. "Ein offensichtlicher Häretiker kann also nicht
Papst sein", so lautet das Urteil des Kirchenlehrers, des hl. Robert
Bellarmin. 12)
Wie lange auch nun die Sedisvakanz dauern möchte, vergessen wir nicht die Verheißung Christi:
"Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt." (Matth. 28,20)
Anmerkungen:
1) Wernz S.J., Jus Decretalium, II. Pg. 692 sq 2) P.L. 54, 743ff. 3) Coll.Lac. VII/40l. 4) Gabrielis Biel, Canonis Missae Expositio, Lipsiensium 1513, Fol. 33a. 5) P.L. 120, Paschasius Radbertus, Liber de Corpore et Sanguine Domini, col. 1317. 6 Mansi, XL., 235 c. 7) Ad sacrosancta Concilia a Philippo Labbe et Gabriele Cossartio edita Apparatus alter, Venetiis 1728. 8) Defensio Fidei, lib.V. De antichristo, Tom. XX., Cap. XXI, 7.
9 Romani Pontificis in definiendo infallibilitas breviter demonstrata. Thyrsi Gonzales S.J. Parisli 1698. 10 Commentariorum ac Disputationum in tertiam partem divi Thomae,
Tom.III. qui est primus de Sacramen-tis. F. Suarez, Moguntii 1655, D
16. sect. II.qu. 65.
11) Denz. 1151/2101 Denz.S.
12) Controversio de Romano Pontifice, lib. II. cap. XXX.
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