Europa am Abgrund! Überwindung des Liberalismus oder Untergang?
von Werner Olles
Am 21. Mai 2013 kurz vor 15 Uhr trat der französische Schriftsteller Dominique Venner in die Kathedrale Notre Dame de Paris, ging zum Altar und schoß sich eine Kugel in den Kopf. Venner hinterließ einen Brief, um seine Tat zu erklären: „Da jedoch am Abend meines Lebens mein französisches und europäisches Vaterland in großer Gefahr schwebt, habe ich mich entschlossen zu handeln, solange es meine Kräfte noch zulassen. Während viele Menschen sich zu Sklaven ihres Lebens machen, verkörpert meine Geste eine Ethik des Willens. Ich übergebe mich dem Tod, um die trägen Geister aus ihrem Dämmerschlaf zu wecken. Ich erhebe mich gegen den Fatalismus. Ich erhebe mich gegen die Seelen zerstörenden Gifte und gegen den Angriff individueller Begierden auf die Anker unserer Identität, besonders auf die Familie, die intime Säule unserer Jahrtausende alten Zivilisation. Ebenso wie ich für die Identität aller Völker in ihren Heimatländern eintrete, erhebe ich mich zugleich gegen das vor unseren Augen begangene Verbrechen der Ersetzung unserer Völker durch andere. Ich verzichte auf den Rest Leben, der mir noch bleibt, für einen grundlegenden Akt des Protestes.“ Venner (1935 bis 2013) war politischer Aktivist und Theoretiker, Aristokrat und Rebell, Autor von über 50 historischen und politischen Büchern, darüber hinaus fünffacher Familienvater. In Deutschland sorgte er über ein politisches Fachpublikum hinaus durch seinen Freitod für Aufsehen, als er sich in der Kathedrale Notre Dame de Paris in den Kopf schoß, um gegen den Verfall der von ihm hochgehaltenen Werte: Ehre, Treue, Tradition und den anhaltenden Prozeß der Überfremdung in Frankreich zu protestieren. Von der programmierten Invasion des europäischen Territoriums bis hin zur Leugnung unserer europäischen Erinnerung hörte er nie auf sich gegen das, was uns eine verräterische politische und kulturelle Klasse zumutet, aufzulehnen. Er stellte die „Methaphysik der Grenzenlosigkeit“ (Alain de Benoist)) in Frage und wandte sich gegen den Kult von Schuld und Unterwerfung, der Europa innerlich zerstört. Diesem setzte er eine Kultur der Ethik der Ehre entgegen: „Ich wünsche mir, daß man in Zukunft vom Glockenturm meines Dorfes ebenso wie von den Türmen unserer Kathedralen weiterhin das friedensstiftende Läuten der Glocken hören wird. Doch mehr noch wünsche ich, daß sich die Anrufungen, die man in ihren Glauben hören wird, ändern werden. Ich hoffe, daß man aufhören wird, um Verzeihung und Erbarmen zu flehen, und stattdessen die Lebenskraft, die Würde und die Tatkraft anrufen wird.“
Fast vier Jahrzehnte vor Venners Freitod hat ein anderer großer französischer Schriftsteller, Jean Raspail, ein Buch geschrieben, das vieles von dem vorwegnahm, worunter wir heute in Europa und Deutschland leiden. „Das Heerlager der Heiligen“ ist eine prophetische Dystopie, die schildert, wie über eine Million verelendeter Inder mit ihren Booten an der französischen Küste anlanden, frenetisch bejubelt und willkommen geheißen von den herrschenden Gutmenschen. Als die Invasoren das Land schließlich überrennen, bleiben nur eine Handvoll mutiger Kämpfer übrig, die den Mut haben sich gegen die unbewaffnete Masse der Eindringling aufzulehnen. Es stellt sich heraus, daß Orte der Freiheit, des Glücks und des Friedens nur dann bestehen können, wenn sich genügend Tapfere erheben, sie zu verteidigen.
Zu lange haben die Europäer die Welt aus Schmutz und Blut, die schwindelerregende Bevölkerungsentwicklung und den tödlichen Willen der Bewohner der Dritten Welt Europa zu übernehmen, nicht zur Kenntnis genommen. Weit entfernt von Arabern, Türken und Schwarzafrikanern konnte es man sich leisten sich den Spielereien des Irrationalismus und des Relativismus hinzugeben. Spanien mußte im Jahr 711, dem Jahr seiner Eroberung durch die Araber lernen, daß der Feind fast kampflos das Land okkupierte. Erst Karl Martell und die Franken konnten im Jahre 732 in der siegreichen Schlacht bei Poitiers mit der Reconquista beginnen. Nach acht Jahrhunderten wurden die Mauren 1616 endgültig zurück nach Afrika geworfen, und dort noch weiter von den spanischen Truppen verfolgt, denn Angriff ist immer die beste Verteidigung. Erst danach begann das Abendland sich wieder an seine Traditionen zu erinnern. Karl V. landete 1541 in Algier, um dieses barbarische Piratennest auszuräuchern. Doch da seine Flotte durch einen Sturm zerstreut wurde, war er gezwungen wieder umzukehren, ohne die Stadt einzunehmen. Heute scheint außer Italien niemand mehr bereit zu sein die Grenzen Europas gegen den Ansturm aus Afrika und Asien zu verteidigen.
Zurück zu Dominique Venner, der durch seinen Freitod gegen die Islamisierung seines Vaterlandes und Europa protestieren und seine Warnungen vor dem Untergang des ehemals christlichen Abendlandes bekräftigen wollte. Vom Establishment, der herrschenden politisch-medialen linksliberalen Klasse verhöhnt, starb er, ohne daß dieser Akt als Fanal wirkte: Ein letzter Beweis, daß der Aktivist und Gelehrte auf verlorenem Posten stand. Diese totale Ablehnung durch die politischen und kulturellen Eliten stellt in der Tat eine völlig neue Art des Totalitarismus dar: Ein dahinsiechender, sterbender Kulturkreis, in dem freie Rede, Kunst, Literatur, Musik, Geisteswissenschaft und nicht zuletzt die von den „Kirchen“ verordnete Religion zu einem lächerlichen Spektakel verkommen sind. Dabei ist ein latenter Bürgerkrieg im Kommen, der an vielen Orten in Frankreich, England und Schweden bereits manifest ist, und in dem die westeuropäischen Völker gar nicht mehr existieren durch ihre verächtliche Ablehnung des christlichen und humanes Erbes. Die EU und ihre Vasallen huldigen der islamischen Kultur, die jedoch keine Kultur, sondern eine politische Aggression, finanziert durch islamische Staaten wie Katar, die Türkei, Kuwait, Algerien und Saudi-Arabien ist, die damit den „Krieg der Bäuche“ aktivieren, während in Europa die Seuche der Abtreibung wütet.
Jean Raspail spricht in diesem Zusammenhang von „all diesen hübschen guten Gewissen der guten Menschen“, den Liberalen und Sozialisten, die die Vermassung beschleunigen und den „großen Austausch“ (Renaud Camus) praktizieren. „Das Heerlager der Heiligen“ entstand 1971/72, und es schien damals unausweichlich, daß eines Tages die zahllosen Enterbten des Südens gleich einer Flutwelle auf diesem üppigen Ufer der Mittelmeerküste landen würden, dieser offenen Grenze des glücklichen Frankreichs. Die Handlung des Buches ist einfach, man kann sie in wenigen Sätzen zusammenfassen. Über hundert Schiffe mit vom Elend gezeichneten Armutsgestalten, Heerscharen aus der südlichen Halbkugel, angelockt von den Versprechen eines gelobten Landes in dem Milch und Honig fließen. Sie sind extrem mitleiderregend. Sie sind schwach. Sie sind unbewaffnet. Ihre Stärke liegt in ihrer Zahl, sie appellieren an unser weichliches Gutmenschentum. Sie sind „Die anderen“, die Masse, die Vorhut der Massen. Wir werden sie bei uns aufnehmen, auch auf die Gefahr hin, daß wir damit weitere Flotten voll beladen mit Unglücklichen ermutigen. Nicht nur Frankreich, das Abendland in seiner Gesamtheit sieht sich plötzlich in einer bedrohten Lage. Es droht die Gefahr der Überflutung. Was also tun? Es ist dies ein allegorischer Text. Er entspricht jedoch in der Realität einer kontinuierlichen Überflutung, die sich über viele Jahrzehnte hinweg erstreckt und erst in 20 bis 30 Jahren in voller Blüte vor unseren Augen stehen wird, wenn sich die finale demographische Wende abzeichnet: In Frankreich, unseren Nachbarländern werden in den Städten zwei Drittel der Bevölkerung leben, die Hälfte der Einwohner unter 50 Jahren nichteuropäischer Herkunft sein und der Anteil wird weiter steigen aufgrund des Drucks von zwei oder drei Milliarden, die aus Asien und Afrika nach Europa drängen. Europas Völker mit ihren verkümmerten Geburtenraten und ihrer schrecklichen Überalterung werden dem nichts entgegen setzen können. „Die Anderen“ werden eines Tages in der Mehrheit sein, und nichts wird die Entwicklung aufhalten.
Raspail beschreibt das „Heerlager“ als „ein ungestümes, zorniges, energievolles Buch, fast schon heiter in seiner Verzweiflung, aber wüst, vielleicht brutal und abstoßend in den Augen der zarten Gewissen, die sich endemisch ausbreiten.“ In dem besetzten Land haben die Autoritäten vor der Invasion kapituliert, die Bevölkerung flieht in Massen nach Norden, räumt ihre gottgesegnete Erde und ihr geplünderten Supermärkte. Das alte Frankreich wird von gut einem Dutzend Tapferer verteidigt, die schließlich von der eigenen Armee erledigt werden. Raspail, dieser Prophet, brach das obligatorische Totschweigen und die Reaktion kam prompt. 2010 schrieb Minister Eric Besson: “Frankreich ist weder ein Volk, noch eine Sprache, noch ein geographisches Gebiet, noch eine Religion, sondern ein Konglomerat aus Völkern, die zusammenleben wollen, es gibt keine angestammten Franzosen, es gibt nur gemischte Franzosen.“ Der Ausdruck „Stammfranzose“ habe nicht den geringsten Sinn: „Wir sind alle Mischlinge.“ Dies traf auf keinerlei Widerspruch, obwohl Frankreich nichts anderes war als Europa. Was den Autor in den Abgrund einer verzweifelten und wütenden Fassungslosigkeit stürzte, war die Frage warum sich die vorgewarnten Franzosen dermaßen blind, methodisch, ja zynisch an der Opferung eines bestimmten Frankreichs auf dem Altar eines übersteigerten Humanitarismus beteiligten. Schließlich handelt es sich um seine Landsleute, und bei dem Gedanken daran begann er eine tiefsitzende Übelkeit zu empfinden. Warum bestanden sie darauf die Grundmauern ihres Landes zu zerstören? Waren sie wirklich noch Franzosen? Ex-Premierminister Fabius faselte von den „schönen Gesichtern von jungen Französinnen mit Migrationshintergrund!“, Mitterand befand: “Mein Haus ist auch das ihrige“ und Chirac sprach von einem „Europa, dessen Wurzeln ebenso muslimisch wie christlich sind“. Gewiß, es handelt sich dabei um einen Roman, aber sämtliche Präsidenten haben sich stets davor gehütet sich öffentlich der Wahrheit zu stellen, aus Furcht davor Konsequenzen zu ziehen und wirkliche Entscheidungen treffen zu müssen. Dabei ist klar: „Feigheit vor den Schwachen ist die wirksamste, durchdringendste und tödlichste Feigheit“ (Raspail). Ihre humanitaristische Fernstenliebe hat den Sinn der christliche Nächstenliebe entleert, die man seinem „Nächsten“ schuldig ist, sie hat sie für seine utilitaristischen, ökonomischen Zwecke verdreht. War das französische Volk noch ein “europäisches Volk weißer Rasse mit griechisch-lateinischer Kultur?“ Diese Schwelle wurde im Namen der „Weltoffenheit“ überrannt, weil auch die katholischen Bataillone zusammengeschmolzen und der Nachwuchs an Priestern ins Stocken geraten war, und das Bischofsamt seine Kraft nicht wieder gefunden hat. Raspail ist dennoch nicht mehr so pessimistisch wie früher. Er sieht die katholische Minderheit kämpfen mit dem Rücken zur Wand. Die jungen Priester sind weniger, aber dafür außerordentlich motiviert. In den Abteien und Prioren wachen und beten die Mönche und Nonnen, und die Berufenen strömen ihnen zu: Wenn man an die Gnade Gottes glaubt und die Vergeltung der guten Werke und die Gemeinschaft der Heiligen, dann könnte sich die Christenheit in Frankreich auf die Morgendämmerung einer Wiedergeburt zu bewegen. Unsere christlichen Wurzeln, deren Ernennung in der Präambel in der Europa-Verfassung von Jacques Chirac verhindert wurde, sind noch nicht ganz ausgerodet. Raspail gesteht, im Jahr 1973 die heutige Macht des Islam nicht vorausgesehen zu haben. Tatsächlich ist er der am besten organisierte und am stärksten entschlossene Bestandteil der Flut aus Völkern, Stämmen und exotischen Nationalitäten die an unsere Pforten drängen, und sobald sie aufgebrochen sind damit beginnen den Fortbestand ihrer Nachkommenschaft zu sichern: “Daher die ganzen Moscheen, die Minarette, die man wohl eines Tages im Ausgleich für unsere Glocken gewähren wird, die verschleierten Frauen, der Ramadan, die Ausbildung von Imamen und die Einrichtung muslimischer Feiertage, die Opferung von Schafen, das Marketing von Halal-Produkten, der offiziell geförderte Koranunterricht, die religiösen Radio- und Fernsehsender.“ Raspail baut darauf, was die Ethnologen als „Isolate“ bezeichnen: „Kraftvolle Minderheiten, vielleicht zwanzig Millionen die übrigens nicht unbedingt weiß sein müssen, denn weiß sein ist keine Farbe oder Herkunft sondern eine Haltung.“ Diese werden festhalten an unserer Geschichte und Kultur, wie sie uns von Generation zu Generation überliefert wurde, sie werden Kraft aus den Familien schöpfen, ihren Geburtenraten, ihren Schulen, ihren solidarischen Netzwerken, sogar aus ihren geographischen Zonen, ihren territorialen Hoheitsgebieten und aus ihrem christlichen und mit etwas Glück auch katholischen Glauben, wenn dieser bis dahin erhalten bleibt. Die letzten Isolate werden bis zum Aufruf einer Reconquista durchhalten, die sich zwar vom spanischen Vorbild unterscheidet, aber von den selben Motiven beseelt sein wird. Auch in Dänemark, in den Niederlanden, in Belgien, in der Schweiz, in Italien, Österreich, ja vielleicht sogar in ganz Europa werden ähnliche Isolate erhalten bleiben, die sich einer solchen Bewegung anschließen könnten.
Im einen Interview mit seinem Übersetzer Martin Lichtmesz besteht Raspail darauf, daß das Integrationsmodell nicht funktioniert, daß die Zahl der Invasoren nicht aufhören wird zu wachsen, aber daß das Volk weiß, das viele Dinge vor ihm geheim gehalten werden und dutzende Millionen Menschen heute nicht mehr an das offizielle Geschwätz über Einwanderung glauben, da sie ja die alltägliche Wirklichkeit vor Augen haben. Raspail bestreitet, daß es eine „Einbürgerung auf dem Papier“ geben kann, die auch ein Bürgertum im Herzen bedeute, er kann in den Invasoren in der Dritten Welt keine Landsleute sehen. Auf die Frage, wie Europa mit der Einwanderung umgehen soll antwortet er: „Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder wir nehmen sie auf und Frankreich - also seine Kultur, seine Zivilisation wird ausgelöscht werden, ohne auch nur ein Begräbnis zu bekommen. Das ist es auch, was meiner Meinung nach passieren wird. Oder wir nehmen sie überhaupt nicht mehr auf - das bedeutet, daß wir aufhören, „den Anderen“ zu vergötzen und stattdessen lernen, unseren Nächsten wieder zu entdecken. Das bedeutet auch, daß wir für einige Zeit diesen „verrückt gewordenen christlichen Ideen“ abschwören müssen, wie Chesterton es ausdrückte, den fehlgeleiteten Menschenrechten. Wir müssen stattdessen als Kollektiv unwiderruflich auf Distanz gehen, um die Auflösung unseres Landes und die allgemeine Vermischung aufzuhalten. Ich bin in meiner Jugend viel gereist. Alle Völker können begeistern, aber wenn man sie zu sehr vermischt, dann entsteht eher Feindseligkeit statt Sympathie. Die Vermischung also ist niemals friedlich, das zu glauben ist eine gefährliche Utopie. Sehen sie sich nur Südafrika an!“. Schonungslos rechnet Raspail mit der gefühlsduseligen Großrednerei und der Verantwortungslosigkeit der Fürsprecher der Einwanderung ab. Die Maßnahmen die er vorschlägt, werden mit einer erheblichen Zwangsausübung verbunden sein, und daher glaubt er nicht, daß es dazu kommen wird, weil niemand dazu den Mut hat. Eine Chance besteht für ihn in der ethnischen und kulturellen Isolation, durch die sich Bevölkerungsgruppen vor der Bedrohung durch andere Gruppen schützen. Eine solche Entwicklung sei bereits im Gange: Man könne beobachten, daß sich die Stammfranzosen aus den sogenannten problematischen Stadtteilen zurückziehen, die Demonstrationen gegen die Homo-Ehe bezeugten, daß Millionen von Franzosen den Zivilisationswandel ablehnten, den die Linken versprochen haben. Doch ohne schwere Auseinandersetzung werde all dies letzten Endes zu nichts führen. Es bedürfe Menschen, die an ihr Vaterland glauben, doch davon sieht er nicht mehr viele. Lehrern und Journalisten, die sich an der Desinformation beteiligten, müsse die Plattform entzogen werden, weil sie die Idee der Nation entheiligten, die Ausübung von Macht, die Vergangenheit unseres Landes. Besonders die Linke habe die Gestalt Frankreichs entstellt bis zu einem Punkt, an dem es nichts mehr gibt, das Ehrfurcht gebietet. Tatsächlich scheine die Macht der falschen Ideen, die von dem herrschenden Bildungssystem und den Medien verbreitet werden, grenzenlos zu sein. Raspail, er ist inzwischen 93 und gläubiger Katholik: „Soweit es mich angeht, ich lebe seit 1500 Jahren in Frankreich, ich bin mit dem zufrieden, was mir gehört, und ich habe keinerlei Bedürfnis, irgendetwas daran zu ändern.“ Er sieht sich selbst als Royalist, doch der Royalismus, wie er ihn versteht, „ist keine politische Institution, sondern eine ethische philosophische und religiöse Haltung, eine schöne und vornehme Idee, die unseren edlen Bestrebungen Genugtuung verschafft: dem Heroismus und dem Sinn für das Sakrale und Ideale.“ Doch die Erinnerung an die Heilige Salbung, die früher die Krönung vollendete, sei aus dem kollektiven Bewußtsein verschwunden: „Der König, das Erbe, das Königreich der Franzosen, Gottes Anwesenheit in der Herrschaft, der Sinn der Geschichte, das Schicksal der Nation, verkörpert durch einen Herrscher, der jenseits des allgemeinen Wahlrechts steht: all das hat für 99,5 Prozent unserer Landsleute keine Bedeutung mehr. Frankreich ist eines der stärksten entchristianisierten Länder Europas, aber ohne Gott kein König!“ Raspail: „Es ist der Funke des Sakralen, der den Mensch zur Transzendenz erhebt. Dazu bedarf es nicht einmal der königlichen Herrschaft, es genügt die bloße Anwesenheit des Königlichen. Sollte die Monarchie in Frankreich eines Tages restauriert werden, wäre ich der erste der Königstreuen.“ Der kriecherische Kollektivismus des Denkens der „politisch Korrekten“ und ihre Phrasendreschereien fordern für ihn jenseits von leisetreterischen Versammlungen den Widerstand geradezu heraus. Nicht notwendigerweise den bewaffneten, aber eben doch ganz entschiedene Rebellierungen und Absagen. Doch dazu bedürfe es der symbolischen Aktionen der Aufstände. Im 19. Jahrhundert sieht er das außergewöhnlichste, denn damals gab es noch eine Welt, in der alles offen stand: „Man lebte in einer sehr alten Zivilisation, aber man ahnte die Heraufkunft der modernen Möglichkeiten, ohne daß sie uns versklavten, wie es heute der Fall ist.“ Für ihn erlaubt die heutige Welt überhaupt keine Träume mehr, was auch die Verwirrung erkläre, die sich mehr und mehr ausbreite, vor allem unter der Jugend: „Und trotzdem - wie phantastisch muß es gewesen sein, wenn man vor etwa hundert Jahren jung war, als die ganze Welt offen zu stehen schien, als es noch alle möglichen Dinge zu entdecken gab, als noch leere Flecken auf der Erde darauf warteten, daß man sie erobere! Das war wunderbar, heute träumt man höchstens noch davon den Weltraum zu erobern - der ein Maschinenuniversum ist - oder eben das innere mystische Leben zu erweitern. Andere Träume sehe ich nicht, wir wissen nicht mehr auf welches Ziel wir unsere Träume richten sollen. Wenn ich meine Bücher schreibe erzähle ich mir selbst eine Geschichte, und es ist fast immer dieselbe: die Suche nach dem absolut unerreichbaren Traum.“
Ein letzter Satz am Ende, der nicht von Raspail stammt, sondern vom Verfasser dieser Zeilen. Der Philosoph Max Horkheimer, neben Adorno der bedeutendste Vertreter der „Frankfurter Schule“ schrieb einst: “Der Westen ist eine Insel der Freiheit in einem Meer der Gewalt.“ Heute müßte es heißen: „Der Westen ist eine Insel der Dummheit und Feigheit in einem Meer von Blut und Gewalt!“
Werner Olles
Literaturempfehlungen: Jean Raspail: Der letzte Franzose, Verlag Antaios, Schnellroda 2014. 4. Auflage 2018, 96 S. Jean Raspail: Das Heerlager der Heiligen, Verlag Antaios, Schnellroda 2016. 3.Aufl., 416 S. Dominique Venner: Das rebellische Herz. Jungeuropa Verlag, Dresden 2018. 181 S.
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