Himmelfahrt
Christus im Herzen
vom hl. Augustinus aus: DAS ANTLITZ DER KIRCHE, Einsiedeln - Köln 1955, S. 160 f.
[120] «Wenn ihr mich liebtet, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe, denn der Vater ist größer als ich» (Joh 14,28). Festgebannt an den Menschen, vermochten sie Gott nicht zu denken. Erst dann würden sie Gott denken, wenn von ihnen und von ihren Augen der Mensch hinweggenommen würde, und sie durch Aufhebung jenes gewohnten Umgangs mit dem Fleische lernten, auch in Abwesenheit des Fleisches die Gottheit zu denken... „Dieses Gewand, das ich in Niedrigkeit anzog, sollt ihr nun allmählich nicht mehr sehen: doch soll es in den Himmel hinaufgehoben werden, auf daß ihr lernet, was ihr zu erhoffen habt.“ Denn nicht zog er hienieden das Kleid wieder aus, das er hienieden angezogen. Hätte er es getan, so müßten alle an der Auferstehung des Fleisches verzweifeln... Aber freilich entzog sich ihren Augen der menschliche Anblick, und fortan sahen sie den Menschen nicht mehr. Wenn in ihren Herzen eine Spur von fleischlicher Sehnsucht zurückblieb, so mußte diese gleichsam Betrübnis empfinden. Dennoch versammelten sie sich alle und begannen zu beten. Er aber wollte ihnen nach zehn Tagen den Heiligen Geist herabsenden, damit der Heilige Geist sie mit geistiger Liebe erfülle und die fleischlichen Sehnsüchte verzehre. Der ließ sie Christus begreifen, so wie er Wort Gottes war, Gott bei Gott, durch den alles geschaffen ward. Mit solchem Begreifen aber konnten sie erst erfüllt werden, nachdem sich die fleischliche Liebe ihren Blicken entzog.
Und darum sagt er: «Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe, denn der Vater ist größer als ich.» Gemäß dem Menschen ist er größer als ich, gemäß Gott ist er gleich groß... So wie einer, der ein Gewand anzieht, sich nicht in das Gewand verwandelt, sondern innen der unversehrte Mensch bleibt: auch wenn ein Senator ein Sklavengewand anzieht, wenn er vielleicht nicht mit dem Senatorengewand in den Kerker eintreten kann, um einen Gefangenen zu trösten, sondern ein Gefängnisgewand anzieht, und er scheint in seiner Herablassung schmutzig einherzukommen, innen aber bleibt die Senatorenwürde um so unversehrter, je größer das Erbarmen war, das ihn zum Anziehen des niedrigen Gewandes bewog -: so ist auch der Herr, bleibend Gott, bleibend Wort, bleibend Weisheit, bleibend göttliche Macht, bleibend in der Lenkung der Himmel, bleibend in der Verwaltung der Erde, erfüllend die Engel, ganz allenthalben, ganz in der Welt, ganz in den Patriarchen, ganz in den Propheten, ganz in allen Heiligen, ganz im Schoße der Jungfrau [herabgestiegen], um sich mit Fleisch zu bekleiden, das Fleisch wie eine Braut sich anzutrauen, um «aus seinem Brautgemach wie ein Bräutigam hervorzugehen» und sich der Kirche, der reinen Jungfrau, anzuverloben. Dazu ist er geringer als der Vater, als Mensch; dem Vater aber gleich, als Gott.
So hebet also hinweg die fleischlichen Gelüste. Als spräche er zu den Aposteln: „Ihr wollt mich nicht ziehen lassen, so, wie ein jeder seinen Freund zurückhalten will und ihm gleichsam sagt: Bleib noch ein Weilchen bei uns, unsere Seele erlabt sich, wenn sie dich sieht; -aber besser ist es, ihr seht dieses Fleisch nicht mehr und denket der Gottheit. Äußerlich hebe ich mich hinweg von euch, und mit mir selber erfülle ich euch inwendig.“ Tritt denn etwa nach dem Fleisch und mit dem Fleische Christus ins Herz ein? Nach der Gottheit besitzt er das Herz: nach dem Fleische spricht er durch den Anblick zum Herzen und ermahnt von außen, wohnend darinnen, daß wir nach innen hin uns bekehren und belebt werden von ihm und gebildet werden aus ihm, dem unerschaffenen Urbild aller Gebilde. |