DER KATARRH
des Dr. med. Robert Steidle
von
Dr. Joachim May
Welches ungeheuerliche Ausmaß an Manipulation mit Leserbriefseiten seit
langem betrieben wird, wissen leider nur wenige. Was sich die "Münchner
Katholische Kirchenzeitung" kürzlich (25.4.1971) auf diesem Gebiet
leistete, gehört in den Bereich des Kabaretts. Hier zeigt sich am
konkreten Beispiel und für jedermann weithin sichtbar, daß sich dieses
Bistumsblatt auf dem Weg zur totalen Lächerlichkeit befindet.
Da schrieb ein Dr. med. Robert Steidle, Mitglied einer
"Wochenend-Bauern Pfarrei", daß ihm "mitten in einer Welle von Grippe,
Viren und Bazillen" die Nase "rann" und er von "Reizhusten
gequält worden sei - "unerträglich", betont er. Natürlich wollte er auf
den Empfang der hl.Kommunion nicht verzichten -trotz allem -, und
"ertappte" (!) sich auf dem Weg dazu. Da erwachte sein
"Medizinergewissen", ja es "sträubte" sich förmlich: er könnte doch
andere Kommunikanten anstecken.! Welcher entsetzliche Gedanke! Tod und
Verderben an der Kommunionbank (wenn es eine gab)! Aufgescheucht vom
"Medizinergewissen" (wie feinfühlig ein solches doch sein kann!) wollte
er "schon umkehren". Hätte er es doch nur getan! Aber: Da sah er "die
kleinen Bauernbuben vertrauensvoll ihre Kinderhände dem Heiland
entgegenstrecken". Was muß das für eine Pfarrei sein, in der schon die
Kleinen auf Handkommunion gedrillt sind! Und welcher rührselige Ton
schwingt da mit ("kleine Bauernbuben", "vertrauensvoll", "Heiland")! Da
hatte der Dr.med. Steidle seinen großen Augenblick. Da vollzog sich
eine wirkliche conversio in ihm. "Gegen 60jährige Gewohnheit"!) "zwang"
(!) er sich - Achtung: Alarm! Ansteckung! Medizinergewissen!
Lebensgefahr! - zur Handkommunion. Welch ein Geschenk der Freiheit" ist
doch diese "Handkommunion", durch die "bewußt Infektionen vermieden
werden können"! (Wer lacht denn da?)
Diese medizinische Variante der Handkommunion war bisher nicht genügend
bekannt. Der erstaunte Laie fragt sich nur, ob dem Mediziner Dr.
Steidle nicht bekannt ist, daß jede Türklinke, jeder Geldschein, jedes
Händeschütteln, jeder Telefonhörer und so manches andere, was uns viel
häufiger begegnet als der Empfang der Kommunion, eine um vieles
multiplizierte Gefahr der "Ansteckung" mit sich bringen. In jeder
Menschenansammlung, also auch bei jeder Messe, ist die Luft von
Bazillen und Viren gefüllt.
Würde man Dr.Steidles medizinischem Gewissen konsequent folgen, müßte
man nicht nur jede Messe, man müßte auch jede Theaterveranstaltung der
Kolpingsfamilie, jede Diskussion, jeden Tanzabend der katholischen
Land- oder Pfarrjugend und überhaupt jedes menschliche Beisammensein
verbieten. Die Folgerungen sind uferlos. Jeder, der auch nur über
primitive Kenntnisse medizinischer Art verfügt, weiß das. In der
Konsequenz der Dr.Steidleschen Ausführungen liegt es auch, sich bei der
Kommunion selbs zu "bedienent", denn auch dem Priester kann ja die Nase
rinnen... Was der Mediziner Dr.Steidle den Lesern der MkKZ da
vorerzählt, mag persönlich durchaus glaubhaft und ehrenwert sein. Der
hl.Geist hat ihm diese Worte sicher nicht eingegeben. Daß die MkKZ
solche Auslassungen mit größtem Vergnügen abdruckt, versteht sich.Mit
der Aufzeigung der Bazillengefahr die Handkommunion den Leuten
schmackhaft zu machen, das ist ein neuer Gag.
Jedoch: Dieser medizinisch getarnte eucharistische Minimalismus, - die
Mundkommunion mit Bazillen- und Viren-Angst abzuwerten - das ist das
Absinken zur totalen Lächerlichkeit. Selbst der Dümmste merkt, was hier
- auf der Leserbriefseite - gespielt wird.Mit einem: Wort: Ekelhaft!
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