"COLLIN SAGT DAS AUCH..."
von
Dr. Werner Hensellek
Wenn auf der Straße ein Verrückter den Leuten den Weg versperrt, um sie
anzubrüllen: "Zwei mal zwei ist vier - wer auf mich hört, hört auf::die
Wahrheit!", so läßt sich auf verschiedene Art darauf reagieren: man
kann einfach weitergehen; oder man kann beeindruckt sein und dem
Verrückten glauben; oder zu ihm sagen, er habe offenbar
mathematische Grundkenntnisse, dürfe sich deshalb aber nicht einbilden,
die Wahrheit zu seine oder man kann unter dem Eindruck der Verrücktheit
des anderen beginnen, an der Gültigkeit des Einmaleins zu zweifeln.
Hier wird eingewendet werden, die ersten drei Reaktionsweisen seien
sofern man das Bild überhaupt akzeptieren wolle - einigermaßen
realistisch, und es mache keine Schwierigkeit, sie sich vorzustellen;
die vierte jedoch sei einfach absurd, kein normaler Mensch wäre ihrer
fähig, und ein Verrückter würde die Variante Zwei wählen. Demgegenüber
muß die traurige Feststellung getroffen werden, daß gerade Variante
Vier einer Kardinalschwäche des Menschen im allgemeinen und (seit
neuestem) gewisser Katholiken im besonderen entspricht.
Ein Schweizer Freund, der seit Jahren unter Opfern für die Sache
Christi streitet, machte mich vor einiger Zeit mit einem "Argument"
unserer Gegner bekannt, das mich wegen seiner außerordentlichen
Plattheit ebenso überraschte wie erheiterte: durch unseren starren
Traditionalismus trieben wir die armen Gläubigen in die Fänge des Herrn
Collin. Für jene, die es nicht wissen: Collin hält sich für den
legitimen Papst, läßt sich als solcher "Clemens XV." nennen und sagt
(bzw. sagte) ab und zu Richtiges (wer hier von "peinlichen Wahrheitent"
redet, ist bereits Anwärter auf Variante Vier). Auf mein herzliches
Lachen versicherte mir mein Freund sehr ernst, da gebe es nichts zu
lachen, viele gute Leute ließen sich von diesem Vorwurf beeindrucken.
Und wirklich, ich hätte es besser wissen müssen: eine ähnliche
Mentalität vermochte es im Österreich der Nachkriegsseit, das Schulfach
"Deutsch" in "Unterrichtssprache" umzunennen"; "Deutsch" roch so nach
Anschluß (das ist kein Witz, sondern wirklich wahr).
Wie dem auch sei, ich wurde nachdenklich und kam zu dem beunruhigenden
Ergebnis, daß mir selbst eine ganze Reihe treuer oder zumindest mir als
treu erscheinender Katholiken bekannt war, die seit dem Ausbruch des
Unheils mit Vatikanum II in wachsendem Maß ihre Entscheidungen und
Stellungnahmen in kirchlichen Dingen nicht aus eigenem bestimmen,
sondern von anderen, indirekt, bestimmen lassen; die sich immer wieder
der Einsperrung in erfundene Alternativen ergeben, was meist so einen
Anfang nahm: "Was du sagst, sagt auch der X, und der X ist ein Narr -
ich möchte kein Narr werden!"
Wer einmal beginnt, in dieser Manier zu urteilen, gibt dem Teufel "den
kleinen Finger", d.h.er gibt ihm seine Chance. Eine Chance läßt sich
der Teufel nicht zweimal geben: Da hat man also immer ein Ohr bei den
Collinisten (oder bei ähnlichen traurigen Gestalten) und zuckt
zusammen, wenn man einen gleichen oder verwandten Satz oder
Gedankengang vernimmt; wenn man hört, was man selbst schon gedacht oder
gar - entsetzlich! - geäußert hat. Man wird sich in Hinkunft besser
vorsehen müssen, denkt man, nicht mehr so schroff formulieren dürfen;
schließlich ist man sich und der Sache eine klare, unmißverständliche
Distanzierung schuldig. Nur um keinen Preis mit solchen Leuten in
Zusammenhang gebracht werden!
Und der Schrecken hat ja auch kein Ende; da taucht schon wieder so ein
Papst auf, diesmal ein Gregor: Gregor XVII., erklärter Gegner der
Reform, bietet sich in Kanada als gottgesandter Retter an; viele haben
bereits das Banner gewechselt, ihre Angriffe auf Paul VI. und die
Hierarchie klingen einem so vertraut. Schrecklich! Und morgen ist es
dann ein Benedikt XVI., der von ein paar Wirrköpfen in Spanien auf den
Schild gehoben wird, übermorgen ein Leo in Mistelbach, und sie alle
werden über Paul VI. herziehen. Und in dem Maßt, in dem die Narren, die
Paul VI. angreifen, zunehmen, schwindet der Wahrheitsgehalt der
Urteile, die man selbst einmal geteilt hat, und wächst die
Wahrscheinlichkeit, daß man selbst so ein Narr geweseh ist. An diesem
Punkt angelangt, beginnt man konfus zu werden und just in dieser
labilen Verfassung begegnet man einem lieben alten Bekannten, einem
besonnenen Menschen, der die Reformer "auch nicht mag", doch immer
"vernünftiges Maß" gehalten hat und für "Eiferer" ein gütiges Lächeln
übrig hat. Gebannt lauscht man ihm, wie er seine Sätze so adrett mit
"sicher ist nicht alles Gold, was der Papst tut" einleitet, um sie mit
"...sieht man ja z.B. an den Collinisten" zu beenden. Und dann
geht man, ein paar Zentimeter kleiner geworden, nach Hause, düsteren
Sinnes und mit sich zerworfen. Dann beginnt das, was man selbst
"nachdenken" nennt, hängt aber in Wahrheit nun Stimmungen nach;
schließlich wird man panisch, und hier setst der Verhärtungsprozeß ein:
man will "nichts mehr hören" und "in Ruhe gelassen werden". "Es ist
nicht meine Aufgabe über den Papst zu urteilen" sagt man und trotzt
unwiderleglichen Argumenten, oder versucht ihnen mit geheimnisvollem
Irrationalismus zu begegnen und stoppelt sich ein lachhaftes Ragout von
Halbwahrheiten zusammen, das niemand, auch man selbst nicht, verdauen
kann. Und dann endlich - dann hat einen der Teufel dort.... wo er einen
haben wollte. Was halten solche Leute eigentlich vom Teufel? Kann er
für sie mehr sein als eine Art transzendente Grottenbahnfigur, die sich
zähneknirschend die akademische Betüftelung gefallen lassen und warten
muß, bis sie zur Versuchung allergnädigst vorgelassen wird?
Wie dumm, wie primitiv wären seine Methoden, sollten sie in dieses
Schwarz-Weiß-System hineinpassen können. Es heißt den Teufel
lebensgefährlich unterschätz man, wenn man seine Angriffe immer nur in
einer Stoßrichtung erwartet (falls man sie überhaupt ernstlich
erwartet). Nein, der Tenfel ist der Meister der Zangenoperation, er
kommt immer von zwei Seiten. Um bei unserem Bild zu bleiben: .. er läßt
die Verbindung "zwei mal zwei ist vier - wer auf mich hört, hört auf
die...Wahrheit!" nicht nur deshalb herstellen, damit sich Opfer fänden,
die das glauben, sondern ebenso damit sich Leute fänden, die aus
Verwirrung dem kleinen Einmaleins zu mißtrauen beginnen. Wo
beispielsweise ein dämonischer Diktator auftritt und Richtiges sagt,
dient das nicht nur der Verführung im direkten, sondern auch im
indirekten Sinne: es soll nicht nur Menschen dazu bringen, ihm zu
folgen; es soll ebenso jene, die das nicht tun, dazu bringen, auch das
Richtige, das er sagen mag, für falsch zu halten.
So hält der Teufel immer doppelt Ernte und rechnet auch mit zweifachem
Ertrag: er hetzt einen Narren auf die Gläubigen und bringt viele zum
Abfall; zugleich sorgt er dafür, daß aus Angst, diesem Narren nach dem
Mund zu reden, gelogen und schließlich Gott der Gehorsam verweigert
wird. Der Teutel hat, in der Vorentscheidung sozusagen immer schon
gewonnen, wo Alternativen anerkannt werden, die keine sind.
Ein wahrer Satz wird nicht dadurch unwahr, daß ein Lügner ihn
formuliert, und ein unwahrer nicht durch den Mund des Heiligen wahr.
Und wenn man die Kirche vor lauter Gegenpäpsten aus eigener Gnade nicht
mehr sehen würde, die alle sagten, Paul VI. sei eine unüberbietbare
Katastrophe, oder die meisten der heutigen Meßfeiern seien
Teufelsmessen und Paul VI. trage Schuld daran, so hätten sie
damit recht, weil es die Wahrheit ist, und der Abfall zur Lüge
wäre in dem Gedanken vollzogen: "du darfst es nicht sagen, denn die
sagen es auch". Die Wahrheit darf man nicht nur, man muß sie sagen,
selbst wenn der Teutel persönlich sie ausspräche.
|