Buchbesprechung: Daniele Dell Agli: „Cherchez la femme. Über Bilderkriege, die Agonie des Patriarchats und die Pyrrhussiege des Feminismus“
von Werner Olles
Bereits die Sätze aus dem Vorwort von Daniele Dell Aglis Essay „Cherchez la femme“ haben es in sich: „Angeblich leben wir in Zeiten wachsenden Islamhasses. Wenn das stimmt, stellt sich die Frage, wer ihn schürt: Jene, die kritisch auf die Unvereinbarkeit einer koranbasierten Religionspraxis mit den Prinzipien aufgeklärt moderner Lebensformen hinweisen oder nicht viel mehr die Vertreter des politisch-korrekten Mainstreams, die nicht müde werden, gegen alle Evidenzen das Gegenteil zu behaupten. Ironischerweise ist es gerade diese um Akzeptanz werbende – im übrigen unglaubwürdige – Haltung des multikulturellen Establishments, die immer mehr Leute in Rage bringt, in dem Maße, wie sie jede offene Diskussion unterdrückt, der noch marginalen und sehr heterogenen Phalanx der Islamgegner Zulauf beschert.“ So erinnert der Autor an den schweizer-israelischen Philosophen Carlo Strenger, der in seiner Streitschrift „Zivilisierte Verachtung“ eine Aufklärung beklagt, die vor lauter Selbstzweifel und schlechtem Gewissen ihre Prinzipien relativiert. Diese arbeite an der Abschaffung der politischen Grundlagen, die sie tragen, schließlich bleibe Kritik ohne Leidenschaft und Kampfeswillen stumpf: „Wenn andere Kulturen nicht kritisiert werden dürfen, kann man die eigene nicht verteidigen. Der Glaube, die Politische Korrektheit garantiere das harmonische Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, hat sich als Illusion entpuppt. (...) Kein Mensch kann authentisch respektieren, was er in Wahrheit für unmoralisch, irrational oder ganz einfach dumm hält.“ Dell Agli untersucht die vielfältigen Motive der jungen Männer, die aus Europa zu den IS-Terroristen stoßen: verunsicherte Geschlechterrollen, prügelnde Väter, falsche Freunde oder geschickt anwerbende Religionsfanatiker auf der Straße und im Internet. Daß selbst die gut Ausgebildeten vor dem Sog der manichäischen Propaganda nicht gefeit sind, straft all jene Lügen die sich eifrig beeilen, einmal mehr die Rolle des Islam zu bagatellisieren. So stammt ein Drittel der deutschen IS-Legionäre aus Mittelstandsmilieus, der kürzlich eliminierte Jihadi-John, ein videogeprüfter Schlächter des IS, war Programmierer aus gutsituierter britischer Familie. Der Autor leugnet nicht die schweren geopolitischen Fehler des Westens seit den Zeiten des Völkerbunds, doch das Potential zur ultimativen Verrohung, der Entschluß, andere zu töten und das eigene Leben zu opfern, und zwar nicht als verzweifeltes Individuum, sondern als narzißtisch Berauschte, ferngesteuerte Marionetten, gehört in den Verantwortungsbereich der islamischen Propaganda, die als Keim durch Lektüre, Predigten und andere Formen kollektiver Aneignung des Korans angelegt ist. Hier findet sich auch der notorische Frauenhaß, den die afghanischen Taliban und der IS praktizieren, indem sie den Frauen sämtliche Menschenrechte absprechen. Ideologisch motivierte Schandtaten an Frauen und Mädchen wie „Ehrenmorde“, Zwangsehen etc. werden auch hierzulande im Namen der Toleranz, des Kulturrelativismus und eines saftlosen Liberalismus geduldet, anstatt die Rechtlosigkeit junger Frauen und Mädchen innerhalb der islamischen Parallelgesellschaften endlich per Strafrecht aufzubrechen und dem psycho-sexuellen Abgrund ein Ende zu bereiten. „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ Hirsi Ali fand bei ihrer Arbeit in niederländischen Frauenhäusern kaum muslimische Frauen, die nicht der Meinung waren, ihre Herren und Besitzer (Männer, Väter, Brüder) hätten das Recht, sie zu schlagen, zu demütigen, zu verschleiern, zu vergewaltigen oder einzusperren. Liberale Muslime, wie die „Islampädagogin“ Lamya Kaddor, drücken sich um diese Wahrheit. Kaddor spricht von Muslimen, die zum wahhabitischen Salafismus „konvertieren“, als handele es sich hierbei um eine andere Glaubensrichtung ohne den geringsten Bezug zu den basalen Texten des Islam. Es sind diese Lebenslügen, die unter der sattsam bekannten Exkulpationsgeste „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ die liberalen von den fundamentalistischen Muslimen praktisch ununterscheidbar machen. Im Gegensatz zu Kaddor stehen die Streitschriften von Hirsi Ali, Necla Kelek, Seyran Ates, Hamed Abdel-Samad, Tilman Nagel etc., die mit wissenschaftlicher Akribie nachweisen, warum es keine Möglichkeit gibt, aufgrund der kanonischen Texte des Islam eine friedliche, mit den Menschenrechten kompatible Version davon zu lehren. So kann man bei Ali wie bei Abdel-Samad anhand einer beeindruckenden Fülle von Stellen aus Koran und Hadithen nachvollziehen, daß Dschihad und Scharia von Anfang an darauf abzielten, das muslimische Subjekt auf einen aggressiven, auf Welteroberung zielenden Kampf gegen alle „Ungläubigen“ einzustimmen. Doch mit multikulturalistischer Toleranz wird der „Islamisierung des Bewußtseins“ (Dell Agli), die inzwischen bereits zehnjährige türkische Grundschüler selbstbewußt gegen eine handzahme politisch-mediale Funktionselite ins Feld führen, nicht beizukommen sein.
Daniele Dell Agli: Cherchez la femme. Basilisken-Presse, Marburg an der Lahn 2015, broschiert, 96 Seiten, 14 Euro |