Himmelfahrt
Vom hl. Augustinus
“Nur wer abstieg, fährt auf“
[17] Heute ist unser Herr Jesus Christus zum Himmel gefahren; auch unser Herz fahre auf mit ihm. Hört den Apostel: «Seid ihr auferstanden mit Christus, so sinnet, was oben ist, wo Christus weilt, zur Rechten Gottes sitzend; was oben ist, sucht, nicht was auf Erden» (Kol 3,1-2). So wie er auffuhr und doch nicht von uns wich, so weilen wir mit ihm schon dort, obschon das Verheißene sich noch nicht in unserem Leibe vollzog. Er ist schon erhoben über die Himmel und leidet doch auf Erden, was immer wir als seine Glieder an Mühen verspüren; warum leiden nicht auch wir auf Erden, um durch Glaube, Hoffnung, Liebe, die uns ihm verbinden, schon jetzt mit ihm zu ruhen im Himmel? Er ist bei uns, obwohl er dort weilt; auch wir sind, obwohl wir hier weilen, bei ihm. Er kann es durch Gottheit, Macht und Liebe; wir können es zwar nicht durch Gottheit wie er, wohl aber durch Liebe - aber Liebe zu ihm. Er wich nicht vom Himmel, als er von dort zu uns niederstieg; so wich er auch nicht von uns, als er wieder zum Himmel emporfuhr. Daß er dort blieb, während er hier war, bezeugt er selber: «Niemand fährt zum Himmel, als wer vom Himmel herabstieg, der Menschensohn, der im Himmel ist» (Joh 3,13). Er sagt nicht: der Menschensohn, der im Himmel sein wird, vielmehr: «der Menschensohn, der im Himmel ist».
Daß er aber bei uns blieb, während er dorthin fuhr, das verhieß er vor seiner Auffahrt: «Siehe, ich bin bei euch bis ans Ende der Welt» (Mt 28,20). Und wir sind mit unsern Namen dort, gemäß seinem Wort: «Frohlockt, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind» (Lk 10,20); auch wenn wir im Leib und irdischen Drang die Erde noch treten und von der Erde zertreten werden... Auch ist nicht daran zu verzweifeln, an einem vollendeten, englischen, himmlischen Dasein, weil er sagte: «Niemand fährt zum Himmel, als wer vom Himmel herabstieg, der Menschensohn, der im Himmel ist.» Er scheint es von sich allein gesagt zu haben, als wäre es keinem von uns erreichbar, aber es ist um der Einheit willen gesagt, weil er unser Haupt ist und wir sein Leib. Er tut es freilich allein, weil wir er selbst sind, im Maße, als er selbst durch uns Menschensohn ist und wir durch ihn Kinder Gottes. So meint es der Apostel: «Wie der Leib einer ist und viele Glieder besitzt, aber alle Glieder des Leibes, obschon viele, ein Leib sind: so auch Christus» (i Kor 12,12). Er sagt nicht: So ist Christus, sondern er sagt: so auch Christus. Christus ist also viele Glieder, ein Leib. Er stieg vom Himmel nieder aus Erbarmen und steigt selbst wieder auf, da wir in ihm sind aus Gnade. Und so steigt niemand herab als Christus, und niemand empor als Christus; nicht als ob die Würde des Hauptes verwechselt werde mit dem Leib, sondern weil die Einheit des Leibs nicht getrennt werden darf vom Haupt... Er stieg herab ohne die Hülle des Leibes, er steigt auf mit der Hülle des Leibes; aber kein anderer als der Absteigende fährt empor. Denn wenn er uns dermaßen zu seinen Gliedern fügte, daß er auch in Verbindung mit uns er selbst ist; um wieviel mehr hat denn der Leib, den er von der Jungfrau nahm, keine andere Person als ihn? Wenn jemand auf einen Berg, eine Mauer, einen erhöhten Ort hinaufsteigt, so ist er doch nicht darum ein anderer, weil er vorher bloß und ohne Waffen herabstieg, während er nun bekleidet und bewaffnet wieder emporsteigt! Wie man hier sagen kann: Kein anderer steigt empor, als der auch herabstieg, wenn er auch nicht mit demselben Behange abstieg, mit dem er jetzt aufsteigt, so steigt auch niemand als Christus in den Himmel empor, weil niemand als Christus vom Himmel herabstieg, obwohl er ohne Körper herabstieg, aber mit dem Körper hinaufstieg und wir mit ihm aufsteigen werden, nicht durch unsere Kraft, sondern in Kraft unsrer Einheit mit ihm. Denn «zwei sind in einem Fleische: Ein großes Geheimnis in Christus und in der Kirche» (Eph 5,31-32); darum sagt Christus selbst: «Sie sind nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch» (Mt 19,6).
aus: DAS ANTLITZ DER KIRCHE, Einsiedeln - Köln 1955, S. 160 f.
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