Buchbesprechung:
Alfred Sobel: „Gute Ehen werden in der Hölle geschlossen“.
Fe-Medienverlag 2015. 192 S., 12,80 €
Sie waren ein sehr ungleiches Paar: die erlebnishungrige, kontaktfreudige, religiöse und dennoch oft auf der Suche nach Männerbekanntschaften Emmy Hennigs und der ernste, unbeholfene, einsame, ungläubige und asketisch-intellektuelle Hugo Ball. Trotz dieser Widersprüche fand dieses „wunderliche Paar“ (Herrmann Hesse) zusammen und trat 1916 mit einem Paukenschlag ins Rampenlicht der modernen Kunst. In Zürich gründet Ball das „Cabaret Voltaire“, das zum Geburtsort des „Dadaismus“ wird. Emmy Hennings ist von Anfang an als Star der Bohéme-Szene dabei.
Alfred Sobel nähert sich dem „wilden Leben des Künstlerpaares Emmy Hennings und Hugo Ball zwischen Dadaismus und Glauben“ behutsam, läßt beide ausführlich zu Wort kommen und ermöglicht dem Leser dadurch einen direkten Zugang zur Gedanken- und Gefühlswelt zweier Menschen, die zumeist außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft leben, oft am Rande des Existenzminimums. Sie schreiben Bücher, ohne einen Verlag zu haben, wagen immer wieder Neues und begehren gegen den Zeitgeist auf. Ständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, finden sie diesen schließlich im Katholizismus, den sie, zum Unverständnis ihrer Künstlerkollegen, konsequent leben.
Dreizehn Jahren leben sie zusammen, davon sieben verheiratet. Während dieser Zeit schreibt Emmy mehrere autobiographische Romane, in die sie jedoch auch Fiktives mischt. Ihr „Cabaret Voltaire“ existiert nur wenige Monate, doch von ihm geht die Bewe-gung des „Dadaismus“ aus, die später internationale Berühmtheit erlangt. Es folgt ein Nomadenleben mit bitterer Not, Hunger, Bettelei. Emmy verfällt einer langjährigen Drogensucht, verkauft ihren Körper als Gelegenheitsprostituierte, woran sie fast zerbricht. Während Hugo ihr hilft von den Drogen wegzukommen, führt Emmy, die aus einem protestantischen Elternhaus stammt, aber 1911 zur römisch-katholischen Kirche konvertierte, ihn aus seiner „geistigen Obdachlosigkeit“ zum katholischen Glauben. Der „anarchistische Atheist“ tritt „nach einer Generalbeichte in München“ (Sobel) 1922 wieder in die Kirche ein, sein wohl bestes Werk „Byzantinisches Christentum“ gehört wie auch seine Wiederentdeckung der asketisch-mystischen Tradition des Katholizismus, der radikalen Askese des Mönchtums und die Hinwendung zu den Heiligen und Mystikern zu den wichtigsten Zeugnissen der Glaubenssehnsucht dieses nach innerer Wandlung, Um-kehr und Erlösung strebenden Künstlerpaares. Ihre Freundschaft mit Hermann Hesse, der gnostischen und fernöstlichen Lehren zugeneigt war, ist legendär. Nächtelang diskutieren Ball und Hesse über religiöse Themen, die Zusammenhänge zwischen Exorzismus und Psychoanalyse und die Wüstenheiligen des Vorderen Orients. In diese Zeit fallen unversehens außernatürliche Phänomene und Anfechtungen, die sie als „einige Diabolismen“ beschreiben, doch gehen sie mit diesen Ereignissen „sehr diskret“ (Sobel) um, obwohl beide durchaus an die personale Existenz von Dämonen als Träger des Bösen glauben.
Ihre Werke sind heute fast vergessen, dabei sind vor allem Emmys Gedichte es wert, wieder entdeckt zu werden. Vergessen ist auch Hugo Balls enge Verbindung zur Kirche, die er allein Emmy verdankte, und die zugleich „kindlich fromm und intellektuell reflektierend“ (Sobel) war. Geblieben ist jedoch die Erinnerung an eine große Liebe, die Emmy mit den Worten beschrieb: „Bei uns scheint alles umgekehrt zu sein, als bei anderen Leuten. Wir sind der Ansicht, daß gute, haltbare Ehen in der Hölle geschlossen werden und allmählich in den Himmel dringen.“
Werner Olles
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