Gott und katholisch werden zu Fremdworten
von Norbert Dlugai
1. Vorbemerkungen und Begriffsklärungen
Wenn in dieser Abhandlung von "Gott" und "katholisch-sein" die Rede ist, sollte klar sein, daß im Zentrum unserer Überlegungen der Gott der biblischen Offenbarung steht, sowie katholisch als Inbegriff dessen, was vom Gottessohn Jesus Christus als seine Kirche auf Erden zu unserem zeitlichen und ewigen Heil aufgrund des immerwährenden Heilsratschlusses Gottes gegründet worden ist. Insofern sprach und handelte Gott selbst durch seinen Sohn (vgl. Hebr. 1, 2) und danach und seither ist die wahre Katholische Kirche in die indispensable Pflicht genommen kraft des in ihr fortlebenden Erlösers Christus.
Doch es scheint, daß das Sprechen und Handeln Gottes in unserer geistig chaotischen Gegenwart kaum noch Resonanz beim Menschen findet, die katholischen Christen nicht ausgenommen. Ein Besorgnis erregendes Indiz ist dann ebenso das Vergessen bzw. die Sprachlosigkeit in Bezug auf die vom rein weltlichen Denken und Agieren losgelösten spirituellen Begriffsinhalte wie Gott und katholisch! - Eine mehr als desolate Situation. Denn die lebens- und überlebenswichtige Bedeutung dieser heilsgeschichtlichen und religiösen Ontologismen ist schon seit langem unserem Bewußtsein fremd geworden und entschwunden, weswegen es angebracht ist, sich hierüber einige Gedanken zu machen, denn es stehen grundlegende Existentiale unseres Daseins auf dem Spiel, die von vielem anderen, an das wir unser Herz hängen, weit in den Schatten gestellt werden.
2. Versuch einer kritischen Analyse der Situation
Vor einigen Jahren konnte man in einer katholischen Zeitschrift lesen, ein polnischer Christ habe seine Eindrücke über die Kirche in Deutschland wie folgt beschrieben: "Die kirchlichen Aktivisten, mit denen ich zusammenkam, sprechen den Namen des Herrgotts nicht nur nicht mißbräuchlich aus, sondern meistens überhaupt nicht." Erscheint das übertrieben? In keiner Weise. Zwar hört man zuweilen aus dem Mund von Politikern und sonstigen Repräsentanten noch mehr oder weniger ernst gemeinte, oder vielleicht bloß als Worthülsen zu deutende Bekenntnisse zu christlichen Werten und Wertvorstellungen oder zum christlichen Menschenbild und preist dabei die Rolle der Kirchen. Jedoch geschieht das ohne einen ausgesprochenen Direktbezug zu dem, was den vorgenannten Allgemeinplätzen erst die wahre geistige Verlebendigung verleiht, nämlich, daß Gott Gott ist oder daß Jesus Christus wahrhaft der Sohn Gottes ist… ganz zu schweigen etwa von Maria der Gottesmutter als Jungfrau.
Denn man vermeidet es peinlichst, z.B. als fundamentalistisch katholisch zu gelten, um sich ja nicht dem Verdacht auszusetzen, die anderen Religionen bzw. Konfessionen in Mißkredit bringen zu wollen, womit man wiederum die heute so vehement propagierte Political und vor allem Theological Correctness außer Acht ließe. Welch erniedrigender pseudo-christlicher Minderwertigkeits-, ja Angstkomplex tritt da in Erscheinung!
Solche Komplexe finden allerdings ihre Ursachen nicht zuletzt auch in epochalen Erscheinungsformen, bedingt dadurch, daß die Entwicklung des menschlichen Erkenntnisvermögens, seines Intellektes udgl. die Meinung darin bestärkt, der Mensch könne doch auf Gott verzichten bzw. Gott und die Geheimnisse der Schöpfung, unabhängig von der Biblischen Offenbarung, allein mit den Fähigkeiten und Kräften des Verstandes zu ergründen und zu durchschauen (Gnosis).
Wir werden hier mit einer Entwicklung konfrontiert, die primär zu Beginn der Neuzeit einsetzte. Es seien in diesem Zusammenhang stichwortartig weltanschauliche Zeitströmungen, gleichsam geistigen revolutionären Aufbrüchen genannt, wie etwa die Renais-sance, der Humanismus und die Aufklärung sowie jetzt der verhängnisvolle falsche Ökumenismus. In jüngerer Zeit aber dürfen vornehmlich die Naturwissenschaften mit all ihrem progredienten Fortschrittsreichtum nicht unerwähnt bleiben. Und insoweit entwickelte sich ein ungeahnter Wirklichkeitsbegriff, der alles Übernatürliche und Transzendente glaubte, auf den Kehricht angeblich überholter Weltanschauungsmodelle werfen zu dürfen… ungestraft!
Als Folge hiervon, und vordergründig durch die atemberaubenden Fortschritte der naturwissenschaftlichen Disziplinen, machte sich innerhalb von Kirche, Religion und Theologie eine gewisse Wehr- und Sprachlosigkeit bemerkbar, dergestalt, als ob alles Göttlich-Übernatürliche der Heiligen Schrift am Ende doch nur legendenhaft zu interpretieren - im Endeffekt also nur so eine Art Kinderglauben - sei, ohne Verbindlichkeit für den heutigen aufgeklärten Zeitgenossen, der alles erkennt, durchschaut und im Griff hat. Welch religiös-theologischer Irrwahn tut sich hier auf!
Dieser Irrwahn erhielt ein zusätzliches entstelltes Gesicht durch die sog. historisch-kritische Methode, die hauptsächlich verknüpft ist mit dem evangelischen Theologen Rudolf Bultmann. Seine Theorien gipfeln in der Entmythologisierung des NT, ja der Bibel überhaupt. Auf Einzelheiten einzugehen, würde hier zu weit führen. Wesentlich ist, daß bei der praktischen Verwirklichung der Entmythologisierung das "Land der biblischen Verheißung", dem wir glaubend und vertrauend entgegenstreben, vor unseren Augen entschwände, und damit ebenso das dem Menschen zugedachte eigentliche Endziel - die Gemeinschaft mit Gott und allen durch Jesus Christus Erlösten. Denn dies alles wäre ja dann nichts anderes als Mythos, ein Gedanke, bei dem sich alles wahre Christliche wie eine Fata Morgana unwiderbringlich und unumkehrbar auflöste.
Wenn wir jetzt diesen Ansatz in seiner ganzen sinnlosen Verkehrung durchschauen, ergibt es sich zwangsläufig, daß das Katholische sich aus unserem Sprachschatz quasi von selbst eliminiert, weil nach allem die durch den Gottessohn gestiftete katholische Kirche nicht weniger in die Nebelschwaden der Sprachlosigkeit gerät, wie der Bezug auf Gott und die biblische Offenbarung.
Während jedoch insoweit katholisch zu einem Fremdwort aus dem Blickwinkel eines total bibelfernen Agnostizismus oder gar Atheismus heraus verkümmert, wird heutzutage andererseits das Wort katholisch selbst dort zum Fremdbegriff, wo die christliche Religion wenigstens formell nach außen hin noch besteht und noch irgendwie gesellschaftsprägend in die Geschicke eingreift. Der tiefste Grund für dieses ins Abseits gedrängte Katholische ist, kurz gesagt, der Megatrend innerhalb der Konzilskirche (Bezeichnung von Kardinal Benelli), die Ausschließlichkeit und Einzigartigkeit der katholischen Kirche für die Erlangung des zeitlichen und ewigen Heils des Menschen zu relativieren, hinterfragen oder gar zu leugnen.
Welches sind die praktischen Folgen? Es ist offenkundig und unübersehbar, daß etwa heute in den Predigten und sonstigen katechetischen Unterweisungen das Wort katholisch eine höchst untergeordnete bzw. gar keine Rolle mehr spielt. Statt dessen wird nicht selten ein geradezu banales Christentum angepriesen, mit viel leerem Gerede um den Mitmenschen und die Hoch- und Wertschätzung eines weltumspannenden Humanismus. Wir erleben insofern anstelle eines Theozentrismus einen ausufernden Anthropozentrismus, um nicht zu sagen, Anthropotheismus. Und die in diese Richtung zielenden Predigten und Verkündigungen finden bedrückenderweise enormen Widerhall selbst bei den höchsten Amtsinhabern und Repräsentanten der angeblich katholischen Kirche! Setzt man sich mit all dem zuvor Erwähnten auseinander, muß man sich fragen, ob uns überhaupt noch bewußt ist, in welche Ausweglosigkeit einer tiefen Krise die katholische Kirche gerät, wenn an tragenden Fundamenten, wie Gott, Kirche und dem sie charakterisierenden Attribut "katholisch" herummanipuliert und gerüttelt wird, und das in einer Weise, die das ganze Gebäude der Einsturzgefahr ausliefert.
3. "Gott" und "katholisch" - Fremdworte auch in Zukunft?
Ein gängiges Sprichwort lautet: "Es gibt nichts, was es nicht gibt!" Sollte das auch für religiöse Fundamentalbegriffe wie Gott und katholisch als Fremdworte für alle künftigen Zeiten Gültigkeit haben? Durchaus nicht. Es dürfte vielmehr nicht utopisch sein zu glauben, daß im Denken und Handeln derer, die das Verflüchtigen oben genannter Begriffe zu verantworten haben, vielleicht einmal ein grundlegender Wandel Platz greift.
Hoffnungsvolle Ansätze scheinen durchaus hier und da Gestalt zu gewinnen, was die Naturwissenschaftler betrifft. Ist es nicht so, daß man aus dem Mund von elitär-wissenschaftlichen Köpfen nicht selten hört, man könne nicht umhin, an die Existenz einer Schöpfermacht zu glauben, je tiefer und intensiver man in die Geheimnisse der Naturwissenschaften samt ihren Gesetzmäßigkeiten, Ordnungsprinzipien und den sonstigen Vielfältigkeiten der Schöpfung Einblick bekomme.
Als aufschlußreich und beispielhaft möge das Bekenntnis des amerikanischen Physik-Nobelpreisträgers Charles H. Towns anzusehen sein. Er brachte seine Überzeugungen wie folgt zum Ausdruck: "Ich verstehe nicht, wie der naturwissenschaftliche Zugang allein, getrennt von einem religiösen Zugang, den Ursprung von allen Dingen erklären kann. Es ist richtig, daß Physiker hoffen, hinter den Urknall zu sehen und möglicherweise den Ursprung unseres Universums zum Beispiel mit einer Art Fluktuation zu erklären. Aber was fluktuiert und wie hat dann die Fluktuation angefangen zu existieren? Meiner Ansicht nach scheint die Ursprungsfrage immer unbeantwortet geblieben, wenn wir allein von einer wissenschaftlichen Sicht forschen. Daher glaube ich, daß hier eine gewisse religiöse oder metaphysische Erklärung nötig ist, sofern wir eine haben." Towns beschließt diese Gedanken zum Ursprung des Universums mit dem bemerkenswerten Satz: "Ich glaube an die Vorstellung Gottes und an seine Existenz."
Bedeutet dies eine Wegwendung von einem verkehrten Wirklichkeitsbegriff, der das Übernatürliche und Transzendente ignoriert bzw. in den Bereich der Mythologie verbannen möchte? Und ist es ausgeschlossen, daß solche Wegwendung von einem blutleeren agnostischen Wirklichkeitstrauma hin zur Bejahung eines existierenden Schöpfergottes eines Tages eine allseits wahrnehmbare Breitenwirkung zu entfachen vermag?
Es besteht eine berechtigte Hoffnung. Eine Perspektive, was zunächst die Naturwissenschaft anbelangt, die bewußt ausgerichtet ist auf den Menschen, der ein christliches Menschenbild verkörpern soll - weil Naturwissenschaft und christliches Menschenbild eine Einheit bilden, bilden müssen. Diese Beziehung müßte wegweisend Gestalt annehmen, was den allermeisten Politikern noch nicht zum geistigen Besitz geworden ist, aus welchen Gründen auch immer, von denen viele wohl von dem verhängnisvollen Correctness-Bazillus befallen sind (s.o.). Allgemein wird man nun sagen dürfen, daß in dem Maße, wie Gott und katholisch - und damit die gottgewollte wahre katholische Kirche - ob in den Naturwissenschaften, in der Politik, oder im gesamten gesellschaftlichen Leben überhaupt, zu vergessenen oder zu mißachteten Fremdworten abgewertet werden, Chaos als Ausfluß des Bösen erwächst, das den endgültigen Zerfall einer Gesellschaft in sich birgt.
Wie weit ist das in unserer Gegenwart bereits der Fall? Bei der Beantwortung dieser Frage hilft dann auch kein großspuriges Geschwafel mehr von christlichen Werten bzw. von einem "christlichen Menschenbild", womit man die Kirchen zu ködern gedenkt. Vielmehr gründen Inbegriffe wie "Gott" und "katholisch" auf lapidaren, historisch-heilsgeschichtlichen Realitäten.
Diese Realitäten aber manifestieren und gipfeln in der Faktizität der Kreuzigung des Gottessohnes Jesus Christus gemäß dem Willen seines himmlischen Vaters und der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu, nachdem er zuvor, vom Vater gesandt, das wahre Gottesreich verkündete, welchem der Mensch, eingedenk seines wahren zeitlichen und ewigen Heiles, entgegenzustreben gehalten und gefordert ist - durch die von Christus auf dem Felsen Petri errichtete katholische und apostolische Kirche.
Dies alles sind Realitäten, die nicht zu bezweifeln sind, menschlich nachvollziehbare Fakten und Geschichtsabläufe. Wer dennoch glaubt, sie in die Ecke des Verschweigens drängen zu können, ist Häretiker oder gar Apostat.
4. Zusammenfassende, grundlegende Schlußbetrachtungen
Die historische Wirklichkeit der Kreuzigung, der Auferstehung und der Himmelfahrt Jesu (als Höhepunkte des Erlösungs- und Heilsgeschehen) ist zu verstehen als Ausdruck dessen, was es mit "Gott" und "katholisch-sein", d.i. vom Grundwesen allen Heilsgeschehens auf sich hat. Darum mündet die Leugnung Gottes und des katholischen Prinzips, die vornehmlich das erreichen will durch verdrängendes Schweigen, in einen Irrweg, einer ausweglosen Sackgasse, da durch diese Leugnung die angebliche Erlösung in einem seelenlosen Vakuum enden muß. Und damit wird die wahre Sache Jesu schmählich verraten.
Und deshalb steht der treugläubige, von wahrer Gottesliebe durchdrungene katholische Christ, der nicht zum Verräter werden will, auf sicherem, festem Boden, wenn er sein Leben auf den folgenden 5 Säulen gründet, indem er erkennt und glaubt, daß
a) Gott IST und existiert, als einziger und allmächtiger Schöpfer des Himmels und der Erde; b) Gott den Menschen erschuf, und zwar nach seinem göttlichen Ebenbilde (Gen. 1, 26); c) der Gott der Bibel, das Wort Gottes, im Alten wie im Neuen Testament, sich dem Menschen offenbarte; d) Christus als wesensgleicher Gottessohn durch seinen Kreuzestod den Menschen von der Sündenschuld erlöste, d.h. ihm so den Weg zu Gott als barmherzigem Vater wieder öffnete, wenn die Menschen dieses Gnadengeschenk annehmen durch Reue und Sühne; e) die Öffnung des Weges zum Vater, die Jesus durch seine Auferstehung und Himmel-fahrt krönte, auch am Menschen als Ziel seiner ewigen Bestimmung Wirklichkeit werden soll, wenn er als Erlöster sein Leben auf Gott ausrichtet.
Diese 5 Säulen aber sind es, die Aufschluß geben, wodurch der echte Charakter des heute oft so vollmundig und andererseits so gedankenlos beschworenen christlichen Menschenbildes und der christlichen Werte zum Tragen kommt, basierend auf dem in dieser Zeit weithin verschwiegenen und verdrängten Gott und seiner allumfassenden Gründung, der katholischen Kirche! Denn Er ist die Orientierung für alles, was die ganze Vielfalt des Lebens mit sich bringt, für den Naturwissenschaftler und ebenso für den einfachen Mitbürger bei seinen Bemühungen um die Bewältigung des allzu oft öden Alltags.
Es bleibt nach alledem die Frage, ob die sog. katholische Kirche je wieder zu ihrem Ursprung zurückkehrt bzw. kehren kann. Denn wenn es - unsere Thematik betreffend - um Gott, um seine katholische Kirche geht, wird die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes aufs Massivste herausgefordert.
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