Wo ist die Kirche ?
von
Eugen Banauch
"... Damit wir nun der Pflicht, den
wahren Glauben zu umfassen und in ihm bis ans Ende zu verharren,
genügen können, gründete Gott durch seinen einziggeborenen Sohn die
Kirche und stattete sie mit solchen offenkundigen Merkmalen seiner
Herkunft von ihm aus, daß sie von allen erkannt werden kann als Hüterin
und Lehrerin des geoffenbarten Wortes."
(I.Vat.Konzil, Sess.III, Kap.3)
V o r r e d e
In früheren (präkonziliaren, mythologisehen) Zeiten hätten wir eingangs
einer solchen Erörterung ohne zu zögern, unsere Unterwerfung unter das
kirchliche Lehramt bekundet. Was uns heute, trotz unseres entschiedenen
diesbezüglichen Wollens, zögern macht, ist die unabweisliche Frage: Wo
(wer) ist denn heute eigentlich die Instanz, der wir diese Unterwerfung
schulden?
Mit dieser Frage stehen wir mitten in dem Problem, das in diesem
Aufsatze behandelt werden soll. Wer ist das "lebendige Lehramt" (Pius
XII., Enz. Humani Generis, Denz.2314), welches Gott seiner Kirche
gegeben hat ? Paul VI.? - Dann müßten wir uns auch seinen Enzykliken
"Populorum progressio" und "Missale Romanum" als lehramtlichen Aussagen
unterwerfen und Bugninis liturgische Neuschöpfungen mitfeiern. - Das
heilige Offizium ? - Ach, das gibt es ja nicht mehr. - Die
(rechtmäßig?) an desselben Stelle getretene "Kongregation für die
Glaubenslehre", welche die Schriften des Abbé de Nantes
"disqualifiziert" hat? Oder vielleicht gar mein zuständiger Bischof,
der Kardinal und Ehrenbürger von Rot-Wien, Franz König?
Gibt es das Lehramt vielleicht nicht mehr?
Dann könnten wir aber gleich behaupten, daß es die Kirche nicht mehr
gebe. Gibt es aber die Kirche, so gibt es auch das (lebendige) Lehramt.
Wir können folglich nicht über des letzteren Existenz oder
Nichtexistenz befinden, sondern wir haben nur dessen "Ort" auszumachen.
Aber selbst wenn wir zu dieser Ortsbestimmung nicht imstande wären,
hätten wir (vorab) zu unterwerfen. Denn eines wissen wir mit
Sicherheit: daß wir das kirchliche Lehramt nicht mit unserer Vernunft
identifizieren dürfen, daß es also außerhalb unserer Person existieren
muß, und zwar als lebendinges Lehramt.
"Wir wollen aber auch überzeugt sein, daß sie (d.h. einige deutsche
Theologen) diese Verpflichtung (nämlich das Bekenntnis zu der aus dem
katholischen Glauben sich ergebenden Wahrheit, Anm.d.Verf.), die
katholische Professoren und Schriftsteller durchaus bindet, nicht auf
das allein beschränken, was durch unfehlbaren Entscheid der Kirche als
Glaubensdogma allen zu glauben vorgelegt wird. (...) Denn wenn es sich
(bei ihrer Erklärung) auch nur um jene Unterwerfung handelte, die durch
einen Akt göttlichen Glaubens zu leisten ist, so dürfte man sie doch
nicht auf das beschränken, was in den ausdrücklichen Dekreten der
allgemeinen Kirchenversammlungen oder des Stuhles der römischen Päpste
bestimmt ist. Man müßte sie auch auf das ausdehnen, was durch das
ordentliche, über die ganze Erde verbreitete Lehramt der ganzen Kirche
als göttliche Offenbarung dargelegt wird und deshalb in allgemeiner und
beständiger Übereinstimmung von den katholischen Theologen als zum
Glauben gehörig festgehalten wird..., ( Brief Papst Pius' IX. an den
Erzbischof von München-Freising, 1863)
Ja selbstverständlich unterwerfen wir uns dem so definierten Lehramt,
wo immer es warte, vorausgesetzt natürlich, daß es sich als solches
ausweise und daß seine Träger katholisch seien - was freilich nicht der
Fall sein kann, wenn letztere - etwa durch den Gebrauch eines
ungültigen Meßformulars - sich selbst aus der Kirche ausgeschlossen
hätten. Diesem ordentlichen Lehramt, das wir eines Tages zu finden
hoffen, überlassen wir getrost das letzte Urteil über die
folgenden Ausführungen.
Hinterbühl, am Feste des hl. Robert Bellarmin 1971
I.
In der letzten Nummer der EINSICHT wurden in der Frage der
Rechtmäßigkeit des gegenwärtigen Statthalters Christi zwei Auffassungen
wiedergegeben, die unter der gemeinsamen Voraussetzung der
Häresie/Apostasie Pauls VI. bzw. (des Großteils) der Hierarchie,
hinsichtlich ihrer Folgerungen und Forderungen zunächst eine (manches
Gewissen sicherlich beunruhigende) Verschiedenheit, ja
Gegensätzlichkeit offenbaren.
Wir sprechen von dem Aufsatz "Über den Papst..." des Abbé Georges de
Nantes, welcher aus der Novembernummer 1970 der "Contreréforme
Catholique" übersetzt wurde, und von dem Brief des Dr. Hugo Maria
Kellner an Marianne Geisler vom 23. November desselben Jahres.
Während der Abbé in der formellen Absetzung Pauls VI. durch ein
ordentliches Gerichtsverfahren den nächstnotwendigen Schritt zur
Überwindung der kirchlichen Krise erkennen will, behauptet Kellner die
Illegitimität Montinis infolge der Ungültigkeit seiner Wahl, bzw. die
Absetzung Montinis als durch desselben Häresie und Apostasie bereits
gegeben, insgleichen den nicht mehr rückgängig zu machenden Verfall der
jetzigen katholischen Kirchenorganisation als Ganzes. Es geht uns hier
um die Konfrontation beider Standpunkte und um eine möglichst
vollständige Beantwortung der sich daraus ergebenden entscheidenden
Frage.
Ehe wir jedoch in dieser Absicht fortfahren, sei schon jetzt
unmißverständlich ausgesprochen, daß die beiden Auffassungen gemeinsame
Voraussetzung der Häresie/Apostasie Pauls VI. sowie des anscheinend
überwiegenden Teiles der Hierarchie auch die unsere ist; daß sich
unserer festen Überzeugung nach nur unter dieser über die gegenwärtige
Krise der Kirche überhaupt diskutieren läßt.
Es ist uns im Rahmen dieser Darlegung unmöglich, das gesamte
Beweismaterial der Anklage auszubreiten; es genüge an dieser Stelle ein
einziger (von Abbé de Nantes nicht genügend berücksichtigter) Punkt,
den wir allerdings für einen der entscheidendsten halten. Montini hat
nicht nur den zumindest in höchstem Maße zweifelhaft, eine häretische
Intention suggerierenden "Novus Ordo Missae" -promulgiert, nicht nur
die offenkundige perfide Fälschung der Wandlungsworte in den einzelnen
landessprachlichen Versionen des "Ordo" gebilligt, sondern - und nun
sage keiner mehr, der "Papst" müsse eigentlich gar nichts von dieser
"Übersetzung" wissen, nach einer dieser Versionen, der italienischen -
für viele Ohren durch den Rundfunk hörbar - selbst "zelebriert".
Man halte sich einmal, sine ira et studio, wenn man in diesem
Fall dazu fähig ist, die Tatsache vor Augen. Das Oberhaupt der
katholischen Christenheit liest in aller Öffentlichkeit nach einem
evident ungültige Formular die "Messe"! Wenn einer nach Aussage zweier
oder dreier Zeugen das Gesetz des Moses umstieß, mußte er ohne Erbarmen
sterben. Wieviel schlimmere Strafe, glaubt ihr wohl, wird der
verdienen, der das Blut des Bundes, durch das er geheiligt wurde für
"gemein" erachtet, und der gegen den Geist der Gnade frevelt." (Hebr.
10, 28f) An der häretisch-apostatischen Haltung Montinis kann nicht der
allermindeste Zweifel bestehen, sollte unsere an der katholischen
Glaubenslehre orientierte Vernunft uns nicht völlig im Stich gelassen
haben.
Nun sagt Kellner in dem oben zitierten Brief, daß "ein
häretisch-apostatischer Papst ein Widerspruch in sich ist, da nur ein
orthodoxer Katholik ein Mitglied der Kirche und ihr Oberhaupt sein
kann, eine Behauptung, die eine katholisch-theologische
Selbstverständlichkeit darstellt." Er stützt sich auf Thomas von Aquin
(Summa Theologica, III, qu.8, a.3), Pius XI. ("Mortalium Animos", 1928)
und Pius XII. ("Mysterii Corporis Christi", 1943) und folgert, daß "ein
Häretiker und Apostat auf dem Stuhle Petri automatisch ein "Papa
depositus", also ein abgesetzter, und nicht nur ein zeitweise
suspendierter Papst (sei), weil eindeutig die bedeutenden Theologen
St.Bellarmin und Suarez gelehrt haben."
Dagegen der Abbé de Nantes: "Der extreme Gegenstandpunkt, der
aggressive Integrismus, macht sich los von Rom er schreit von Mißbrauch
der Macht, von Verrat, sogar von Unrechtmäßigkeit (Illegitimität) eines
Papstes, der sich der Pflichtvergessenheit schuldig gemacht hat;
letzteres ist aber eine simplizistische und provozierende Weise, die
Frage zu lösen." Denn: "Der Stuhl Petri ist nicht vakant; schlimmer
ist; daß er rechtens von einer Person besetzt gehalten wird, die sich
weigert, seine Funktion zu vollziehen."
Gerade dem aber widerstreitet Kellners folgender Satz: "Dieser
Standpunkt, der darauf hinausläuft, daß Gott einen Mann, der am
Glaubensabfall des größten Teiles der Mitglieder der Kirche maßgeblich
schuldig ist, als seinen Vertreter auf Erden anerkennt, ist einfach
blasphemisch da ein solcher Mann offensichtlich ein Werkzeug Satans
ist."
Was bewegt nun eigentlich den Abbé, dennoch seinen riskanten Standpunkt
einzunehmen und auf der formellen Absetzung Pauls VI. (welche,
wohlgemerkt, dessen Rechtmäßigkeit als Papst voraussetzt) als "dem
einzigen und dringlichen Heilmittel in der gegenwärtigen Krise" zu
bestehen?
Er spricht von zwei Versuchungen, von denen "die guten Katholiken, die
es in der Hierarchie allerorts und auch unter dem gläubigen Volk gibt,
gegenwärtig (...) gepeinigt werden. (...) Die erste
bestreht darin, ALLES HINZUNEHMEN (...): Die zweite (...), ALLES
ABZULEHNEN, weil es wahrhaftig zu widersinnig, traurig, unkeusch und
bösartig ist, und deswegen die Kirche zu verlassen, die sie zur Revolte
aufreizt und ihr Fernbleiben offen wünscht. Beides sind einfach, zu
einfache Lösungen die sündhaft sind. Denn man verläßt die Kirche Jesu
Christi nicht. (...) Worin besteht dann die Lösung des Problems? Darin,
daß man die Reform ablehnt, aber dennoch in der Kirche bleibt."
Scheint die Kellnersche Lösung dieser I. Maxime nicht offensichtlich zu
widersprechen? Zwar sagt Kellner es nirgendwo verbatim, daß man
gehalten sei, die Kirche zu verlassen. Doch leugnet er offen die
Identität der wahren Kirche Christi mit der "jetztigen, riesigen
katholischen Kirchenorganisation", ein Ausdruck, den er geflissentlich
überall da verwendet, wo nach dem Sprachgebrauch eines Abbé de Nantes
unbekümmert "die Kirche" oder "Rom" einzusetzen wäre; Die noch nicht
abgefallenen Katholiken sollten nach Kellner "ihre Energie auf das
Wirken ihres eigenen Seelenheiles (...) verwenden, was nur dadurch
gefördert werden kann, daß sie und ihres gleichen Anstrengungen machen,
in den Genuß gültiger Sakramente zu kommen."
Dieses Ziel könne "nur dadurch gefördert und erreicht.werden, daß die
noch nicht abgefallenen Priester und Laien durch systematische
Anstrengungen aus der apostatischen katholischen Kirchenorganisation
ausgesiebt und in unabhängigen orthodox-katholischen, pfarrähnlichen
Gemeinden zusammengefaßt werden. "Das Werk werde seine Krönung finden,
wenn es gelingt, einige orthodox-katholische Bischöfe ausfindig zu
machen, die die isolierten orthodox-katholischen Gemeinden zu Diözesen
zusammenschließen und für einen orthodox-katholischen Priesternachwuchs
sorgen."
Der Abbé de Nantes würde dies, nach seiner Polemik gegen einen gewissen
Frère Athanase (in der Aprilnummer 1971 der "Contrerforme Catholique")
zu urteilen, gewiß eine "schismatische Lösung" nennen. Ist sie dies
aber wirklich? Da müssen wir erst die durch unsere Konfrontation
aufgeworfene Frage beantworten:
W o i s t d i e K i r c h e ?
II
Wir können es innerhalb dieser gedrängten Darlegung nicht unternehmen,
anhand sämtlicher kirchlicher Lehrdokumente wirklich erschöpfend zu
definieren, was die Kirche ist. Das müssen wir, unter Katholiken, als
bekennt voraussetzen. Auch ein Konvertit, der sich zur Wahrheit des
katholischen Glaubens durchgerungen hat und sich um Aufnahme in die
Kirche bewirbt, wird in der Regel schon einen im wesentlichen fertigen
Kirchebegriff haben. Wohin aber wendet sich zum Beispiel ein solcher
heute?
(Für mich war die Sache seinerzeit, im Jänner 1963 ganz einfach: ich
ging zu dem meinem Wohnsitz nächstgelegenen Pfarramt und gab dort
meinen Wunsch bekannt. - Ich bezweifle übrigens nicht, daß ein echter
Konvertit auch heute die Kirche finden kann, wenn auch unter
furchtbaren Schwierigkeiten. Gerade einem Konvertiten, der ja
notwendig, weil es ihm grundsätzlich um nichts als um die Wahrheit geht
- den Sinn für das Prinzipielle sowie das geistige
Unterscheidungsvermögen in einer bestimmten Weise entwickelt haben muß,
wird sich heute das aufgeworfene Problem in aller Schärfe stellen und
es wird vielleicht gerade deshalb in radikaler Weise gelöst werden
können; man darf auch hoffen, daß ihm, gerade ihm, kraft der Gnade
Gottes besondere Hilfen zuteil werden. Damit läßt sich aber durchaus
nicht "rechnen"; die Erfahrung lehrt vielmehr, daß die Konversionen mit
dem Einsetzen der Reform schlagartig zurückgegangen sind. Bedeutend
schwieriger noch stellt sich das Problem hinsichtlich der religiösen
Erziehung von Kindern, ganz zu schweigen von der ja niemals erloschenen
Verpflichtung in den Missionsländern. Wie soll ich einem eben
erst seinem wüsten Stammeskult entrissenen Indianer oder Neger
erklären, er solle zwar die Reform ablehnen, aber dennoch in der
Kirche bleiben?)
Unser besonderes Dilemma scheint darin zu bestehen, daß sich die Kirche
stets und hartnäckig als eine sichtbare Gesellschaft definiert hat,
"vor aller Augen hingestellt wie eine hochragende, helle Stadt auf dem
Berge, die nicht verborgen sein kann, wie ein Licht auf dem Leuchter,
entzündet von der Sonne der Gerechtigkeit, alle Welt mit dem Licht
seiner Wahrheit überstrahlend" (Vat.I, Erster Entwurf der Konstitution
über die Kirche Christi, Neuner-Roos 362).
Sie ist darüber hinaus "in ihrer Verfassung so völlig abgegrenzt und
bestimmt, daß keine Gesellschaft, die von der Einheit des Glaubens oder
von der Gemeinschaft dieses Leibes getrennt ist, irgendwie Teil oder
Glied der Kirche genannt werden könnte" (ebd.,N-R 363).Sie heißt
römisch-katholische Kirche, weil Rom, die römische Kirche, "Mutter und
Lehrerin aller Kirchen" in ihr den Vorrang der ordentlichen Gewalt hat,
welche in der unmittelbaren Gewalt der Rechtsbefugnis des römischen
Bischofs des Nachfolgers Petri, gründet, der gegenüber "Hirten und
Gläubigen jeglichen Ritus und Rangs, einzeln sowohl wie in ihrer
Gesamtheit, zur Pflicht hierarchischer Unterordnung und wahren
Gehorsams gehalten (sind), nicht allein in Sachen des Glaubens und der
Sitten, sondern auch der Ordnung und Regierung der über den ganzen
Erdkreis verbreiteten Kirche." (Vat.I, Sess.IV, Denz.1827)
Dieser so beschaffenen heiligen Institution mit ihrem kraft göttlichen
Rechts regierenden Oberhaupt und einer Mitgliederzahl von derzeit ca.
600 Millionen nähert sich nun jener Dr.Kellner mit seinem Sieb und
heißt sie eine "Organisation".
Wie kann er nur glauben, daß die Kirche häretisch-apostatisch ist!
Aber das glaubt er ja gar nicht, sonst würde er nicht von einer
"Organisation" reden. Eine häretisch-apostatische Kirche wäre ebenso
ein Widerspruch in sich wie ein häretisch-apostatischer Papst. Er
behauptet nur implizit, daß die kirchliche Organisation - ist denn das
nicht aber ihre sichtbare, sichtbarste Komponente - von Glauben und
Lehre abgefallen und mit der wahren Kirche Jesu Christi in keiner Weise
identisch sei.
Was sind denn die Merkmale der wahren Kirche, mit denen sie ihr Gründer
ausgestattet hat und die so offenkundig sind, daß sie von allen erkannt
werden kann ? Woran erkennt zum Beispiel ein Konvertit die
Kirche, für deren Idee er sich entschieden hat, in der Realität? Bloß
daran, daß sie sich römisch-katholische Kirche nennt.
Der Brief des Heiligen Offiziums an die englischen Bischöfe vom Jahre
1864 nennt ein vierfaches Merkmal, durch welches die wahre Kirche
Jesu Christi von der göttlichen Autorität gekennzeichnet und
unterschieden worden sei. Diese vier Merkmale (notae) sind
a) die Katholizität
b) die Einheit
c) die Heiligkeit
d) die Apostolizität (apostolische Sukzession).
Jedes dieser Merkmale ist aber so eng mit den anderen verbunden, daß es
sich von ihnen nicht trennen läßt, so kommt es, daß jene Kirche, die
wirklich die katholische ist und heißt, zugleich die Vorrechte der
Einheit, der Heiligkeit und der apostolischen Nachfolge deutlich
aufweisen muß. Die katholische Kirche zeigt also eine offensichtliche
und vollkommene Einheit auf der ganzen Erde und unter allen Völkern;
jene Einheit, deren Grund, Wurzel und unbesiegbarer Ursprung ist die
höchste Autorität und der "höhere Vorrang" (Irenäus) des heiligen
Apostelfürsten Petrus und seiner Nachfolger auf dem römischen Stuhle."
(Denz.1686)
Dank jener Verknüpftheit - so könnte man annehmen - müßten die
Verletzung oder der Ausfall eines einzigen Merkmals notwendig die
Integrität der anderen in Mitleidenschaft ziehen. Wir
wollen dennoch - um uns nicht den Vorwurf des "Integrismus" zuzuziehen
- versuchen, diese Merkmale einzeln und nacheinander an jenem
gewaltigen organisatorischen Apparat, der uns heute, im Jahre 1971, mit
dem Anspruche entgegentritt, die römisch-katholische Kirche zu sein und
zu heißen, aufzufinden und zu überprüfen.
Als Ausgangspunkt und Leitmotiv dieser Prüfung diene uns abermals der
(soviel uns bekannt ist, in allen Ländern in Gebrauch stehende)
ungültige Meß-Ordo, da wir uns innerhalb unseres Aufsatzes auf
wesentliche Linien beschränken müssen und weil uns die Wahl dieses
Leitmotivs eine einfache und einleuchtende Beweisführung ermöglicht,
die in Anbetracht der heimtückisch raffinierten, wahrhaft satanischen
Methodik des reformistischen Abbruchunternehmens keineswegs eine
Selbstverständlichkeit darstellt.
Ad a)
".. Es gibt nur Eine allgemeine Kirche der Gläubigen. Außer ihr wird
keiner gerettet. In ihr ist Jesus Christus Priester und Opfer zugleich.
Sein Leib und Blut ist im Sakrament des Altars unter den Gestalten von
Brot und Wein wahrhaft enthalten, nachdem durch Gottes Macht das Brot
in den Leib und der Wein in das Blut wesensverwandelt sind: damit wir
vom Seinigen empfangen, was Er vom Seinigen annahm, und die
geheimnisvolle Einheit vollendet werde..." (Lat.IV, Denz.430)
Das Merkmal der Katholizität hängt nach diesem Lehrdokument, das
primär der Verurteilung der Albigenser galt, innig mit der Existenz des
gültigen Meßopfers zusammen. Nicht zufällig wird an dieser Stelle
ausgesprochen, daß außerhalb der allgemeinen = katholischen Kirche
keiner gerettet werde. "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohns nicht
essen und sein Blut nicht trinken werdet, habt ihr nicht Leben in
euch." (Joh. 6, 53) Die Kirche ist in erster Linie das Heilmittel, und
zwar dadurch, daß sie die von Christus eingesetzten Sakramente
ausspendet. So ist die Kirche selbst in gewissem Sinne ein (oder das)
Sakrament, da sie, und nur sie, die Fülle des sakramentalen Lebens
besitzt. Nicht alle sind für jeden einzelnen heilsnotwendig (z.B.
Ehesakrament und Priesterweihe). Obwohl das Sakrament der hl. Taufe
(die notfalls bekanntlich auch ein Ungläubiger spenden kann) für uns
das allernotwendigste ist, weil es unsere Kirchengliedschaft erst
begründet, so wird es doch, in der sakramentalen Ordnung, vom Sakrament
der hlst. Eucharistie überragt. "Das ist der heiligsten Eucharistie mit
den übrigen Sakramenten gemeinsam, daß sie sinnfälliges Zeichen einer
heiligen Sache und sichtbare Gestalt der unsichtbaren Gnade ist. Das
aber ist das Hervorragende und Einzigartige an ihr, daß die übrigen
Sakramente dann erst ihre heiligende Kraft besitzen, wenn man sie
gebraucht, in der Eucharistie aber der Urheber der Heiligkeit vor ihrem
Gebrauch da ist." (Trid., Sess.XIII, Denz.876) So kann W.W.E.Detimann
(EINSICHT I/2) mit Recht sagen: "Die Kirche ist dort, wo das heiligste
Altarssakrament ist." Infolgedessen wäre es frevelhaft, sich mit dem
Gedanken zu trösten, daß, wenn dieses Sakrament ausfiele, uns immerhin
noch sechs andere blieben.
Kann demnach eine kirchliche Gemeinschaft, die offiziell, auf dem
ganzen Erdkreis, mit "päpstlicher" Billigung und Förderung, das hl.
Meßopfer de facto zerstört hat, noch katholisch genannt werden? Wir
müssen antworten: Nein.
Ad b)
Kann auf eine kirchliche Gemeinschaft das Merkmal der Einheit
zutreffen, wenn die Wirksamkeit jenes Sakramentes, von dem der Heiland
wollte, daß es "als geistliche Speise der Seelen genossen werde, durch
das sie genährt und gestärkt würden... daß es ein Unterpfand unserer
künftigen Herrlichkeit und ewigen Seligkeit sei und ein sinnfälliges
Zeichen jenes einen Leibes, dessen Haupt er selbst und dem wir nach
seinem Willen als Glieder durch die engen Bande des Glaubens, der
Hoffnung und der Liebe verbunden sein sollen, so daß wir alle dasselbe
sagen und keine Spaltungen unter uns seien, (Trid., Sess.XIII,
Denz.875), von demjenigen, der sich die Rolle des sichtbaren Garanten
dieser Einheit arrogiert hat und dessen "Ehre" demgemäß "die volle
Lebenskraft seiner Brüder" (Gregor der Große) sein sollte, -mit - wenn
uns nicht alles trügt - planender Hinterlist und der Zustimmung
fast aller Bischöfe des Erdkreises zerstört worden ist .
Abermals müssen wir antworten : Nein.
Ad c)
Kann auf eine kirchliche Gemeinschaft, die offiziell das Heiligste, das
sie besitzt: die reale Gegenwart Gottes im hlst..Sakrament des Altares,
im Bewußtsein ihrer Gläubigen relativiert und realiter vernichtet, etwa
noch das Merkmal der Heiligkeit zutreffen.
Gewiß müssen wir sagen: Nein.
Ad d)
Besteht nun in jener römischen "Kirchenorganisation"' die wir nicht
länger mit Jesu Christi wahrer Kirche identifizieren können, wenigstens
noch die apostolische Sukzession, das Merkmal der Apostolizität ?
Hier müssen wir antworten: Ja, Wenn auch vielleicht nur in ganz wenigen
Repräsentanten. Die Apostolizität ist das einzige, in der
derzeitigen offiziellen kirchlichen Gemeinschaft noch eindeutig
vorfindliche Merkmal der wahren römisch-katholischen Kirche. Dieses
Merkmal allein genügt freilich nicht zur Bestimmung der wahren
römischen Kirche, da auch schismatische kirchliche Gemeinschaften, z.B.
die griechisch-orthodoxe oder selbst die "altkatholische" dieses
Merkmal aufweisen. Das Entscheidende ist die Existenz des Apostolischen
Stuhls, der auch im Zustande der Sedisvakanz als Einrichtung (als
Behörde) weiterlebt, solange es eine römische Kirche gibt.
Was bedeutet nun dieser Befund?
Es ist uns kein anderer Schluß möglich als dieser:
Die wahre, sichtbare, rechtmäßig katholische Kirche befindet sich
gegenwärtig "in" oder "unter" jenem häretisch-apostatischen Verband,
der sich zwar ihren Namen anmaßt, aber mit ihr keineswegs gleichgesetzt
werden darf; teils steht sie in mehr oder minder ausdrücklicher
Opposition zu demselben, teils verbirgt sie sich in dessen Untergrund.
Die Kirche ist als lebendiger Organismus von falschen Jüngern und
Hohenpriestern niedergeworfen und aufs schwerste verletzt worden. Sie
bestimmte gegenwärtig, eine Phase des Leidens Christi nachahmend, in
einer schmerzhaften und aufs äußerste demütigenden Gefangenschaft aber
sie ist nicht, vernichtet. Letzteres anzunehmen widerspräche in
der Tat eindeutig der Verheißung Christi.
Es soll nun gezeigt werden, daß uns gerade auf Grund der Verheißung
Christi, daß die Kirche bis ans Ende der Welt fortbestehen werde, gar
nichts anderes übrig bleibt, als die Kellnersche Auffassung prinzipiell
zu bejahen. In bezug auf die von uns zu verwirklichende Aufgabe, die
wir im folgenden "Restauration" nennen wollen, scheinen uns jedoch
manche Ergänzungen der in Kellners Brief dargelegten Richtlinien
geboten.
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