Die Schönheit und der geistig-geistliche Reichtum eines bekannten Gebetes
von Peter Bucher
Vater unser...
Oh, wie schön ist es, Dich allmächtiger Gott, Vater nennen zu dürfen, Sogar vertrauensvoll "unser Vater" sagen zu dürfen. Du bist eben nicht der unpersönliche, abstrakte Gott der Philosophen Und nicht das schablonenhafte Wesen so mancher noch in Unwissenheit verharrender religiöser Kulte, Nein, Du hast Dich uns offenbart, besonders durch Deinen Sohn Jesus Christus, Der uns ermuntert hat, wie geliebte Kinder zu Dir "Vater" sagen zu dürfen!
Der Du bist im Himmel, ...
Und Du hast einen Ort, einen Ort, wie er schöner nicht sein kann! Dort waltest Du, lenkst und leitest die Geschicke der Welt. Du kennst jedes Blümlein und jedes Würmchen auf der Erde, ebenso wie die Machenschaften der Großen dieser Welt. Alles das siehst Du. Mit für uns unsichtbarer Hand wirkst Du, auch wenn wir Menschen es nicht merken. Du respektierst dabei uneingeschränkt die Freiheit des Willens, die Du uns gegeben hast. Immer stehst Du über den Dingen, wirst gepriesen von einer Schar von Wesen, die Deine Glorie längst erkannt haben, den Cherubimen und Seraphimen. So lebst Du in einer Umgebung, die Dir eigentlich Genüge sein könnte, aber gleichzeitig doch soviel Vollkommenheit, ja Heiligkeit ausstrahlt, dass sie auf uns Geschöpfe anziehend wirkt.
Geheiligt werde Dein Name.
Was liegt also näher, als dass auch wir Menschen Dich lobpreisen! Immer und überall! Deinem Namen, allmächtiger und gütiger Gott, und damit Deinem Werk gebührt Anerkennung und Ehre. Mit all unseren Geistes-, Seelen- und Leibeskräften lass uns das Loblied auf Deinen großen Namen singen! Wenn schon die Formenvielfalt und die Farbenpracht in der Natur, in der anorganischen wie in der organischen Natur, bei Pflanzen und Tieren, wenn schon Wolkenbilder und Gestirne nicht selten und bei entsprechend gutem Beobachterwillen das Geheimnis der Schöpferliebe und so ein indirektes Lob erkennen lassen, dann sollten wir Menschen, als die allein vernunftbegabten Wesen, nicht mehr als nötig herumgrübeln und kritisch hinterfragen, sondern Ja sagen zu Deiner unendlichen Größe und Heiligkeit, allmächtiger, verehrungswürdiger Gott!
Zu uns komme Dein Reich!
Ja, wir wünschen uns geradezu, dass wir an Deinem Leben Anteil haben dürfen, an diesem Leben im ursprünglichen Sinne Deines Schöpfungsplanes, ohne all die Bosheiten, die wir hier auf Erden erfahren müssen, an diesem Leben in Gerechtigkeit, Güte und Harmonie, in Ehrfurcht und Heiligkeit, in der Seligkeit der ewigen Anschauung des göttlichen Lichts. Das Streben nach dieser Welt, nach diesem Leben ist unser Hauptziel hier auf Erden. Das wollen wir ausdrücklich bekennen. Nicht die materiellen oder sinnlichen Verlockungen sind es!
Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden!
Das bedeutet natürlich, dass wir den Gebrauch unserer Willensfreiheit überdenken müssen! Was wollen wir eigentlich? Tolle Autos? Urlaubsreisen zu angeblich paradiesischen Südseestränden? Lebenslange Gesundheit? Effektvolle Schönheitsoperationen? Vergnügungen am laufenden Band, in den Medien und anderswo? Die perfekte Spaßgesellschaft? Wie stehen wir dann aber zu den Begleitumständen dieser Konsumgesellschaft, z.B. zu den wachsenden Müllbergen, zu den durch Rationalisierung Ausgegrenzten, also den Arbeitslosen? Wie stehen wir zu den Kriegen, dem Flüchtlingselend weltweit? Zu dem Los der Menschen in den unterentwickelten Ländern? Usw. Usw. Hat Gott das so gewollt?
Lieber Gott, lass uns Deinen Willen erkennen! Hilf uns, das Vorbildhafte im Leben Deines Sohnes Jesus Christus erkennen! Hilf uns, alle übertriebene Anhänglichkeit an das Materielle, alles überflüssige Streben nach irdischem Erfolg überwinden. Vor allem lass uns die Neigungen zum Bösen in uns überwinden; Lass uns die Kraft zum Vergeben, zum Verzeihen, die Kraft zum Verstehen unserer Mitmenschen finden, Liebe in ihrem noch unverfälschtem Sinne, das reine Gutsein. All das ganz freiwillig, aus ganz freien Stücken. Lass uns erkennen, dass wir dies alles zur größeren Ehre Gottes tun wollen, dass wir die Schöpfung in ihrer ursprünglichen Schönheit wieder herstellen wollen, soweit dies hier auf Erden nur irgendwie möglich ist. Es wäre so schön, lieber Gott, wenn auch auf Erden alles in Deinem Sinne zuginge, so einträchtig und gütig, alles so vollendet heilig.
Unser tägliches Brot gib uns heute!
Es ist tröstlich zu wissen, dass Du, lieber Gott, sehr genau um unsere irdischen, täglich neuen Bedürfnisse weißt. Dass Du uns ausdrücklich erlaubst, um die Befriedigung dieser Bedürfnisse zu bitten. Du verachtest also keineswegs die irdischen Dinge. Hast Du sie ja selber geschaffen. Aber lass uns den rechten Stellenwert dieser Dinge erkennen: nicht um Kuchen sollen wir bitten, sondern um Brot, also das wirklich Notwendige, das, was Not abwendet. Wir brauchen also nicht verzweifeln, wenn wir in Not geraten. Lass uns auf Deine Geber-Güte vertrauen und nicht vergessen, dass wir uns immer an Dich wenden und bitten dürfen. Lass uns darauf vertrauen, dass wir nie mehr als Last aufgebürdet bekommen, als wir ertragen können. Lass uns erkennen, dass die Rettung der Seele noch wichtiger ist als die Rettung des Leibes. Sie, diese Seele, will ja schließlich in Dein Reich eingehen.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und auch das weißt Du, verständnisvoller, gütiger Gott: dass wir bei unserem Bemühen um die Erfüllung und Befriedigung unserer irdischen Bedürfnisse immer mal irgendwo anecken, Mitmenschen verletzen, ihnen Unrecht tun - vielleicht auch nur aus Unwissenheit oder Ungeschick - , unter Umständen sogar größere Schuld auf uns laden. Dass diese Mitmenschen auch mir Wunden schlagen. Dass schließlich wir alle Dir, heiliger Gott, Dir und Deinen Erwartungen gegenüber in Schuld fallen. Unsere Unzulänglichkeiten und unsere Unvollkommenheit werden leider immer wieder offenkundig.
Aber auch diese Bitte, die wir stellen dürfen, zeigt uns, dass wir wegen unserer Fehler und wegen unseres gelegentlich unguten Verhaltens nicht verzweifeln müssen, dass wir uns nicht verdammen müssen, uns gar das Leben nehmen müssten. Du bist bereit, uns zu vergeben, uns zu verzeihen, wenn auch wir mit unseren Mitmenschen solches tun. Dir ist der ehrliche gute Wille zur Besserung wichtiger als die unzulängliche vorherige Tat. Du gibst also unserer Willensfreiheit eine Chance.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.
Warum, so fragen sich immer wieder Menschen, warum gibt es überhaupt "das Böse" bzw. "den Bösen", das "Übel"? Warum gibt es Hunger, Krankheit, unerwarteter Tod? Auch wenn wir irdischen Wesen noch nicht in die Geheimnisse Deines heilsgeschichtlichen Planes, heiliger Gott, blicken können, so dürfen wir vielleicht ein wenig vermuten. Schließlich hast Du z.B. auch einen Judas in den Reihen Deiner Apostel zugelassen, auch wenn Du genau um sein Ende gewusst hast. Waren es vielleicht Gelegenheiten für die übrigen Apostel sich zu bewähren, z.B. für den zwar gutmeinenden, aber etwas hitzigen Petrus, der so zu Geduld und Demut, zum Vertrauen auf die Führung durch Jesus finden konnte? Immerhin erlaubst Du uns zu bitten, dass uns nicht zu viel solcher Bewährungsproben auferlegt werden, zu bitten uns ein wenig zu schonen, ja eines Tages ganz von diesen Prüfungen zu erlösen. Mögen unsere guten Werke auch so hinreichend zustande kommen, auf dass wir in Gnade und Barmherzigkeit Aufnahme finden können in Deinem Reich.
Amen.
"So sei es" wollen wir mit diesem abschließenden Wort sagen. Mögen alle unsere Bekenntnisse und Bitten bei Dir, allmächtiger, aber auch gütiger und barmherziger Gott, bei Dir, unendlich reiner und heiliger Gott, Gehör finden. Wir danken Dir dafür. (6.8.2002) |