Asche, Feuer - Gibt es Gott?
von R. F. Schmidt
Ist Gott eine Sache bloß subjektiven Dafürhaltens ohne irgendwelche Beteiligung der Erkenntnis? Eine berechtigte Frage, denn wenn es Gott gibt, dann ist sein Dasein nicht unmittelbar einsichtig; zu sehen ist er nicht.
1. Aus den einzelnen uns bekannten „Puzzleteilchen“ dürfen wir getrost generalisieren, ohne uns dem berechtigten Vorwurf der vorschnellen Verallgemeinerung, der „unzulässigen induktiven Folgerung aus Einzelfällen auf das nicht in allen Teilen bekannte Ganze“ auszusetzen:
a. Zeitlich unendlich ist das, was weder in Existenz, noch in Wesen oder Natur veränderlich ist. Die Dinge, die Materie sind, gehören nicht dazu - sie sind nicht unveränderlich: Materie kann verschiedene Aggregatszustände einnehmen, sie reagiert. Sie ist aber nicht nur wandelbar, sie ist auch zerstörbar; Atome lassen sich einschmelzen, sie sind spalt-bar, sie können zerfallen. Das Wesen von Materie und deren möglicher (Ent-)Äußerungsformen, der Schwerkraft, der Bewegungs-, der Reibungs-, der thermischen und der Strahlungsenergie, ist, dass sie veränderlich ist. Veränderung in ihrem letzten Stadium aber bedeutet Verfall. Also währt Materie nicht zeitlich unendlich, sie ist zeitlich endlich.
b. Das zeitlich Endliche muss einen Beginn seines „Verfallsprozesses“ in sich tragen. Das Datum dieses Beginns des “Verfallsprozesses“ kann nur mit seiner Entstehung zusammenfallen. Dort bereits beginnt nämlich die Veränderung, deren Endstufe der Verfall ist. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das zeitlich Endliche beginnt, beginnt auch sein Wandlungsprozess, dort beginnt auch die Uhr seines „Verfallsdatums“ zu laufen.
Anderenfalls, wenn der Wandlungs- und damit der Verfallsprozess erst später, irgend wann und irgend wodurch einsetzte, müsste das bis dahin niemals Veränderliche, das seit Ewigkeit, das ohne Beginn Bestehende der Unveränderlichkeit zuzurechnen sein. Und es müsste aus der Ruhe der Unveränderlichkeit heraus gefallen und in das unablässig rotierende Malwerk der Endlichkeit geraten sein. Es müsste Wesen und Natur des niemals Veränderlichen abgelegt und die dem entgegen gesetzte Natur der Veränderlichkeit, die der Endlichkeit angenommen haben - absurde Gedankenspiele. Das, was in Unendlichkeit gewesen ist, kann nicht ohne Ursache irgendwann seine Natur der zeitlichen Unendlichkeit, der Unwandelbarkeit ablegen und in die Endlichkeit wechseln. Also muss das, was vergänglich ist, notwendig auch einen zeitlichen Anfang haben.
c. Wenn absehbar alle mit den Sinnen zu erfahrenden Einzeldinge endlich sind, wenn sie ein künftiges Verfallsdatum in sich tragen, wieso könnte dann der Kosmos insgesamt, das, was die bloße Summe der Einzeldinge, aber nicht mehr ist, eine andere, eine entgegen gesetzte Natur, nämlich unendliche Dauer, Unveränderlichkeit aufweisen und etwa nicht zeitlich endlich sein? Also muss auch der Kosmos als bloße Summe der Einzeldinge notwendig einen zeitlichen Anfang haben.
d. Der Satz "Von nichts kommt nichts!" ist nicht zu widerlegen: Aus dem Wissen um das Werden und das Gewordensein und das Vergehen der mit den Sinnen erfahrbaren Welt liegt der Schluss auf der Hand, dass alles Gewordensein Wirkung ist und jeder Wirkung notwendig mindestens eine Ursache zugrunde liegt.
Dort angekommen, bleiben nur zwei Möglichkeiten:
aa. Entweder führt die Kette der Ursachen zeitlich in die Unendlichkeit zurück: Es gibt keinen (zeitlichen) Beginn, weil die seit Ewigkeit vorhandene Materie von Unendlichkeit her einem unendlichen Wandel in Unendlichkeit hin unterzogen ist - es rotiert sozusagen das Rad der unendlichen Wiedergeburt. Dagegen allerdings sperrt sich der Verstand: Zum einen ist zu einem von Unendlichkeit her und unendlich fortdauernden Wandel nur dasjenige Wandelungsfähige fähig, das in seiner zeitlichen Existenz von Unendlichkeit zu Unendlichkeit währt. Weil aber die materielle Grundlage, der Trägerstoff, das Substrat des ewigen Wandels aus sowohl endlicher wie anfänglicher Materie besteht, kann diese anfänglich-endliche Materie niemals unendlichem Wandel unterliegen. Des Weiteren vermag sich Materie nicht selbst zu erschaffen.
bb. Oder die zurückzuverfolgende Kette der Ursachen der mit den Sinnen erfahrbaren Welt hat einen Anfang, einen Beginn in grauer Vorzeit: Wenn alle Ursachen irgendwann einmal begannen, dann hat dieser Beginn selbstverständlich eine Ursache. Diese Ursache des Beginns der Ursachen ist die eine, die einzige, erste Ursache aller Ursachen. Die-se eine, erste Ursache, die schon da gewesen ist, ehe alle übrigen von ihr unmittelbar oder mittelbar angestoßenen Ursachen begannen, ist nicht - wie alle übrigen Ursachen - Wirkung einer (vorausgegangenen) Ursache, sonst wäre sie nicht die erste Ursache, sondern sie ist reine Ursache. Diese erste, selbst nicht bewirkte Ursache aller Ursachen muss daher ohne Beginn sein, sie kann keinen zeitlichen Anfang haben: Was ohne zeitlichen Anfang ist, muss ewig unveränderlich sein und kann deshalb nicht endlich sein - anderenfalls müsste es seine Natur des ewig Unveränderlichen ablegen. Diese erste Ursache aller Ursachen muss daher offensichtlich der Kategorie der zeitlichen Unendlichkeit zugerechnet werden und hat deshalb mit den Gegenständen dieses Kosmos nichts gemein, sie muss außerweltlich sein.
Kurz gefasst: Alles, was endlich ist, hat auch einen Anfang. Die Ursache allen Anfangs selbst jedoch hat keinen Anfang. Was keinen Anfang hat, hat auch kein Ende. - So, wie ich bin, bin ich vergänglich, wie auch alles um mich herum; also ist sie: die alles schaffende Kraft.
Dies ist die erste Linie der Erkenntnis: Egal ob wir diese erste Ursache das Absolute, Weltengrund, Gott oder „Sonst wie“ benennen, jedenfalls muss dieses „Sonst wie“ die aufgezeigten Merkmale der ersten, nicht bewirkten Ursache alles mit den Sinnen zu er-fahrenden Seins aufweisen. "Asche zu Asche, Staub zu Staub - Asche, also Feuer!" Wir werden die „Signalfeuer der Landebahn“ einschalten müssen - dort draußen ist etwas.
2. Ist darüber hinaus ein Mehr an Erkenntnis über diese alles schaffende Kraft zu gewinnen?
a. Sie existiert jetzt und stets: Wenn diese erste, alles schaffende Kraft, weil keinen zeitlichen Anfang habend, kein zeitliches Ende haben kann, dann existiert diese eine, einzige Ursache aller Ursachen jetzt und stets, weil offensichtlich zeitlich unendlich: Diese Ursache kann nicht vergangen oder gestorben sein.
b. Diese stets vorhandene erste Ursache ist wirkmächtig: Der Satz "Von nichts kommt nichts!" gilt viel präziser: "kein Geschehen ohne die dazu erforderlichen wirkmächtigen Ursachen". Keine Wirkung kommt ohne ihre angemessenen Ursachen aus: Eine einzelne (kleine) Maus kann keinen (großen) Berg hervorbringen. Und wie aus dem Ausmaß ihrer gewaltigen Wirkungen, den Erscheinungen des sinnenhaft erfahrbaren Kosmos abzuleiten ist: Diese alles schaffende Kraft kann nicht ohnmächtig sein.
c. Sie ist lebendig: Diese kühne Aussage ist kein eklatanter Verstoß gegen die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft. Der (tote) Berg kann keine (lebende) Maus erzeugen. Ob der Apfel weniger weit oder weiter weg vom Stamm fällt, mag dahinstehen, eines aber ist sicher: der Apfel stammt vom Baum - und nicht vom Stein. "Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Unbelebtem und Belebtem, Materie und Energie sind zwar notwendige Grundgrößen alles Lebendigen, aber sie heben lebende und unbelebte Systeme noch nicht grundsätzlich voneinander ab. Zum zentralen Kennzeichen aller Lebewesen gehört aber die in ihnen enthaltene Informationen für alle Betriebsabläufe (Realisierung aller Lebensfunktionen, genetische Information zur Vermehrung). Informationen gehört wesensmäßig zu allem Leben ... der von Pasteur aufgestellte Satz: "Leben kann nur aus Leben kommen" (omne vivum ex vivo) lässt sich darum auch wie folgt ausdrücken: "Information kann immer nur von einer Informationsquelle stammen." (W. Gitt, Schuf Gott durch Evolution? Hänssler-Verlag, Holzgerlingen 7. A., 2005, S. 24) Diese stets vorhandene erste wirkmächtige Ursache ist offensichtlich lebendig ausweislich ihrer lebenden Wirkungen, den lebendigen Dingen der erfahrbaren Welt. Diese stets vorhandene Ursache kann nicht leblos sein.
d. Sie ist planender Geist: Wie die in ihren Wirkungen, wie die in den Werken dieser Planung niedergelegten „Baupläne“ offenbaren ist diese stets vorhandene erste wirkmächtige und lebende Ursache offensichtlich planend: "Die sexuelle Fortpflanzung ist nur möglich, wenn beide Geschlechter gleichzeitig über voll funktionsfähige Organe verfügen. In einem Evolutionsprozess gibt es definitionsgemäß keine lenkenden, auf Zweckmäßigkeit ausgerichteten planenden Strategien. Wie aber können dann so unter-schiedliche und komplexe Organe, die zueinander bis in die letzten morphologischen und physiologischen Details aufeinander abgestimmt sind, plötzlich in der Evolution auftreten." (W. Gitt, a.a.O., S. 36) Planen ist kein Zustand, sondern eine Tätigkeit, und zwar keine körperliche, sondern eine geistige. Geistige Tätigkeit aber kann nur von einem tätigen Geist ausgeübt werden. Die Erscheinungen dieser Welt können nicht Zufall sein; diese erste Ursache ist tätiger, planender Geist.
e. Sie muss ihren Werken gut sein: Wenn Materie sich nicht selbst zu erschaffen vermag, wenn der Kosmos bei ernsthafter Betrachtung kein zufälliges Produkt irgendeiner „sich stets und zufällig höher und höher entwickelnden Entwicklung“ aus dem Zufall, dem Nichts sein kann, sondern ein Erzeugnis einer außerweltlichen, tätigen, planenden, ersten Ursache, dann stellt sich die Frage nach dem Warum?. Wir können hier nur mutmaßen, indem wir menschliche Triebkräfte diesem planenden Geist zuschreiben: die Frage nach einer Motivation, einer Intention dieses planenden Geistes. Menschlich betrachtet ist die Intention des Schaffenden sozusagen in dem Streben nach Vollendung seines Schaffens, dem vollendeten Werk begründet. Dieses Verhältnis des Erzeugers zu seinem Erzeugnis gleicht dem eines Bildhauers zu seinem Werk. Diese stets vorhandene erste wirkmächtige, lebende und planende Ursache ist offensichtlich ihren Wirkungen, den Ergebnissen ihrer Planung zugeneigt, ist ihren Werken offensichtlich gut gesinnt ausweislieh der zum Dasein, zum Licht, zum Leben und zum Lieben strebenden Dinge der erfahrbaren Welt.
f. Aber die Verbindung muss irgendwie gebrochen sein: Andererseits ist das Gute keineswegs selbstverständlich, sind die Erscheinungen dieser Welt zerbrechlich, vergänglich, partiell hässlich, und Bosheit ist den handelnden Personen nicht wesensfern. Es gibt nicht nur das Gute, es gibt auch das Böse. Die Strebekräfte des Menschen sind nicht allein zum Guten geneigt, er ist nicht von Grund auf gut. Er hat beträchtliche Motivationskräfte zum Zerstören, zum Verneinen und Verleugnen, zur Auflehnung, zum Entzweien, zum Widerspruch, zur Unordnung, zum Hass gegen das außer ihm Existierende und gegen sich selbst: Die Verbindung zu der guten Ursache aller Ursachen scheint irgendwie gestört, gebrochen, ambivalent.
Dies ist die zweite Linie der Erkenntnis: Sie ist nicht so unmittelbar zwingend einsichtig, wie der Schluss von der Vergänglichkeit des Kosmos auf die alles schaffende Kraft. Man muss schon genauer hinsehen oder hinhören. Ich für meinen Teil halte dafür, dass nicht nur etwas dort draußen ist - sondern dass es offensichtlich Dinge zu klären gibt - und dass wir die Quelle, den Adressaten gefunden haben, dem wir mit allem Grund unsere Dankbarkeit für all das Gute entgegen bringen können, das wir empfangen. Wir sind zum Leben und zum Handeln berufen worden - und wir dürfen dieser Quelle antworten, die uns dazu berufen hat: "Vater unser!".
Die Vernunft verweist auf eine einzige, stets vorhandene, erste, wirkmächtige, lebende und planende, ihren Werken offensichtlich gut gesinnte geistige Ursache, zu der allerdings die Verbindung in irgendeiner Weise problematisch ist. Mehr an verfügbarem Wissen über eine Art von „Weltengrund“, so vermute ich, ist allerdings mit den Mitteln der Vernunft, des Beobachtens, Vergleichens und Folgerns kaum herauszulesen.
3. Und was stellt dem gegenüber der Glaube der katholischen Kirche als zu glauben vor?
a. "Alexamenos betet Gott an."
Auf dem Palatins-Hügel in Rom legte man bei Ausgrabungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein um das Jahr 125 n. Chr. datiertes Graffiti, eine kleine Mauerkritzelei frei: Dargestellt ist ein Junge, der vor einer ans Kreuz gehefteten menschlichen Gestalt mit Eselskopf kniet, versehen mit dem Spottverslein: „Alexamenos betet Gott an." Ein solcher Glaube, nach dem der ein(-zig)e Gott Mensch geworden ist, um sich dann widerstandslos abschlachten und ans Kreuz heften zu lassen, ist für die Juden, die ihren Messias erwarten, einen, der den imperialen Interessen des jüdischen Volkes dienen wird und Jakob, Israel, den Streiter Gottes über alle Völker erheben wird, nachdem die Römer aus dem Land geworfen sind, eine rassische und vor allem eine religiöse Beleidigung, eine Schande, kurzum ein Ärgernis. Für die Heiden jedoch ist ein solcher Glaube eine Eselei, eine Torheit. Ein solch unsinniger Aberglaube wäre ein durch und durch untaugliches Werbemittel für eine im Aufbau befindliche religiöse Gemeinschaft: Welche auf Erfolg und Expansion, auf gezielte Sammlung einer Anhängerschaft ausgerichtete sozusagen im Gründungsstadium befindliche religiöse Bewegung wäre denn dermaßen mit Dummheit geschlagen, ausgerechnet das offensichtliche vollständige Scheitern ihres eigenen religiösen Führers, gipfelnd in dessen öffentlicher Hinrichtung durch die Staatsgewalt wegen religiösen Hochverrats zur Kernaussage, zum Programm ihrer Gründung zu proklamieren?
b. Hat sich dieser religiöse Führer das Prädikat des religiösen Hochverräters dem einen Gott Israels gegenüber verdient? Was sagt der so Beschuldigte nach den Angaben seiner Jünger selbst dazu?
Der Vorwurf lautet: "denn er hat sich selbst zum SOHNE GOTTES gemacht." (NT, Johannes 19, 7; Zitate aus dem Neuen Testament der HI. Schrift, soweit nicht anders gekennzeichnet, sind entnommen: Ketter, P., Das Neue Testament, Stuttgarter Kepplerbibel, Kepplerhaus Verlag, Stuttgart, 1959; die Zitierweise beginnt mit "NT", d. h. Neues Testament)
"Jesus sagte zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr doch mich lieben. Ich bin von GOTT ausgegangen und gekommen. Ich bin nämlich nicht von mir selbst gekommen, sondern ER hat mich gesandt." (NT, Johannes 8, 42 und 43); "Mein VATER ist es, der mich verherrlicht, von dem ihr saget, er sei euer GOTT." (NT, Johannes 8, 54); Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham ward, BIN ICH." (NT, Johannes 8,58):
Wegen der Besonderheit der Satzstellung im Deutschen, nämlich dem vorangestellten Prädikat (vor dem Subjekt) in einem Nachsatz, der sog. Inversion - "Ehe Abraham ward, BIN ICH" (anstatt: "Ehe Abraham ward, ICH BIN") - wird die Übersetzung der alles über-ragenden Bedeutung dieser Aussage nicht gerecht. Der bedeutungsschwere Inhalt wird aber mit einem Schlage deutlich, wenn man die Inversion vermeidet: "ICH BIN, ehe Abraham geworden" - dieses "ICH BIN" ist der Name, den nicht irgend jemand, sondern Gott selbst sich beigelegt hat:
Da sprach Gott zu Moses: „Ich bin der ICH BIN" (AT, Exodus 3, 14; Zitate aus dem Alten Testament der HI. Schrift, soweit nicht anders gekennzeichnet, sind entnommen: Riessler/Storr, Die Hl. Schrift des Alten und des Neuen Bundes, 11. A., Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1961, a.a.O.; die Zitierweise beginnt mit "AT", d. h. Altes Testament)
"ICH BIN" lautet auf hebräisch, phonetisch: "ECHJE(H)"; daher der Name Gottes auf hebräisch, phonetisch: "JACHWE(H)"; auf deutsch: "DER IST".
"Ihr werdet in euren Sünden sterben. Denn wenn ihr nicht glaubet, dass ICH es BIN, werdet ihr in euren Sünden sterben." (NT, Johannes 8,24),
"Des Herrn Entschließung will ich künden; er sprach zu mir: DU bist MEIN SOHN, ICH habe HEUTE DICH gezeugt." (AT, Psalm 2, 7),
"Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und ihn Emanuel benennen: GOTT mit uns" (AT, Isaias 7, 14)
Dieses ICH BIN ist nicht der hilflose Ausdruck für etwas Unbenanntes, sondern die präzise Bezeichnung für das „nicht Gewordene“, das (ohne Anfang, das ewig) Seiende, das Unveränderliche, das Außerweltliche, das uns von der Vernunft als Ursache des Kosmos dargestellt wird.
Nicht Abraham, nicht Moses, nicht Konfuzius, nicht Buddha (Siddharta Gautama), nicht Zoroaster (Zarathustra), nicht Mohammed, keiner der Religionsstifter, sie alle haben sich nicht als Gott bezeichnet. Und derjenige, der sich selbst als DER "ICH BIN" bezeichnet hat, hat sich nicht als Religionsstifter, sondern als Religionsvollender verstanden: Vollender des Alten und damit zugleich Begründer des Neuen Bundes, die beide zusammen den Einen Bund Gottes mit den diesem Bund angehörenden Menschen ergeben: "Glaubet nicht, ich sei gekommen, das Gesetz oder die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen aufzuheben, sondern zu erfüllen." (NT, Matthäus 5, 17)
c. Enthält die Behauptung der Gottessohn-Eigenschaft einen Mehr-Götter-Glauben; steht sie im Widerspruch zur von der Vernunft erkannten notwendig ersten, einen Ursache?
"Es sprach der HERR zu meinem HERRN: Setz dich zu meiner Rechten." (AT, Psalm 109 (110), 1),
"Da nun die Pharisäer versammelt waren, fragte sie Jesus: Was haltet ihr vom Messias, wessen Sohn ist er? Sie sprachen zu ihm: Davids. Da erwiderte er ihnen: Wie nennt ihn aber David im Geiste HERR, da er spricht: Es sprach der HERR zu meinem HERRN: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege? (Psalm 110 (109), 1) Wenn nun David ihn Herr nennt, wie ist er dann sein Sohn? Und niemand konnte ihm ein Wort erwidern, noch wagte es einer von jenem Tage an, ihn weiter zu fragen." (NT, Matthäus 22, 41-46)
„HERR“ – „adonai“ - ist die gebräuchliche Bezeichnung für Gott, da die Hebräer fürchteten, sie könnten, wenn sie das Wort „Gott“ - das ist „DER IST“, hebräisch, phonetisch „JACH-WE(H)“ - aussprechen, dessen Namen verunehren. Die volle Bedeutung dieser Textstelle lautet daher: "Es sprach GOTT zu meinem GOTT":
David redet also von nichts weniger als von zwei göttlichen Personen. Da sie David weder der Volltrunkenheit noch der Gotteslästerung angeklagt haben, sondern ihn als Pro pheten anerkennen: die Schrift des Alten Bundes redet nicht von einer, sondern jedenfalls von zwei Personen, denen die Eigenschaft des Gott-seins zukommt.
"Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen als unser Bild nach unserem Gleichnis!" (AT, Genesis 1, 26; im Vulgata-Text: "Faciamus hominem ad imaginem, et similitudinem nostram")
d. Nichts mit einem Drei-Götter-Glauben gemein hat der Glaube an den dreieinigen, den dreifaltigen , den dreigestaltigen Gott; diese Einsicht gebietet die Vernunft:
Die in analoger Weise schlussfolgernde allenfalls ansatzweise, eher aus der Verneinung der Bedeutung, die es bedeutet (Gott ist nicht so wie wir Menschen: er ist nicht endlich, nicht begrenzt mächtig, nicht begrenzt heilig, nicht begrenzt lebendig, nicht erschaffen, er ist DER ANDERE), zu ertastende, aber nie in Gänze zu begreifende Wesenheit Gottes umfasst vollkommene Glückseligkeit, vollkommene Machtfülle, vollkommene Heiligkeit, vollkommene Weisheit, vollkommene Gerechtigkeit, vollkommene Wahrheit, vollkommene Liebe, vollkommene Seinsfülle - und also vollständige Bedürfnislosigkeit. Darum kann es unter den drei Personen der Gottheit keinen Unterschied geben, weder in der Macht- oder der Seinsfülle, noch im Wissen oder im Willen. Denn gäbe es einen Unter-schied, dann wären die Personen nicht in gleicher Weise und eben darum nicht vollkommen glückselig, nicht vollkommen heilig, nicht vollkommen gerecht, nicht vollkommen liebend, nicht vollkommen wahrhaftig, nicht allwissend, nicht allmächtig, wären nicht in Gänze „Das Sein“, wären also nicht Gott. Das, was unter Menschen durchaus möglich ist, ist bei Gott unmöglich: Ein Sohn erklärt seinem Vater, er gehe jetzt schwimmen, denn er bedürfe der Abkühlung, der Vater erklärt demgegenüber, er werde nicht mitkommen, denn er habe das Bedürfnis nach Ruhe; der andere Sohn hingegen erklärt, er schließe sich dem Vater an, denn er bedürfe wegen einer Erkältung der körperlichen Schonung.
Daher kann es in den göttlichen Personen auch keine Unterscheidung der „Charakterlichkeiten“ geben, etwa indem man in menschlichem Unverstand dem Vater mehr das Attribut der Gerechtigkeit, dem Sohn mehr das der Wahrheit, dem Heiligen Geist mehr das der Liebe zuzuschreiben suchte. Vater-sein und Sohn-sein sind keine Charaktereigenschaften, sondern Relationen, Beziehungen, nämlich die des Erzeugers im Verhältnis zum Erzeugten bzw. umgekehrt und damit der Teilhabe des Sohnes an derselben Natur des Vaters - im Gegensatz zum Erschaffen-sein der Geschöpfe. Der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohne, sich einander in Liebe erkennend, ausgeht, ist tatsächlich die Liebe, aber es ist eben gleichermaßen die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Denn wenn einer göttlichen Person charakterlich ein Alleingang, eine Sonderstellung in Form eines mehr, eines Vorzugs oder einer Schwäche, eines Anders-seins zukäme, wäre dieses mehr, dieses Anders-sein entweder ein zuviel, ein Fehler, eine Unvollkommenheit also, die den anderen beiden göttlichen Personen abginge und von diesen irgendwie ausgeglichen würde, oder es läge insofern die Fülle der Vollkommenheit, des Seins vor, die den anderen beiden göttlichen Personen irgendwie fehlte: Also wäre nicht jede der drei göttlichen Person "Gott", sondern sie wären irgendwie nur gemeinsam, nur in der Ergänzung ihres Anders-seins stark, göttlich, wären irgendwie drei Götter - und also läge keine Einheit in der Natur und keine Gleichheit in der Majestät vor. Es gilt aber vielmehr:
Die drei göttlichen Personen unterscheiden sich eben nicht durch Anders-sein. "Ich und der Vater sind eins." (NT, Johannes 10, 30), "Glaubet mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist." (NT, Johannes 14,11), "Alles, was der Vater hat, ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem Meinigen und wird es euch verkünden." (NT, Johannes 16, 15)
Dazu Van Acken, Konvertiten-Katechismus, 9. Aufl., 1952, Bonifatius-Druckerei, Paderborn., S. 25, f.:
"Mag das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit für unsere irdische Erkenntnis dunkel bleiben, unser Glaube empfing in ihm sein schönstes Licht. Denn es lässt uns den inneren Grund des göttlichen Wesens einigermaßen schon in diesem Erdenleben erfassen. Der heilige Johannes sagt in seinem ersten Brief (4, 8): Gott ist die Liebe. Der Vater ist so sehr die Liebe, dass er gar nicht allein bleiben kann.
Er muss aus innerster Notwendigkeit heraus seinem Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit das göttliche Dasein und Leben schenken. So zeugt der Vater den Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und der Sohn ist so sehr die Liebe, dass er gar nicht anders kann, als dem Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit zu danken. Und wenn die Liebe von Vater und Sohn zusammenströmen, dann ist das der Heilige Geist, der nichts anderes ist als die Person-gewordene Liebe zwischen Vater und Sohn. So geht der Heilige Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit zugleich von Vater und Sohn hervor. Im Heiligen Geist schließen sich Vater und Sohn, die in der Zeugung gleichsam zur Zweiheit auseinander getreten sind, wieder zur Einheit zusammen. So sind alle drei Personen von diesem unendlichen Strom der innergöttlichen Liebe durchdrungen, so dass sie alle in einander leben (vgl. Joh. 14,3 -11). Voll Ehrfurcht steht der wahre Christ vor diesem Geheimnis seines Glaubens, in das er niemals tief genug eindringen kann. Er erkennt darin aber auch den Grund für seine eigene Verpflichtung zur Liebe Gottes und des Nächsten."
"Es ist in Wahrheit würdig und recht, billig und heilsam, Dir immer und überall dankzusagen, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott. Mit Deinem eingeborenen Sohne und dem Heiligen Geiste bist Du ein Gott, ein Herr: nicht als wärest Du nur eine Person, Du bist vielmehr in drei Personen ein Einziger. Was wir auf Deine Offenbarung hin von Deiner Herrlichkeit glauben, dasselbe glauben wir ohne irgendeinen Unterschied auch von Deinem Sohne, dasselbe vom Heiligen Geiste. Und so beten wir beim Lobpreis des wahren und ewigen Gottes in den Personen die Verschiedenheit, in der Natur die Einheit, in der Majestät die Gleichheit an." (Präfation von der allerheiligsten Dreifaltigkeit, vergl. Schott, Das Römische Messbuch, 12. A., Freiburg, 1952)
"Vieles wird in der Heiligen Schrift von unserem Heiland ausgesagt, wovon ihm offenbar einiges als Gott, anders als Menschen zukommt, da er ja von den verschiedenen Naturen ihre verschiedenen Eigentümlichkeiten angenommen hat. In Wahrheit sagen wir daher, Christus sei allmächtig, ewig, und unermesslich, was er von der göttlichen Natur hat. Hinwiederum sagen wir von ihm, dass er gelitten habe, gestorben, aufgestanden sei, was, wie niemand bezweifelt, der menschlichen Natur zukommt. Allein, außer diesem kommt noch einiges andere beiden Naturen zugleich zu, wie an dieser Stelle, wo wir ihn unseren Herrn nennen. Wenn mithin diese Benennung sich auf beide Naturen bezieht, so muss er mit Recht als unser Herr bekannt werden. Denn wie er selbst ewiger Gott ist, gleich dem Vater, so ist er auch auf gleiche Weise Herr aller Dinge, wie der Vater; und wie er und der Vater nicht verschiedene Götter sind, sondern durchaus der nämliche Gott: so ist auch er und der Vater nicht jeder ein anderer Herr." (Römischer Katechismus nach dem Beschlusse des Konzils von Trient, übersetzt nach der zu Rom 1855 veröffentlichten Ausgabe, Petrus-Verlag, Kirchen/Sieg, 1970, S.33)
e. Ist also der Vorwurf des religiösen Hochverrats, der Gotteslästerung gegenüber dem einen, dem wahren Gott Israels zutreffend?
"Ihr sollt nicht Hochverrat es nennen, was dieses Volk als Hochverrat bezeichnet! Habt keine Furcht vor seiner Furcht; erschauert nicht! Für hehr und heilig sehet an den HERRN DER HEERSCHAREN! Nur der sei eure Furcht! Nur der sei euer Schrecken! Er wird wie ein Gewicht, ein Stein des Anstoßes, ein Block des Strauchelns für beide Häuser Israels, wie eine Schlinge, eine Falle für die Einwohner Jerusalems. Dort stoßen viele sich, zerschmettern sich im Fall; hier werden viele in das Garn verwickelt und gefangen. Verschnüre die Vermahnung! Versiegele die Verkündigung mit Siegelwachs!" (AT, Isaias 8, 12-16)
Nach den Berichten der Christen hat deren Messias eine Fülle von plötzlichen - auch für die moderne Medizin nicht erklärlichen und nicht reproduzierbaren - Heilungen vorgenommen, einschließlich Heilungen vom Tode; dass auch die damaligen Menschen die Anzeichen von Bewusstlosigkeit und Tod unterscheiden konnten und nicht schlechthin dumm waren, davon kann man getrost ausgehen. Und Lourdes ist vor der Zeit des sog. II. Vatikanums von mit den Erkenntnissen der modernen Medizin nicht erklärlichen Heilungen, von Medizinern geprüft, übergequollen.
Außerdem hat sich deren Messias zum Beweis seiner Sendung und der Wahrheit seiner Worte gerade auf diese Wunder berufen: "Da brachte man zu ihm einen Gelähmten, der auf einem Bette lag. Da Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei getrost, mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben. Siehe, einige der Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst: Der lästert Gott. Da Jesus ihre Gedanken durchschaute, sprach er: Warum denket ihr Böses in eurem Herzen? Was ist leichter zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf und wandle? Damit ihr aber wißt, dass der Menschensohn Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben - da sprach er zu dem Gelähmten: Steh auf, nimm dein Bett und geh nach Hause. Und er stand auf und ging nach Hause." (NT, Matthäus 9,2-7)
Auf die Frage der Johannes-Jünger: "Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?" (NT, Matthäus 11, 3) antwortet Jesus: „Gehet hin und meldet dem Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzigen werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird die Heilsbotschaft verkündet. Und selig ist, wer kann mir nicht Anstoß nimmt." (NT, Matthäus 11,4 - 6),
"Darauf begann er die Strafrede an die Städte, in denen seine meisten Wunder gesche-hen waren, weil sie sich nicht bekehrt hatten. Wehe dir Korozain, wehe dir, Bethsaida! Denn wenn zu Tyrus und Sidon die Wunder geschehen wären, die bei euch geschehen sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan." (NT, Matthäus 11, 20 und 21)
Daher glauben wir auch dem Apostel Thomas, dass seine innere Erschütterung, als er die Wundmale Christi berührte, wirklich vorhanden war. Und wir glauben auch den Be-richten des Talmud, dass sie auf Schilderungen der Gegner Jesu beruhen, die dessen Wunderwerke und Totenerweckungen seinem bösen Geist zuschrieben, - sie also nicht bestritten, ja nicht einmal bezweifelten, sondern offensichtlich erlebt hatten und damit als Kronzeugen der Wunderkraft Jesu auftreten, mit der er seinen Ausgang und seine Sendung von Gott feierlich beglaubigte und bestätigte (s. dazu "Jesus im Talmud", in "Einsicht" 6/2013, S. 54 ff, eine Besprechung der deutschen Übersetzung von Peter Schäfer, "Jesus in the Talmud").
(Fortsetzung folgt)
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