Wege der Liebe und des Lichtes
Abt Adalbert von Neipperg-Bekenner und Märtyrer
von Magdalena S. Gmehling
Der 2011 verstorbene Publizist und Ideenhistoriker Gerd-Klaus Kaltenbrunner, hatte in seinem Haus eine kleine Bildergalerie in welcher Fotos von außergewöhnlichen Persön-lichkeiten hingen. Mir fiel dort immer das Porträt des Abtes Adalbert von Neipperg auf. Diese herausragende Gestalt verehrte Kaltenbrunner als leuchtendes Vorbild in schwerer Zeit. Das Schicksal und die menschliche Größe des Benediktiners sollten unvergessen bleiben. Wie sein Zeitgenosse, der Kapuzinerpater Ingbert Naab aus der Pfalz, darf der Abt als kompromissloser Prophet wider den Zeitgeist, als einfühlsamer Seelsorger und charismatischer Jugendapostel bezeichnet werden.
Karl Graf von Neipperg entstammte einer alten schwäbischen reichsunmittelbaren Adelsfamilie. Geboren wurde er am 31. März 1890 in Meran, wuchs aber auf dem Stammgut Schwaigern bei Heilbronn auf. Das Geschlecht der Grafen von Neipperg stand oftmals in habsburgischen Diensten, ja es war sogar mit dem Kaiserhaus liiert. Die Tochter Kaisers Franz II., Marie-Louise (1791-1847), Kaiserin der Franzosen, heiratete nach dem Tode Napoleons 1821 in morganatischer Ehe Adam Albert Graf von Neipperg.
Karl war das fünfte Kind der Neippergs. Seine Mutter, eine geborene Waldstein stammte aus dem böhmischen Geschlecht Wallenstein. Die Erziehung des hochbegabten und sensiblen Knaben erfolgte standesgemäß. Eine gewisse Kargheit war unverkennbar. Die Mutter achtete sehr auf eine streng katholische Prägung. In Heilbronn legte der junge Mann das Abitur ab und entschied sich dann 1908 für ein Studium der Kunstgeschichte in München. Wenn der Student auch am regen gesellschaftlichen Leben teilnahm, so zeigte er schon früh den Hang zur Beschaulichkeit. Während eines Exerzitien Kurses in der Erz Abtei Beuron wurde ihm seine Ordensberufung klar. Am 7. April 1911 trat Karl Graf von Neipperg in das Noviziat ein und erhielt den Namen Adalbert. Ohne Schwierigkeiten unterwarf er sich der mönchischen Lebensform. Sein Novizenmeister urteilte: „Was fr. Adalbert ins Kloster mitbrachte, war eine heitere Natürlichkeit ohne alles aufdringliche Wesen, eine gleichsam angeborene männliche Frömmigkeit und einen ausgesprochenen Eifer, es allen gleichzumachen, wenn nicht gar, es ihnen zuvorzutun.“ Allerdings zeigt sich auch sehr bald, dass der junge Kleriker nicht mit Arbeiten überhäuft werden darf. Seine Sensibilität und die schwachen Nerven führten immer wieder zu Erschöpfungszuständen. Die Mutter beschwört ihn, damit umzugehen wie mit einem Kreuz das getragen werden muss. Bald nach der Weihe wird Pater Adalbert Klerikerpräfekt. Sein ausgesprochenes Redetalent zieht Menschen an. Es mehren sich die Predigtaufträge und Vorträge. Ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zeigt der junge Geistliche auch insofern, als er während des 1. Weltkrieges dem Feind keinesfalls mit Hass begegnen möchte. Er hat kein Verständnis für die unchristliche Haltung: Gott strafe England.
Vor allem liegt Neipperg das geistige Zuhause der Jugend in der Kirche am Herzen. Er stellt sich zur Verfügung, als es darum geht, den 1919 gegründeten Bund Neudeutschland, einen katholisch demokratischen Schülerverband und die Vereinigung Quickborn (lebendige Quelle), welche aus der Tradition der katholischen Jugendbewegung entstanden ist, in rechte Bahnen zu lenken. 1928 wird der junge Mönch Prior der holländischen Abtei Benediktsberg und 1929 Abt der neu errichteten Abtei Neuburg bei Heidelberg. Die erste Benediktinerabtei auf badischem Boden erfuhr wenig wohlwollende Duldung. Polemische Angriffe der Universitätsprofessoren und der liberalen Heidelberger Bürger verfolgten die Gründung mit antikatholischer Gehässigkeit. Abt Adalbert wirkte versöhnend und ausgleichend. Sein hoher Intellekt. die kompromißlose Frömmigkeit und die wegweisende Autorität befähigten ihn auch in seinen Vorträgen klare Stellung gegen den Nationalsozialismus zu beziehen. Er warnte die Studenten davor, als Katholik Mitglied der NSDAP zu werden. Durch seine Monatsschrift „Das Wort in der Zeit“ versuchte er theologisch und literarisch zugleich, eine geistig aufgeschlossene Leserschaft anzusprechen. Namhafte Autoren wie Regina Ullmann, Gertrud von le Fort und Hans Carossa veröffentlichten in dieser anspruchsvollen Publikation ihre Texte.
Allerdings kam es bald innerhalb der Abtei zu Turbulenzen. Finanzielle Schwierigkeiten und innerklösterliche Intrigen zwangen Abt Adalbert 1934 zur Resignation. Er zog sich in die Benediktinerabtei Seckau in der Steiermark zurück. Aus Deutschland erreichen ihn schlimme Nachrichten. Als 1938 der sogenannte Anschluss Österreichs erfolgt, geht er über die jugoslawische Grenze. Aufnahme findet er bei dem ihm verwandten Grafen Attems in Windisch-Feistritz. Trotz seiner guten Beziehungen zum jugoslawischen Königshaus kommt es wieder zu Verleumdungen. Selbst der Nuntius unterstellt ihm, er sei in der Voyvodina unter Volksdeutschen politisch tätig gewesen. In Wirklichkeit aber übt er eine rein seelsorgerliche Tätigkeit aus, erachtet es aber als seine Pflicht, die christlichen Wahrheiten ohne jegliche Furcht zu verkünden. Nach dem Blitzkrieg der Deutschen gegen Jugoslawien und der Besetzung des Landes weigert er sich, zu fliehen. Im Benediktinerhabit versieht er seinen Dienst in den Kasernen von Windisch-Feistritz, übernimmt die Pfarrei und auch die Nachbarpfarreien und versorgt Tausende von Katholiken. Er achtet nicht auf die Gefahren, wenn er Partisanengebiet betreten muss. Versehgänge absolviert er immer im Chorrock. Mit großer Unerschrockenheit begegnet er dem deutschen Militär. Soldaten aller Konfessionen suchen bei ihm Rat und Beistand. Bis zum 9. Mai 1945, dem Kapitulationstag, bleibt er in Windisch-Feistritz. Dann vertraut er einem einheimischen Priester die Pfarrarbeit an und versucht mit den letzten abziehenden deutschen Soldaten Österreichs Grenze zu erreichen. Doch am gleichen Tag wird er in der Nähe des slowenischen Marburg von Partisanen gefangen und in die Stadt gebracht.
Man kann sich die chaotische Lage kaum schrecklich genug vorstellen. Immer wieder kommt es zu Massenerschießungen. Die Aufständischen und ihre verbündeten Truppen terrorisieren die verbliebenen Deutschen und sperren sie in Konzentrationslager. Abt Adalbert lehnt die Repatriierung ab und bleibt bei den kranken Soldaten als Lagergeistlicher. Er teilt ihren Hunger und sorgt gegen alle Widerstände für ein christliches Begräbnis der Toten. Seine aufrechte Haltung, sein gutes Beispiel vermag die erregten Gemüter immer wieder zu beruhigen.
„Bei einem Stadtgang wurde der Abt von einem Offizier angehalten und kontrolliert. Weil dem Offizier die Haltung des Abtes imponierte, lud er den Gefangenen zum Mittagessen in die Kaserne ein. Abt Adalbert hatte den Mut, die Einladung anzunehmen und im Offiziers-kreis in französich klare Worte über die unmenschliche Behandlung der Deutschen zu sprechen, ohne dass ihm etwas geschah. Er verlor nie die Haltung, sondern konnte mit Witz und Schlagfertigkeit manche schwierige Lage meistern. So spottete einer der Offiziere: ‚Sie sind also auch ein so deutscher Übermensch! ‘ Abt Adalbert: ‚Was die Körpergröße angeht, ja. ‘ Mit 1,91 m fiel er immer wieder auf. 1)
Anfang Juli 1946 wird Pater Adalbert mit „75 Herren“ (Offizieren) nach dem Lager 233 in Werschetz im Banat verlegt. Der Transport erfolgt im Viehwaggon. Furchtbarer Hunger und quälender Durst fordern unter den Gefangenen täglich Todesopfer. Abt Adalbert wird selbst im Laufe seiner Gefangenschaft an Ruhr, Lungenentzündung und Diphterie erkranken. Er fällt nicht nur durch sein geistliches Gewand, sondern vor allem durch seine ruhige und besonnene Haltung auf. Auch bei den evangelischen Kameraden wird er überaus geschätzt. So protestiert er gegen die heimtückische Ermordung des evangelischen Bischofs Johnson und hält für ihn einen Gedenkgottesdienst. Ein junger Mohammedaner verlangt am letzten Lebenstag von ihm das Allerheiligste. Er möchte so ruhig sterben wie seine christlichen Kameraden. Viele dieser Gefangenen stehen auch innerlich vor den Ruinen ihrer Ideale, ihres inneren Lebens. Der Abt weiß um ihre Verbitterung, ihre Verzweiflung. Man richtet eine Stacheldrahtuniversität ein, an welcher er Vorlesungen über Philosophie, Religion und Weltanschauung hält. Von seinem Heimatkloster erbittet er katholische Literatur und wird bei den Jugoslawen sofort als Klerofaschist und Agitator für Rom abgestempelt. Wenn Lebensmittelpakete eintreffen, so verteilt er deren Inhalt an seine Leidensgenossen und nimmt selbst mit Hungerrationen vorlieb. Wie sehr er sich nach Chor und Zelle sehnte, vertraut der Priester seiner 90jährigen Mutter in einem Brief an. Er schreibt, dass Gott ihm ein reines und hohes Sehnen gibt und gleichzeitig das Opfer desselben fordert.
1948 scheinen sich die Bedingungen für die Gefangenen zu verbessern. Die Repatriierung rückt näher. Im Advent verdichten sich die Hoffnungen. Man möchte das Weihnachtsfest besonders innig begehen.
Abt Adalbert, der mit scharfen Worten den Nationalsozialismus wie auch den Kommunismus geißelte, hat sich bei der sogenannten Antifa (den Fachleuten für politische Umerziehung) unbeliebt gemacht. Lauernd bietet ihm der Kommissar mit Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand eine „Dozvola“ (Ausgangserlaubnis) an. Sein erster Gang führt ihn in die katholische Kirche. Am 23. Dezember geht er in die Stadt, um Besorgungen zu machen. Die Kameraden haben ihn um verschiedene Gefälligkeiten gebeten. Er kehrt nicht mehr zurück. Die Lagerleitung verbreitet, der Abt habe seine Ausgeherlaubnis zu heimlicher Flucht missbraucht. Ein Gefangener, der als Handwerker in der Stadt arbeitet, entdeckt die Leiche Adalberts im Leichenhaus auf dem Friedhof. Sie weist schwerste Misshandlungen auf. Die Kehle war durchgeschnitten. Angeblich hätten Schweine den unbekleideten Toten in einem Misthaufen freigewühlt. Heimlich und eilig wird der zu Tode Gefolterte ohne Zeugen in der Gruft einer deutschen Familie beige-setzt.
„Dass er so sterben würde, hat mir eine geheime Angst schon vorher gesagt. War doch unser Abt einer von denen, die leider von der Gerichtspraxis des Balkans zu viel am eigenen Leibe hat erfahren müssen. Er wusste zuviel von Dingen, die keine Zeugen vertragen. Außerdem sah man in ihm einen Exponenten der verhassten römisch-katholischen Kirche, deren Einfluss man fürchtete. Er starb als Märtyrer wohl auch des Beichtgeheimnisses.“ (Zeugnis eines Mitgefangenen).
Die Gebeine des verehrten Abtes wurden 1989 in die Klosterkirche der Abtei Neuburg überführt. Sein Name ist im Martyrologium des 20. Jahrhunderts verzeichnet.
Anmerkung: 1) zitiert nach P. Benedikt Pahl OSB Weiterführende Literatur: Wort in die Zeit Nr. 197/ 2013 (Abtei Neuburg) „Abt Adalbert von Neipperg.“ Vortrag von Pater Benedikt Pahl vom 26. Oktober 1992 in Freiburg. Pater Benedikt promovierte an der Universität Würzburg mit einer Arbeit über Abt Adalbert von Neipperg.
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